Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Cailyn am 30. Mai 2018, 08:53:11

Titel: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Cailyn am 30. Mai 2018, 08:53:11
Hallo Allerseits!

Ich habe bei meiner Saga ein Problem mit meinen Nebenfiguren. Die Saga dreht sich u.a. um die Schifffahrt, und meine Protas befinden sich häufig auf Schiffen. Folgedessen gibt es auch eine Besatzung.
Im zweiten Band fanden es einige Leser und Buchblogger etwas anstrengend, weil so viele Namen vorkommen, die eigentlich gar nicht wichtig sind - also eben vor allem von den Seemännern, die hier und da etwas tun oder sagen, auch wenn sie sonst keine wichtige Rolle in der Geschichte einnehmen.

Natürlich habe ich schon ein paar rausgesucht, die viel häufiger vorkommen als andere. Aber ich finde es auch unrealistisch, wenn ich immer nur 3-4 Namen erwähne und alle anderen einfach weglasse. Darum kommen halt hier und da auch ganz unwichtige Namen vor. Sonst würde ja der Eindruck entstehen, die Mannschaft bestünde nur aus einer Handvoll Seemänner.

Wie löst ihr so ein Problem, wenn viele unwichtige Randfiguren vorkommen und der Eindruck entstehen soll, dass da nicht nur ein paar Wenige ihre Arbeit verrichten (oder was auch immer), sondern ganz viele, OHNE dass der Leser damit überfordert ist? Habt ihr eine Idee?
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Araluen am 30. Mai 2018, 09:20:58
Hmm schwierige Frage aber interessante Frage. Ich hatte das Problem in der Form jetzt noch nicht, würde abr vermutlich mit Umschreibungen statt konkreten Namen arbeiten, je nachdem wie deine Protas die anderen wahrnehmen: Hakennase, Einbein, der Tätowierte... sowas. Dann kannst du auf dem Schiff noch mit den Rängen arbeiten, ohne den Leuten Namen zu geben.
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: zDatze am 30. Mai 2018, 09:27:06
Wenn es wirklich unwichtige Nebenfiguren sind, dann würde ich die meisten gar nicht mit Namen versehen. Namen lenken Aufmerksamkeit auf die Figur und du hast ja schon berichtet, was passieren kann: man erwartet mehr Präsenz/Relevanz von ihnen.

Der beste Ansatz wäre für mich, den Lesern das Gefühl zu vermitteln, dass es viele Leute auf dem Schiff gibt. Das kannst du einerseits über den/die Perspektivträgerin und deren Gedankenwelt machen, z.B. indem sie sich von so wenig Platz gestresst fühlt oder nach einem Platz zum Alleinesein sucht. Oder sich auch einfach fragt, wie man bitte so etwas dauerhaft aushalten kann.
Oder eben auch direkt zeigen z.B. indem die unwichtigen Figuren in eine Tätigkeit verstrickt sind, die deine Figur beobachten kann. Auf deinem Schiff könnten sie sich nach getaner Arbeit in einer größeren Runde zum Würfel- oder Kartenspielen hinsetzen. Oder ein ständiges Kommen und Gehen in der Messe. Oder in kurz: zeig, dass sie durchaus Menschen sind, die fernab von ihrer Arbeit auch noch ein Leben haben.

Andereseits könntest du den Spieß aber auch umdrehen und den unwichtigen Figuren auch ein kleines Plätzchen einräumen. Falls das in deinen Plot passt. ;)
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Arcor am 30. Mai 2018, 09:44:15
Es hängt in meinen Augen auch vom Perspektivträger ab. Einer von meinen ist Kapitän. Der redet seine Mannschaft ständig mit Namen an, wenn er Befehle erteilt etc., einfach weil es unlogisch ist, dass er sie nicht verwendet. Da muss in meinen Augen der Leser dann durch, selbst wenn die Mannschaft in den Geschichten eher eine untergeordnete Rolle einnimmt.
Kommt dagegen mein anderer Perspektivträger aufs Schiff, der nichts mit der Mannschaft am Hut hat, verwende ich die Namen sehr viel sparsamer, weil er halt keinen Bezug zu den einzelnen Matrosen hat.

