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Die Science hängt die Fiction ab...

Begonnen von Farean, 11. Juli 2011, 14:53:51

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Farean

Hallo zusammen,

irgendwie plage ich mich derzeit mit Zweifeln, ob ich in der Science Fiction, einst mein erklärtes Lieblingsgenre, überhaupt noch was gebacken kriege. Die Wirklichkeit läuft der Phantasie mit solchen Riesenschritten davon, daß ich nur noch staunend hinterhergucken kann.

Dabei scheitere ich nicht so sehr an der "großen" Wissenschaft, sondern an der "kleinen". Interplanetare bemannte Raumfahrt, fremdartige Lebensformen, Habitate auf unbewohnbaren Welten etc. - die sind unverändert Zukunftsmusik und für mich alle kein Problem. Aber wo ich mich einfach nicht reinfinden kann, ist die Allgegenwart von Kommunikationssystemen und nützlichen, kleinen Geräten voller hochentwickelter Computerhard- und -software. Mir wird es ja heute schon zuviel mit Handy, diversen Internetdiensten und jedes-Jahr-ein-neues-revolutionäres-Gadget. Manchmal habe ich den Eindruck, ich kapiere die Kommunikation von heute schon nicht mehr. Wie soll ich dann die einer fernen Zukunft kapieren?

Vor allem, wo es hier ja nicht nur um Technik geht - damit käme ich als studierter Physiker prima klar -, sondern darum, wie besagte Technik die Gesellschaft formt. Jedesmal, wenn ich versuche, den Alltag meiner Protagonisten in einer fernen Zukunft zu beschreiben, laufe ich vor eine Wand. Wird es in Zukunft normal sein, ständig neben der Arbeit her, unterwegs im Flieger oder beim Sex gleichzeitig auf drei verschiedenen Kanälen mit fünf Leuten zu reden? Wird man zur eigenen Stadt und ihren Bewohnern überhaupt noch eine Beziehung haben, oder ist die Zugehörigkeit zu virtuellen Communities viel entscheidender? Wird es überhaupt noch eine Schrift geben und Beschriftungen an Türen, Gängen und Behältern, oder verläßt man sich einfach auf den kleinen Computer im Ohr, daß er einem den Weg weist und die Hand zur richtigen Flasche geleitet? Wird es Filme, Aufführungen und, naja, Romane im heutigen Sinne noch geben oder nur noch interaktive Vollsensorik-3D-Szenarien? Mit solchen Fragen belaste ich mich derzeit beim Schreiben, anstatt mich auf mein Weltraumabenteuer zu konzentrieren - bei dem ich mich zu allem Überfluß mit der Frage herumschlage, wozu man überhaupt noch einen Raumpiloten bräuchte (meinen Prota), wenn heute schon (richtig programmiert) jeder Microchip aus dem Handy eines Grundschulkindes leistungsfähig genug wäre, ein Raumschiff komplett selbst zu steuern. :(

Könnt ihr mir beim Sortieren helfen? Oder vielleicht einfach dabei, eine "Scheißegal"-Stimmung aufzubauen, in der ich munter drauflosschreibe, ohne mir um all das einen Kopf zu machen?

THDuana

Vorneab: Auch Science Fiction wird von der Phantasie geleitet.
Du hast schon richtig erkannt, dass man wohl schlecht vorhersehen kann, wie sich die technsichen Neuerungen auf unsere Gesellschaft auswirken, aber das ist als Autor ja dein Job das in deiner Welt herauszufinden. Da, finde ich, brauchst du auch keine soziologischen oder sonstige Nachweise für deine Thesen. Wenn du gerade auf die Gesellschaft eingehen willst, kommt da auch immer ein kritisierender Faktor zur Geschichte hinzu; denn entweder bemängelst du, auf was das hinauslaufen könnte, was wir gerade haben, oder du stellst einen "Alternativplan" vor. Oder befürwortest die neuesten Entwicklungen, das kommt ja auch immer auf die Geschichte und/oder deine Ansichten an.

