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Christliche Wörter in unchristlichen Welten

Begonnen von Rosentinte, 18. April 2011, 16:01:55

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Shin

Mein Lieblingsausruf der Überraschung ist wohl wirklich "Oh mein Gott!".
Aber Alternativen findet man da auch. Im Englischen gibt es ja auch die Variante "Oh my gosh!", wobei gosh mit "Ach du meine Güte!" oder "Donnerwetter!" übersetzbar ist. Und Donner gibt es ja nicht nur in unserer Welt, das muss keinen religiösen Bezug haben. "Wenn es donnert, ist Gott böse" ist für mich da keine passende Erklärung. Ein Donnerwetter ist einfach etwas, was sehr plötzlich auftauchen kann und etwas, was auch einigen Menschen Angst macht.

Das Wort 'verdammt' gibt es ja nicht nur als Fluch, sondern auch als Beschreibung.
"Das war verdammt knapp!"
"Wir hatten verdammtes Glück!"
"Es ist seine verdammte Pflicht!"
In solchen Beschreibungen kann sich das Wort auch mal einschmuggeln. Also nicht nur auf die Flüche an sich achten!

Außerdem ist im nicht religiösen Sprachgebrauch Verdammung recht synonym mit Verurteilung. Wir hatten das Thema auch einmal im Lateinunterricht. Der Ursprung "damnare" hießt "verurteilen wegen", oder von "damnum", was "Verlust, Schaden, Nachteil, Niederlage" bedeuten kann.
Außerdem denke ich bei dem Wort Verdammung auch an das Wiegenlied aus König der Löwen 2, indem es heißt: "Sie verfolgen, sie verdammen und zum Schluss wird man verdbannt."
Hier könnte man das verdammen sehr gut durch verurteilen ersetzen. Oder kannten die Löwen etwa auch 'unsere' Religion?
"The universe works in mysterious ways
But I'm starting to think it ain't working for me."

- AJR
"It's OK, I wouldn't remember me either."        
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caity

#31
Hallo,

ich finde es auch "schöner" wenn man sich in einer eigenkreierten Welt auch selbst ein paar Namen zurechtlegt und auf so etwas achtet, dadurch gewinnt die Welt mehr Tiefe, meiner Meinung nach. Ob es mich aber wirklich stören würde, wenn darauf nicht geachtet wurde, mmh ... ich weiß nicht, ob ich mir dazu genug Gedanken darüber während dem Lesen mache. Es ist mir ehrlich gesagt noch nie besonders negativ aufgestoßen.

Was allerdings so Wörter wie "verdammt" anbelangt: die sind heutzutage so in unseren allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen, da wirkt es teilweise einfach gekünstelt, wenn man sie nicht benutzt. Ich würde nicht "auf Teufel komm raus" (*hust*) nach anderen Umschreibungen suchen, wenn manche Sachen einfach nicht mehr direkt mit dem christlichen Hintergrund verbunden werden.

@ Zitkalasa:
ZitatWir fluchen ja auch nur auf den Gott, weil das Christentum nur den einen hat, der auch noch völlig namenslos ist (bzw. kennt die Menschheit die Namen nicht).

Wenn ich jetzt ein bisschen besserwisserisch rüber komme, hau mich ruhig, aber der gute Gott hat einen Namen, zumindest im Alten Testament und im Judentum. Er ist nur nicht so weit verbreitet und schon gar nicht gebräuchlich, weil es im Judentum verboten war und noch immer ist, seinen Namen auszusprechen, man hat statt dem Namen - auch wenn die Vokale (EDIT:  :wums: ersetzt das bitte durch "Konsonanten") da standen - immer "Adonai" = Herr (deshalb die Luther-Übersetzung HERR) oder "Schem" = Name gelesen. Jesus hat dann im Christentum diese Tradition der Ferne in gewisser Weise gebrochen, indem er eben die Bezeichnung "Vater" einführte. Ansich stellt sich der Gott des Alten Testaments aber mit dem Namen "Jahwe" vor. ;)

Bye
caity
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Snöblumma

Ich werde "verdammt" trotzdem weiter verwenden, ich mag das Wort vom Klang her zu gerne :hmhm?:.

Naja, ein wenig hat mir dieser Thread schon zu denken gegeben. Ich verwende "verdammt" oder "verflucht" recht häufig, obwohl meine Welt in weiten Teilen atheistisch ist. Das ist an sich dann ja nicht wirklich logisch  :versteck: . Hoffentlich fällt das niemandem auf, denn mir fällt auch keine Alternative ein, mit der man das ähnlich gut transportieren könnte. Die beiden Worte haben etwas an sich.

