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[Recherche] Plattenvertrag und Musikproduktion

Begonnen von Naudiz, 30. Juni 2011, 14:01:00

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Naudiz

Terve, liebe Mitzirkler!

Ich weiß, in Anbetracht meines eigenen musikalischen Wirkens klingen die Fragen, die ich gleich stellen werde, richtig dämlich, aber ich weiß echt nicht weiter. Wikipedia und Google spuckten mir zwar Grundsätzliches aus, aber das reicht nicht aus.

Es geht darum, dass eine meiner Protas Sängerin im Metal-Bereich werden soll. Erst einmal versucht sie es solo, später soll sie aber mit einer Dark Metal-Band in Berührung kommen und zu ihrer Lead Voice werden.
Um das zu erreichen, muss sie erstmal bei einem Label unterkommen.

Meine Frage also: Wie bekommt man einen Plattenvertrag? Schickt man einfach ein Demotape zu einem Label und wartet ab? Oder kann man auch persönlich dorthin gehen und vorsingen? Veranstalten die Labels eine Art Casting?


Eine andere Sache ist die, dass ihr Album dann auch produziert werden soll. Ich will es nicht in allen Details ausschreiben, aber ab und an sollen die Bandmitglieder doch ein oder zwei Wörtchen über den Verlauf der Produktion fallen lassen.

Wikipedia spuckt mir dazu aus, dass die Reihenfolge wie folgt aussieht:

- Demotape
- Vorproduktion
- Tonaufnahme
- Mix
- Mastering
- CD-Herstellung

Wer macht was, und wie läuft sowas ab? Wie lange dauert es, bis die CD in den Läden steht?

Und Frage Nr.3 wäre dann, wer überhaupt so ein Konzert plant, und wie das vonstatten geht. Und wie sieht es mit Touren aus? Wie viel kostet sowas - und wer übernimmt diese Kosten?

:seufz:
Ich weiß, das sind ziemlich viele Fragen, aber irgendwie komme ich da mit meinen Recherchen nicht weiter.


Lavendel

Warum braucht sie ein Label? Bands (auch welche mit Label) starten oft genug einen Aufruf, wenn sie einen Musiker neu besetzen müssen, lassen sich Demotapes schicken und laden die besten zu einer Probe ein.

Naudiz

Erstmal danke für die Verschiebung - und entschuldigung, dass ich meine Fragen falsch platziert habe.

Eigentlich sollte sie ja erst einmal solo was machen. Aber so im Nachhinein erscheint mir das auch unsinnig. Das grenzt ja schon beinahe an Seitenheischerei.
Ich glaub', ich lass' das weg.

Die Frage nach dem Produktionsprozess und der Konzert/Tourplanung ist aber trotzdem noch aktuell  :)

Lavendel

Zitat von: Naudiz am 30. Juni 2011, 14:54:08
Erstmal danke für die Verschiebung - und entschuldigung, dass ich meine Fragen falsch platziert habe.

Ähm, nein, ich hab dich jetzt zurückverschoben, irgendwie war ich mir jetzt auch nicht so sicher, wo es besser passt, also kannst du auch hier bleiben, es sei denn Felsi kommt nachher angedüst und haut mich. ::)

Wenn die Band schon ein Label hat, dann schreiben sie wahrscheinlich Songs, proben die, nehmen ein Demo auf, an dem nicht groß geschraubt wird, damit die Produzenten/Leute von Studio wissen, was auf sie zukommt, dann sagen wahrscheinlich die Leute aus der Produktion was zu den Songs, es wird geschraubt, bis alles passt, dann wird aufgenommen und der Mixer oder Tonassistent im Studio mastered die Aufnahmen, bis sie gut klingen. Das Cover wird von einem externen Künstler/Grafikdesigner designt, dann geht die CD in eine Fabrik zum Pressen und das Booklet wird in irgendeiner Druckerei gedruckt. Alles zusammen geht dann in den Handel.

Also, ich bin jetzt nicht der Checker im Musikbusiness, und wenn ich jetzt was Falsches erzähle, möge mich jemand korrigieren, aber ich denke, so in etwa läuft das im Idealfall.

Vali

Ist zwar inzwischen August, aber vielleicht interessiert dich das ja noch. Ich bin schließlich auch Sängerin in einer Metalband, allerdings ohne Label und schon gar nicht berühmt, konnte aber im semiprofessionellen Bereich reinschnuppern.

