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Lyrik und Musik in Roman einbauen

Begonnen von Lasko, 28. August 2025, 14:22:14

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Lasko

Hallo zusammen,
Ich bastele gerade an meinem Magiesystem und es hat sehr spezielle Auflagen; unter anderem geht es um Rhythmik. Das heißt, dass ich Gedichte und Lieder einbaue. (Okay, gestern kam mir dann auch der Gedanke, dass ich die dann ja auch produzieren und gleichzeitig mit dem Buch ein Album raushauen könnte, was dann aber irgendwie schon zu sehr in Richtung Musical geht - oder?!)
Bisher hab ich meistens nach wenigen Zeilen unterbrochen, um die Wirkung der jeweiligen Beschwörung darzustellen. Das unterbricht zwar den Lesefluss, andererseits fällt es nicht jeder Person leicht, in Reimform zu lesen und ich glaube, es treibt die Geschichte voran.
Meine Fragen an euch:
- Wie sehr fühlt ihr euch wohl damit, wenn gedichtetes in Geschichten auftaucht?
- Nimmt es euch mit oder hört ihr nach 4 Zeilen auf zu lesen?
- Habt ihr schonmal mit Lesenden in eurer Bubble über das Thema gesprochen? Waren die eher fasziniert oder gelangweilt?
- (Inwiefern) Spielt bei euch Musik eine Rolle? (In euren Geschichten/beim Schreiben/beim Lesen)
... and I did my move so now its up to you!"

Soly

Spannendes Thema, bei dem ich mich sehr angesprochen fühle. ;D Ich glaube, ich hatte noch nie ein Projekt, bei dem Musik gar keine Rolle gespielt hat, und ich habe auch schon diverse Gedichte und Liedtexte für Romane geschrieben.

Zitat von: Lasko am 28. August 2025, 14:22:14Wie sehr fühlt ihr euch wohl damit, wenn gedichtetes in Geschichten auftaucht?
Ich mag es immer sehr, weil es der einzige unmittelbare Blick auf die Kultur der Figuren ist, den ich in einem Buch kriegen kann. Alles andere sehe ich nur als Beschreibung durch die Augen der POV-Figur, aber Gedichte und Liedtexte geben einen direkten Einblick.

ZitatNimmt es euch mit oder hört ihr nach 4 Zeilen auf zu lesen?
Das kommt sehr auf die Szene an. Wenn rundherum gerade andere Dinge passieren, finde ich die tendenziell spannender und überfliege nur die Gedichtzeilen. Wenn genau dieser Text gerade der Fokus der Szene ist, finde ich es auch sehr spannend, ihn genau zu lesen.

Zitat(Inwiefern) Spielt bei euch Musik eine Rolle? (In euren Geschichten/beim Schreiben/beim Lesen)
Frag mich lieber, inwiefern nicht. :D Ich benutze Musik immer zum Plotten, meine Figuren sind immer irgendwie musikaffin, und meistens spielen auch bestimmte Lieder eine Rolle in der Story. Oft habe ich auch für einzelne Figuren oder Elemente Lieder, die dann untrennbar für mich damit verknüpft sind, auch wenn sie im Roman selbst nicht vorkommen.
Veränderungen stehen vor der Tür. Lassen Sie sie zu.

selkie

Ich finde das Thema und die Frage total spannend!

Ehrlich gesagt, ich glaube, wenn ich ein Buch mit CD hätte, würde ich mir diese wahrscheinlich nicht anhören. Aber ich fand als Kind auch die (viel zu langen) Lieder in Disney-Filmen immer furchtbar, weil ich viel lieber wissen wollte, wie die Handlung weitergeht. Ich habe einfach nicht so den Zugang zu Musik, und die Musik, die ich höre, höre ich vor allem wegen der Lyrics.

