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Die perfekte Szene

Begonnen von zDatze, 06. Juni 2008, 11:18:03

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Churke

Als ich mein erstes Langwerk "fertig" hatte, war ich sehr unzufrieden. Die Handlung war okay, aber irgendwie war das viel zu sprunghaft.
Der Grund war, dass Ordnung und logische Struktur fehlten. Ich habe dann drei Monate lang konsequent die Liste mit den DOs und DONT's abgearbeitet - und auf einmal funktioniert es.

Ich habe also drei Monate gebraucht, um etwas - strukturell - so umzuschreiben, wie ich es gleich gemacht hätte, wenn ich die Regeln beachtet hätte.  :schuldig:

Dazu kam dann noch, dass, wenn ich ohne Struktur schreibe, dies auf die Handlung durchschlägt.  Wenn ich mich beispielsweise mit Protagonisten und Erzählperspektiven verzettele, dann ist die Unordnung nicht im Ablauf der Geschichte, sondern in der Geschichte selbst. Diese Unordnung lässt sich möglicherweise nicht mehr restlos beseitigen, ohne eine ganz andere Story zu erzählen.

Beim jetztigen Projekt mache ich es gleich richtig und die Rechnung geht voll auf.

Selbstverständlich gibt es manchmal die Notwendigkeit, vom schulmäßigen Muster abzuweichen. Aber, um meinen Säbel-Instruktor zu zitieren: "Eine Ausnahme zuzulassen ist etwas anderes als eine Regel nicht anzuwenden." Letzteres ist tedentiell murksverdächtig.

Grey

Ich meine ja auch gar nicht, dass man aus künstlerischer Verklärtheit alle Regeln in den Wind schießen soll. Man muss aber auch immer bedenken: Es gibt so viele Regeln wie Schulen, oder noch mehr. Nicht alle funktionieren für einen selbst gleich gut. Manche widersprechen sich vielleicht sogar. Man kann sich jetzt natürlich auf eine Schule festlegen und sich strikt an deren Regeln halten. Höchstwahrscheinlich kommt auch was ordentliches dabei raus. Aber man muss das nicht machen. Man kann verschiedenes ausprobieren und hinterher das anwenden, was am besten funktioniert. Und  das eigene Gehirn ist auch nicht zu unterschätzen: Viele Regeln lernen wir unterbewusst und wenden sie auch genau so unterbewusst an. Sicher ist es gut, wenn man bestimmte Grundsatzregeln hat, mit denen man sich selbst kontrollieren und korrigieren kann. Aber ab einem bestimmten Punkt muss man auch lernen, seinem Gefühl und seiner Technik zu vertrauen. Sonst bleibt es immer ein Krampf. Und das heißt ja nicht, dass man nichts mehr dazulernen kann oder soll.

Judith

Hm, mein Problem mit der "Anleitung" ist vor allem, dass mir nicht ganz klar ist, was Ingermanson als eine Szene betrachtet. Für mich ist eine Szene eine Einheit in Figuren, Zeit und Ort. Dadurch können Szenen bei mir schon mal sehr lang sein und überhaupt nicht in diese Struktur passen.
Eher wird umgekehrt ein Schuh daraus: Ich hab also eine Passage, die mit einem Cliffhanger endet? Und dann kommt die Lösung des Problems? Okay, dann hab ich hier also "Scene" und "Sequel".
Aber wenn ich eine Szene überhaupt erst anhand dieses Schemas identifiziere - und dann wiederum diese so definierte Szene auf ebendieses Schema hin untersuche, dann beißt sich die Katze irgendwie in den Schwanz.  ???