Im Übrigen glaube ich, dass der Leser durchaus in der Lage ist, über eine gewisse Zahl an Namen einfach drüberzulesen. Wenn sie immer wieder auftauchen, wird er sie schon von selber als wichtig einstufen. In den marinehistorischen Romanen von C.S. Forrester und Patrick O'Brian gibt es alle Nase lang neue Matrosen, Seekadetten, Master und Mastergehilfen, Offiziere etc. Ein paar tauchen durch viele oder alle Bände hindurch auf und zu denen baut man dann als Leser automatisch eine Beziehung auf. Die anderen nimmt man so hin, wie sie sind. Wobei da natürlich die Ränge auch eine Rolle spielen und helfen, wie Araluen ja schon vorgeschlagen hat. Dabei muss man nur bedenken, dass es richtig viele Ränge primär auf Marineschiffen gab. In der Handelsschifffahrt gab es da bedeutend weniger, meist unter dem Kapitän nur 2 oder 3 und der Rest waren einfache Matrosen.
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Dämmerungshexe am 30. Mai 2018, 09:55:48
Ich stelle mal die Vermutung in den Raum, dass es auch auf die Art des Lesens ankommt. Ich selber "scanne" Texte eher, wenn ich nicht gerade auf der Suche nach spezifischen Informationen bin. Namen sind für mich oftmals komplett abstrakt - ich erkenne die Form des Wortes und kann sie zuordnen. Wenn man mich nach bestimmten Person fragt, weiß ich oft nicht sofort, um wen es geht und könnte den Namen wahrscheinlich nicht einmal aussprechen, aber ich glaube für reine Statisten ist das durchaus legitim. Bei Hauptcharakteren, bei denen genügend Infos geliefert wurden und deren Namen auch oft genug genannt wird, entwickelt sich irgendwann eine "echte Person" in meinem Kopf. Der Rest bleibt aber eher Hintergrundrauschen.
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Churke am 30. Mai 2018, 10:07:33
Zitat von: Cailyn am 30. Mai 2018, 08:53:11
Im zweiten Band fanden es einige Leser und Buchblogger etwas anstrengend, weil so viele Namen vorkommen, die eigentlich gar nicht wichtig sind - also eben vor allem von den Seemännern, die hier und da etwas tun oder sagen, auch wenn sie sonst keine wichtige Rolle in der Geschichte einnehmen.

