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Betaleser

Begonnen von Cherubim, 27. Januar 2011, 20:21:19

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Cherubim

Was wünscht ihr euch von euren Betas?

Ich weiß, dass es darauf keine pauschale Antwort gibt. Mancher möchte nur eine ehrliche Meinung zum Gesamtwerk, eine Rechtschreibkontrolle usw.

Aber vielleicht gibt es ein paar allgemeine Kriterien, die man an die Person eines Betalesers stellen kann.
Mich würde eure Meinung zu diesem Thema sehr interessieren.

Steffi

Ich mag meine Geschichten am liebsten rot kommentiert zurück bekommen  ;D

Nein, im Ernst. Ich schätze es sehr, wenn mir ein Beta nicht nur sagt, dass er etwas gut oder schlecht fand, sondern vor allem warum. Und am allerbesten ist es, wenn er es an konkreten Punkten festmachen kann.
Sic parvis magna

Malinche

Als ich jetzt meine Kondorkinder als erstes Projekt ever hinaus zu den Betalesern geschubst habe, habe ich bei einigen einen Fragenkatalog zur Orientierung beigefügt.

In erster Linie wünsche ich mir inhaltliche Kritik. Ich möchte wissen, wie die Charaktere wirken. Sind die sympathisch / unsympathisch, die von mir auch so geplant waren? Sind sie glaubwürdig, ist ihre Motivation nachvollziehbar? Sind ihr Charakter und ihre Entwicklung über die Handlung stimmig dargestellt?

Ein zweiter Punkt natürlich die Handlung - ist sie logisch, stringent? Gibt es Szenen ohne Plotrelevanz, die guten Gewissens gestrichen werden können? Fehlen Hintergrundinformationen? Ist etwas zu hektisch oder zu lang? Sprich: Gibt es Kapitel, bei denen man am liebsten weiter blättern würde?

Wortwahl und Ambiente sind dann zwei weitere Felder - wenn es da Sachen gibt, die herausstechen, möchte ich das auch gerne wissen. Das heißt, wenn der Stil irgendwann kippt, die Sprache unpassend gewählt ist, nicht genug Stimmung vermittelt wird, etc.

Ein sehr interessanter Punkt, an den ich persönlich nicht gedacht hatte, zu dem ich aber gerade sehr konstruktive Rückmeldungen von Sonnenblumenfee bekomme (die ein richtig toller Beta ist, nebenbei bemerkt  :knuddel:), ist das Verhältnis der einzelnen Kapitel zueinander: Sind sie zu lang oder zu kurz, passiert zu viel oder ist zu wenig Handlung auf viel Raum gestreckt?

Ich denke, es spielt auch eine Rolle, in welcher Phase betagelesen wird. Mir ist jetzt vor allem eine inhaltliche Rückmeldung wichtig, aber gerade bei Tipp- und Rechtschreibfehlern ist man irgendwann so betriebsblind (und die Rechtschreibkontrolle findet nicht alles, gerade, wenn man durch Buchstabendreher ein falsches Wort eingesetzt hat, das aber an sich richtig geschrieben ist), dass Hilfe da auch willkommen ist. Das
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Ary

Ich unterschreibe bei Malinche in allen Punkten :)
Logik ist ein ganz wichtiger Punkt, da brauche ich immer einiges an Rückmeldung. Ich weiß gern von anderen, warum eine Geschichte vielleicht nicht funktioniert - am besten natürlich mit Begründung, warum etwas so nicht geht. Wenn meine Sachen bei Lisande zum Betan waren, bekomme ich sie immer kakelbunt zurück - das ist toll. Ich bekomme gern Rückmeldung, ich kann mit Kritik leben, aber ich bin auch ein sensibles Seelchen, das ab und zu mal gestreichelt werden will - will sagen, ich will nicht nur für den Mist,den ich baue, zur Schnecke gemacht werden, sondern mag auch gern mal ein Lob für Dingem die gefallen.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Sprotte