Füchslein

Als grobe Anleitung klingt der Artikel ganz interessant, aber ich denke. obwohl man durchaus etwas daraus mitnehmen kann, dass sich nicht jede Szene genauso zergliedern lässt - jedenfalls nicht in jedem Buch. Natürlich gibt es immer Geschichten, die strikt nach Schema geschrieben sind, aber wenn es sich zu sehr häuft, lassen sich solche Schemen irgendwann durchschauen. Meines Erachtens ist wenig schlimmer für ein Buch, als wenn ich erkenne, welches Schema der Autor Szene für Szene abgearbeitet hat. Für bestimmte Arten von Szenen mag das alles durchaus seine Berechtigng haben, aber ich finde ein Buch reizlos, das keine Abwechslung bietet. Vielleicht lese ich es bis zum Ende, aber nachhaltig beeindrucken wird es mich nicht. Das hebe ich mir für die Bücher auf, die sich wagen, aus diesen engen Schemata auszubrechen und mich zu überraschen; da muss nicht jede Szene mit einem Goal beginnen oder in einem Disaster enden - es wäre zu einfach, wenn das die einzige Art wäre, Spannung zu erzeugen.
Ich schreibe immer erst nach Gefühl, gerade weil ich auch der Meinung bin, dass Schreiben zum großen Teil Kunst ist, und Kunst funktioniert nicht nach immer denselben, allgemeingültigen Regeln. Daher werde ich mein Manuskript auch nicht bei der Überarbeitung genau auf diese hin überprüfen, sondern weiterhin darauf, ob die Szenen, regelkonform oder nicht, ihren Sinn erfüllen.

Zitat von: Churke am 06. Juni 2008, 13:43:41Autos baut man ja auch auf dem Montageband und nicht in der Qualitätskontrolle. 

Genau daran dachte ich, als ich den Artikel gelesen habe - klingt eher wie eine Anweisung zum Autobauen als zum Schreiben. Vielleicht hat man, wenn man sich strikt an die Regeln hält, ein - ihnen gemäßes - perfektes Gerüst, das aber noch lange kein Leben hat, und ein solches würde bei mir nicht die Gefühle auslösen, die solch "perfekte Szenen" auslösen sollen - dazu gehört einfach mehr.

Debbie

Hier nochmal ein Link zur deutschen Übersetzung, die Jacky in ihrem Blog netterweise für alle zur Verfügung gestellt hat...

http://www.schriftsteller-werden.de/kreatives-schreiben/die-perfekte-szene-teil-1/

(Die Übersetzung ist dreiteilig)!

Ansonsten kann ich zu der Thematik noch dieses Buch empfehlen:

"Scene & Structure", Jack Bickham

http://www.amazon.de/Elements-Fiction-Writing-Scene-Structure/dp/0898799066/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1329921082&sr=8-1

Hier wird das System noch etwas ausführlicher und flexibler erklärt. Ich fand es sehr hilfreich, auch wenn man diese Dinge oft oder meistens intuitiv umsetzt, kann es einem mit den Szenen helfen, die einfach nicht so wirklich "funktionieren" wollen... Definitiv einer meiner Lieblings-Ratgeber!

Ansonsten kann ich nur meinen Vorrednern zustimmen:

ZitatDa widerspreche ich doch mal einfach! ;) Für mich ist Schreiben definitiv mehr Handwerk als Kunst, es ist harte Arbeit (und das von jedem Standpunkt aus).

ZitatSelbstverständlich gibt es manchmal die Notwendigkeit, vom schulmäßigen Muster abzuweichen. Aber, um meinen Säbel-Instruktor zu zitieren: "Eine Ausnahme zuzulassen ist etwas anderes als eine Regel nicht anzuwenden." Letzteres ist tedentiell murksverdächtig.

Das würde ich so unterschreiben  :pompom:

Aphelion

Hm, für mich gibt es eine solche Trennung von "Kunst un Handwerk" um ehrlich zu sein kaum. Selbst das Überarbeiten ist noch Kunst, zu einem gewissen Teil, und nicht nur reines Handwerk. Ich glaube auch nicht, dass man diese Anteile wirklich quantifizieren kann. Vielleicht ist Kunst auch nur das Handeln nach Regeln, die man nicht in Worte fassen kann und bei denen man nicht weiß, woher man sie hat (=implizites Wissen).