Vielleicht gehe ich da auch immer zu naiv an die Science Fiction, aber bei jeder Geschichte bist immer noch du Herr im Haus, da kannst du genauso gut sagen: Leute, ich versetze euch gesellschaftlich ins Mittelalter zurück, aber ihr bekommt den besten technischen Schnickschnack. Oder du verzichtest ganz auf die reale Kommunikation deiner Figuren.
Ich weiß auch nicht; aber die "Scheißegal"-Einstellung wird vorübergehend sicher nicht schaden. ;)

sirwen

#2
ZitatKönnt ihr mir beim Sortieren helfen? Oder vielleicht einfach dabei, eine "Scheißegal"-Stimmung aufzubauen, in der ich munter drauflosschreibe, ohne mir um all das einen Kopf zu machen?
Kommt darauf an, wie wichtig dir dieser Aspekt ist. Wenn es in deiner Story um eine Kritik der Kommunikationsformen und Medien geht, kommst du nicht darum herum, dich ausführlich damit zu beschäftigen.

ZitatLeute, ich versetze euch gesellschaftlich ins Mittelalter zurück, aber ihr bekommt den besten technischen Schnickschnack.
Ist das nicht ein bisschen fahrlässig? Zwar kann jeder Autor im Grunde genommen machen, was er will, aber es sollte in sich geschlossen logisch sein. Und wenn widersprüchliche Dinge in einer Geschichte vorkommen, leidet halt die Glaubwürdigkeit. Die Welt/das Setting muss in ihren Grundzügen genauso so überlegt und gut recherchiert sein wie jede andere fiktive Welt.

ZitatMit solchen Fragen belaste ich mich derzeit beim Schreiben, anstatt mich auf mein Weltraumabenteuer zu konzentrieren.
Klingt mehr nach Action als nach gesellschaftskritischer Science Fiction – schreib doch Mal drauf los, ohne den Hintergrund gänzlich aus den Augen zu verlieren. ;)

Kaeptn

#3
Es geht doch gar nicht darum, Dinge "richtig" vorherzusehen. Wer kann das schon? Auch wenn heute schon jeder ein Smartphone kaufen kann, das manchen Tricorder von der Enterprise überbietet (von der Scan-Leistung mal abgesehen), ist Enterprise immer noch kult. Man sollte das "Science" da einfach nicht überbewerten. Klar kann dann irgendein Klugscheißer kommen, der die eigene Weltkonstruktion kritisiert weil dies und das ja heute schon so und so ist, aber solche Leute gibt es immer. Wenn es nicht dein Anspruch ist, eine wirklich realistische Zukunftsvision zu kreieren, sondern in erster Linie eine Unterhaltsame, fährst du sicherlich besser.

Es ist sicher richtig, sich über solche Fragen wie die von dir beschriebenen Gedanken zu machen. Aber da niemand wissen KANN, wie es einmal sein wird, such dir einfach die Vision aus, die dir gefällt. Solange du aus den von dir gewählten Gegebenheiten dann etwas nachvollziehbares machst, wird sich glaube ich niemand daran aufhängen, solange die eigentliche Handlung zu fesseln weiß.

Also: Scheißegal.

@Pilot: Einen Lokführer bräuchte eigentlich technisch auch keiner, dennoch gibt es sie.

zDatze

#4
Beim Thema Kommunikation kann ich mir immer ganz gut vorstellen, dass sich das jetztig Smartphone in Richtung Implantate entwickeln könnte und generell in Richtung "verbesserter Mensch". Ich finde es zwar nett, wenn man da nicht die 0815-Lösungen aufgreift, aber meistens komme ich bei originellen Einfällen auch nicht weiter als bis zu einem Touchpad/Fingerscanner als Türöffner. (Ist ja nicht einmal mehr Zukunftsmusik. ::) )

Einerseits gibt es so viele Möglichkeiten, aber irgendwie hängt man doch im eigenen Horizont fest. *sigh*

Calysta

#5
Zitat von: Kaeptn am 11. Juli 2011, 15:30:06
@Pilot: Einen Lokführer bräuchte eigentlich technisch auch keiner, dennoch gibt es sie.
Die Bahnleute würden dir dafür aufs Dach steigen. Technisch kann sich ein Zug nicht von alleine regeln, auch wenn das Ding high-tech aussieht (genau so wenig, wie ein Flugzeug ohne Pilot fliegen kann). Rein von der Sensorik her sind wir zwar mittlerweile soweit, dass wir mittels Schall und Infrarot Hindernisse erkennen können und die Technik darauf reagieren kann (siehe neuste Autos mit Einparkhilfen und Lenkradeinstellungen), aber ein Fernzug oder eine Bahn ist doch noch soweit "menschlich", als dass sie einen Lokführer braucht, um die Geschwindigkeit zu drosseln, wenn eine Kurve kommt oder Umwelteinflüsse (oder einfach nasse Blätter auf der Strecke liegen) die Strecke verändern. Technik ist keine Magie, auch wenn es ab und an so wirkt. Der kleine Microchip im Handy ist zwar leistungsstark, aber er kann keine Raumfähre lenken.
Vielleicht bin ich hier wieder zu viel Science mit meinem Background, aber die meisten SciFi Fans sind Technik-Geeks und die werden einem Autor das Fell über die Ohren ziehen, wenn er nichts von der Materie versteht - zumindest die Hard SF Fans.

