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Die perfekte Szene

Begonnen von zDatze, 06. Juni 2008, 11:18:03

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zDatze

Guten Vormittag :)

Ich habe beim Stöbern im Internet eine ganz interessante Seite gefunden.

Bevor ihr euch auf den Link stürzt, aber noch eine kleine Erklärung:
Es geht um den Aufbau einer "perfekten" Szene d.h. wie schreibe ich um den gewünschten Effekt - Spannung, Emotionen, usw. - beim Leser zu erzeugen.
Mich hat es ehrlich überrascht und auch ein bisschen abgeschreckt wie die Struktur einer solchen Szene aufgebaut ist. Sie kommt mir sehr starr und auch berechenbar vor; trocken könnte man es auch nennen.
Aus Neugier habe ich es selbst ausprobiert und einen kurzen Text verfasst und nach den genannten Kriterien durchgearbeitet. Das Endergebnis ist wirklich verblüffend!

---> http://www.advancedfictionwriting.com/art/scene.php <---

Sooo und nun meine Frage:
Arbeitet ihr nach so einem Schema bzw. glaubt ihr, dass es sinnvoll ist?

Drachenfeder

#1
Ehrich gesagt arbeite ich bei spannenden Szenen nach gar keinem Schema. Ich lasse mich da voll und ganz von meinem Bauchgefühl leiten und bin damit noch nie auf die Nase gefallen. Ich habe sowieso meine Probleme nach strikter Schemaschreibarbeit. Irgendwie macht mir das dann keinen Spaß. Momentan denke ich zumindest so: Ich habe meinen eigenen Schreibstil und mein Gefühlsschema... wem das nicht gefällt der muss meine Arbeit ja nicht lesen ;) Ob es sinnvoll ist nach solchen oder ähnlichen Leitfaden zu schreiben muss jeder für sich wissen. Mir gefällt es nicht so.

Aber interessant ist der Link auf alle Fälle.



Ary

Hi,
Ich habe den Artikel nur rasch quergelesen, kann also sein, dass ich hier und da was falsch verstanden habe - aber ich bin gerade zum "ganz lesen" zu faul.
Ich finde solche Artikel interessant, aber ich arbeite selten nach Schemen, weil ich mich dadurch zu engeengt fühle. Wenn mir jemand sagt, wie ich meine Geschichten zu schreiben habe, werde ich bockig und sperre mich, und dann kommt nichts mehr heraus. Zu enge Schemata hemmen meine Kreativität, zu viele "du musst das aber so und so machen" sorgen dafür, dass ich gar nichts mehr schreibe.
Diese Strukturen, die in dem Artikel vorgeschlagen werden, würde ich auch nicht auf eine einzelne Szene beziehen, sondern auf die ganze Geschichte. Klar braucht der Protagobist ein Ziel und selbstverständlich soll er es nicht sofort erreichen. Das ist mir klar. Im Grunde ist der ganze Artikel eine Anleitung zum Thema "Show, don't tell". Einige der Anregungen werde ich mitnehmen, aber ich werde nie nach Schema schreiben.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Coppelia

#3
Solche Schemata kenne ich schon, und ich finde sie auch relativ nützlich. Leider erzeugen Szenen, bei denen ich merke, dass sie nach Schema F abgehandelt werden, gar keine Spannung bei mir. Wenn ich z. B. merke, dass die maximale Emotion beim Leser ausgelöst werden soll, wirkt es nicht mehr. Oder wenn ein Spannungsbogen herzlos "abschnurrt", betrifft er mich überhaupt nicht. Was bei mir auch überhaupt nicht wirkt: Charaktere, die Mitleid bei mir als Leser auslösen sollen. Die traurige Witwe    z. B., deren ehrenhafter Mann von dem bösen Bösewicht ermordet wurde. Zugegeben habe ich auch einen Witwer im 1. Kapitel, aber aus einem anderen Grund. Oder die schöne Jungfrau, die sich gar sehr fürchtet, dass ein Mann ihr ein Leid antun könnte, da sie ja so wehrlos ist und auf den Helden wartet ... usw. Da muss sich ein Autor bei mir schon mehr Mühe geben, um subtiler zu sein - denn ich kenne die Tricks ja selbst.