Ich persönlich finde den Artikel sehr interessant und werde ihn mir definitiv nochmal in aller Ruhe zur Gemüte führen. :) Allerdings bastel ich auch keine Szenen nach Schema. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass man schon alleine durch das Lesen solcher Artikel/Tipps/Anleitungen usw. etwas für sich mitnimmt: Es fließt automatisch ein. Nicht immer. Und vor allem nicht, wenn ich es grade einfach nicht will, sondern lieber etwas Anderes. ;)
Ich kann nur für mich sprechen: Aber auf so einer Ebene finde ich Ratgeber usw. sehr hilfreich.

Was man als "schön" oder auch in unserem Zusammenhang "gut geschrieben" empfindet, ist zeit- und kulturabhängig, von absoluten Regeln kann deshalb sicherlich keine Rede sein. Trotzdem gibt es in einem gewissen Rahmen gewisse "Regeln" oder "Leitfäden". WIE man diese konkret anwendet, ob künstlerisch-intuitiv oder handwerklich-rational, ist so lange egal, wie es für das Endprodukt keinen Unterschied macht.
Würde ich rein nach Schmema X arbeiten, könnte ich keine Gefühle transportieren. Weil ich das nicht kann. Andere können das, aber umgekehrt vielleicht einfach nicht planlos schreiben und dabei die selben Gefühle transportieren. :)

Viele Wege führen nach Rom... ;)

Thaliope

Unabhängig von Kunst oder Handwerk, denke ich mir gerade, geht es doch darum, ob man mit seinem Text beim Leser die gewünschte Wirkung erzielen kann.
Und da wir leider (?) gar nicht so komplex sind, wie wir manchmal glauben, reagieren wir halt auf bestimmte Schemata. Ich finde es interessant, seinen Text auf solche Wirkungsmuster hin zu überprüfen, die sich ja aus der Analyse von "funktionierenden" Szenen ergeben.
Ich glaube auch, dass es unbefriedigend wäre, sich beim Schreiben nur an solchen Szenenmustern entlangzuhangeln, aber wenn man vor einer Szene steht und einfach nicht dahinterkommt, warum sie nicht funktioniert, d.h. nicht die gewünschte Wirkung erzielt, kann es doch sehr hilfreich sein, an einem solchen  Muster nachvollziehen zu können, ob man vielleicht ein wesentliches Element übersehen hat. 

LG
Thali

Alaun

#22
Ich glaube, dass es meinen Texten sicher nicht schaden wird, sie mal nach diesen Strukturen abzuklopfen. Aber sklavisch daran halten würde ich mich nicht. Und mir kam gerade eine Frage ... Wenn ich mehrere Perspektivträger in einem Text habe, und das, was geschieht, ist ineinander verschachtelt - was denn dann?

Angenommen, Person A durchläuft eine Szene. Dann möchte ich aber eine andere Episode dazwischenschieben, die vielleicht an einem ganz anderen Ort mit anderen Personen stattfindet. Und wenn das durch ist, wieder zurück zu A. Kann A auch dann noch das Sequel durchlaufen? Oder muss das immer sofort aufeinander folgen? Ich würde ja einfach nur die Reaktion und die neue Suche nach einem Ziel ein wenig aufschieben.

Muss ich mal austesten. Ich hab ja ein Faible für sehr verschachtelte Geschichten  ::). Und eventuell könnte diese klare Struktur das alles etwas weniger chaotisch machen.  :hmmm:


Debbie

Also, ich finde das Schema sehr interessant - aber ich finde Schemata generell interssant.   :lehrer: 

Nicht für den Prozess des Schreibens an sich, da die Tätigkeit an sich (das kreative Schreiben am Text) m. M. nach wirklich eine intuitive Tätigkeit ist, weshalb der Ausspruch von Hemmingway ("The first draft of anything is shit."), einfach mal so unterschrieben werden kann  :jau:
Es mag Genies geben, die Überarbeitung nicht, oder nur minimal, brauchen - aber die meisten Autoren gehören sicher nicht zu dieser hocheffizienten Spezies...