Ich sage es mal so. Science Fiction hat schon immer von der Phantastik gelebt. Man braucht einfach eine gewisse Art von Fantasie, um sich Maschinen oder Konstrukte vorzustellen, die es derzeit noch nicht gibt (E-Techniker leben davon, sich neue technische Spielereien auszudenken).  Aber man darf auch nicht vergessen, dass Science Fiction eben auch von der Science lebt und diese muss - meiner Meinung nach - zumindest etwas Hand und Fuß haben. Das heißt nicht, dass man Assambler programmieren muss oder weiß, wie die Technik in einem iPhone aussieht und dies haargenau auf Projekt X oder Y überträgt. Es heißt aber, dass man technik-affin sein sollte, ansonsten quält man sich damit. Wenn man von der Technik eher weniger versteht, sollte man nachdenken, auf die Soft SF Schiene zu wechseln.

Zitat von: zDatze am 11. Juli 2011, 15:40:00
Beim Thema Kommunikation kann ich mir immer ganz gut vorstellen, dass sich das jetztig Smartphone in Richtung Implantate entwickeln könnte und generell in Richtung "verbesserter Mensch". Ich finde es zwar nett, wenn man da nicht die 0815-Lösungen aufgreift, aber meistens komme ich bei originellen Einfällen auch nicht weiter als bis zu einem Touchpad/Fingerscanner als Türöffner. (Ist ja nicht einmal mehr Zukunftsmusik. ::) )
Derzeit wird mit Augenmustererkennung gespielt ;) Ich finde das ganz interessant, weil das noch unverkennbarer ist als ein Fingerabdruck, der sich ein Leben lang verändert. Die Regenbogenhaut jedoch verändert sich nicht (außer man sticht sich die Augen aus).
Bei Kommunikation wäre es hilfreich einen Kommunikationstechniker zu fragen, die haben davon mehr Ahnung als ich kleine Energietechnikerin ;) Aber die ortsunabhängige Vernetzung wird immer weiter zunehmen, das kann ich von meinem Standpunkt aus sagen. Clouding ist das Zauberwort ;) Allerdings, wenn sich unsere Energiegewinnung ändert, dann wird sich wohl auch der Rest unserer Technik ändern. Vielleicht speisen wird bald den Akku unseres Handys aus Mini-Photovoltaik oder körpereigener Energie - who knows ;)


Vielleicht bin ich auch zu sehr Science für das Thema... man möge mir meine Art und Weise verzeihen.


Edit: Ich fand den Roman "Den Bäumen beim Wachsen zusehen" unglaublich toll. Das ist ein SciFi Roman und einer der Ersten, die mich begeistern konnten, weil der Autor einfach Ideen einwirft, die ich vorher noch nie zuvor gehört hatte.

Runaway

Ich kann deine Zweifel total gut nachvollziehen und finde sie auch berechtigt, muß ich sagen. Allerdings bin ich auch in genau dem Bereich, in dem du dich unsicher fühlst, als Ex-Soziologin und aktuell Psychologin ziemlich zu Hause und will dir deshalb Mut machen. Mit ein bißchen gesundem Menschenverstand wirst du die Antworten wahrscheinlich selbst finden.