Ich habe da einen Verdacht: Möglicherweise sind dein Problem nicht die Namen der Figuren, sondern, dass du ihnen kein Gesicht gibst. Du haust - reine Vermutung meinerseites  ;) - dem Leser bloß Namen an den Kopf, mit denen er nichts verbindet, und das strengt den Leser an. Beispiel: Seemann A und Seemann B rackern an einer Winde. Da ist halt Seemann A ein stiernackiger, über beide Arme tätowierter Riese und Seemann B ein blässliches Bürschlein, das seinen Mangel an Kraft mit einem Übermaß an Kraftausdrücken kompensiert. Da wird kaum noch jemand die Namen A und B anstrengend finden.
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Sturmbluth am 30. Mai 2018, 11:26:42
Zitat von: Cailyn am 30. Mai 2018, 08:53:11Im zweiten Band fanden es einige Leser und Buchblogger etwas anstrengend, weil so viele Namen vorkommen, die eigentlich gar nicht wichtig sind - also eben vor allem von den Seemännern, die hier und da etwas tun oder sagen, auch wenn sie sonst keine wichtige Rolle in der Geschichte einnehmen.
Früher habe ich genauso gedacht. Aber seitdem ich "Das Lied von Eis und Feuer" lese, finde ich es sogar gut, dass jede Nebenfigur einen Namen bekommt. Es macht das Setting einfach lebendig.
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Simara am 30. Mai 2018, 11:53:22
Ich glaube, dass es da grundsätzlich auch um die individuellen Vorlieben der Leser*Innen geht. Ich persönlich bin jemand, der auch gerne die Namen der Statisten kennt, einfach um ein besseres Gefühl für die Welt zu bekommen. Auf der anderen Seite kann ich jedoch sehr gut verstehen, wenn andere Leute genau diese Liebe fürs Detail als ablenkend empfinden. Beim Schreiben versuche ich daher immer einen Mittelweg zu finden, heißt konkret: Wer nur wenige Male vorkommt und keinen bleibenden Eindruck bei den Hauptfiguren hinterlässt braucht keinen Namen, sondern kann dann auch einfach nur "der Wirt" oder "der Steuerman" heißen. Bei Figurengruppen, wie etwa auch auf Schiffen, versuche ich immer mindestens ein oder zwei gut ausgearbeitete Nebenfiguren zu haben und die restlichen dann meist eher als "Hintergrundmusik" zu benutzen. Wenn man sehr viel Spaß an Detail hat (so wie ich) kann man ja auch unbenannte Figuren unterschwellig charakterisieren. Eine unbenannte Wache, die bei der Wachablösung auf dem Boden vor der Zelle sitzt und mit dem Gefangenen Karten spielt macht immerhin einen ganz anderen Eindruck als eine, die auf dem Weg nach draußen vor lauter Müdigkeit beinahe über einen Wassereimer stolpert.  :hmmm:
Mir fällt zu dem Thema übrigens gerade 20.000 Meilen unter dem Meer. Da ist die Crew eine anonyme Gruppe und wird auch nicht namentlich benannt, da sie einfach nicht wichtig für die Geschichte sind, die Verne erzählen möchte. Nun ist meine Meinung zu dem Roman im Allgemeinen nicht unbedingt die positivste, aber er ist zumindest ein ganz gutes Beispiel dafür, dass man mit Namen auch minimalistisch umgehen kann. Am Ende muss wohl jeder selber wissen, wie wichtig einem die Nebenfiguren sind und ob man sich zutraut, den Leser trotz schmückendem Beiwerk bei Laune zu halten. Generell würde ich mir aber immer die Frage stellen: Wenn ich eine Figur als unwichtig empfinde, brauche ich sie dann überhaupt oder sollte ich sie entweder wichtiger machen oder streichen?
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Arcor am 30. Mai 2018, 12:01:40
Zitat von: HSB am 30. Mai 2018, 11:26:42
Zitat von: Cailyn am 30. Mai 2018, 08:53:11Im zweiten Band fanden es einige Leser und Buchblogger etwas anstrengend, weil so viele Namen vorkommen, die eigentlich gar nicht wichtig sind - also eben vor allem von den Seemännern, die hier und da etwas tun oder sagen, auch wenn sie sonst keine wichtige Rolle in der Geschichte einnehmen.
Früher habe ich genauso gedacht. Aber seitdem ich "Das Lied von Eis und Feuer" lese, finde ich es sogar gut, dass jede Nebenfigur einen Namen bekommt. Es macht das Setting einfach lebendig.
Stimmt, allerdings war GRRMs Reihe irgendwann an dem Punkt, wo ich über Namen einfach drübergelesen habe, weil es mir bei der Masse einfach wurscht war, wie Ser XYZ aus demunddem Königreich wieder heißt, der sowieso kaum eine Rolle spielt.
Ich würde aber auch sagen, dass GRRM da absolut an der Obergrenze kratzt, was Namen von Figuren angeht. So viele dürften ja nur die wenigsten Autoren einbauen.
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Gizmo am 30. Mai 2018, 13:11:24
Zitat von: Arcor am 30. Mai 2018, 09:44:15
Es hängt in meinen Augen auch vom Perspektivträger ab.

Da stimme ich absolut zu. Ein Mannschaftsmitglied z.B. kennt die Namen seiner Kameraden. Ist dein Perspektivträger ein Passagier, kann er zu Anfang gar nicht alle Namen kennen. Wahrscheinlich kann er sich auch nur die Namen der Leute merken, mit denen er häufiger zu tun hat. Das wäre dann die 'repräsentativen' Nebenfiguren, die detaillierter ausgearbeitet sind.
Ansonsten kommt es auch auf den Leser an, wie u.a. Simara schrieb. Als ich das erste Mal Game of Thrones gelesen habe, hatte ich Probleme mit der Masse an Namen. Irgendwann konnte ich für mich aussortieren, welche Charaktere wichtig genug waren, dass ich sie mir merken musste. Mittlerweile schätze ich es, dass es diese vielen Namen gibt, denn es lässt den Perspektivträger für mich als reale Person erscheinen. Er oder sie kennt diese Leute und kommentiert ihre Taten. Es wäre merkwürdig, wenn dabei nicht deren Namen genannt würden.

Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich das Thema weiter entwickelt, da ich im Moment ein ähnliches Setting habe. Ein Charakter ist Kapitänin eines Kriegsschiffes mit ungefähr 60 Besatzungsmitgliedern. Das ist viel zu viel, weshalb ich mich auf die wichtigsten Nebenfiguren beschränkt habe. Mir wurde allerdings gesagt, dass diese Besatzung nicht ausgearbeitet genug sei.
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Arcor am 30. Mai 2018, 13:32:24
Zitat von: Gizmo am 30. Mai 2018, 13:11:24
Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich das Thema weiter entwickelt, da ich im Moment ein ähnliches Setting habe. Ein Charakter ist Kapitänin eines Kriegsschiffes mit ungefähr 60 Besatzungsmitgliedern. Das ist viel zu viel, weshalb ich mich auf die wichtigsten Nebenfiguren beschränkt habe. Mir wurde allerdings gesagt, dass diese Besatzung nicht ausgearbeitet genug sei.

OT, ich weiß, aber mein erster Gedanke war: Das ist viel zu wenig.  ;D Ich denke da aber auch direkt an Segelschiffe und weiß jetzt nicht, in welchem Setting/welcher Epoche du dich bewegst oder wie deine Schiffe aussehen.
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Dämmerungshexe am 30. Mai 2018, 13:35:14
Ich gehe mal vom Beispiel StarTrek aus - die Voyager hat ca. 150 Besatzungsmitglieder, eine echte Rolle spielen aber nur ca. 10 davon. Die haben eine Hintergrundgeschichte und echte Persönlichkeiten, die sich auch weiterentwickeln. (Dazu kommen ab und zu noch Antagonisten, die über einige Zeit die Handlung begleiten und ebenfalls näher charakterisiert werden.) Andere Besatzungsmitglieder sind im Normalfall nur Komparsen, ihre Figuren haben - bis auf wenige Ausnahmen - keine Namen und man erfährt auch sonst nichts über sie.
Der Aufnahmemechanismus ist bei einer TV-Serie natürlich nochmal etwas anderes als bei einem Roman. Aber allgemein gilt, dass der Rezipient sich eben nicht unendlich viele Details merken kann - sowohl Namen als auch Charaktermerkmale und Hintergrundinfos. Insoweit finde ich es sinnvoll, wenn man sich als Autor tatsächlich auf einen kleinen Kreis wirklich handelnder und relevanter Figuren beschränkt und den Rest vor allem "Hintergrund" sein lässt - Aussehen, besondere Merkmale und Eigenschaften sind (meiner Meinung nach) in dieser Hinsicht also wichtiger als Namen, um Atmosphäre zu erzeugen.
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Zauberfrau am 30. Mai 2018, 14:54:36
Hm, ich habe mir auch schon sehr viele Gedanken um meine Statisten gemacht. Im Anhang habe ich daher Namenslisten mit kleinen Beschreibungen (meist der Beruf) angelegt, teilweise auch mit ihren Verwandschaftsverhältnissen (Sohn von ... , Tocher von ..., Lebenspartner von ...), jeweils nach Ortschaften getrennt.

Meine Testleser haben mir jedenfalls schon viel positives Feedback über diese Listen gegeben.  :vibes:
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Dämmerungshexe am 30. Mai 2018, 16:21:48
Hab gerade bei mir nochmal durchgezählt: Königskinder hat 10 Hauptfiguren und 40+ Nebenfiguren, die einen Namen haben. Die meisten davon haben nur kurze Auftritte, aber meistens bemühe ich mich, sie "wieder zu verwerten", ihnen also mehrere Aufgaben zukommen zu lassen.
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Gizmo am 30. Mai 2018, 16:48:46
Zitat von: Dämmerungshexe am 30. Mai 2018, 13:35:14
Ich gehe mal vom Beispiel StarTrek aus - die Voyager hat ca. 150 Besatzungsmitglieder, eine echte Rolle spielen aber nur ca. 10 davon.