Sinn macht die Anwendung von Schemate m. E. deshalb nur, nachdem die Grundfassung geschrieben ist. Wenn man solche Dinge während des Schreibprozesses direkt anwendet, steht man sich und seiner Kreativität wahrscheinlich mehr im Weg als alles andere  :wums:

Ich finde es auf jeden Fall immer wieder interessant, wie oft ich beim Lesen von Bestsellern die angewandten Schreib-Tipps aus Ratgebern "registriere" - und erstaunlich, dass sich Bestseller-Autoren über Ratgeber, die sie auf ihrem Weg zum Ruhm möglicherweise konsumiert haben, gerne ausschweigen oder pauschalisieren... Nicht alle, aber doch schon einige  :snicker:

Nebeldiener

Ich kann mit Anleitung wie man eine gute (perfekte) Geschichte, Szene was weiss ich nicht was, schreibt nichts anfangen.
Ich schreib so wie ich es für richtig erachte und schaue im nachhinein, was dabei rausgekommen ist.

Ich finde es nämlich recht schade, wenn immer mehr nach Anleitungen schreiben, weil sie Erfolg haben wollen. Mag sein, dass dann sogar ein Buch dabei herrauskommt, welches sich verkaufen lässt, mir gefällt es generell aber trotzdem nicht.

Stellt euch vor, jeder würde nach irgendwelchen vorgefertigten Regeln schreiben.
Dann hätte jedes Buch den gleichen Aufbau und es wäre nicht mehr spannend ein Buch zu öffnen, weil man dann nach so ein zwei Bücher etwa erahnen könnte, was kommt (es ist recht übertrieben, ich weiss  ;D).

Ich vergleiche so etwas gerne mit dem Zeichnen. So etwas ist für mich wie wenn man eine Schneemann zeichnen möchte und für den Körper drei Schablonen auf das Papier legt und nachfährt.
Am Ende hat man zwar einen schönen Schneemann, aber immer wenn man so einen Schneemann zeichnet kommt das exakt gleiche dabei raus.

Lg
Nebeldiener

Thaliope

#25
@ Nebeldiener: um bei deinem schönen Beispiel mit dem Schneemann zu bleiben: Wenn man sich aber vorstellt, dass dem Schneemann nun das Gesicht fehlt oder der Bauch oder der Schnee ... Und man sich fragt, warum die anderen ihn einfach nicht als Schneemann erkennen mögen - könnte es dann nicht hilfreich sein, eine Schablone von einem Schneemann zur Hand zu nehmen, um den eigenen Entwurf mit dem abzugleichen, was andere sich unter einem Schneemann vorstellen? Um den anderen - für die man den Schneemann ja irgendwie gebaut hat, eine größere Chance zu. Geben, ihn als solchen zu erkennen.
Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen abstrakt, aber worauf ich hinauswill, ist die Unterscheidung zwischen immer gleichen Abläufen und gewissen Grundschemata, die ausmachen, ob eine Szene funktioniert - oder eben nicht ...
LG
Thali

Feuertraum

Zitat von: Debbie am 23. Februar 2012, 16:39:26


Nicht für den Prozess des Schreibens an sich, da die Tätigkeit an sich (das kreative Schreiben am Text) m. M. nach wirklich eine intuitive Tätigkeit ist, weshalb der Ausspruch von Hemmingway ("The first draft of anything is shit."), einfach mal so unterschrieben werden kann  :jau:
Es mag Genies geben, die Überarbeitung nicht, oder nur minimal, brauchen - aber die meisten Autoren gehören sicher nicht zu dieser hocheffizienten Spezies...