In meinem aktuellen Studium ist ein wichtiges Thema unter anderem die Mensch-Computer-Interaktion. Wir haben gelernt, daß aktuelle technische Entwicklungen unter der Maxime geschehen, daß der Mensch gut mit ihnen umgehen kann. Da gibt es so spannende Möglichkeiten, gar nicht mehr nur die stetige oder diskrete Eingabe per Maus und Tastatur, sondern mittlerweile haptische Steuerungen wie bei der Wii, es gibt Eyetracking und Gehirnströme und was weiß ich. Wir haben was über die Gesetze gelernt, die bei der Anwendung der Technik zum Tragen können - so simple Tatsachen wie die, daß große Buttons auf einer Website leichter zu treffen sind als kleine.
Generell ist, so wie es sich mir offenbart hat, eher das Credo, daß die Technik dem Menschen dienen soll. Szenarien wie in Matrix, daß die Maschinen sich die Menschen untertan machen, sind für mich seitdem weiter weg - zumal ich auch eine Vorlesung über künstliche Intelligenz hatte und weiß, daß dieser Bereich noch läääängst nicht so weit ist, wie viele Autoren ihn sich zurechtdenken.
Also das schon mal zum Thema Technik. Ich beobachte ganz fasziniert den aktuellen Trend, daß alles mobil sein muß. Das Internet ist mobil, es gibt Smartphones, super transportable Netbooks, Tablet-PCs... Ich glaube, da mußt du dich für deine Szenarien und deine Protagonisten entscheiden: Mögen und nutzen sie das oder entsagen sie sich dem? Welchen Stellenwert räumen die Menschen in deiner Geschichte ihrer Technik ein? Da gibt es keine richtigen und falschen Antworten, da kannst du entscheiden.

Vom soziologischen Standpunkt her kann ich sagen, daß die aktuellen technischen und sozialen Entwicklungen (soziale Schere klafft auseinander, wachsende Flexibilität wird gefordert, Pluralisierung der Lebensformen) bei vielen jungen Menschen zu einer gewissen konservativen Rückbesinnung führt. Familie, Freunde, Seßhaftwerden gewinnt wieder an Attraktivität. Work-Life-Balance ist für viele Menschen ein Thema.
Ich sehe uns in Zukunft auch nicht wirklich als einsame kleine Ameisen betriebsam durch den Alltag wuseln, sondern ich denke, daß viele Menschen sich Fluchtpunkte im Privaten suchen und dem auch einen gewissen Stellenwert einräumen werden.

Du siehst, eine "Scheißegal"-Stimmung ist wahrscheinlich nicht gerade die beste Idee, um anzufangen. Aber ich verstehe, daß du dich ein wenig gelähmt fühlst, weil du noch kein klares Bild für diese Themen vor Augen hast. Dabei finde ich gerade in der SciFi wichtig, auch solche Entwicklungen zu beleuchten und nicht nur mit grellbunter Technik um sich zu werfen. Die beste SciFi ist die, die sich am Menschen orientiert, das ist zumindest meine Meinung.
Ich habe mich selbst auch schon an einer Dystopie versucht, weil mich interessiert hat, wie die zukünftige Gesellschaft unter bestimmten Bedingungen funktioniert.

Vielleicht konnte ich dir ja ein paar gute Anregungen geben. Ich biete dir aber auch gern an, über bestimmte Gesichtspunkte und Fragen weiter zu diskutieren, wenn du da ganz spezielle Ansatzpunkte hast. Alles, was hilft :)

Farean

Zitat von: Duana am 11. Juli 2011, 15:02:31
Vorneab: Auch Science Fiction wird von der Phantasie geleitet.
Tja, das ist ja gerade mein Problem: die Phantasie ist derzeit mit der Vorstellung davon, wie sich der Umgang der Menschen mit ihrer Technologie entwickeln wird, leicht überfordert.

Zitat von: Kaeptn am 11. Juli 2011, 15:30:06
@Pilot: Einen Lokführer bräuchte eigentlich technisch auch keiner, dennoch gibt es sie.
Ich möchte nur dummerweise nicht über einen Piloten schreiben, den eigentlich keiner bräuchte, sondern der im Gegenteil unverzichtbar ist, um das Raumschiff zu steuern.

Zitat von: Calysta am 11. Juli 2011, 16:21:29
Vielleicht bin ich hier wieder zu viel Science mit meinem Background, aber die meisten SciFi Fans sind Technik-Geeks und die werden einem Autor das Fell über die Ohren ziehen, wenn er nichts von der Materie versteht - zumindest die Hard SF Fans.
Nur noch mal zur Klarstellung: mein eigentliches Problem ist nicht die Technik. Als studierter Physiker und Softwareentwickler mit 12 Jahren Berufserfahrung halte ich mich für durchaus fähig, da etwas Glaubwürdiges zu konstruieren, das auch den Ansprüchen eines Hard SF Fans (wie ich selbst einer bin) genügen wird.

Mein Problem sind die Menschen. Ich schaffe es im Moment einfach nicht, mich in den Alltag mit Kommunikationsmitteln hineinzudenken, gegen die unsere heutigen Handys, SmartPhones und wie sie alle heißen klobige Relikte einer fernen Vergangenheit sind; um so mehr, wo ich selbst noch nie ein Fan von solchen Gadgets war und meinen eigenen Alltag möglichst frei davon gestalte.