Andererseits mag ich Lieder in Büchern sehr gerne, wenn der Text von diesen einen weiteren Zugang zur Welt bietet. Und ich würde niemals Textpassagen in Büchern überspringen  :buch: Ich finde, dass Lieder hier vielleicht auf alte Mythen oder Geschichten anspielen können, und es mich als Lesende dann noch weiter in die Geschichte zieht. Oder, wenn es vielleicht etwas vorausdeutet, und man als Leserin miträtseln kann. Oder, wenn es einfach nur Teil der Welt ist, und man vielleicht zwischen stärkeren Spannungsmomenten eine Weile verschnaufen kann.

Um es kurz zu fassen, als Leserin kann ich mich auf die Textform von Liedern in Büchern sehr gut einlassen. Und finde es gerade für die Atmosphäre sehr gelungen. Aber ich weiß nicht so recht, ob ich die Musik dann auch zum Hören möchte. Nur das ist natürlich eine super persönliche Meinung, und ich verstehe auch voll, warum Andere das ganz anders empfinden und bin auch nicht per se dagegen :)
For whatever we lose(like a you or a me)
it's always ourselves we find in the sea

(E. E. Cummings)

KaPunkt

#3
hmmm.
Ich hab noch selten jemanden getroffen, der sowohl gute Romane (viel länger wird's nicht mehr) und gute Lyrik (viel kürzer und verdichteter wird's nicht mehr) schreiben kann.
Noch dazu brauchen die beiden Gattungen einen sehr unterschiedlichen Headspace beim Lesen. Mich reißt der Wechsel raus.

Daraus folgt: Ich habe noch sehr selten einen Roman gelesen, der durch in voller Länge abgedruckter Liedtexte an Qualität oder Lesespaß gewonnen hätte.

Etwas anderes ist die Anwesenheit von Musik oder Poesie in der Geschichte.
Jeder, der Musik im Weltenbau vergisst, sollte nachsitzen.  :darth:
Dafür muss man aber nicht Strophenweise zitieren. Ich mag es, wenn zum Beispiel Fetzen des Refrains in wörtlicher Rede gezeigt werden und ansonsten beschrieben wird, wie die Musik klingt, worum es im Text geht, und was sie mit den Leuten macht.

Liebe Grüße
KaPunkt

She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Lasko

@Soly Das klingt für mich alles sehr vertraut. Es gibt bei mir allerdings eine Einschränkung beim Musikhören während des Schreibens: Die Lieder dürfen meistens keinen Text haben oder zumindest keinen, den ich kenne. Sonst bin ich direkt abgelenkt.

@selkie Du beschreibst meinen eigenen Zwiespalt ganz gut. Lieder können bereichern, aber wenn sie nix zur Story beitragen, müssen sie hinterfragt werden.

Zitat von: selkie am 28. August 2025, 20:20:42Ehrlich gesagt, ich glaube, wenn ich ein Buch mit CD hätte, würde ich mir diese wahrscheinlich nicht anhören. Aber ich fand als Kind auch die (viel zu langen) Lieder in Disney-Filmen immer furchtbar, weil ich viel lieber wissen wollte, wie die Handlung weitergeht. Ich habe einfach nicht so den Zugang zu Musik, und die Musik, die ich höre, höre ich vor allem wegen der Lyrics.

CDs verkaufen sich allgemein nur noch sehr schlecht, da die Abspielgeräte ziemlich rar werden. Wenn, dann müsste das Angebot vermutlich über eine Streamingplattform laufen. Was (zumindest aktuell) ziemlich unattraktiv für (kleinere) Künstler ist. Aber ich versteh deinen Punkt. Es gibt bei Disney wahnsinnig viele Lückenfüll-Lieder. Eines, was ich allerdings wahnsinnig gut finde ist "Surface Pressure" aus dem Film "Encanto". Es gibt einen tiefen Einblick in die Persönlichkeit und den inneren Konflikt der Person.