Ich erlaube mir einmal, Dany zu zitieren (verbunden mit der Hoffnung, dass sie mir diese "Abwertung" nicht übel nimmt).
Dany hatte einmal im Forum geschrieben, dass sie besser wurde, je länger sie geschrieben hat.
Damals fragte ich sie per PM, woran sie es merkt, und sie antwortete:" Zum einem, weil es mir inzwischen gut gefällt, was ich schreibe. Und zum anderen, weil ich weitaus weniger redigieren brauche als noch vor...]

Auch Linda hatte einmal erwähnt, dass sie mittlerweise so professionell ist, dass sie kaum noch überarbeiten braucht. Und selbst meine Wenigkeit [Unter Garantie kein Genie] bekommt gelegentlich Sätze hin, die so perfekt sitzen, dass man sie bei dem Redigieren getrost ignorieren kann.
Von daher mag ich Ihre, Debbies, Aussage so nicht unterschreiben.
Zitat
Ich finde es auf jeden Fall immer wieder interessant, wie oft ich beim Lesen von Bestsellern die angewandten Schreib-Tipps aus Ratgebern "registriere" - und erstaunlich, dass sich Bestseller-Autoren über Ratgeber, die sie auf ihrem Weg zum Ruhm möglicherweise konsumiert haben, gerne ausschweigen oder pauschalisieren... Nicht alle, aber doch schon einige  :snicker:

Die Problematik bei Schreibratgebern sehe ich dahingehend, dass sie bemüht sind dem geneigten Leser/ambitionierten Hobbyautoren einzutrichtern, dass ihnen Erfolg beschieden ist, wenn sie sich nur brav und treu und sklavisch an das halten, was der Guru Autor dieses Schreibratgebers vorschreibt.
Es mag am Anfang sicherlich eine Stütze sein, gerade für einen Anfänger. In meinen Augen aber sollte ein Autor, der dann schon etwas weiter ist, der seinen eigenen Stil zu entwickeln beginnt, auch damit beginnen, die ganzen Dogmen soweit in Frage zu stellen und sich zu überlegen, ob es nicht sinnvoller ist, die eine oder andere Regel zu ignorieren, weil sich daran zu halten der Geschichte - besser gesagt dem Leseflow - schadet.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: ich sage nicht, das Schreibratgeber per se schlecht sind. Ich selber habe auch den einen oder anderen davon gelesen, empfand einiges als toll und inspirierend, anderes als für die Tonne (wobei ich vermute, das Stil und Geschmack eine große Rolle spielen). Ich sage jedoch, man sollte nicht blind alles glauben und sich daran halten.

Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Sven

#27
Zitat von: Nebeldiener am 27. Februar 2012, 22:32:18
Stellt euch vor, jeder würde nach irgendwelchen vorgefertigten Regeln schreiben.
Dann hätte jedes Buch den gleichen Aufbau und es wäre nicht mehr spannend ein Buch zu öffnen, weil man dann nach so ein zwei Bücher etwa erahnen könnte, was kommt (es ist recht übertrieben, ich weiss  ;D).