Wobei "maximal" ja wohl auch unterschiedlich sein kann, man muss sich ja nicht immer schief lachen oder weinen. Und nicht alles wirkt gleich stark auf verschiedene Personen. Das hab ich gemerkt, als mal ein Theaterstück aufgeführt wurde, das ich geschrieben hatte. An einigen Stellen lachte das Publikum schrecklich, obwohl ich es gar nicht sooo einen guten Witz fand und umgekehrt ... :) Ist mit dem Weinen wohl genauso.

Die Kunst ist wahrscheinlich, auf solche Tipps zurückzugreifen und trotzdem mit Herzblut zu schreiben. Ich muss auch sagen: Wenn ich Probleme habe, Szenen aufzubauen oder Spannung zu erzeugen, finde ich so etwas ganz hilfreich. Wenn ich aber mit meinem Text so klarkomme, denke ich normalerweise erst später darüber nach, wenn ich überarbeite etwa.

Was aber auf jeden Fall stimmt, denke ich: Szenen sollten immer so enden, dass man wissen möchte, wie es weitergeht. Wie Comicseiten.

Grey

Zitat von: Aryana am 06. Juni 2008, 12:05:52
Ich finde solche Artikel interessant, aber ich arbeite selten nach Schemen, weil ich mich dadurch zu engeengt fühle. Wenn mir jemand sagt, wie ich meine Geschichten zu schreiben habe, werde ich bockig und sperre mich, und dann kommt nichts mehr heraus. Zu enge Schemata hemmen meine Kreativität, zu viele "du musst das aber so und so machen" sorgen dafür, dass ich gar nichts mehr schreibe.

Naja, er sagt ja aber ganz explizit, dass du nicht so schreiben sollst. Schreiben sollst du nach Gefühl, ganz ohne Regeln.
Aber fürs Überarbeiten kannst du die Regeln nutzen. Quasi dein schon geschriebenes Buch analysieren und entsprechend verbessern/neu schreiben. Klingt eigentlich ganz sinnig, finde ich ...

zDatze

#5
Dieser Ansatz hat mir auch sehr gut gefallen. Zuerst die ganzen Regeln, dann wird gesagt: "Vergiss die Regeln und schreib einfach." Ich denke gerade deswegen bleibt dann im Unterbewusstsein einiges hängen und man eignet sich ohne es wirklich zu merken ein Schema an. Zumindest soweit meine Theorie.
Ich habe auch kurz in meinem Lieblingsbuch nachgeschlagen, ob ich dieses Schema dort auch finde. Und tatsächlich, an einigen Stellen (meist Actionszenen) war es. Ich habe mir lange nicht erklären können, warum ich das Buch wirklich gut finde. Natürlich ist der Aufbau einer Szene nicht alles in einem Buch, den Stil und andere Faktoren muss man auch mit einbeziehen.

Es ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss, das möchte ich hier auch noch anmerken.  ;)

Churke

ZitatMich hat es ehrlich überrascht und auch ein bisschen abgeschreckt wie die Struktur einer solchen Szene aufgebaut ist. Sie kommt mir sehr starr und auch berechenbar vor; trocken könnte man es auch nennen.
An für sich ist das alles logisch und damit auch nicht starr, sondern es erscheint nur starr, weil es logische Schritte in eine Aufbauschema fasst.

Scene und Sequel ist nichts weiter als eine genauere Erläuterung zu "...und lassen Sie jedes Kapitel mit einem Cliffhanger enden". Wenn der Held über der Klippe hängt, dann muss er da im nächsten Kapitel wieder weg kommen, und das wird 20 Seiten schwierig... :buch:

Was nun die Small-Scale-Structure betrifft: Auch das ist nichts weiter als der logische Ablauf einer Szene. Die Reihenfolge, in der ich etwas schreibe. Ich schätze, dass 9 von 10 gut geschriebenen Szenen diesem Aufbau folgen, selbst wenn der Autor noch nie davon gehört hat.