ZitatIch bekomme gern Rückmeldung, ich kann mit Kritik leben, aber ich bin auch ein sensibles Seelchen, das ab und zu mal gestreichelt werden will

Ganz lautes Ja!
Ich habe großes Glück, daß Nuya schon länger meine Bücher liest. Was sie sich bei Arrion geleistet hat, war herrlich.
Sachliche Anmerkungen, wirklich lange Kommentare mit Begründungen, was sie störte, wie sie es verbessern würde. Soweit so gut. Aber dann göttlich süße Kommentare wie "ich lauf rot an", "ich lieg am Boden vor Lachen". Und dann auch noch genau an den Stellen, die ich für solche Reaktionen vorgesehen habe.
Ich konnte also direkt auch an den lieben, unsachlichen Kommentaren ablesen, ob meine Geschichte so funktioniert, wie ich sie geplant habe.

Runaway

Ich sag mal eher, was ich NICHT will - negatives Brainstorming... denn ansonsten kann ich Malinche nur zustimmen. Wichtig ist es, konkrete, begründete Kritik zu üben.

Aber was ich NICHT mag, ist Feedback wie...
- "mir hat die Geschichte gut gefallen"... ja. Schön. Warum wieso weshalb? Das kann ich immer nicht so ganz glauben, denn es MUSS Minuspunkte geben. Die will ich hören.
- Rückmeldungen, die erkennen lassen, daß der Leser gepennt hat. Fragen zu Dingen, die schon erklärt wurden. Da zweifelt man dann immer: Hab ich es nicht gut genug erklärt oder hat derjenige wirklich gepennt? Es gibt beide Fälle, aber mir geht's jetzt wirklich um unaufmerksame Leser.
- Leser, die ihre Verbesserungen direkt in den Text schmieren und ihn damit ändern, anstatt es per Kommentar an den Rand zu packen.  :pfanne:
- Leser, die nicht die Rückmeldung bringen, um die man gebeten hat - wenn man um eine pingelige Korrektur bittet, will man die haben, und wenn es um Stilfragen geht, will man keine Kommafehler vorgehalten kriegen
- Leser, die sich selbst in den Text reinprojizieren und subjektive Meinungen verkünden, sie aber als objektive Wahrheit hinstellen
- Leser, die versprechen, es zu lesen und es dann doch nicht tun...

moonjunkie

Den Punkten von Malinche kann ich auch so zustimmen.

Sehr gut weitergeholfen hat mir meine erste Betaleserin, sie hat wirklich sehr genau gelesen und Widersprüche aufgedeckt, während des Betalesens Kommentare per E-Mail geschickt und mir Fragen gestellt und Hinweise gegeben, was nicht stimmt, welche Szenen sie am besten fand etc. Dafür hat sie nicht genau gesagt, ob die Geschichte ihr insgesamt gefiel (was mich eher darauf schließen lässt, dass nicht  :-\, aber es war die erste Version, das lässt mich hoffen).

Sprachliche Korrekturen sind mir auch wichtig, da ich mit Kommata ein wenig auf dem Kriegsfuß stehe. Und sehr oft Anglizismen verwende, weil ich sehr viel englisch lese und spreche.

Aber am aller hilfreichsten war meine letzte Betaleserin, die selbst schreibt und einige Seminare und Workshops zum Schreiben besucht hat. Sie war sehr direkt, das fand ich unheimlich hilfreich. Sie hat mir zuerst auch in einer E-Mail Kommentare zu bestimmten Textstellen und dem gesamten Text geschickt und danach an meinem Word-Dokument Kommentare angefügt und auch im Text mit Änderungsmarkierungen verbessert (Kommas... und Satzstellungen). Von ihr habe ich erfahren, welche Charaktere gut funktionieren und welchen noch etwas fehlt. Witzigerweise waren viele der Kommentare, wie z.B., dass etwas recht kitschig war oder eine abwegige Reaktion meiner Heldin, die Stellen, die mir auch selbst ein wenig spanisch vorkamen.