Vielleicht ist ja das mein eigentliches Problem: manchmal fühle ich mich selbst schon als Opa, der irgendwie den Anschluß an die Gegenwart verpennt hat, und das führt meine Ambitionen, die Zukunft zu schildern, irgendwie ad absurdum. Ich will Science Fiction schreiben, um von Raumschiffen und fernen Welten zu erzählen, aber auf dem Weg dahin scheitere ich an trivialem "Dekor" wie dem gesellschaftlichen Umgang mit dem fernen, fernen Nachkommen des SmartPhone... :schuldig:

Zitat von: Dani am 11. Juli 2011, 16:39:25
Vielleicht konnte ich dir ja ein paar gute Anregungen geben. Ich biete dir aber auch gern an, über bestimmte Gesichtspunkte und Fragen weiter zu diskutieren, wenn du da ganz spezielle Ansatzpunkte hast. Alles, was hilft :)
Darauf komme ich bei Gelegenheit gern zurück, danke. :)

KaPunkt

Hi Farean!
Ich kann dein Problem nachvollziehen und habe auch keine wirklichen Lösungsansatz für dich, aber vielleicht einen Buchtipp. (Ich vermute, du hast schon viel mehr Sci Fi gelesen als ich)
Hyperion
Und
Der Sturz von Hyperion beide von Dan Simmons
beschreiben eine ferne Zukunft mit interstellaeren Reisen und allgegenwärtigen Informations und Kommunikations-Systemen. (Geschrieben 1989, müsste also inzwischen veraltet sein, fühlt sich aber nicht so an.)
Ich fand zumindest diesen Aspekt der Bücher sehr spannend.
Vielleicht hilft es dir weiter, zu sehen, wie jemand anders dieses Problem gelöst hat?

Anosnsten habe ich nur einen Hinweis für dich:
Warum davon ausgehen, dass es genauso weitergehen wird wie bisher? Vielleicht ist das Informationszeitalter in deinen Roman auch schon längst wieder vorbei? Zivilisation muss ja kein geradliniger Strahl sein ...

Liebe Grüße,
KaPunkt
(ohne die anderen Beiträge gelesen zu haben)
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Maja

Hier sehe ich kein Plotproblem, bei dem die Phantastie der Teilnehmer gefragt ist, sondern ein handfestes Diskussionthema. Darum kein "Autoren helfen Autoren" mehr, sondern Workshop.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Kaeptn

#10
Zitat von: Calysta am 11. Juli 2011, 16:21:29
Die Bahnleute würden dir dafür aufs Dach steigen. Technisch kann sich ein Zug nicht von alleine regeln, auch wenn das Ding high-tech aussieht (genau so wenig, wie ein Flugzeug ohne Pilot fliegen kann).

Spiegel.de Oktober 2007 http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,510362,00.html
"Technische Spielereien auf wenigen ausgewählten Bahnstrecken? Mitnichten. Die Zahl der ferngesteuerten, führerlosen Transportsysteme steigt: In Metro-Linien etwa von Kopenhagen, Lyon und Toulouse, in den Londoner Docklands oder auch an den Flughäfen von Chicago und Frankfurt am Main haben Computersysteme längst die Steuerung von Zügen übernommen. Sie sorgen dafür, dass der klassische Lokführer einen aussterbenden Beruf ausübt: Seine Aufgaben werden Fahrdienstleiter, Zuglenker und Disponenten in den Stellwerken und Betriebsleitzentralen übernehmen.

In Nürnberg wird ab Frühjahr 2008 mit der U3 die erste vollautomatische U-Bahn Deutschlands den Betrieb aufnehmen. "Es ist die weltweit erste U-Bahn-Linie, die sich einen Teil des Schienennetzes mit einer bemannten U-Bahn-Linie teilt", sagt Joachim Stark, Sprecher bei Siemens Chart zeigen Transportation Systems (TS).
[...]
In einem ICE oder TGV reichen das menschliche Sichtfeld und Reaktionsvermögen nicht aus, um für die Sicherheit der Reisenden zu sorgen: Der Mensch im Führerstand ist auf technische Hilfe angewiesen. "Ein Zugchef, der die Abfertigung am Bahnsteig überwacht und die Freigabe zur Abfahrt aus dem Bahnhof gibt, ist für die Sicherheit der Fahrgäste von größerer Bedeutung", sagt Schnieder."

Das war vor 4 Jahren.

