• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Gutes Foreshadowing

Begonnen von Mithras, 01. August 2025, 15:22:10

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Mithras

Salvete!

Da ich noch kein explizites Thema dazu gefunden habe, erstelle ich hier ein neues. Mich würde interessieren, wie ihr Foreshadowing (Was wäre eigentlich die adäquate deutsche Übersetzung?) in euren Werken handhabt und generell Ideen für meine eigenen Geschichten sammeln. Als Leser liebe ich es, mitraten zu können, und freue mich, wenn ich richtig gelegen habe. Als Autor mag ich es wiederum, den Leser zu testen und auch mal an der Nase herumzuführen. Gleichzeitig mag ich weder als Leser noch als Autor Dei ex machina, sondern bevorzuge es, wenn Plot Twists vorher angedeutet werde. Man sollte dabei natürlich nicht vorhersehbar sein; die Andeutungen mag man vielleicht davor nicht verstanden haben, aber danach sollte sich alles ins Bild fügen.

Der große Plot Twist in meinem Langzeitprojekt soll sein, dass eine Person, die vor ca. 450 Jahren vermeintlich gestorben ist, doch noch am Leben ist, aber selbst nichts von ihrer früheren Identität weiß. Dabei taucht sie schon relativ früh in der Geschichte auf und scheint gar nicht von so großen Geheimnissen umgeben zu sein. Diese Person - Zwilling A - wurde vor ca. 450 Jahren von Zwilling B mittels Blutmagie unter Kontrolle gebracht, um an den gemeinsamen Vater heranzukommen und ihn zu ermorden. Dabei wurde Zwilling A so sehr geschädigt, dass seine Persönlichkeit fast ausgelöscht wurde. Überlebt hat er nur durch eine Zauberformel, hinter der alle her sind, und deshalb bedeutet die Enthüllung im Umkehrschluss auch, dass sich die Kenntnis der Formel die ganze Zeit vor den Augen aller verborgen hat.

Doch wie deutet man das am besten an? Ein Problem ist nämlich, dass Zwilling B, der bis zum Schluss davon überzeugt ist, seinen Bruder umgebracht zu haben, erst sehr spät zum Perspektivträger wird und davor schlicht nicht über seine traumatische Vergangenheit spricht. Die Andeutungen, die ich einstreuen möchte, werden also zu Beginn gar keinen Bezug zur Zwillingsthematik haben, die zum diesem Zeitpunkt ja noch nicht angesprochen wurde. Das ist auch beabsichtigt, da gewisse Andeutungen erst hinterher Sinn ergeben sollen. Nur: Wie geht man dabei am besten vor? Welche Stilmittel sind dafür geeignet? Ich arbeite momentan mit folgenden:
- Parallenen andeuten. Beide sind Linkshänder und haben ein photographisches Gedächtnis, aber das wird so explizit nicht erwähnt, sondern die Leserschaft soll sich das selbst zusammenreimen.
- Eine ähnlich Sprache/Wortwahl bei den Beschreibungen, ohne sie dabei als allzu ähnlich darzustellen. Beide schlüpfen nämlich regelmäßig dank Alchemie/Blutmagie in neue Gestalten, sodass sich ihr Aussehen immer wieder ändert. Die Stimme ändert sich dabei wiederum selten, weshalb ich vermutlich hier eine ähnliche Wortwahl verwenden werde.m, um Parallelen anzudeuten.
- Die Wortwahl der Zwillinge selbst. Beide könnten eine ähnlich Sprechweise haben und insbesondere gelegentlich Archaismen verwenden, da beide ja schon über 450 Jahre alt sind. Das ist aber kompliziert und meinerseits noch nicht vollends durchdacht. Ein Problem ist nämlich, dass die beiden die meiste Zeit über in zwei verschiedenen Ländern agieren und daher im Alltag auch ganz unterschiedliche Sprachen verwenden, die jeweils nicht ihre Muttersprachen sind.

Unabhängig davon will ich Flashbacks verwenden, u. a. in Form von Träumen - nur stellt sich da natürlich die Frage, wer diese Träume träumt, denn die meiste Zeit über ist ja keiner der Zwillinge Perspektivträger. Ich spiele mit dem Gedanken, dass sie durch Kontakt mit bestimmten Gegenständen, die Bezug zu den Zwillingen haben, getriggert werden, aber völlig durchdacht ist auch das nicht. Eventuell werde ich auch kleine Textpassagen zwischen den Kapiteln einstreuen, die vor 450 Jahren spielen, die Leserschaft aber darüber im Unklaren lassen, dass die Passagen so weit vor der eigentlichen Handlung angesiedelt sind.

Und dann gibt es da natürlich ein Buch, hinter dem meine Charaktere wie auch deren Gegner her sind und das eine Chronik der Ereignisse ist, in die Zwilling A vor 450 Jahren verwickelt war. Aber auch das wird erst gegen Ende der Geschichte gefunden.

Wie handhabt ihr das? Welche Stilmittel benutzt ihr bevorzugt?

Valete!