Wenn man als Sängerin im Metal was reißen will, muss sie richtig gut singen und einigermaßen gut aussehen. Die Messlatte hängt was Gesang angeht nämlich recht hoch. Talent wäre also schon mal ganz praktisch und aber wenn sie eher klassisch klingen soll, wird sie um klassischen Gesangsunterricht nicht drumherum kommen. Wenn man als Sängerin dann in eine gute Band mit professionellen Ambitionen einsteigen will, sollte sie zudem schon Band-, Auftritts- und Studioerfahrung haben und selbstverständlich gutes Equipment und Geld, viel Geld (weil man viel investieren muss bevor eines Tages irgendwas rausspringt).
Wenn man dann sein Repertoire zusammen hat, geht es um Promotion, Promotion und Promotion. Man meldet sich in allen sozialen Netzwerken an, bastelt eine eigene Homepage, designt ein Bandlogo, zerbricht sich den Kopf über eine originelle Bandbio und Pressetexte, macht ein professionelles Fotoshooting, druckt unzähliges Promomaterial (Plakate, Banner, Flyer) nimmt ein Demo im Studio auf, lässt einen professionellen Designer das Cover entwerfen, gibt die Demo in Presse, sucht verzweifelt nach Auftritten (für die man oft zahlen muss, von wegen Gage) bei denen man die Demo verkaufen kann, sowie anderes Promozeug wie T-Shirts, Buttons, Aufkleber und man hofft in Konzertreviews positiv erwähnt zu werden. Wenn noch sehr viel Geld übrig bleibt, wagt man es ein Musikvideo zu drehen.
Wenn man entsprechende Kontakte hat und alles zum Freundschaftspreis bekommt, spart man natürlich Geld. An solche Kontakte kommt man vor allem durch Promotion.
Erst wenn man dann ein kleiner Regionalheld geworden ist, also sich Leute für deine Band interessieren, haben auch seriöse Agenturen und Produzenten an dir Interesse, bzw. hat man eine Chance, dass die Bewerbung angenommen wird. Die Agenturen und Produzenten helfen dann einem an Auftritte zu kommen und übernehmen ein Großteil der Promotion. Wenn sie in der Band den Goldesel sehen, versuchen sie die Band an ein Label zu vermitteln. Produzenten haben übrigens in der Studioproduktion ein großes Mitspracherecht, mischen die Aufnahmen oft selbst ab.
Musikbusiness ist ganz und gar nicht romatisch.

Was die Demoproduktion angeht, läuft das so ab:
Die Band probt intensiv die Songs, die auf die Demo kommen sollen. Wenn die Lieder sicher und bombenfest sitzen, bucht man ein Studio. Die Rhythmusfraktion geht ins Studio und nimmt Leadtracks auf, an denen sich der Schlagzeuger später orientieren kann. Schlagzeug, Bass und Rhythmusgitarren werden aufgenommen und erst dann Melodieinstrumente. Soli werden aufgenommen und der Gesang. Wegen Ermüdungserscheinungen wird Gesang oft an mehreren Tagen für ein paar Stündchen aufgenommen.
Der Tontechniker und wenn vorhanden Produzent machen den Premix und spielen evtl. Samples in den Mix ein. Man trifft sich mit ein oder zwei Bandmitgliedern für evtl. Sonderwünsche und damit sie das Ergebnis zum ersten Mal zu hören bekommen. Tontechniker und Produzent machen das Mastering und die CD kann zusammen mit dem professionell in Auftrag gegebenen Albumdesign ins Presswerk gehen. Je nach dem ob und wie man vertraglich gebunden ist, hat da mehr oder weniger Mitspracherecht als Band.

Sanjani

Hallo Naudiz,

In Blogs von Bands steht zum Thema Produktion auch oft was drin. Konkret erinnere ich gerade Nightwishs Studiotagebuch (oder wie die das nennen) und ich glaub im Blog von Tarja steht auch etwas dazu. Da kannst du vllt mal absehen, wie lang so etwas dauert, das sind allerdings Profibands.

@Vali: Na ja, hohe Messlatte ist lustig. Mir fiel da gleich spontan Sirenia ein, die ja m. E. nie eine wirklich gute Sängerin hatten. :)

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Rika

In welchem Land spielt denn deine Geschichte? Das wäre evtl auch noch bedenkenswert, gerade wenn es um die Anfänge geht und wo sie Auftrittsmöglichskeiten findet...

Vali

#7
@Sanjani Tja, was glaubst du, warum die Sängerinnen von Sirenia regelrecht runtergeputzt werden. Wenn da nicht der Rest der Musik so gut wär und einer da zufällig Morten Veland heißt. ;) Und Achtung, Ailyn singt gar nicht so schlecht und live sehr solide, wäre da nur nicht der komische Akzent und das kleine Stimmmaterial.
Ansonsten wird gesangstechnisch ein hohes Niveau von den Damen erwartet.