Der Punkt ist wohl nur, das kaum einer mit einem führerlosen ICE fahren WILL, so wird es auch in dem Artikel dargestellt.

Zitat von: FareanIch möchte nur dummerweise nicht über einen Piloten schreiben, den eigentlich keiner bräuchte, sondern der im Gegenteil unverzichtbar ist, um das Raumschiff zu steuern.

Ist ja immer die Frage in welchem Zusammenhang unverzichtbar. Schon in Star Wars, war Han Solo für die Hypersprünge verzichtbar, das berechnete alles der Computer. Im Nahkampf aber, wenn es zu antizipieren gilt, was der gegnerische Pilot macht, ist ein Mensch vielleicht noch unverzichtbar.

Calysta

Zitat von: Kaeptn am 11. Juli 2011, 19:22:45
Spiegel.de Oktober 2007 http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,510362,00.html
"Technische Spielereien auf wenigen ausgewählten Bahnstrecken? Mitnichten. Die Zahl der ferngesteuerten, führerlosen Transportsysteme steigt: In Metro-Linien etwa von Kopenhagen, Lyon und Toulouse, in den Londoner Docklands oder auch an den Flughäfen von Chicago und Frankfurt am Main haben Computersysteme längst die Steuerung von Zügen übernommen. Sie sorgen dafür, dass der klassische Lokführer einen aussterbenden Beruf ausübt: Seine Aufgaben werden Fahrdienstleiter, Zuglenker und Disponenten in den Stellwerken und Betriebsleitzentralen übernehmen.

In Nürnberg wird ab Frühjahr 2008 mit der U3 die erste vollautomatische U-Bahn Deutschlands den Betrieb aufnehmen. "Es ist die weltweit erste U-Bahn-Linie, die sich einen Teil des Schienennetzes mit einer bemannten U-Bahn-Linie teilt", sagt Joachim Stark, Sprecher bei Siemens Chart zeigen Transportation Systems (TS).
[...]
In einem ICE oder TGV reichen das menschliche Sichtfeld und Reaktionsvermögen nicht aus, um für die Sicherheit der Reisenden zu sorgen: Der Mensch im Führerstand ist auf technische Hilfe angewiesen. "Ein Zugchef, der die Abfertigung am Bahnsteig überwacht und die Freigabe zur Abfahrt aus dem Bahnhof gibt, ist für die Sicherheit der Fahrgäste von größerer Bedeutung", sagt Schnieder."

Das war vor 4 Jahren.
Der Knackpunkt hier ist die technische Hilfe, nicht das Ersetzen. Das funktionierte bei der Bahn wie im Flugzeug der Autopilot. Manche Dinge kann man automatisieren, andere wiederum nicht. Ein Zug braucht bislang immer noch die Erfahrung eines Schaffners. Sein Gefühl für Gefahr und die Witterungsverhältnisse.
Ich warne bei solchen Artikeln immer wieder, dass man nicht alles glauben soll/darf. Egal ob es der Spiegel ist oder die Technical Review. In Sachen Technik kann man unglaublich viel falsch verstehen und auch die Angst der Leser schüren - vielleicht wollten sie das ja auch mit diesem Artikel. Ich jedenfalls kenne auch Mitarbeiter der DB (u.A. auch Lokführer) und jeder Zug fährt mit einem Schaffner, der die Kontrollkonsolen überwacht.

Aber hier rutschen wir in ein völlig falsches Themengebiet ab. Es geht um SciFi und nicht um Sensoren und KIs in Zügen ;)

Zitat von: Farean am 11. Juli 2011, 17:10:34
Nur noch mal zur Klarstellung: mein eigentliches Problem ist nicht die Technik. Als studierter Physiker und Softwareentwickler mit 12 Jahren Berufserfahrung halte ich mich für durchaus fähig, da etwas Glaubwürdiges zu konstruieren, das auch den Ansprüchen eines Hard SF Fans (wie ich selbst einer bin) genügen wird.

