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Wann darf man seine Protagonisten töten?

Begonnen von Moa-Bella, 22. März 2010, 17:11:21

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Moa-Bella

Ich habe gesucht und dennoch kein ähnliches Thema gefunden, also seit mir nicht böse, sollte ich dennoch eines übersehen haben.

Ich befinde mich zur Zeit in einer Pahse der Planung meines nächsten Projektes, in der alles langsam anfängt, konkret zu werden. Die beiden tragenden Figuren sind ein junger Mann und ein Mädchen etwa im gleichen Alter, so um die 18 Jahre. Ich bin über Umwege auf die Idee gekommen, das Mädchen, die die Geschichte teilweise mitträgt sterben zu lassen, auch wenn die Geschichte teilweise aus ihrer Sicht geschrieben ist. Für meinen anderen Protagonisten würde dies einen starken charakterlichen Wandel bedeuten und mittlerweile gefällt mir die Idee immer mehr.

Jetzt zu meiner eigentlichen Frage, denn diese ist um einiges allgemeiner formuliert und passt somit auch in dieses Board: wann darf man seine Protagonisten sterben lassen? Unter welchen Umständen wird mir dies der Leser verzeihen? Kann man nicht auch durch diese Beeinflussung des Lesers etwas gezielt bezwecken? Welchen Zweck muss das Ableben eines Protas haben, um akzeptabel zu sein? Was sollte man nicht tun?

Wuo Long

Hallo Moa-Bella,

es hat in den Tiefen meiner Erinnerung rumort, dass dieses Thema schon mal besprochen wurde. Dann habe ich den Thread auch gefunden.
Nennt sich "sterbende Figuren" und auch wenn die Beiträge nicht alle spezifisch auf Protagonisten gemünzt sind... meistens dreht sich das Thema dann doch um sie, weil ihr Ableben nun mal eine große Auswirkung auf den Roman haben. 

http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,493.0.html


Moa-Bella

Den Thread kannte ich auch noch, aber da ging es eher um das konkrete Schreiben von Sterbeszenen und nicht darum, wann man sie einsetzetn kann/sollte.

Aethra

#3
Die Hauptrole in einer Geschichte zu spielen und somt sie größte Aufmerksamkeit des Lesers zu erhalten ist eine große Bürde, sie du auf zwei aufgeteilt hast. du willst jetzt das Mädchen sterben lassen, also musst du sehen, dass der andere Charakter das auch verkraftet. Ersetzt du die Rolle weiblichen Person durch einen andere? Ich glaube nicht also:

.Anderer Schreibstil beim Hauptscharakter(jetzt wird im nichts mehr abgenommen, er muss im Zentrum stehen)

.Du kannst einen Protagonisten meines Gefühls nicht "einfach so" loswerden, es muss für mich schon einen triftigen Grund haben und mit der geschichte verwoben sein.

.Der Leser konzentriert sich mehr auf den Hauptcharakter als sonst auch schon, wenn du ihm noch mehr Bedeutung geben willst, ist das durchaus ein legales Mittel

.Der Zweck...,hm, es muss wichtig sein. Dafür gibt es sehr viele Gründe allgemein, in einer Geschichte verrringern sich diese Gründe auf ein paar mögliche für die es sich wirklich zu sterben lohnt. Da solltest du einen finden.

.Du solltest den Chara nicht wegen einer Lapalie sterben lasen, oder  Aufmerksamkeit einfsch unter den Tisch kehren, soll heißen das du die Aufmerksamkeit mit dem dein weiblicher Chara behaftet war nicht umschlichtest, so wie es gut wäre, sondern einfach im Nichts verpuffen lässt

Churke

Ich denke, der Tod einer Figur sollte durch die dramatische Logik bedingt sein. Wo sich bei mir die Fußnägel aufrollen, das sind die Opfer-Geschichten aus amerikanischen Filmen. Wenn der Fernzünder kaputt ist und sich ein freiwilliger Held meldet, um die Bombe manuell zu zünden und so die Welt etc. bla zu retten.

In einer Tragödie ist der Tod die letzte Stufe des Scheiterns. Beispiel: Eine Figur greift nach der Macht, verliert und wird hingerichtet.
Da kann man sagen: selbst schuld. Also holt die Figur ihren Sohn aus dem Kloster und setzt ihn als Stellvertreter ein. Die Rebellion scheitert, auch der Sohn wird hingerichtet.
Der Anlass kann auch viel nichtiger sein. Früher bekam man keinen Bonus, sondern musste sich erschießen, wenn man bankrott gemacht hatte. Eine Frage der Ehre.