Bei absoluten Profistarbands, die von ihrer Musik leben können wie Nightwish, Metallica und Co. ist das alles natürlich anders. Sie erfahren viel Unterstützung, sind immerhin in einem Majorlabel, werden von namhaften Firmen mit absolutem Topequipment gesponsort und sind sonst nur von absoluten Profis umringt und haben mächtig viel Vitamin B. Dafür sieht der Terminkalender wohl viel krasser aus als bei "Normalsterblichen-Bands". Eine "Normalsterblichen-Band" hat nicht so viel Unterstützung, muss viel unmusikalische Arbeit selbst leisten, müssen sich als Toursupport einkaufen, wenn das Label ihnen keine eigene finanziert und schreibt gerne mal rote Zahlen oder bestenfalls Null. Habe (als Vorgruppe) schon Kontakt zu national bekannten Metalbands gehabt und sie natürlich auch dazu ausgefragt. Die krebsen auch oft am Existenzminimum, was man von außen nicht so sieht. Wir kriegen nur deren Plattenverkäufe und Medienpräsenz mit und merken gar nicht wie das im Hintergrund an ihren Geldbeuteln und Nerven nagt. Die haben das Geld solch bedürftiger Bands wie meiner dringend nötig, um weiterhin präsent zu bleiben, auch wenn sie dabei ein schlechtes Gewissen haben. Das hat mich wirklich zutiefst geschockt. Da fragt man sich manchmal wirklich, warum man den Zirkus eigentlich mitmacht, aber man ist einfach zu ehrgeizig und vor allem macht es viel zu viel Spaß und man will immer mehr haben (mehr Fans, mehr geilere Auftritte, noch geileren Sound, usw.). Wie eine Sucht.

Sanjani

Hallo Vali,

auch wenn es jetzt nicht zum Thema gehört: Kann man dich irgendwo im Internet (bei Youtube oder so) auch mal mit deiner band hören? Du machst mich neugierig ^^

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Vali

Naja, meine jetzige Band steckt noch in den Kinderschuhen, aber vielleicht ist das gerade interessant. Einfach mal bei myspace nach brocelian suchen. Meine kleine semiprofessionelle Erfahrung hab ich aus dem Top40-Coverbandbereich (tja, da hab ich vom Singen noch nettes Taschengeld verdient *seufz*) und als Live-Gastmusikerin bei einer regionalen Progressive Metalband.

Achja, was Konzerte angeht, gibt es verschiedene Wege. Als No-Name-Band kommt man an Auftritte erst mal nur über Freunde oder bei Bandcontests. Bei letzterem lernt man andere kleine Bands kennen mit denen man später Auftritte zusammen macht. Ansonsten kann man selbst ein Konzert organisieren. Man muss einfach in bestimmten Lokalen fragen und wenn man die Location hat, muss man nur noch die Bühnentechnik organisieren und um Kosten zu teilen, ein paar befreundete Bands einladen. Kostet viel Geld und an Zuschauern kommen meist nur ein paar Freunde und vielleicht mal ein Stammgast, der sich dort verirrt hat.
Wenn man Kontakt zu einer netten Band hat, die nicht ganz so tief in den roten Zahlen steckt, kann man mal als Vorband ein bißchen Spritgeld bekommen oder zumindest mit einem Kasten Bier bezahlt werden.
Das Auftreten bei Bandcontests ist oft kostenlos, wenn es nach dem Schema "Wer die meisten Freunde mitbringt, gewinnt" läuft, weil die Veranstalter durch Eintritts- und Getränkepreise genug einnehmen. Bei kommerziellen Bandcontests wie Emergenza muss man Startgeld zahlen. Ansonsten läuft es nach demselben Schema. Natürlich kriegt man weder Gage noch Gewinnbeteiligung. Wenn man an unseriöse Veranstalter gelangt, wird auch mal gefordert als Band eine Mindestanzahl an Tickets zu verkaufen.
Wenn man als Toursupport bei einer bekannteren Band spielen will, muss man sich mit Biographie, Fotos und Demo bewerben. Worauf es letztendlich ankommt, ist wieviel Publikum die Band zieht. Wenn man genommen wird, muss man in der Regel die gesamte Tour mitmachen und pro Show bezahlen. Ab 500€/Show ist man bei "etwas berühmten" Bands dabei. Je bekannter die Hauptband, desto teurer. Meist bewegt sich das im vierstelligen Bereich pro Show. Also kann man für eine Tour mal locker 50.000€ leichter werden. Das einzige, was an Einnahmen reinkommt, ist das was man am Promotionstand verkauft hat.
Selbst eine Tour zu organisieren, tut so gut wie niemand, weil da Kosten in astronomischen Höhen entstehen und organisatorisch so viel zu tun ist, dass man als Band den Überblick verliert. In der Regel organisiert das Label oder die Agentur eine Tour, nachdem man ein Album veröffentlicht hat. Wie es da mit Kosten genau aussieht, wer was wieviel ausgibt und verdient, weiß ich leider nicht.
Wie es bei Festivals a la Wacken, Hurricane, M'era Luna, Rock am Ring, etc. aussieht, weiß ich leider auch nicht genau. Habe mir aber erzählen lassen, dass die Bewerbung ungeöffnet im Müll landet, wenn die Band nicht eine gewisse Anzahl an Plattenverkäufen vorweisen kann. Gezählt werden nur Plattenverkäufe, also keine Downloads, keine Internetradioklicks.