Mein Problem sind die Menschen. Ich schaffe es im Moment einfach nicht, mich in den Alltag mit Kommunikationsmitteln hineinzudenken, gegen die unsere heutigen Handys, SmartPhones und wie sie alle heißen klobige Relikte einer fernen Vergangenheit sind; um so mehr, wo ich selbst noch nie ein Fan von solchen Gadgets war und meinen eigenen Alltag möglichst frei davon gestalte.
Es muss ja nicht immer ein SmartPhone sein ;) Bei menschlichen Dingen, kann ich dir Dani ans Herz legen, aber achtung, sie ist etwas morbide ;D *Dani knuff*

Runaway

Zitat von: Calysta am 11. Juli 2011, 19:44:46
Bei menschlichen Dingen, kann ich dir Dani ans Herz legen, aber achtung, sie ist etwas morbide ;D *Dani knuff*
Olle Petze!! ;D Nein, für Farean pack ich die Morbidität ein und bin ganz zahm...  :engel:

gbwolf

Zitat von: Farean am 11. Juli 2011, 14:53:51Könnt ihr mir beim Sortieren helfen? Oder vielleicht einfach dabei, eine "Scheißegal"-Stimmung aufzubauen, in der ich munter drauflosschreibe, ohne mir um all das einen Kopf zu machen?
Die Crux beim Schreiben von SF ist die, dass du dich entscheiden musst, ob du wirklich Hard-SF schreiben möchtest oder ob es um Spaß in einem Zukunftsszenario geht.
Richtige Hard-SF versucht natürlich, so viele Faktoren wie nur möglich zu extrapolieren und ein Gesamtbild der Zukunft zu konstruieren, das auch als Sachbuch funktionieren könnte (Deshalb ist es so unglaublich schwer, HSF zu schreiben und dabei eine mitreißende Geschichte zu erzählen - immer, wenn es spannend wird, kommt einem die Logik in die Quere!). An HSF recherchiert man sich unter Umständen zu Tode. Man muss selbst Experte werden, um den Experten standzuhalten, die das Ergebnis lesen werden, denn die erwarten höchste Perfektion und nichts weniger.
Ich liebe diesen Anspruch! An meiner Kurzgeschichte "Photosolaris" habe ich sicherlich 40-50 Stunden gearbeitet - wohlgemerkt an unter 30.000 Zeichen. Bei meiner neuen Novelle war es etwa ein Jahr und sie ist trotz zahlreichen Gesprächen mit Biochemikern und Luftfahrtingenieuren hochspekulativ am Rand zwischen HSF und "Sense of wonder" (Ich streite gerade mit meinem Mann, ob HSF und SOW überhaupt gemeinsam in eine Geschichte können oder sich gegenseitig ausschließen). Und immer haben wir noch Details gefunden, die nicht stimmten: Anzüge, deren Farbe keinen Sicherheitsvorschriften entspricht, ein Knalltrauma, mit dem meine Söldnerin nicht eingestellt worden wäre, weil gängige Untersuchungen sowas rausfinden, eine falsche Lebensform, über die mein Biotechniker referiert ... also ich persönlich liebe Hard-SF und kann mir nichr vorstellen, dass mir jemals die Ideen ausgehen, obwohl die echte Wissenschaft bereits so weit ist (Wie mir die Frau eines SF-Verlegers so schön sagte: "SF mit Chips lese ich nicht - die Autoren sind zu weit hinter dem, was bereits möglich ist" - sie arbeitet bei einem großen Chiphersteller).

Also zurück zur Planeten-Fantas...SF? Muss ja nicht. Die Kunst ist die, eine Geschichte in sich konsistent zu halten. Wenn der Leser das Gefühl hat, dass du alles im Griff hast und einfach logisch ist, was gerade passiert, dann verzeiht er bei guter Handlung und tollen Figuren so ziemlich alles.
Nur die Mischung aus beiden Formen, die floppt normalerweise gehörig.

Liest du momentan denn aktuelle SF? Kurzgeschichten? Beschäftigst du dich mit der Szene? Wenn du nur für dich schreibst ist es egal, aber wenn du veröffentlichen möchtest, dann ist es gerade in der SF-Szene gut, ein Gespür für die Leser zu bekommen und für die Trends. zwischen Justifiers, Wurdack-Anthologien und c't liegen Galaxien. Überleg dir, wo deine Schwerpunkte liegen und überleg dann, ob du noch SF schreiben möchtest oder vielleicht lieber ein wildes Crossover.
Ansonsten empfehle ich "Blumen für Algernon" (Erstausgabe unter dem Namen "Charlie"), das meines Erachtens wunderbar widerspiegelt, dass die emotionale und soziale Entwicklung der Menschen mit der Entwicklung von Intelligenz und Technik nicht schritthalten kann. Bildtelefone sind seit Jahrzehnten machbar - die Menschen aber wollen sich beim Telefonieren nicht in die Augen sehen.

Als Anregung aus dem SF-Netzwerk: Wie aktuell ist die aktuelle SF?