Ansonsten finde ich es aber wirklich besser, wenn man darauf achtet, was verwendet wird. Caitys Beispiel mit "auf Teufel komm raus" ist so ein Klassiker. Ohne Teufel kein Sprichwort mit ihm, sollte man meinen. Hier finde ich es aber immer besser, wenn eine gewisse Balance geschafft wird zwischen zu viel Neuentwicklungen und zu vielen Anspielungen auf unsere Welt. Es soll ja nicht das Rad neu erfunden werden, sondern eine Stimmung transportiert werden. Mir ist es aber bisher nur gelegentlich aufgefallen beim Lesen, wenn es wirklich zu krass wurde, siehe der Teufel. Ansonsten habe ich aber lieber Sprichwörter, die ich verstehe, als eine Anhäufung fremder Götternamen, ohne dass diese je irgendwo in ihrer Funktion erklärt werden und damit klar wird, wieso gerade bei diesem Gott geflucht wird, bei jenem geschworen usw.

Shin

Zitat von: Snöblumma am 03. August 2011, 21:09:31
Ich verwende "verdammt" oder "verflucht" recht häufig, obwohl meine Welt in weiten Teilen atheistisch ist.

Ich finde das wie gesagt nicht schlimm. Verdammung kann wie gesagt auch Verurteilung heißen. Und Fluche bedeuten für mich Ausdruck von Zorn.
(Und überhaupt: Der beste Spruch ist immer noch "Gott sei Dank bin ich ein Atheist."  ;) )
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- AJR
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Ary

In meinen Welten haben die Götter allesamt Namen, und da wird dann eben "Bei XXX" geflucht oder geschworen. "Verdammt" schreibe ich allerdings auch oft. Was ich mir verkneifen muss, ist der Teufel, denn den gibt es ja nicht zwangsläufig unter dieser Bezeichnung, ebenso die Hölle. Auch wenn Ilaro sehr gern "Chaos und Höllenfeuer!" sagt, wenn ihm was nicht passt.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Sanjani

Ich bin inzwischen ein Stückweit pragmatisch geworden. Wenn ich z. B. eine Verdammung im christlichen Sinne nirgends in meinem Buch erwähne, muss das ja nicht automatisch heißen, dass es sie nicht gibt, oder? :)
Umgekehrt hab ich jetzt den Teufel doch rausgestrichen, weil ich ihn mir in meiner Religion nicht vorstellen kann und es sich falsch anfühlt ihn trotzdem im Sprachgebrauch der Figuren zu benutzen.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Rakso

#36
Also ich schreibe oft einfach nur "bei den Göttern/Geistern" oder je nachdem, welches Verhältnis der Sprechende zu seiner Religion hat. Das ist ja idividuell unterschiedlich. Ich finde es schon wichtig, dass man sich "seiner" Welt da unterwirft. Also eigentlich das, was schon weiter vorne gesagt wurde.

Zitat von: caity am 03. Juni 2011, 15:01:10
immer "Adonai" = Herr (deshalb die Luther-Übersetzung HERR)

So, jetzt möchte ich mal besserwisserisch sein ;D : adonay bedeutet nicht "Herr", sondern "meine Herren". Der Singular wäre adoni "mein Herr". Der Plural wird hier verwendet, um die Hochachtung gegenüber Gott auszudrücken. Luther hat deshalb mit HERR übersetzt, weil die die direkte Übersetzung im Deutschen ungebräuchlich war, er aber die Erhabenheit dieser Anrede beibehalten wollte.
Der Name Jahwe wird im Judentum kaum verwendet. Zwar steht in der Tora יהוה‎ = JHWH (weil es eben eine Konsonantenschrift ist), aber man liest (je nach Kulturkreis oder Umgebung) adonay, elohim oder haShem.

Snöblumma

Da bin ich aber froh, dass mein "verdammt" doch weiter im Text bleiben darf. Ich hatte ja schon Angst, dass das wirklich nicht reinpasst. Aber wahrscheinlich wäre das zu perfektionistisch gewesen.  :versteck:

"Bei den Göttern" ist immer eine tolle Alternative  ;) . Funktioniert meistens.

der Rabe

Jetzt habe ich auch noch einmal eine Frage, die glaube ich ganz gut in diesen Thread passt:

In meiner Geschichte, gibt es ein Sechs-Götter-System, das an das Elementesystem angelehnt ist: Feuer, Luft, Wasser, Erde, Holz/Wachstum (also eine MIschung aus Europäischen und Chinesischen Elementen), und eine Gottheit für Weisheit und Einheit.

Bisher gibt es keine Boten, die von den Gottheiten gesand werden könnten, es ist auch nicht angedacht welche zu erfinden. Falls diese Götter eingreifen würden, dann indirekt, indem sie etwa mehr Wärme oder eine Krankheit schicken, aber sie tauchen nicht als Personifizierung auf, auch nicht in den Vorstellungen der Menschen.