Ich glaube, das funktioniert u.a. deshalb so gut, weil es die Zuschauer von Star Trek bereits gewöhnt sind, dass es an Bord eigentlich nur Hauptcharaktere und Statisten gibt. Auch deshalb wusste man in der Originalserie sofort, dass jedes Besatzungsmitglied, das plötzlich auf eine Außenmission mitkommt und nicht zum Hauptcast gehört, so gut wie tot ist ("Er ist tot, Jim." TM).
Zudem hat man es im Film natürlich viel einfacher, den Hintergrund mit Statisten zu füllen. Sie sind da, laufen herum und sehen allgemein beschäftigt aus. Die Kamera bleibt auf den handelnden Charakter fokussiert, und allein dies sagt dem Zuschauer, dass der Rest nur Staffage ist. Ich finde es schwierig, das im richtigen Maße in einen Text einzuflechten, ohne den Eindruck zu erwecken, alles sei entweder zu wichtig oder papierdünne Kulisse.

Zitat von: Arcor am 30. Mai 2018, 13:32:24
OT, ich weiß, aber mein erster Gedanke war: Das ist viel zu wenig.

Es ist ein Luftschiff, von der Größe her am ehesten mit einem älteren U-Boot zu vergleichen. Mehr Leute passen da nicht einmal dann drauf, wenn man sie (noch mehr) stapelt.  ;D
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Cailyn am 30. Mai 2018, 17:55:40
Die Idee mit einer Beschreibung anstatt einem Namen, funktioniert in meiner Saga kaum, da die Prota (Ich-Erzählerin) als Kapitänin des Schiffes alle mit Namen kennt. Das würde etwas komisch wirken, wenn sie die Männer nicht mit Namen anspricht. Einzig spezifische Berufsbezeichnungen wirken da noch überzeugend. Da geht halt der Tischler mit der Prota mit oder sie ruft dem Koch etwas zu. Aber bei den Maaten, von welchen es sehr viele gibt, funktioniert das nicht mehr. Wenn ich schreibe: "Der Maat mit dem blauen Hemd..." wirkt es, als ob die Prota ihren Namen nicht wüsste.

In manchen Szenen, wenn unwichtige Nebenfiguren auftauchen, schreibe ich dann die Namen hin, weil ich nicht immer allgemein schreiben möchte: "Sie ging mit ein paar Seemännern ..." Das kann man ab und zu machen, aber nicht zu oft, finde ich. Natürlich wähle ich oft wiederkehrende Nebenfiguren, wenn die Prota mit einer Gruppe irgendwas erledigt. Aber ich kann auch nicht immer die gleichen nehmen, denn es ist unrealistisch, wenn die Gute immer nur mit einer Handvoll in Kontakt ist.

Ein Namensregister als Anhang ist zwar eine gute Idee, aber das löst das Problem letztlich nicht, denn die Leser stolpern ja dann immer noch über die Namen, die sie nicht kennen.

@Arcor
Die Saga spielt Anfang 19. Jrh, und auf dem Schiff bewegen sich 84 Seemänner.
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Atra am 30. Mai 2018, 18:04:31
Es ist keine wirkliche Lösung für dein Namensproblem, denke ich, aber du könntest deine Prota die Situation selbst kommentieren lassen, indem sie über die Menge an Menschen mal ein Wort verliert. Vielleicht vergisst sie auch mal den ein oder anderen Namen. Würde bei mir als Leser ein Gefühl von Authentizität erzeugen  :D
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Christopher am 30. Mai 2018, 20:09:47
Musst du denn wirklich so viele verwenden? Wie viele Funktionen auf einem Schiff gibt es, die angesprochen werden müssen? Der Smutje, der Steuermann und sein Vertreter der Nachtschicht, die Schichtführer der Mannschaftsgruppen, der wie-hieß-er-noch-gleich Mann der sich um Organisation Einkauf und co. kümmert... Und ggf. noch 2-3 bekanntere Gesichter unter den Matrosen. Da komme ich kaum auf 10. Und mit denen unterhält sie sich eben primär. Wenn das kleinste Licht auf dem Schiff Mist baut, kann sie ihre Schichtführer darauf hinweisen, dass sie den Mangel abstellen sollen. Wenn DIE dann jemanden mit Namen ansprechen, wirkt das nicht seltsam, aber es sollte klar sein, dass Seemann A dann eben nicht wichtig ist: Die Prota beschäftigt sich ja nicht mal direkt mit ihm.