Grüße,
Nadine

Farean

Zitat von: Die Wölfin am 11. Juli 2011, 20:09:43
(Ich streite gerade mit meinem Mann, ob HSF und SOW überhaupt gemeinsam in eine Geschichte können oder sich gegenseitig ausschließen).
Tatsächlich gehen HSF und SOW für mich wunderbar Hand in Hand, wenn es um den Sense Of Wonder für die Wunder der Wissenschaft geht. :vibes: Ich möchte so gern meinen Lesern, auch und gerade naturwissenschaftlichen Laien, vermitteln, wie phantastisch es allein sein muß, sich in den Weiten unseres bescheidenen, kleinen Sonnensystems zu tummeln (um mir dann Raum für Steigerungen zu lassen, sobald es zu den Sternen hinausgeht). Mit Soft SF kann ich im Gegensatz dazu meist relativ wenig anfangen - nicht (nur), weil ich Wert auf Korrektheit oder Exaktheit lege, sondern weil ich finde, SF-Autoren, die lieber in ihrer eigenen Vorstellungskraft fischen als in der wissenschaftlichen Recherche, lassen sich viel entgehen. Die Realität ist sehr gut darin, unsere Vorstellungskraft zu übertreffen.

Aus demselben Grund reibe ich mich denn auch gar nicht so sehr an einzelnen unstimmigen Details wie z.B. der Farbe der Anzüge oder den Möglichkeiten medizinischer Untersuchungen. Es muß nicht "alles perfekt sein" (auch wenn's schön wäre ;)), aber es sollte einen Eindruck davon vermitteln, was da draußen - auch in Realitas - alles auf uns wartet.

Zitat von: Die Wölfin am 11. Juli 2011, 20:09:43
Liest du momentan denn aktuelle SF? Kurzgeschichten? Beschäftigst du dich mit der Szene?
Ich habe sie zugegebenermaßen etwas aus den Augen verloren. Die letzten Romanautoren, die mich eine Zeitlang konsequent haben fesseln können, waren David Brin und Ben Bova, aber Bovas Sonnensystem-Saga ließ leider nach "Venus" rapide nach. Was andere Subgenres betrifft... die ganzen "überraschenden" Funde von Leben auf dem Mars, ob jetzt von Benford oder Eschbach, hinterlassen bei mir inzwischen einen schalen Geschmack von "oh nein, nicht schon wieder". Die letzten Autoren, denen ich eine Chance gegeben habe, waren Charles Sheffield und Alastair Reynolds, und vor allem bei letzterem (speziell bei dem Roman "Unendlichkeit") erschlug mich einfach der schiere Bombast.

Seitdem versuche ich zwar, immer wieder ein bißchen ein Auge auf die Szene zu halten, habe aber an SF noch nichts wieder gefunden, das meinen Leseappetit geweckt hätte.

Zitat von: Die Wölfin am 11. Juli 2011, 20:09:43
Wenn du nur für dich schreibst ist es egal, aber wenn du veröffentlichen möchtest, dann ist es gerade in der SF-Szene gut, ein Gespür für die Leser zu bekommen und für die Trends.
Ich habe mir vorgenommen, immer an erster Stelle für mich selbst zu schreiben. Daher bezieht sich mein "Hilfegesuch" in diesem Thread auch nicht so sehr darauf, was denn publizierbar wäre oder im Trend liegt. Es geht mir vor allem darum, daß ich derzeit sogar beim Schreiben für mich selbst blockiert bin und hoffe, diese Blockade im Gespräch hier im Tintenzirkel zu lösen. Ich weiß recht genau, welche Motive ich in meiner Geschichte drinhaben möchte - Raumflug, Abenteuer, Kolonien auf phantastischen, fremdartigen Welten -, aber dabei blockieren mich im Moment solche Motive wie "moderne Kommunikation ist ein furchtbares Kuddelmuddel" und "Computer machen Menschen überflüssig". Ich will über die Wunder der Wissenschaft schreiben, nicht über die Wunder der Technik. Leider schaffe ich es im Moment nicht, ein lebensfähiges Szenario auf die Beine zu stellen, in dem ich den Raumflug "pur" habe, wie ich ihn von meiner geliebten SF der 50er und 60er her kenne. Lasse ich die IT weg, kommt es mir unglaubwürdig vor. Nehme ich sie rein, verzettle ich mich. Wonach ich suche, ist ein Weg, dieses Dilemma aufzulösen - und sei es nur durch eine bessere Geisteshaltung.