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Fiktive Zitate am Kapitelanfang

Begonnen von Leo, 15. Juni 2011, 10:34:48

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Lomax

Zitat von: Churke am 17. Juni 2011, 21:33:47Die Selektion, die Fremdauswahl, die du ansprichst, beruht in der Regel darauf, dass bestimmte Zitate einen breiten Anwendungsbereich haben.  Den Spruch "Die Würfel sind gefallen!" kann man wahrscheinlich auf jeder zweiten Seite irgendwo unterbringen. Ich kann aber auch mit Fremdzitaten arbeiten, die ihre spezifische Bedeutung erst im Zusammenhang - man könnte auch Sagen in Gegenüberstellung - mit dem eigenen Text erhalten.
Wirkliche "geflügelten Worte" kann man wohl kaum noch sinnvoll als Zitate in Büchern einbringen - dafür sind sie dann schon wieder zu bekannt und zu oft benutzt. Aber es gibt doch einen recht breiten Fundus an mehr oder minder "kanonischen" Schriften bekannter Autoren, aus denen man vieles schöpfen kann, was nicht jeder kennt, was sich aber trotzdem über lange Zeit als eindrucksvoll bewährt hat und den Vorteil einer "Fremdauswahl" bietet. Je weiter man sich davon entfernt, je "apokrypher" die Fundorte von Zitaten werden, je marginaler die Werke, aus denen man sie auswählt, umso passgenauer kann man sie in seine Werke eingliedern.
  Umso subjektiver wird dann aber auch ihre Wirkung, umso mehr hängt die Weisheit und Tiefgründigkeit dann vom Geschick des Auswählenden ab, selbst wenn er aus den Nebenwerken etablierter Autoren schöpft. Denn selbst die haben oft erstaunlich viel Mumpitz geschrieben, da sind die Nebenwerke oft zurecht wenig beachtet, und nicht jeder Brief entspricht dem Standard, den man von den Werken gewöhnt ist, für die die Autoren sonst bekannt geworden sind. Ich denke halt, da wird der Vorteil des Zitierens "großer Geister" rasch dünner, je mehr man von seinem eigenen Geist und seiner eigenen Bildung in die Auswahl investieren muss. Wobei dann auch noch die Passgenauigkeit von der eigenen Quellenkunde beschränkt ist, während man Eigenzitate präzise auf die Erfordernisse des Textes zuschneiden kann - da bestimmt also in beiden Fällen schon sehr schnell die Fähigkeit des Autors die Wirksamkeit des Zitats, ob selbst ausgedacht oder selbst ausgewählt.

Es gibt da durchaus gelungene und missglückte Beispiele in beide Richtungen, und ich kann nicht behaupten, dass bei mir, wenn ich etwas gelesen habe, Fremdzitate bisher immer besser abgeschnitten haben als selbsterfundene. Ich würde eher sagen, es wirkt ganz allgemein peinlich, wenn sich der Autor mit seinen Zitaten vergreift - ob er sie nun schlecht selbst erfunden oder unpassend ausgewählt hat. Und es ist auch schwierig, all die unterschiedlichen Anwendungsgebiete solcher Zitate in einen Topf zu schmeißen und beispielsweise Zeitungsartikel, Technikexkurse und weise Sinnsprüche am Kapitelanfang zu vergleichen und ihre Wirkung für den Text in allen Fällen vor allem daran zu messen, ob es Fremdzitate oder erfundene Zitate sind.
  Wobei oft auch der Kontext eine Rolle spielt. Sowohl bei einem SF-Roman wie dem "Wüstenplaneten" wie auch bei einem historisierenden phantastischem Roman vor antikem Szenario könnte man sich gleichermaßen entschließen, fiktive oder historische Zitate einzusetzen - die Wirkung wäre allerdings in beiden Fällen bei derselben Entscheidung eine ganz andere, weil man damit eine ganz andere Referez herstellt. In einem Fantasywerk würde die Referenz eines Fremdzitats aus dem Werk hinaus in die "richtige" Geschichte führen, aber auf dieselbe zeitliche Ebene. In einem SF-Roman würde das Zitat von Klassikern hingegen eine zeitüberspannende, historische Kontinuität schaffen, die sich durchaus werkintern interpretieren ließe. Alle diese Variationsmöglichkeiten haben je nach Kontext und Aussageabsicht ihren Sinn und ihren ganz eigenen Reiz - aber sie sind halt nicht zwangsläufig besser oder schlechter, sondern bringen ganz andere Aussagen und Verweise in den Text, und unglücklich ist es auf jeden Fall dann, wenn man die für die gewünschte Aussageabsicht ungeeignete Referenz wählt oder einfach irgendetwas wählt, ohne die Wirkung für den Text zu bedenken, weil man es an sich für "gut" hält und gerne überall unterbringen will.
  Das wäre dann ein klassisches Beispiel für einen Manierismus, und das beispielsweise scheint schon mal ein Mangel zu sein, der sich bei Fremdzitaten häufiger beobachten lässt als bei erfundenen.