Und, äh, sorry. Wer erst drauflos schreibt und das Geschriebene DANN in ein Schema zwängen will, der vergeudet kostbare Zeit. Autos baut man ja auch auf dem Montageband und nicht in der Qualitätskontrolle.  ::)

Grey

Zitat von: Churke am 06. Juni 2008, 13:43:41
Und, äh, sorry. Wer erst drauflos schreibt und das Geschriebene DANN in ein Schema zwängen will, der vergeudet kostbare Zeit. Autos baut man ja auch auf dem Montageband und nicht in der Qualitätskontrolle.  ::)

Auch sorry, aber der Vergleich hinkt ein wenig. Denn zum Glück ist eine Geschichte kein Auto. Autos sind Serienware, von denen tausende exakt gleiche Modelle hergestellt werden. Nicht zu vergleichen mit einem kreativen Prozess wie dem Schreiben. Bei der Montage eines Autos sind die einzelnen Schritte genau festgelegt, und schon beim ersten weiß man genau, wie das Endprodukt aussehen wird. Das wirst du bei einem Buch niemals schaffen. Ein Buch soll sich entwickeln, es muss sich entwickeln, während es entsteht. Sich in dieser Phase schon an irgendwelche Schemata hängen zu wollen, ist ziemlich kontraproduktiv.
Und deswegen ist eine Überarbeitung eben auch keine simple Qualitätskontrolle, sondern, wie das Wort schon nahelegt, eine weiterführende *Arbeit* an dem Buch, bei dem man sich um technische Feinheiten, Logikfehler und eben strukturelle Schwächen kümmert. Ein Prozess, der das Buch noch wesentlich verbessert und einfach dazugehört - also überhaupt keine Zeitverschwendung, sondern einfach nur die zweite Projektphase, wenn man so will.

Lavendel

Das ist eben die typisch amerikanische Herangehensweise ans Schreiben. Durch sowas kann man viel mitnehmen, klar. Aber dabei gibt es etwas zu bedenken: Struktur ist wichtig. Aber Struktur ist nicht alles. Es gibt Bücher, die wären nie geschrieben worden, wenn man nur nach den angeblichen strukturellen Anforderungen schreiben könnte, die an dieser oder jener Stelle mal auftauchen.

Sowas kann einen auch verunsichern, wenn man damit hinterher an sein Werk rangeht.
Stellt euch mal vor, ihr schreibt eine Szene und findet sie selbst sehr gelungen. Und dann wollt ihr prüfen, ob sie in das besagte Schema passt. Ihr stellt fest, dass euer Prota am Anfang der Szene einfach im Gras liegt und sich die Sonne auf den Bauch scheinen lässt und sonst nichts vorhat. Hm, ist das jetzt ein Goal? Wer weiß ...

Ein gutes Buch ist ein Buch mit Seele. Eins, das nicht nur auf einwandfreie Struktur getrimmt ist. (Außerdem kann das Durchbrechen von altbekannten Schemata durchaus interessant sein, wie man weiß. Das nennt man dann Überraschung).
Wie gesagt, wir bauen keine Autos.

Melchior

Das stimmt, in den USA versucht man ja sehr gern, Bücher in Schemata zu pressen. Obwohl man da ja schon von viel sinnfreieren gehört hat ...

Ich denke, intuitiv gut zu schreiben ist eine sehr wertvolle Gabe. Aber bei den meisten wird sich ohne ein gewisses Maß an theoretischen Kenntnissen leider kein Erfolg einstellen. Daher finde ich solche Schemata interessant: sich in Gedanken an ihnen orientieren, um sich dann individuell von ihnen mehr oder minder zu lösen.

Zum Überarbeiten ist es von daher vielleicht nützlich, dass ich gerne zwischen der rosaroten Brille und dem überkritischen Blick hin- und herschwanke. Es nüchtern zu analysieren hat gewisse Vorteile. Im Zweifelsfall würde ich mich allerdings immer auf mein Gefühl verlassen - und sei es gegen die Meinung all meiner Testleser.

Grey

Man darf ja auch nicht vergessen, dass Schreiben eine Kunst ist. Und Kunst braucht Leben und Seele, so pathetisch das jetzt auch klingt. Und vor allem - Individualität. Wiedererkennungswert. Stil. Die kriegst du durch kein Schema der Welt in deinen Text.

Lavendel

Darüber scheiden sich ja die Geister. Manche sagen, Schreiben ist Kunst, andere behaupten es sei ein Kunsthandwerk. Aber da frage ich mich auch immer, für welche Kunst braucht man kein Handwerkszeug?