Schau mal mit wem sie wirklich zu tun haben muss und was du evtl. streichen kannst.


Ansonsten gebe ich einigen meiner Vorredner Recht: Über kurz oder lang filter ich ganz automatisch. Ein Name wird genannt und ich hab kein Gesicht dazu? Unwichtig. Sofort wieder vergessen. Gibst du den Leuten Hintergrund und zwar so viel und so gut, dass ich ein Gesicht dazu bekomme, werte ich ihn als wichtig. Wenn man das Buch aber so liest, dass man sich selbst in Frage stellt wenn man einen Namen hört und seine Hemdfarbe nicht gleich dazu weiß - dann liegt das am Leser, nicht an der Geschichte.
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Cailyn am 31. Mai 2018, 06:13:49
Christopher
Ich habe natürlich schon versucht, die Namen nicht ständig irgendwo zu erwähnen. Am Anfang waren es auch nur zwei Dutzend Seemänner (auf einem kleineren Schiff), später ist die Mannschaft dann gewachsen. Ich habe erst 3 Namen eingeführt, dann eine Weile (also ein paar Kapitel) keine neuen, und später habe ich wieder hier und da einen neuen erwähnt. Ich habe also schon darauf geachtet, niemanden mit Namen zu erschlagen.  ;)

Atra
Einmal habe ich das tatsächlich so gemacht, dass die Prota einen Namen nicht wusste. Das hat auch gepasst, weil sie da die Besatzung erst neu zusammengestellt hatte. Aber danach war es unpassend, zumal sie mit den Seemännern in illegale Machenschaften verwickelt wurde und auf jeden einzelnen zählen musste.

Vielleicht müsste ich mir mal das Buch "The Terror" besorgen. Da gibt es enorm viele Figuren, zumindest in der Serie. Oder die Leser müssen halt damit klarkommen.  ::)

Ich danke jedenfalls für die Anregungen von euch allen. Es scheint ja auch Leute zu geben, die das gar nicht stört. Mich persönlich stört es auch nicht sonderlich. Man merkt ja meist, ob jemand wirklich wichtig ist. Gerade wenn ein Autor jemand neues erwähnt, aber nicht näher beschreibt, dann merke ich mir den Namen auch gar nicht, weil ich schon vermute, dass die Nebenfigur nicht wichtig ist.
Ich habe mir in Band 3, an dem ich aktuell überarbeite, mal alle Seemänner markiert und werde wohl am Schluss schauen, ob man da den einen oder anderen streichen könnte.
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Arcor am 31. Mai 2018, 14:43:51
Zitat von: Gizmo am 30. Mai 2018, 16:48:46
Es ist ein Luftschiff, von der Größe her am ehesten mit einem älteren U-Boot zu vergleichen. Mehr Leute passen da nicht einmal dann drauf, wenn man sie (noch mehr) stapelt.  ;D