Nee, das sehe ich anders. Ganz klassisch sieht man das bei Drehbüchern. Der Dreiakter bei Drehbüchern großer Blockbuster ist (fast) immer gleich aufgebaut. Ich habe die Minutenzahl gerade nicht zur Hand, aber ganz grob gesagt, vergehen in einem Blockbusterfilm (und in vielen anderen Filmen) 30 Minuten bis zum ersten Plotpoint, 40 Minuten bis zum zweiten und nochmal 30 bis zum Schluss.
Da kann man tatsächlich eine Schablone dranhalten. In der Regel gibt es bei den Figuren einen lustigen Typen, einen schönen Typen (bei Actionfilmen sind das dann meistens die Love-Interests des Helden) und natürlich einen richtig fiesen Typen, der auch nichts anderes ist, als böse. Absolut stereotyp. Dennoch gleichen sich die Filme kaum. Und seltsamer Weise, fallen da die 10 erfolgreichsten Filme drunter.
Egal, ob es Star Wars ist, Transformers oder Indiana Jones. Und das sind nun wirklich drei unterschiedliche Filme!
Und so ist das bei Büchern auch.
Das Beispiel mit dem Schneemann gibt so ähnlich auch in der Industrie, und da kommt man auf einen anderen Rückschluss.
Sage ich einer Gruppe, wie sie einen Schneemann zeichnen soll, wird man ganz viele unterschiedliche Ergebnisse bekommen. Erst wenn ich ein Bild hinlege und sage: "Zeichnet mir SO einen Schneemann", sind die Ergebnisse ähnlich. Aber das macht ein Schreibratgeber nicht.
Darüber hinaus packen die meisten Schreibratgeber Probleme auf, die man vor allem bei Anfängern sehen kann. Dank dieser Ratgeber werden die eingereichten Scripte immer besser.

ABER:

Zitat von: Feuertraum am 28. Februar 2012, 09:11:45
Es mag am Anfang sicherlich eine Stütze sein, gerade für einen Anfänger. In meinen Augen aber sollte ein Autor, der dann schon etwas weiter ist, der seinen eigenen Stil zu entwickeln beginnt, auch damit beginnen, die ganzen Dogmen soweit in Frage zu stellen und sich zu überlegen, ob es nicht sinnvoller ist, die eine oder andere Regel zu ignorieren, weil sich daran zu halten der Geschichte - besser gesagt dem Leseflow - schadet.

So sehe ich das auch. Die meisten Ratgeber haben recht, aber manchmal WILL ich viele Adjektive benutzen. Manchmal MUSS ich das sogar. Wir alle haben gelernt, dass man Wiederholungen vermeiden soll. Aber es gibt kaum etwas Schlimmeres (in diesem Zusammenhang), als einen Autor, der mit dem Vorschlaghammer versucht, Synonyme zu benutzen, um Wiederholungen zu vermeiden! Man merkt sofort, was an der Stelle los ist, bumm und ist draußen.
Die meisten Texte werden durch Schreibratgeber besser, aber die richtig guten Texte, setzen sich über sie hinweg. Jedoch funktioniert das nur, weil der Autor bewusster mit seinem Text umgeht, was - das impliziere ich mal - bei einem Anfänger nicht der Fall ist.
Beste Grüße,
Sven

Runaway

Zitat von: Feuertraum am 28. Februar 2012, 09:11:45
Ich erlaube mir einmal, Dany zu zitieren (verbunden mit der Hoffnung, dass sie mir diese "Abwertung" nicht übel nimmt).
Nö, tu ich nicht. Nur das y nehm ich Ihnen übel :P (Nein, Spaß. Aber bot sich so an ;D )

Debbie

ZitatIch finde es nämlich recht schade, wenn immer mehr nach Anleitungen schreiben, weil sie Erfolg haben wollen. Mag sein, dass dann sogar ein Buch dabei herrauskommt, welches sich verkaufen lässt, mir gefällt es generell aber trotzdem nicht.

Stellt euch vor, jeder würde nach irgendwelchen vorgefertigten Regeln schreiben.
Dann hätte jedes Buch den gleichen Aufbau und es wäre nicht mehr spannend ein Buch zu öffnen, weil man dann nach so ein zwei Bücher etwa erahnen könnte, was kommt (es ist recht übertrieben, ich weiss  ;D).