Schreiberling

@Churke:
Meinst du damit auch solche Sachen, wie dass der Prota bei einem Unfall sterben kann oder zählt das nicht dazu?

zDatze

Da ist mir Schreiberling jetzt zuvor gekommen. Es ist glaub ich auch wichtig ob der/die Prota gezielt von jemandem getötet wird oder der Zufall mitspielt.

Das größte Problem wird sein, dass dir die Leser diesen "Mord" an einer der Hauptfiguren verzeihen und das Buch dann nicht zur Seite legen (was wahrscheinlich deine Befürchtung ist).  Möglicherweise hilft es ein bisschen, wenn der Tod nicht zu plötzlich kommt. Wenn sie z.B. unheilbar krank ist. Da ist der Leser dann nicht so geschockt, weil er ja weiß, dass es passieren wird.

Nun, ich selber bin noch nicht vor dem Problem gestanden, dass es nachher weiter gehen muss. Ich schreibe normalerweise aus der Sicht einer Figur, wenn diese stirbt, ist das Buch/die Geschichte zu Ende.

Kniffliges Problem ...

Churke

Schreiberling,
natürlich kann eine Figur bei einem Unfall sterben. Aber ich finde trotzdem, dass das in einem inneren Zusammenhang mit dem Plot stehen sollte. Wenn es z.B. um Midlife Crisis und eine gescheiterte Ehe geht, würde ich einen tödlichen Sturz von der Leiter beim Tapezieren wahrscheinlich als unpassend empfinden.

Ich musste mal eine historische Figur *töten*. Das war wie in einem Königsdrama von Shakespeare.

Kuddel

Kennt ihr die Serie "Das Lied von Feuer und Eis"? Wenn es einen Autor gibt, der dem Motto "Kill your darlings" lebt, dann George R.R. Martin.

Wenn man es richtig umsetzt, kann man jeden Hauptprotagonisten töten. Solange der Leser wirklich eine Nachvollziehbarkeit darin sieht.  ;D

Liebe Grüße,
Kuddel
The first draft of everything is shit - Ernest Hemingway

caity

#9
Hallo Moa-Bella,

ich persönlich würde dir als Leser so ziemlich alles verzeihen - vorausgesetzt, ich empfinde es als notwendige Wendung in der Geschichte. Und das ist es auch, was ich hier als wichtig empfindet: Ich weiß nicht, wie weit du deine Geschichte schon vor der Idee, die weibliche Protagonistin zu töten, durchgeplottet hattest. Weißt du das Ende schon? Was ändert sich an dem Ziel? Kann es nur durch den Tod erreicht werden? Muss sich der männliche Protagonist so wandeln? Oder könnte er das Ziel auch mit seiner normalen Art erreichen - oder, das schlimmste: wandelt er sich später womöglich wieder zurück? In letzterem Fall würde ich dir ganz, ganz schnell davon abraten. Nichts ist schlimmer als ein Roman, bei dem eine Hauptperson stirbt, nur, um Dramatik auszulösen, die keinen Einfluss auf das Ende hat!
Auch bescheuert fände ich es, wenn du sie sterben lassen würdest, weil du so nichts mehr im weiteren Verlauf mit ihr anfangen kannst. Am besten überprüfe noch einmal deinen Plot und überlege dir ganz genau: Warum ist es notwendig, dass sie stirbt? Warum geht es nur so und nicht anders?
Das sind für mich die entscheidenden Fragen.

Ansonsten: Ich finde es nicht unbedingt notwendig, den Leser darauf vorzubereiten. Überraschende Wendungen gehören zu einem guten Roman dazu! WIchtig ist nur, dass es gut umgesetzt ist und die Story bereits bisher so fesselt, dass der Leser das Buch nicht aus der Hand legen kann.

Und dir muss klar sein, dass du dann deinen einzigen anderen Perspektivträger nicht töten kannst!

Bye
caity

EDIT: Noch einmal andere Frage - gehört das nicht eher in den "Autoren helfen Autoren"-Thread?
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Dämmerungshexe

Ein schwieriges Thema, mit dem ich mich ansonsten nicht gerne beschäftige, da ich meine Charaktere nur äußerst ungerne sterben lasse.
Allerdings hatte ich neulich dann auch eine Szene, bei der es unumgänglich war die drei Begleiter meines helden umbringen zu lassen. Alles andere hätte keinen Sinn gemacht und das Erlebnis war für den Helden traumatisch und lehrreich zugleich.