Alles klar, dann passt das ja ganz gut.  ;D

Zitat von: Cailyn am 30. Mai 2018, 17:55:40
@Arcor
Die Saga spielt Anfang 19. Jrh, und auf dem Schiff bewegen sich 84 Seemänner.
Okay, bei der Größe würde ich annehmen, dass deine Kapitänin nach einiger Zeit alle Leute kennt, besonders wenn sie sich um die Belange der Mannschaft schert und kein Leuteschinder ist. Trotzdem würde ich schätzen, dass du da deutlich weniger Namen als 84 in der Geschichte brauchst, sofern es sich um ein Marineschiff handelt. Denn dort gibt es tendenziell weniger direkte Ansprachen als auf Handelsschiffen, einfach weil die Kommandokette dazwischen liegt. Im Zweifelsfall sagt deine Kapitänin, was gemacht werden soll, dass geben dann die Maate/Leutnants an die Master, Bootsführer etc. weiter. Ich glaube, dass da ein Kapitän dem einzelnen Matrosen direkt Befehle erteilt, ist eher selten oder auch unrealistisch. Dafür gibt es ja die ganzen Zwischenstufen, damit der Kapitän sich nicht um alles kümmern muss, sondern das große Ganze im Blick behalten kann.
Ich glaube, dass du mit den Rängen unter ihr (Maat/Leutnant, Master, Midshipmen schon sehr weit kommst, dazu 4-5 Matrosen, die vielleicht auch Stückführer sind, wenn das Schiff Kanonen hat. Das würde in meinen Augen reichen, um viele Befehle und das tägliche Leben auf dem Schiff abzudecken. Wenn dann ein Unteroffizier hier und da noch einen Namen brüllt, dann sollte der Leser einen guten Eindruck vom Leben an Bord bekommen, ohne dass er dabei mit 40+ Namen erschlagen wird.
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Cailyn am 01. Juni 2018, 06:06:51
Arcor
Huch, nein, 84 Namen würde ich nie und nimmer verwenden  ;D Beim letzten Band habe ich insgesamt etwa 10 Seemänner erwähnt, 4-5 davon kamen regelmäßig vor.
Ja, die Ränge kenne ich natürlich auch. Aber sind nicht relevant, weil meine Prota ein Handelsschiff hat und kein Militärschiff. Natürlich delegiert sie auch ab, aber das ist nicht so klar geregelt wie z.B. in der Royal Navy.
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Arcor am 01. Juni 2018, 09:46:41
Zitat von: Cailyn am 01. Juni 2018, 06:06:51
Arcor
Huch, nein, 84 Namen würde ich nie und nimmer verwenden  ;D Beim letzten Band habe ich insgesamt etwa 10 Seemänner erwähnt, 4-5 davon kamen regelmäßig vor.
Ja, die Ränge kenne ich natürlich auch. Aber sind nicht relevant, weil meine Prota ein Handelsschiff hat und kein Militärschiff. Natürlich delegiert sie auch ab, aber das ist nicht so klar geregelt wie z.B. in der Royal Navy.
Aso, ja mit 10 Namen sehe ich da echt kein Problem.  ;)
Dann sitzen mein Prota und deine Kapitänin ja im selben Boot. Ich finde es mitunter echt schwierig, passende Infos über Handelsschifffahrt aufzutreiben. Das meiste, was man findet, beschäftigt sich doch entweder mit dem Militär oder erst mit der Dampfschifffahrt.
Was für ein Schiff befehligt deine Kapitänin denn? Ich stutzte gerade bei 84 Männern für ein Handelsschiff, hab aber gerade mal nachgelesen, dass die großen Ostindienfahrer zum Beispiel auch bis 150 Mann an Bord hatten. Scheint eine andere Hausnummer zu sein als meine kleine Brigg.  ;D
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Cailyn am 01. Juni 2018, 12:52:45
Arcor
Ja, das stimmt, für Handelsschiffe gibt es nicht so viel Infos. Die muss man sich ziemlich mühsam zusammensuchen.
Meine Prota segelte in Buch 2 mit einer Sloop (ähnlich einer Korvette). Da braucht es auch keine große Besatzung. Jetzt, im 3. Buch hat sie ein anderes Schiff, einen Viermaster, die ich als solche gar nicht definiert habe. Aber auf jeden Fall ist es ein größeres Schiff. Die Besatzung von 84 Mann ist eher knapp berechnet ... also eigentlich schon fast geschummelt. Aber ich habe da einen Freund und Segelprofi, der mir dann immer absegnet, was ich bringen kann und was nicht.  ;)
Dass es aber nach Ostindien nur Schiffe mit großen Besatzungen gab, stimmt so nicht. Ich habe mal auf Wikipedia (frag mich bitte nicht mehr, auf welcher Seite) eine Liste gefunden mit allen Schiffen, die um 1800 (meine Zeit) von England nach Indien gesegelt sind. Da gab es so ziemlich alles an Schiffsgrößen und Besatzungen. Natürlich waren die großen Schiffe, z.B. von der East India Company, meist umfangreicher, was natürlich vor allem wirtschaftliche Gründe hatte. Und wenn ein Sturm kommt, ein wirklich heftiger, sind die größeren Kaliber natürlich auch sicherer. Aber man ist damals auch mit Zweimastern und einer Besatzung von nur 30 Mann gesegelt.
Interessant für die Recherche fand ich das Büchlein über die HMS Victory von Horatio Nelson. Klar, ist zwar ein Militärschiff, aber da drin hat es trotzdem sehr viele brauchbare Infos. Z.B. wie viele Vorräte geladen wurden, was für Materialien eingekauft wurden, wie groß die Besatzung war und auch ganz viel über die Regeln (und Bestrafungen) auf dem Schiff. Für Handelsschiffe kann man da viel ableiten. Nur die Hierarchie ist halt ganz anders.
In welcher Zeit (oder angelehnten) Zeit spielen denn deine Romane? Ich mag mich noch an den ersten Erinnern. Da ging es - glaub ich - auch um Piraterie, oder?

Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: Marandris am 25. Juni 2018, 23:41:32
@Cailyn

In einem Manuskript von mir habe ich ein ähnliches Setting. Es handelt sich um eine Fantasygeschichte mit Luftschiffen. Meine beiden Protagonisten befinden sich für eine Überfahrt auf dem Schiff und lernen daher einige der Seeleute kennen. Den Namen des Kapitäns, Storik Elmo, wird sowieso kaum jemand vergessen können, und bei den anderen habe ich die Beschreibung hinzugefügt: Maro, der Koch, Jem, der Schiffsjunge, Cris, der erste Maat usw.  Ich finde, so etwas prägt sich dann besser ein als der Seemann im blauen Hemd ^^ Man sollte auch nie mehrere Namen zur gleichen Zeit innerhalb weniger Zeilen benennen, das ist dann zu viel.
Und was viele Nebencharaktere betrifft, es hat hier nicht zufällig jemand die Spiel der Götter-Reihe von Steven Erikson gelesen? Ich hab GoT nur als Serie gesehen, daher kann ich nichts zu den Büchern sagen, aber Steven Eriksons Bücher kann man nicht einfach so durchlesen, weil er so viele Handlungsstränge und Charaktere miteinander verwebt, dass man sich am besten ein Notizbuch dazunehmen sollte  ;D
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: canis lupus niger am 26. Juni 2018, 16:11:33
Wie notwendig ist es denn wirklich, dass der Leser jeden einzelnen Nebencharakter wieder erkennen kann? Wie notwendig ist es, dass sie ALLE namentlich oder sonstwie unterscheidbar sind?

Kannst Du Dich nicht doch darauf beschränken, nur die notwendigen Namen zu verwenden und den Rest der Mannschaft mit pauschalen Begriffen zu umschreiben? "Die Deckwache", einige "Matrosen, die XY im Dunklen nicht erkannte", "zwei Männer aus dem Maschinenraum", etc.
Das können ja durchaus wiederkehrende Personen sein, nur dass der Leser nicht unbedingt wissen muss, dass sie schon mal aufgetreten sind. Sie bleiben im wahrsten Sinne des Wortes namen- und gesichtslos. Na gut, man kann auch einem Namenlosen ein Gesicht geben: "Eines der langjährigen Mannschaftsmitglieder, ein wettergegerbter alter Seebär mit langen grauen Haaren ..."  Ob man dann "namens xy" dazuschreibt, kann man sich dann überlegen. Ist es erforderlich?
Titel: Re: Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren
Beitrag von: cryphos am 26. Juni 2018, 16:41:44
Wenn ich es richtig recherchiert hatte, sprach man sich zur See oft nicht mit dem Namen sondern mit der Funktion an. Gerade wenn man seine Tätigkeit ausübte wurde die Funktion genutzt und nicht der Name. Der Rudergänger war nicht immer der gleiche Mann, aber wenn man was vom Mann am Ruder wollte rief man eben "Rudergänger, 2 Strich Backbord". Wenn du das konsequent durchexerzierst, benötigst du im Buch nur für jene Matrosen einen Namen, mit welchem man privat verkehrt. Wobei auch hier die Funktion über den Namen stand, insofern man damit den Angesprochenen identifizieren konnte. Frau Müller ist nuneinmal die Kapitänin und wird von der Mannschaft egal wann mit Käptn angequatscht und der Schiffsjunge wird wohl so lange der Junge bleiben, bis er einen anderen Posten einnimmt.