Ixys

huhu Mithras,

Wenn ich versuche, Informationen, die später irgendwann mal relevant sein werden, so im Text zu verstecken, dass sie erst im Nachhinein auffallen, versuche ich meistens, eine zweite Interpretationsmöglichkeit anzubieten, die von der gegenwärtigen Sicht des POV Charakters bestimmt ist: Zum Beispiel: für später ist die Information wichtig, dass Charakter X was über Thema Y weiß, dann würde ich das vielleicht in einem Kontext erwähnen, wo gerade im Vordergrund steht, dass der POV Charakter total genervt von Charakter X ist, der immer aller besser weiß. Dann bleibt hoffentlich bei den Leser*innen hängen, dass Charakter X ein Besserwisser ist, und die Info, dass er auch was über Thema Y weiß, sticht nicht so heraus. Könnte sowas in der Art bei dir vielleicht auch funktionieren? ("Mann, der nervt, der spielt sich so auf wie dieser Zwilling B/ jemand aus der Familie von Zwilling B"...)

Ist es in deiner Geschichte bekannt, dass Zwilling B überhaupt einen Zwilling hatte? Dann könnte man vielleicht hin und wieder Charaktere über Zwillinge sprechen lassen (ohne dass es um die konkreten Charaktere geht), um Leser*innen zum Nachdenken zu bringen?
Stones taught me to fly
Love taught me to lie
         Damien Rice, "Cannonball"

Syrelle

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich verstanden habe, was genau du foreshadowen möchtest. Geht es dir darum, dass Zwilling A noch lebt, oder dass Zwilling A eben genau dieser Zwilling ist? Oder beides?

Ich sage übrigens gerne auch "Vorbereiten" dazu, denn im Endeffekt macht man ja nichts Anderes.

Grundsätzlich gehe ich bei meinen Geschichten so vor, dass ich mir zu Beginn genau überlege, welches Ereignis dem Twist vorangehen muss (bspw.: Damit man erkennt, dass es sich bei den mysteriösen Todesfällen in der Stadt nicht um Unfälle, sondern um Morde handelt, muss der Mörder inflagranti erwischt werden). Im besten Fall ist er die natürliche Konsequenz der Geschichte, aber man hat es einfach nicht kommen sehen.

In dem Beispiel mit dem Mörder würde ich die Vorbereitung dann so anlegen, dass dem Hauptcharakter ungewöhnliche Dinge auffallen, die erst später im Kontext eine größere Bedeutung entfalten. So kann er zum Beispiel die Mordwaffe finden, aber ohne dabei zu wissen, dass es sich um die Mordwaffe handelt. Oder eine alte Frau, die irgendetwas von einem Mörder erzählt, aber keiner glaubt ihr. Kurz darauf hat sie auch einen dieser "Unfälle".

Ich würde dabei aber auch so konkret wie möglich bleiben. Dass du Parallelen andeuten willst, fände ich eigentlich sehr gut, aber bspw. der Fakt, dass beide Linkshänder sind, wäre für mich nicht aussagekräftig genug. Ich als Leser würde dabei nichts Ungewöhnliches vermuten. Das könnte nämlich auf sehr viele zutreffen. Eher etwas in die Richtung, dass er die gleiche Angewohnheit wie sein Zwilling hat, die z.B. aus ihrem Elternhaus stammt - wie etwa, dass er seinen Kakao salzt, anstatt Zucker hineinzutun. Das wirkt erst mal nicht weiter Ungewöhnlich, hebt sich aber doch von der Masse ab.

Ansonsten schließe ich mich Ixys an. Die Frage ist, ob die Geschichte von den beiden Zwillingen in deiner Welt weitläufig bekannt ist. Falls ja, hast du wieder ganz andere Möglichkeiten, den Twist vorzubereiten. Dann kannst du die Hinweise darauf streuen, dass Zwilling A damals überlebt hat. Wie etwa durch die Tatsache, dass keine Leiche gefunden wurde.

Flashbacks würde ich persönlich nur dann einsetzen, wenn es wirklich keine andere Möglichkeit gibt, dass deine Charaktere die Ereignisse nicht auch auf anderem Weg herausfinden. Etwa durch Balladen aus der Zeit - da wäre es dann vielleicht sogar interessant, dass die nicht zu 100% die wahre Geschichte wiedergeben, oder die Geschichte der Zwillinge nur am Rand ankratzen - oder so etwas in die Richtung. Das ist nur meine persönliche Meinung, aber Flashbacks mitten in der Geschichte reißen mich meistens aus dem Lesefluss heraus, und danach wieder einzusteigen, fällt mir zumindest recht schwer...

selkie

Ich finde die Idee mit den Parallelen ziemlich gut. Und vielleicht gibt es da ja auch noch mehr, auch wenn sie sich an die Zeit von damals nicht mehr komplett erinnern. Vielleicht könnten sie beide an gewissen Feiertagen, die seitdem längst in Vergessenheit geraten sind, ein wenig melancholisch werden, ohne zu wissen weshalb? Oder sie beide mögen eine gewisse Speise sehr gerne, welche den anderen eher fremd ist? Oder ihr Kleidungsstil ist ebenfalls zur Sprache auch ein wenig archaisch angehaucht?

Ich verstehe aber sehr gut, dass es ein bisschen eine Gratwanderung ist, dass Du das alles schon andeuten möchtest, aber nicht so offensichtlich, dass es sofort auffällt. Vielleicht könnten sie als Geschwister, auch wenn es nicht so offenkundig ist, bei gewissen Sachen trotzdem irgendwie einen besonderen Draht zueinander haben? Also, dass sie sich in ein paar Situationen irgendwie verstehen, ohne alles auszusprechen? Und dass dann erst im Nachhinein auffällt, also dann erst später in der Form interpretiert wird?
For whatever we lose(like a you or a me)
it's always ourselves we find in the sea

(E. E. Cummings)