Jetzt habe ich aber zwei Mal die Beschreibung einer Person als "Engel" - "vollkommener" Körper usw. - was für mich persönlich kein Problem ist, weil es für mich einfach bedeutet, dass er einen schönen Körper hat. Sprotte hat mich aber darauf hingewiesen, dass Engel eben der christlichen Mythologie entstammen und Götter- bzw. Gottesboten sind.

Ich hab mich versucht schlau zu machen und etwas anderes zu finden, das vielleicht weniger christlich angehaucht ist als ausgerechnet Engel, das Problem: diese anderen Wesen sind dann dafür auch quasi unbekannt.

Ich könnte jedem Element noch ein Fabelwesen beigeben (das Glaubenssystem ist eh noch nicht genug ausgearbeitet ::)), und z.B. Sylphen für die Luftgottheit nehmen, die dann auch für Anmut und Schönheit stehen könnte. Aber wer weiß schon, was eine Sylphe ist? Bei Engeln wäre das Bild sofort klar.

Was ist eure Meinung? Ein klares Bild, das - wenn man es genau nimmt - nicht reinpasst, oder etwas passenderes, das aber niemand kennt?

Vielen Dank schon mal für eure Antworten. :winke:
:rabe:
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

Steffi

Warum nennst du sie denn nicht einfach Boten? ;) Wenn du ihre Funktion erklärst werden die Leser schon verstehen, was für eine Art Figur gemeint ist, und es gibt ja auch die "Boten Gottes". Das Wort gibt die richtige Assozation ohne direkt christlich zu sein?
Sic parvis magna

der Rabe

Hmmm... da habe ich mich wohl unglücklich ausgedrückt.

Es geht nicht darum, dass es Boten geben soll. Es geht darum, dass ich ein Bild brauche für einen schönen Menschen, das es in dieser Welt eigentlich nicht geben kann.
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

Vali

Wenn du die Mythologie so in die Geschichte einbaust, dass die Leser wissen, was eine Sylphe ist, dann finde ich das persönlich schöner und deine Welt wirkt damit auch viel lebendiger.
Sonst kannst du deine hübschen Fabelwesen Nymphe nennen. Das sagt vielen was und dank zahlreicher Fantasyliteratur, die diese Wesen entführt haben, nicht mehr unbedingt unzertrennlich mit griechischer Mythologie verbunden. Sonst gibt es ganz viele andere Alternativen für "Engel" wenn es nur eine schöne Erscheinung darstellen soll, zum Beispiel ein Diamant, die Sonne, eine Edelrose, eine Porzellanfigurine, ein Schmetterling, uvm. und wenn es unwirklich schön sein soll, sagt man auch mal gerne "Sie war so schön wie ein Traum".

Wenn es in deinem Setting keine Engel oder ähnliche Wesen gibt, die man als Götterboten sehen kann, fände ich es reichlich komisch, da mit Engel anzukommen. Bau doch lieber deine Sylphen ein.

Sprotte

Nachdem ich das ja nun verbockt habe, möchte ich das "Göttergeschenk" in den Ring werfen.

Rosentinte

Hallo,
Ich denke, man kann in diesem Zusammenhang alles mit den Göttern benutzen. Zum einen das von Sprotte eingeworfene "Göttergeschenk". Aber auch ein "Götterliebling", oder "einer, der von den Göttern geliebt wird", könnte. Alternativ natürlich auch jemand, dessen Perfektion nah an die Götter reicht oder der an den jungen Hier-Gott-einsetzen erinnert, wenn es bei dir Götterbilder gibt.
Wenn du aber nicht auf den Bezug zu den Göttern fixiert bist, gibt es m.M.n. 1000 und eine Möglichkeit den-/diejenige/n zu beschreiben, Vali hat ja schon ein paar genannt.
LG, Rosentinte
El alma que anda en amor ni cansa ni se cansa.
Eine Seele, in der die Liebe wohnt, ermüdet nie und nimmer. (Übersetzung aus Taizé)

Tintenweberin

#44
Ich würde in so einem Fall schnell noch einen Mythos oder ein Märchen erfinden, um die Schönheit eines Menschen in einer engelfreien Welt zu beschreiben.

Zum Beispiel so: Sie war so schön wie die Königin vom hohen Fels, von der man sich erzählte, dass sie stets nur im Schutz eines Schleiers ihre Gemächter verlassen hatte, weil zu befürchten war, dass sogar die Sonne vor Neid erblassen würde wenn sie ihr unverhülltes Antlitz sehen könnte.