Hoffe, ich konnte ein bißchen Licht ins Musikbusiness (Schwerpunkt Rock/Metal) werfen. Musikbusiness heißt nun mal Musikbusiness. Als Band ist man quasi eine Firma oder in Augen der Verwerter "ein Produkt". Das hat leider wenig mit Idealismus zu tun und von der Mär, dass nur die Guten in den Rockstarhimmel gelangen. Auch hier regiert Geld die Welt. Aber wenn es Fantasy ist, darf es natürlich anders sein und Träumen erlaubt sein. :)

Volker

#10
Grumpf, da hat das Forum gerade meinen längeren Beitrag gefressen. Also hier noch einmal in Kurzform zu Einnahmen aus veröffentlichten CDs:

Bei einem Major-Verlag erhalten bei etablierten Bands nach Standardvertrag Komponisten und Texter in der Größenordnung von 1,50 je CD, die restlichen Bandmitglieder 50ct. Das sind jeweils Summen für das gesamte Album und sind auf alle Musiker aufzuteilen.
Bei einer Top10 Gold-CD (100.000) sind in Summe also 200.000 EUR zu verteilen - bei eingekauften Songs nur 50.000. In einer klassischen Fünferband lebt man demnach selbst bei 1-2 Top-10 CDs mit Fremdsongs im Jahr von 1.000 EUR brutto im Monat (abzüglich Steuern und Aufwänden), also am Hungertuch - vielleicht daher bei vielen die zerrissene oder knappe Bekleidung? Und das für die Top-Truppen.

Und dann gibt's noch beliebig viel Müll in den Verträgen selber - so unbezahlten Promo-Touren (bei denen nur der Verlag einnimmt), gerne auch in nicht limitiertem Umfang; oder Knebel mit Verpflichtung auf 7 CDs, von denen aber nur 4 produziert und die restlichen 3 nicht abgerufen werden, so dass nicht einmal zu einem anderen Verlag gewechselt werden kann. Und auch bei der Abrechnung der mageren Musikeranteile wird gerne noch im industriellen Maßstab getürkt: Standard ist oft, dass pauschal zweistellige Prozentanteile für Bruch (kaputte Schallplatten), Lagergebühren wie auch Rückläufer und Vernichtung überzähliger Medien Abschläge angenommen werden - und das auch für Downloads (30% zerbrochene Bits, oder wie?) .

Hatte ich schon die Gema erwähnt? An die müssen alle Tantiemen der Komponisten und Songs gezahlt werden sobald der Songschreiber Mitglied ist (oft Voraussetzung für Major-Vertrag) - und das auch für eigene Konzerte und eigene Webseiten! Die Einnahmen werden nach einem geheimen Schlüssel ausgezahlt, der hauptsächlich an die etablierten Schlagerfuzzis ausschüttet und effektiv nichts an kleinere Künstler. Von den 4 von mir (mit)produzierten CDs hat von den Gema-pflichtigen Songs mehr als die Hälfte der Künstler definitiv keinen roten Heller gesehen.

Bei Einnahmen auf/bei Konzerten sieht's ein bisschen besser aus. Da kann dann neben der (hoffentlich vorhandenen Gage) z.B. beim Merchandize auch der Händleranteil (meist um die 40% vom Verkaufspreis jedes Teiles) mit an die Band fließen - wenn der Verlag sich diesen Bereich nicht inzwischen auch gekrallt hat.

Kleinere und auch mittlere Bands machen bei Industrieverträgen mit klassischen CD-/Download-Verkäufen effektiv kein nennenswertes Einkommen.
Leider. Den Zahn sollte man sich schnell ziehen lassen - sonst ist da irgendwann eine Wurzelbehandlung fällig, ohne Betäubung...
:nöö:

Naudiz

Ach du heilige Sch- *piiiiiep*, ich hab' diesen Thread hier ganz vergessen!

Sorry, Leute!

Jetzt muss ich erstmal querlesen. Ganz so aktuell ist das Thema zwar nicht mehr, aber wer weiß, wofür man die ganzen Infos noch brauchen kann. Danke! Ihr seid echt klasse!