@KaPunkt Du hast vollkommen Recht damit, dass die Art und Weise zu Schreiben und die Informationsdichte in Liedern versus Romanen komplett konträr ist. Bei Liedern braucht es am besten einen Satz, der einerseits alle Informationen enthält, die man vermitteln will und gleichzeitig offen genug ist, dass jede hörende Person sich selbst darin wiederfinden kann. Ein Roman hätte sich dann kurzfristig selbst erledigt.

Zitat von: KaPunkt am 28. August 2025, 21:41:12Daraus folgt: Ich habe noch sehr selten einen Roman gelesen, der durch in voller Länge abgedruckter Liedtexte an Qualität oder Lesespaß gewonnen hätte.

Ja, das kann ich verstehen. Ich hab schon viele Beispiele gelesen und es gibt welche, die mich abgeholt und andere, die mich ratlos zurückgelassen haben. Teilweise ging auch schon die elementare Message in den Übersetzungen verloren. Tendenziell unterscheiden sich da für mich aber auch sowas wie Poetry-Slam Texte und Lieder massiv. Gerade, wenn ein Refrain z.B. wiederholt wird, ist es in Schriftform ohne den musikalischen Hintergrund oft zu viel des Guten. Slam-Texte neigen dazu, die Geschwindigkeit des Geschehens anzutreiben, Lieder fahren oft eher runter (so meine Erfahrung).

Zitat von: KaPunkt am 28. August 2025, 21:41:12Dafür muss man aber nicht Strophenweise zitieren. Ich mag es, wenn zum Beispiel Fetzen des Refrains in wörtlicher Rede gezeigt werden und ansonsten beschrieben wird, wie die Musik klingt, worum es im Text geht, und was sie mit den Leuten macht.

Das ist ein schönes Detail fürs Worldbuilding!
Bei mir wird es halt so sein, dass die "Beschwörungen", die es bei mir sind/sein werden, Wort für Wort einen Zweck im Geschehen haben. Das wird kein allgemeines "Regenlied" oder was anderes rituelles, sondern steht eher auf einer Stufe mit einem Dialog, mit akuten Reaktionen eines Gegenübers. Deshalb auch die Stückelung in Parts, damit Zeit für die wortbezogenen Reaktionen bleibt.
Sollte ich tatsächlich auch Lieder daraus machen, werden sie nicht exakt dem Wortlaut entsprechen, wie die Beschwörung, da sich dann das Genre wieder zu sehr unterscheidet. Wiedererkennungswert wäre natürlich da, aber Rhythmus und Formulierungen würden sich vermutlich unterscheiden.
... and I did my move so now its up to you!"

Barra

#5
Schöne Fragen.
Ich erinnere mich an "Feuerstimmen", einen Fantasyroman über Bard*innen. Der in Coopertion mit der Band "van Canto" Lieder aufgenommen hat. Sprich: Album und Roman waren eng verwoben und bezogen sich inhaltlich stark aufeinander. Mir hat das ausnehmend gut gefallen und ich wünschte es würde noch viel mehr davon (auch in dem Muskstil) geben. :d'oh:
Bin aber auch so Eine, die Lieder in Kinderfilmen (nicht nur Disney) liebt und sie meist nicht als Lückenfüller wahrnimmt.
Das zum Pro.

Jetzt zum Contra.
Ich kann Seitenlange Lyrik/ Songtexte in Romanen gar nicht leiden. Ausnahme und Widerspruch siehe oben: Wenn es explizt dazugehört und eng verwoben ist mit der Handlung in der Geschichte. (Songtexte, die nicht durchs Alter gemeinfrei sind, dürfen ja eh nicht einfach komplett abgedruckt werden.)
Mit eng meine ich in dem Fall wirklich: Es geht um Singer/Songwriter/Bards/intergalaktischer "GrandPrix": Dann ja, bitte gern ("K-Pop Demon Hunters" anyone?). Geht es um Military SF/Heldengruppe/Solo-PoV im Highschooldrama in der es nicht mal "en Trömmelsche" gibt: Bitte auf keinen Fall "zur Auflockerung" irgendwo reinklatschen. (Und ich red jetzt nicht davon, dass mal erwähnt wird: Figur XY hört am liebsten Trash-Metal und lässt mal irgendwo in der wörtlichen Rede ein Liedzeile fallen oder bezieht sich auf etwas, was grad in den Charts ist oder so. Ich red von "Hier ein 4 Seitiges Gedicht", was Prota grad verfasst hat als Hausaufgabe für den Englischunterricht in der 12. Klasse, aber was das ganze Buch über keine Rolle mehr spielen wird. Das darf nur ein Buch mit einer Prämisse wie der Film: "Zehn Dinge, die ich an dir hasse!")