Ich habe auch eine Freundin, der ich allerdings nur einige Kurzgeschichten geschickt habe, die einfach nur begeistert ist. Da ich weiss, dass sie von sehr vielen Büchern und Filmen begeistert ist, kann ich das nicht immer für voll nehmen, fühle mich aber trotzdem geschmeichelt und brauche manchmal (zusätzlich) auch genau das.

Und wenn das Betalesen dann auch noch so schnell geht wie bei meiner besten Betaleserin, dann ist es doch perfekt! Natürlich haben nicht alle Betaleser so viel Zeit und es dauert ein wenig länger.

Judith

Zitat von: Runaway am 28. Januar 2011, 02:09:23
- Leser, die nicht die Rückmeldung bringen, um die man gebeten hat - wenn man um eine pingelige Korrektur bittet, will man die haben, und wenn es um Stilfragen geht, will man keine Kommafehler vorgehalten kriegen
Also ganz ehrlich: So Kleinigkeiten wie Tippfehler und Kommafehler bessere ich immer aus, wenn ich beim Lesen darüberstolpere. Einfach deshalb, weil ich es für unsinnig halte, das nicht zu tun, wenn ich doch eh das Manuskript schon sorgfältig lese. Im schlimmsten Fall kanns nämlich passieren, dass das sowohl der Autor als auch später ein Lektorat überliest und diese kleinen Fehler dann plötzlich im gedruckten Buch immer noch drinnen sind.

Runaway

Ja, das find ich eigentlich nicht falsch... aber ich hatte den Fall gestern wieder selbst. Sorella hatte mir was geschickt und mich gebeten, mir nur den Stil anzugucken, weil noch keine Rechtschreib- und Komma- und sonstwas-Korrektur erfolgt ist.
Dann mach ich das aber auch so. Es wären ein paar Kleinigkeiten drin gewesen, aber angenehmerweise nicht viele und sie haben auch nicht gestört.
Ich richte mich da ganz nach dem, was derjenige gesagt hat.

Maran

 :darth: Wie will man den Stil beurteilen, wenn man die Interpunktion außer Acht läßt?  :engel:

Runaway

Indem man sich die fehlenden Kommas denkt? Ich seh da jetzt kein Problem. Was haben denn Kommas mit einem knappen, beschreibenden, lebendigen, toten, langweiligen, schwülstigen oder sonstwie gearteten Stil zu tun? Den seh ich auch unabhängig von Kommas.

Maran

#11
Es gehen viele Informationen verloren, wenn die Interpunktion fehlerhaft ist. Das ändert auch nichts daran, daß der Leser sich evtl. die Kommata etc. denkt, wenn er Glück hat sogar an der richtigen Stelle.

Blödes, aber eingängiges Beispiel:
"Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt."
"Der brave Mann denkt an sich - KOMMA - selbst zuletzt."
Jaaa, es ist schon ein Unterschied, ob der brave Mann nun selbstlos oder ein Egoist ist.

Ich meine Folgendes: Ein paar gut plazierte Informationen innerhalb eines Satzes ist ein himmelweiter Unterschied zu endlosem Schwallern. Kurz, knapp und prägnant, die Interpretation dem Leser überlassen, nicht das Erfassen des Sinnes der Aussage.

Man kann über Interpunktion auch sehr gut Emotionen rüberbringen. Man kann Tempo in den Text hineinbringen oder es herausnehmen, ganz nach Situation innerhalb der Geschichte.

[edit]: Um auf den Kern des threads zurückzukommen: Als Betaleser wünsche ich mir Texte, die ich nicht erst verzweifelt versuchen muß zu verstehen, weil der Autor/die Autorin es nicht für nötig erachtet, mir diesbezüglich Hinweise im Text zu geben.

Runaway

Ich glaube, ich weiß, was du meinst. Aber so detailliert meine ich das gar nicht. Wenn ich gefragt werde "wie findest du den Stil der Geschichte", dann kann ich das auch ohne Rücksicht auf Zeichensetzung erfassen.
Das Beispiel, das du da nennst, hat ja auch weniger mit Stil als mit Semantik zu tun, wobei ich sogar ganz gnadenlos sagen würde, daß Satz Nr. 2 sich ganz schlecht liest und eher ein Beispiel für schlechten Stil wäre ;) Ich hab nämlich grad 5 Anläufe gebraucht, um herauszufinden, wie ich den lesen muß, um ihn mit Komma zu verstehen...

Franziska

Ich erwarte vor allem, dass der/die Beta auf die Fragen eingeht, die ich habe. Ich hatte jetzt schon einige Betalseser, aber nur eine hat wirklich auf meine Fragen geantwortet.
Wenn ich frage: Wie findest du den Text und es kommt nur ausführliche Rechtschreibkorrektur, ist das nicht der Sinn der Sache. Ich finde es auch toll, wenn mal ein Lob drinsteht, oder einfach Kommentare zur Geschichte wie "oh ist das traurig, wein" oder "jetzt hälst du mich schon wieder vom Frühstück ab" Im Idealfall. Das freut mich immer total, wenn ich das erreicht habe, was ich erreichen wollte.
Umgekehrt aber auch wirklich ehrliche Kritik. Kein Angst davor, den anderen damit zu verletzten. Aber auch so formuliert, dass es das nicht tut. Es ist nicht so einfach, aber mit etwas Humor klappt das.

Und nicht so was: dass muss so heißen...

oder: es könnte noch dass und das passieren ...
Wenn ich Plotten will, frage ich danach. Es ist immer noch meine Geschichte.

Wenn dem Betal der Text gar nicht gefällt, sollte er es sagen. Sonst bringt es niemandem was. Manchmal gefällt einem einfach ein bestimmter Stil nicht.

Sonnenblumenfee

Zitat von: Malinche am 27. Januar 2011, 20:28:30
Ein sehr interessanter Punkt, an den ich persönlich nicht gedacht hatte, zu dem ich aber gerade sehr konstruktive Rückmeldungen von Sonnenblumenfee bekomme (die ein richtig toller Beta ist, nebenbei bemerkt  :knuddel:)
Danke sehr!  :knuddel: Die Kondorkinder machen es mir aber auch leicht.

Ich habe bisher zwar noch keinen Betaleser in anspruch genommen (wenn alles klappt, brauch ich aber Ende Februar einen), aber ein paar Mal betagelesen. Und eine Sache die mir aufgefallen ist: manchmal kann man als Beta gar nichts zu den Fragen sagen, wenn einem einfach nichts auffällt - weder positiv noch negativ. Klar, wenn ich nochmal darauf angesprochen werde, mache ich mir noch mal mehr Gedanken dazu und versuche dann zu antworten, so gut es geht, aber wenn mir spontan nichts dazu einfällt, sage ich lieber nichts zu diesem Punkt, als mit einem "ganz okay, passt schon" daherzukommen.
Und etwas, was mir bei den Autoren sehr gefiel, für die ich bisher gebetat habe: Rückmeldungen, Fragen. Wenn ein Autor nicht versteht, was ich meine, muss er nachfragen. Wenn er anderer Meinung ist bzw. meine Ansicht nicht nachvollziehen kann, ist es vielleicht sinnvoll, nachzuhaken (auf ewige Diskussionen sollte man sich allerdings nicht einlassen). Und wenn man als beta-Leser dann auch ehrliches Feedback bekommt, wie zufrieden der Autor mit seiner Arbeit/seinen Anmerkungen war, ist das auch klasse. Denn nur so kann man auch als Beta-Leser wachsen und lernen. das ist schließlich auch Übungssache.
"Discipline is my freedom" - Gretchen Rubin