Lomax

Zitat von: Lavendel am 06. Juni 2008, 16:56:33Ihr stellt fest, dass euer Prota am Anfang der Szene einfach im Gras liegt und sich die Sonne auf den Bauch scheinen lässt und sonst nichts vorhat. Hm, ist das jetzt ein Goal? Wer weiß ...
Klar - nämlich dann, wenn er aus irgendwelchen Gründen daran gehindert wird, verzweifelt weiter in der Sonne liegen will und am Ende scheitert. Und schon hast du eine Szene nach Schema - und einen Helden, der aufgestanden ist und was anderes tun muss und damit die Handlung weitertreibt ;D
He, das Konzept klappt ja wirklich immer! :o Jetzt weißt du ja, wie du deine Sonnen-Szene aufbauen musst, damit sie in einen Bestseller passt  ;)

zDatze

Ob man wirklich einen Bestseller damit schreiben kann, bezweifle ich ernsthaft. Es würde sonst ja nur noch von Bestsellern wimmeln und jeder "dahergelaufene" Amateur, der sich an das Schema hält, könnte ein Buch schreiben. Klingt irgendwie nicht sehr realistisch.^^

Zitat von: Grey am 06. Juni 2008, 17:51:50
Man darf ja auch nicht vergessen, dass Schreiben eine Kunst ist. Und Kunst braucht Leben und Seele, so pathetisch das jetzt auch klingt. Und vor allem - Individualität. Wiedererkennungswert. Stil. Die kriegst du durch kein Schema der Welt in deinen Text.

Da stimme ich dir voll und ganz zu, Grey.

Hr. Kürbis

Zitat von: zDatze am 06. Juni 2008, 22:04:55
Ob man wirklich einen Bestseller damit schreiben kann, bezweifle ich ernsthaft. Es würde sonst ja nur noch von Bestsellern wimmeln und jeder "dahergelaufene" Amateur, der sich an das Schema hält, könnte ein Buch schreiben. Klingt irgendwie nicht sehr realistisch.^^

Da stimme ich dir voll und ganz zu, Grey.


Da widerspreche ich doch mal einfach! ;) Für mich ist Schreiben definitiv mehr Handwerk als Kunst, es ist harte Arbeit (und das von jedem Standpunkt aus).
Denn muss man ganz klar unterstreichen, nur wer sein Handwerk beherrscht, kann sich auch der Kunst hingeben. Nicht jeder Schneider ist ja auch automatisch ein Designer, aber wohl jeder Designer ein Schneider, oder? Einem Autoren das Rüstwerk mitzugeben, wie man denn nun schreibt, finde ich nicht schlecht, was er dann  schreibt ist eine ganz andere Sache und schwerlich zu lernen, wenn man die nötige Kreativität nicht mitbringt ...

Daher wird auch ein Roman, der nach so einer "Formel" geschrieben wird oder daraufhin angepasst/überprüft wurde, nicht automatisch ein Bestseller, wenn die Idee Mist, die Charaktere flach und die Sprache unter aller Sau ist.

Gerade das ist auch mein Problem, bei mir hapert es wirklich mehr am Handwerk und nicht an der "Kunst". Mein Ideen finde ich gut *hust*, meine Charaktere gelungen *hust hust* und manche Formulierungen genial *hust hust hust*, aber das Grundgerüst ist manchmal fragwürdig.
Nun kann ich mich der Methode "learning by doing" hingeben,  oder es eben mit einer solchen wie der vorgestellten Methode versuchen. Ich stehe gerade am Scheideweg und überlege echt, wie ich mich entwickeln kann, wobei mir die methodische Arbeit im Moment besser gefällt als die "romantische" Version.
Meine organischen Projekte sprießen zwar am Anfang ganz gut, verkrüppel aber irgendwann, weil der Wildwuchs einsetzt und die zahlreichen Triebe sich gegenseitig ersticken.

Aber ich bin wohl eher die Ausnahme in diesem Forum, ich habe keinerlei "Need", was das Schreiben angeht, habe spät angefangen und mache es nicht "zum Spaß" (also aus der Freude heraus, nicht was das Zeil angeht).