Bei Ersterem weiß ich ja, dass das auf mich zukommt und möchte es jetzt gezielt auch haben und erwarte es dann auch. Ein Buch über einen Gemeindechor in Hintertupfigen in dem ein Mord passiert, wäre merkwürdig, wenn nicht einmal gesungen würde. :o
Bei Zweiterem will und brauch ich es einfach nicht und überspringe es. Wie viele in disneyesken Filmen: "Oh no, die singen jetzt doch nicht?! Spul bitte vor." :rofl:
Was ich überspringe (ich schaff also nicht mal 4 Zeilen):
lange Zitate von irgendwem am Kapitelanfang.
Gedichte in allen Formen, die optisch sogar fein abgesetzt sind.
Zauberformeln in Pseudo Latein/Griechisch.
Songtexte, die entweder das Kapitel einleiten oder unterbrochen sind und wirklich jede Zeile zitiert und vom PoV kommentiert wird.
Gedichtete Vorhersagen und Legenden.

Also statt in kursiv oder sogar andere Schriftart, zentriert und im Block voll formatiert einen auf:
Uh, hier kommt DIE Legende und sie lautet wortwörtlich so:
3 Seiten später...
(Das ist übrigens dann ein "Tell" von Show, don't Tell  ;) )
Mag ich es wirklich lieber, wenn mir gezeigt wird was die Zeilen bei den Zuhörenden auslösen, je nachdem ob wir im PoV der Person sind, die gerade die Legende erzählt oder in einem der Zuhörenden. Ich möchte DABEI sein, und das Erzählen/Vorsingen im Buch miterleben und nicht einfach einen "lyrischen Text" formatiert dargeboten bekommen. Zeig mir das Gedicht/Lied, wie es erzählt wird und was es bewirkt, aber zeig mir nicht das Gedicht/Lied.  ;)


Aber nur weil ich es meistens nicht mag (ich mag ja auch keine Ich-Perspektive), bedeutet das ja nicht, dass nicht einige davon hervorragend sind! :rofl: Also, wenn es passt, empfehle ich Autor*innen immer: rein damit, wenn es extra dafür gedichtet wurde sowieso. Aber die Menge macht den Kick. Sparsam damit umgehen. Lieber nur eins benutzen und immer mal aufgreifen, aber dafür dieses en point bringen, statt wie im Beispiel oben ein ganzes Album überlegen und Zeit und Energie in etwas stecken, was dann Gefahr läuft überflogen zu werden.

Bei mir spielt Musik eine sehr große Rolle. Ich leg mir fast jedes Jahr eine "Jahresplaylist" an und oft auch für Projekte (oft überschneidet sich das) dazu kommen noch Soundtrackwichteln und "Impression"-Songs, wenn ich Filme schaue, die thematisch zu meinen Projekten passen. Und wenn ich dann Monate/Jahre später dieses Projekt überarbeite und die Musik aus dem Jahr dazu anmache, hab ich direkt "das richtige Feeling" wieder. Und bei einigen Songs weiß ich dann auch sofort wieder: DAS ist Figur XY. Das geht aber Lesende nichts an. Ich kenne viele Bücher, die eine "diese Songs habe ich beim Schreiben gehört" Liste hinzufügen. Das ist Fanservice und nice und ich find es auch sympathisch.