Ich habe übrigens allgemein das Gefühl, was du mit der Wertschätzung von Fremdzitaten verbindest, hat tatsächlich weniger mit dem formalen Phänomen "vorweggestellter Zitate" zu tun, sondern entspringt eher einer ganz allgemeinen Wertschätzung der "Intertextualität", die sich ja darin äußert, dass man seine literarischen Bezüge und seine literaturhistorische Verortung im Text durch Zitate, Anspielungen und ähnliche Dinge deutlich macht. Indem man halt das, was vor einem war, aufgreift, um das Neue, was man schafft, in einen Kontext zu stellen. Vorweggestellte Zitate können ein Ort sein, wo man so etwas exponiert deutlich macht, aber das ist halt nicht ihr einzig möglicher Zweck. Ich persönlich mag so was lieber ohne Silbertablett unauffällig im Fließtext eingewoben, wo man sich erfreuen kann, wenn man etwas wiedererkennt, ohne dass Gefühl zu bekommen, dass der Autor sich die fremde Feder auffällig schmückend auf seinen Text gesteckt hat.
  Aber das ist dann wieder Geschmackssache, und wirklich stolpern tu ich halt auch nur drüber, wenn der restliche Text dem Fremdzitat so gar nicht gerecht wird.

Fizz

Mal eine andere Frage:

Wie sieht es rechtlich bei der Verwendung von fremden Zitaten aus?
Wird ein Betrag fällig? Absprache/ Genehmigung? Ändert sich etwas wenn der Zitierte genannt wird/ nicht genannt wird?

Dealein

Gibt es denn so viele Leute, die die Zitate nicht lesen? Ich hatte vor mit den Zitaten den Verständnis meiner Welt und Magie beizutragen . . .

Wollmütze

#33
Wie lang sind denn deine Zitate, Dealein?

Edit: @ Fizz: Ich glaube, solange du korrekt zitierst, dürfte es da keine Probleme geben. Soll heißen, der Name des jeweiligen Autors des Zitates gehört meiner Meinung nach dazu - ist ja schließlich nicht dein Zitat.
Bei unbekannten Zitaten von unbekannteren Menschen bin ich mir mit der Genehmigung nicht so sicher. Ich denke, da müsstest du schon nachfragen. Anders natürlich wenn du einen Ende oder einen Tolkien z.B. zitierst.
Oder bin ich auf dem Holzweg?

Dealein

@ Wolli: Nur kurz, so 15 Worte oder so.

Nuya

Ich lese sowas gern. :) Zitate, ein paar Worte vorab.
Wenn es zuträglich für die Stimmung ist oder Interesse weckt, find ich das prima. :)

Wollmütze

Dealein: 15 Wörter sind doch vollkommen okay. Das überliest man sicherlich nicht.  :)

Dealein

#37
Ich hoffe es, dass die Leute es lesen. Immerhin erklärt es immer ein Stückchen meiner Welt.

Ich überlese Zitate eigentlich nie. Egal wie lang sie sind. Was mich aber dann doch stört ist, wenn ich nicht verstehe was das jetzt soll und dann ständig versuche den Zusammenhang zu verstehen.

Edit:

Jetzt beim Schreiben ist mir etwas aufgefallen. Könnte es sein, dass man diese Zitate als störend empfindet, wenn es gerade super spannend ist und dann ein neues Kapitel kommt? Dann musst man ja erst das Zitat lesen und wird ja in der Spannung unterbrochen, oder?

Oder könnte man es so machen, dass man nicht immer ein Zitat vors Kapitel stellt? Was denkt ihr?

Lemonie

Zitat von: DealeinJetzt beim Schreiben ist mir etwas aufgefallen. Könnte es sein, dass man diese Zitate als störend empfindet, wenn es gerade super spannend ist und dann ein neues Kapitel kommt? Dann musst man ja erst das Zitat lesen und wird ja in der Spannung unterbrochen, oder?

Also ich muss zugeben, dass ich da auch schon ab und zu ein Zitat ausgelassen habe deswegen ( :pfanne: mich mal selbst).
Ich habe ein Buch gelesen, da hat der Ich Erzähler in jedem zweiten Kapitel was über Parasiten/Evolution erzählt (klingt jetzt krank, war aber ziemlich lustig, ging in dem Buch um Vampire, die dadurch zustande kommen, dass Menschen von einem Parasiten befallen werden  ;)). Ich fands ziemlich lustig und auch interessant, aber als es dann irgendwann in der Haupthandlung spannend wurde, habe ich diese Kapitel komplett übersprungen (waren meistens auch nur ein paar Seiten). Ich hab die dann hinterher gelesen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass Leser Zitate überspringen, wenn das Buch gerade spannend ist. Weil es auch keinen Spaß mehr macht, die zu lesen, wenn man sich die ganze Zeit nur danach sehnt, dass das Zitat zu Ende ist und es weitergeht ;)
Aber es hinterher zu lesen geht ja auch...

