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Wie sehr darf ein Perspektivträger lügen?

Begonnen von Sprotte, 16. Januar 2011, 10:17:21

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Kitsune

@Lomax

Sich selber zu belügen ist durchaus plausibel, dass bezweifle ich ja auch nicht. Es ist sogar so, dass sich in meinem Projekt der Hauptcharakter selber auch belügt, aufgrund eines inneren Konflikts. Wie du selber gesagt hast, ist es eben menschlich und zeichnet ein differenziertes Bild des Charakters. Aber, wie so oft, gibt es eine natürliche Grenze wieweit man sich selber belügen kann und in dem konkreten Beispiel mit dem Paladin und dem Charakter, wäre sich selber anzulügen gleichbedeutend mit einer Identitätskrise. Das geht meiner Meinung nach zu weit und ich kann mir eben nicht vorstellen, wie man das so hinbiegt, dass es passt. Das Problem, man möge mich verbessern wenn ich mich irre, ist, dass der Perspektivträger weiß, dass er weiblich ist (sogar der Paladin weiß), aber der Leser soll es nicht wissen.

Der Perspektivträger tritt (in meiner vielleicht naiven Vorstellung) nicht mit dem Leser in Kontakt. Das heißt, man darf jmd. anderen innerhalb der Geschichte anlügen; man darf sich selber anlügen; aber man darf den Leser nicht gezielt anlügen. Und damit meine ich, dass der Perspektivträger nicht weiß, dass ein Leser existiert. Ausnahmen wäre Sonderfälle in dem man den Leser eine Rolle zuordnet. Als Autor habe ich die Möglichkeit mit dem Leser zu spielen, indem ich ihm bestimmte Situationen zeige und andere wiederum nicht. Aber auch da gibt es eine natürliche Grenze inwieweit das möglich ist. Ich kann wesentliche Ereignisse und Gefühle eines Charakters nicht ausnahmslos ausschneiden und weglassen. Nicht nur nicht weil es nicht raffiniert ist, sondern auch weil inkonsequent und unbefriedigend erscheint.

p.S.: Das ist natürlich nur meine bescheidene Sicht der Dinge und ich vertrete damit keine Allgemeingültigkeit!

Lomax

Zitat von: Kitsune am 21. Januar 2011, 14:35:43Aber, wie so oft, gibt es eine natürliche Grenze wieweit man sich selber belügen kann und in dem konkreten Beispiel mit dem Paladin und dem Charakter, wäre sich selber anzulügen gleichbedeutend mit einer Identitätskrise.
Nun ja, im vorliegenden Beispiel ist das besonders einfach zu realisieren. Auch ein Perspektivträger bekommt ja nicht ununterbrochene Innensicht in der Form, dass all seine Gedanken ununterbrochen protokolliert werden. Meist wird einfach beschrieben, was er tut und sagt. Manchmal fließt ein Gedanke ein. Da vermeidet man einfach die Gedanken, die allzu verräterisch sind, und damit hat man das Problem vermieden. Die Lüge entsteht dann eher durch das, was außerhalb der Innensicht geschrieben wird und durchs Weglassen der Wahrheit.
  Wie leicht das geht und wie geschickt das umgesetzt wird, ist dann eher eine handwerkliche Frage.

Sprotte

Es hatte mich sehr gereizt. Und ich behaupte frech, daß ich es auch glaubhaft geschafft hätte.

"Hätte", da Julia die entscheidende Frage stellte:
ZitatSpontan fällt mir eine (dumme?) Frage dazu ein: Welchen Nutzen hat die Tatsache, dass alle außer dem Leser wissen, dass der vermeintliche Junge ein Mädchen ist?

Und da liegt es. Wichtig ist der Paladin, seine Untergebenen, sehr wahrscheinlich auch der eine oder andere Gegner. Aber wirklich wichtig ist der Paladin. Und der durchschaut es ohnehin in der ersten Sekunde.
Welchen Nutzen hätte es also?

Schade, schade.