Ich denke solche Szenen können schon plötzlich und als Schicksalsschlag daherkommen. Genau genommen ist das vielleicht sogar realistischer als sonstwas, denn auch im realen Leben sidn Unfälle und dergleichen an der Tagesordnung. Auch der Tod durch die gegnerische Seite (also Mord oder dergleiche, oder der Tod im Kampf) ist ein realistisches Szenario (insoweit gut begründet und geschrieben).

Insgesamt würde ich als Leser den Tod eines Sympathieträgers zwar schmerzhaft finden, aber solange er irgendwo logisch ist und auch einen Sinn ergibt (eben um die Weiterentwicklung eines anderen Charakters zu bewirken), ist er durchaus akzeptabel.
Ich glaube nicht dass dir irgendjemand nicht verzeihen wird.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Moa-Bella

Zitat von: caity am 23. März 2010, 08:12:04


EDIT: Noch einmal andere Frage - gehört das nicht eher in den "Autoren helfen Autoren"-Thread?

Eigentlich nicht, sieh mal hier:

Zitat von: Moa-Bella am 22. März 2010, 17:11:21
Jetzt zu meiner eigentlichen Frage, denn diese ist um einiges allgemeiner formuliert und passt somit auch in dieses Board: wann darf man seine Protagonisten sterben lassen? Unter welchen Umständen wird mir dies der Leser verzeihen? Kann man nicht auch durch diese Beeinflussung des Lesers etwas gezielt bezwecken? Welchen Zweck muss das Ableben eines Protas haben, um akzeptabel zu sein? Was sollte man nicht tun?

caity

@ Moa Bella: Ja, man kann es auch allgemein sehen, ist wohl eher meine Antwort, die mehr zum "A h A" passt  ;D
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Joscha

Zitat von: Kuddel am 22. März 2010, 22:43:40
Kennt ihr die Serie "Das Lied von Feuer und Eis"? Wenn es einen Autor gibt, der dem Motto "Kill your darlings" lebt, dann George R.R. Martin.

Wenn man es richtig umsetzt, kann man jeden Hauptprotagonisten töten. Solange der Leser wirklich eine Nachvollziehbarkeit darin sieht.  ;D

Liebe Grüße,
Kuddel

Das Lied von Eis und Feuer ist aber wirklich eine Ausnahme. Der Autor stellt da ja einige Grundregeln der Literatur so mir nichts, dir nichts auf den Kopf. 26 verschiedene Perspektiventräger, eine schier unendliche Länge, unglaublich viele Handlungsstränge und eben die zahllosen Tode.

So etwas kann man machen, aber damit ich das Buch als Leser nicht mit einem schlechten Gefühl beiseite lege, muss es schon verdammt gut geschrieben sein (was "Das Lied von Eis und Feuer", nebenbei bemerkt, ist - und dann unter anderem wegen dieser zahllosen Tode zu meinen Lieblingsbüchern gehört). D.h. der Rest, das Gerüst außenherum an sich muss schon fesselnd sein und der Tod muss direkte und deutliche Auswirkungen auf die Handlung und vor allem den verbliebenen Protagonisten haben, sonst käme ich mir als Leser verkohlt vor.

Prinzipiell gilt dabei auch meistens: Je mehr Protagonisten, desto eher kann die Geschichte den Verlust einer Figur vertragen. Bei nur zwei Protagonisten wird es meiner Meinung nach kritisch.

Viele Grüße
Joscha

Drachenfeder

"Wann darf man seine Protagonisten töten?"
Stellt sich diese Frage überaupt?
Ich darf alles in meiner Geschichte, ich bin Gott!  ;D
Nein mal im Ernst, ich weiß nicht ob man von dürfen sprechen kann, schließlich ist es doch deine eigene Geschichte. Man muss sich den Folgen die ein Tod heraufbeschwört bewusst sein. Sowas kann ja einen ganz schönen Knacks oder einen großen Wendepunkt verursachen.

Ich habe im ersten Teil meiner Saga eine Protagonistin sterben lassen. Sozusagen den Heldentod. Und bei mir gibt es keine Wiederauferstehungen. Tot ist tot. Ich habe die Figur relativ am Ende der Story sterben lassen, da es auch ein Hinweis auf einen "Band 2" darstellen sollte.
Im zweiten Band habe ich genau da angesetzt.

Ich schließe nicht aus, dass ich wieder jemanden sterben lasse. Aber diesmal vielleicht nicht am Ende sondern an einem anderen wichtigen Wendepunkt.