Oder vielleicht versuchen sie sich auch nur an Regeln zu halten, die ihr Geschreibsel besser machen?! Mitunter möchte ich unterstellen, dass so ziemlich jeder Autor ein "literarisches Vorbild" oder ein stilistisches Idealbild hat, einen Text oder einen Autor, dessen Stil er also bewundert, und dem er selbst - wenn auch nur unterbewusst - versucht sich zumindest anzunähern. Wenn wir ein Buch lesen, das uns gefällt, nehmen wir unterbewusst etwas daraus mit - Stil, Aufbau, etc., was uns auch als Autor beeinflusst. Ergo: Entwicklung durch "Fremdeinflüsse" - nur eben nicht so komprimiert  ;)

Zum zweiten Punkt: Es mag Leser geben, die ihre Lektüre genreunabhängig wählen - aber ich befürchte die Mehrheit tendiert zumindest beim Großteil ihres Bücherkonsums, zur genreabhängigen Selektion. Wir wählen also immer wieder ein gewisses/gewisse Genre (und innerhalb dieses Genres/dieser Genre vielleicht sogar auch noch vornehmlich gewisse Subgenres), die gewisse Dinge gemeinsam haben, allein schon um kategorisiert werden zu können.
Viele Leser bevorzugen also diese "Wiederholung", und in diesen Reihen findet sich wieder ein Großteil von Lesern, die auch immer wieder nach Geschichten mit dem selben Thema, demselben Plotaufbau, etc. suchen...
Als Leser ist es mir völlig egal, ob der Plotaufbau (der grob sowieso bis zu einem gewissen Grad gleich ist, zumindest bei Unterhaltungsliteratur) der gleiche ist, wie in einem meiner Lieblingsbücher - solange die Thematik oder ihre Behandlung Eigenständigkeit aufweist. Ich will ein - für meine Verhältnisse - gutes, spannendes und emotionsgeladenes Buch. Nichts gegen Innovation, aber es gibt keinen Grund das Rad neu zu erfinden. Und auch wenn es jetzt mitunter Reifen heißt, muss es dennoch rund sein, um seine Funktion optimal erfüllen zu können.


Zitat" Zum einem, weil es mir inzwischen gut gefällt, was ich schreibe. Und zum anderen, weil ich weitaus weniger redigieren brauche als noch vor...]

Das muss absolut kein Zeichen von Qualität sein - warum sollten Lektorate und Agenturen sonst massenweise mit Manuskripten überhäuft werden, die selbst bei einer guten Idee, soviel Nachbearbeitung nötig hätten, dass sie sich wirtschaftlich einfach nicht lohnen würden. Ich gehe mal davon aus, dass alle diese Autoren ihre Manuskripte richtig gut finden - und viele davon sie ebenfalls für "kaum verbesserungswürdig" halten...  :hmmm:
Vor ein paar Jahren hab ich auch mal ein Interview mit J.K. Rowling gelesen, in dem sie gesagt hat, dass sie kaum mit einem ihrer Bücher zufrieden war, nachdem sie es beendet hatte. Ich denke auch das "Unzufriedenheit" mit den eigenen Fähigkeiten, für den Autor, oftmals von Vorteil ist; er weiß dann, dass er sich in einem Lernprozess befindet und strebt weiterhin nach Verbesserung.

ZitatDie Problematik bei Schreibratgebern sehe ich dahingehend, dass sie bemüht sind dem geneigten Leser/ambitionierten Hobbyautoren einzutrichtern, dass ihnen Erfolg beschieden ist, wenn sie sich nur brav und treu und sklavisch an das halten, was der Guru Autor dieses Schreibratgebers vorschreibt.
Es mag am Anfang sicherlich eine Stütze sein, gerade für einen Anfänger. In meinen Augen aber sollte ein Autor, der dann schon etwas weiter ist, der seinen eigenen Stil zu entwickeln beginnt, auch damit beginnen, die ganzen Dogmen soweit in Frage zu stellen und sich zu überlegen, ob es nicht sinnvoller ist, die eine oder andere Regel zu ignorieren, weil sich daran zu halten der Geschichte - besser gesagt dem Leseflow - schadet.