Und wenn bei dir wichtige Aspekte der Welt/Magie erklärt werden, kannst du auch sagen: Selber Schuld, wenn sie es nicht lesen. Ist zwar schade, aber wenn man schon ein Buch liest, kann man wenigstens alles mitlesen würde ich mal sagen.

Gwendelyn

Fiktive Zitate lese ich immer mit, weil ich mich dadurch viel besser in die Welt der Geschichte hineinversetzten kann. (Reale Zitate lese ich zwar auch, aber sie tragen in den meisten Fällen für mich nicht zur Gesamtstimmung des Buches bei.)

Vor allem die Zitate in Sandersons Mistborn-Trilogie fand ich großartig. Ich habe einige Kapitel regelrecht überflogen nur um das nächste Zitat lesen zu können.

Sanjani

Hallo zusammen,

mit dem Urheberrecht kenne ich mich nur in Bezug auf wissenschaftliche Arbeiten aus und da muss man neben Autorennamen auch den Titel des Werks und die Seite angeben. Allerdings habe ich auch oft in anderen Büchern gelesen, dass nur der Name angegeben wird, also wird das schon seine Richtigkeit haben. Und im Zweifelsfall müsste man da dann seinen Verlag fragen.

Ich mag Zitate auch, am liebsten die erfundenen. Ich finde, sie bringen Authentizität rein, wenn sie gut gemacht sind.

Ich finde nicht, dass man vor jedes Kapitel ein Zitat setzen muss, aber es sollte schon Systematik haben, z. B. immer bei denselben Perspektivträgern oder aber immer bei Beginn eines neuen Tages / Monats / Abschnitts usw. Und wenn es gerade spannend ist, dann kann man ja vllt ein eher kürzeres Zitat wählen, das ist dann im Zweifelsfall auch schnell gelesen :)

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Ary

Ich habe DAS Zitat gefunden, das ich gern meiner Roten Tür voranstellen würde. Es passt wie Faust auf Auge udn stammt aus dem Song "Wicked Games" von Chris Issac:
ZitatThe world was on fire, no one could save me but you
Strange, what desire will make foolish people do
I never dreamt that I'd meet somebody like you
And I'd never dreamt that I'd lose somebody like you...
Bin mal gespannt, ob ich damit durchkomme, wenn das denn irgendwann mal einen Verlag findet.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Adiga

Zitat von: Aryana am 11. August 2011, 20:14:49
Ich habe Das Zitat gefunden, das ich gern meiner Roten Tür voranstellen würde. .....   The world was on fire, no...

Nun - mein english ist dermaßen unterbelichtet ... obwohl ich jedes Wort einzeln übersetzen kann - bleibt mir der Inhalt des Textes zur Gänze verschlossen - so geht's mir eigentlich immer mit so englischen Texten - ich würde - anders sprachige Zitate einfach immer überspringen (zumindest meistens) -

wenn ich länger wie drei Sekunden beim Lesen  über eine Stelle nachdenken muss - und dann nur feststellen kann - ich werde nie dahinter kommen - was hier gemeint ist - fühle ich mich ziemlich rasch im Lesefluss unterbrochen - geschieht so was öfters im Text -wird  so ein Buch sehr rasch das letzte Mal in die Hand genommen...

(und dass ich engl.sprachige Texte in deutschsprachiger Literatur in vielen Fällen für unpassend halte - kann man sich vorstellen - bei Fantasy - die in einer erfundenen Welt spielt natürlich ausnahmslos)


Ary

Och, ich weiß nicht. Ich finde fremdsprachige Zitate nicht "verwerflich" oder unpassend, auch nicht bei Fantasy, wenn sie inhaltlich zur Geschichte passen. Ärgerlich ist es nur, wenn man die Sprache nicht kennt und erst mal nach einer Übersetzung suchen muss, aber auch das ist dank Internet möglich.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Romy

Möglich ist es schon, fremdsprachige Zitate per Internet zu übersetzen, aber ich wage zubezweifeln, das viele Leute das tun werden, wo ja hier im Thread schon einige gesagt haben, dass sie sogar deutschsprachige Zitate überspringen.
Wobei ich Dein Zitat eigentlich noch recht einfach zu verstehen finde Ary und ich bin auch nicht gerade das Englisch-Ass. :)
Aber andererseits würde ich Adiga schon recht geben, dass man fremdsprachige Zitate als deutschsprachiger Autor in einem Original-deutschsprachigen Buch mit größer Vorsicht einsetzen sollte. Wie ich damals oben schon schrieb, finde ich persönlich diese vorangestellten Zitate toll und würde mir wohl sogar die Mühe des Übersetzens machen, wenn ich was nicht verstehe. Ich befürchte aber, dass der durchnschittliche Englisch-/Fremdsprachenmuffel wenig Lust dazu hat und das dann halt einfach ohne schlechtes Gewissen überspringt, und das wäre ja auch schade.  :-\