Puuh, da scheiden sich ganz stark die Geister, würde ich mal behaupten  :-\  Während ich solche Dinge, wie Plot- oder Szenenaufbau für - bis zu einem gewissen Grad - diskutabel und individuell veränderbar halte, bin ich da beim Stil ganz anderer Meinung... Ich will aber nochmal kurz erwähnen, dass ich hier ausschließlich über Unterhaltungsliteratur, und keinesfalls über literarische Belletristik spreche (für die natürlich ganz andere Regeln gelten). Ein "guter Stil" ist etwas, über das sich Germanisten wohl weitgehend einig sind. Ein sehr gutes Buch dazu, ist z. B. die "Stilfibel" oder auch "Stilkunst" von Ludwig Reiners.
Ganz oft hab ich schon von Lektoren gelesen, die, als Entschuldigung für den "schlechten" Stil eines Autors, zu hören bekommen, dass dieser eben seinen "eigenen Stil" habe, und sich nicht der Masse anpassen wolle (was in dem Fall einfach nur ein Synonym für Ignoranz und Bequemlichkeit ist). Oder ich höre von (Hobby-) Autoren, die entweder prinzipiell keine Ratgeber, oder sogar garkeine Bücher lesen, um sich ihren "individuellen" Stil nicht zu verderben  :rofl:

Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, warum es immer wieder Leser gibt, die sich bei der Lektüre von Ratgebern (und damit von deren Autoren) genötigt sehen, alles davon einhalten zu müssen. Natürlich kann man nicht alles auf jedes Genre und jeden Stoff anwenden, und natürlich kann, und sollte man zuweilen, gezielt genau das Gegenteil von dem tun, was "Standard" ist. Aber eben nicht in jedem Aspekt. Ein paar grundlegende Dinge, sollte man vielleicht einfach unangetastet lassen.

ZitatVerstehen Sie mich bitte nicht falsch: ich sage nicht, das Schreibratgeber per se schlecht sind. Ich selber habe auch den einen oder anderen davon gelesen, empfand einiges als toll und inspirierend, anderes als für die Tonne (wobei ich vermute, das Stil und Geschmack eine große Rolle spielen). Ich sage jedoch, man sollte nicht blind alles glauben und sich daran halten

Ganz genau  :jau: - und wer anderes annimmt (sorry!), ist doch einfach selbst schuld. Soviel Vernunft sollte jeder Autor besitzen, dass er fähig ist auf diesen Schluss zu kommen. Und ich nehme an, wenn Sie einiges "toll und inspirierend" fanden, gab es auch das ein oder andere, was Sie sich selbst angeeignet, angewendet oder übernommen haben?  ???

ZitatDas Beispiel mit dem Schneemann gibt so ähnlich auch in der Industrie, und da kommt man auf einen anderen Rückschluss.
Sage ich einer Gruppe, wie sie einen Schneemann zeichnen sollen, wird man ganz viele unterschiedliche Ergebnisse bekommen. Erst wenn ich ein Bild hinlege und sage: "Zeichnet mir SO einen Schneemann", sind die Ergebnisse ähnlich. Aber das macht ein Schreibratgeber nicht.
Darüber hinaus packen die meisten Schreibratgeber Probleme auf, die man vor allem bei Anfängern sehen kann. Dank dieser Ratgeber werden die eingereichten Scripte immer besser.

Der Meinung kann ich mich nur anschließen. V. a. die Ratgeber, die man auf Deutsch zu kaufen bekommt, sind sehr allgemein gehalten und hauptsächlich für Anfänger geeignet. Vielleicht kann man sogar sagen, dass diese Aussage generell auf "allgemeine" Schreibratgeber zutrifft, die viele verschiedene Aspekte in einem Band behandeln.

ZitatDie meisten Texte werden durch Schreibratgeber besser, aber die richtig guten Texte, setzen sich über sie hinweg.

Und halten dennoch die Grundregeln ein, oder?  :hmmm: