• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Was braucht eine gute Romantasy?

Begonnen von Elona, 14. Dezember 2024, 20:46:55

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Elona

Hallöchen ihr Lieben,

mann, habe ich schon lange keinen Thread mehr eröffnet. Ich hoffe, ich bin im richtigen Board.

Inspiriert von dem anderen Thread Romantasy vs. Fantasy #rettetdiefantasy und weil ich gerade eh hadere und sowieso noch so viel in der Schublade liegen habe, nun meine Frage:

Was braucht eine gute Romantasy heute denn alles? Bin mittlerweile nämlich leider komplett Genrefremd.
Und gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen "romantischer Fantasy" und "Romantasy"?

Ich bin gespannt auf eure Antworten und schon mal einen lieben Dank!

Maja

Weil das hier eher eine handwerkliche Frage ist, schiebe ich das mal rüber in den Workshop, auch damit es nicht mit der anderen Diskussion im gleichen Board kollidiert.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Mondfräulein

Ich versuche mal, das irgendwie zu beantworten, aber bei vielen Punkten bin ich mir auch nicht sicher. Ich schreibe auch Romantasy, aber ich würde mein Wissen eher als das einer Leserin einordnen. Ich weiß sehr wenig darüber, wie das die Verlagsbranche sieht.

Meiner Ansicht nach gibt es einen Unterschied zwischen Fantasy Romance und Romantic Fantasy. Fantasy Romance ist vor allem Romance mit phantastischen Elementen, Romantic Fantasy ist Fantasy mit romantischen Elementen. Ein Genre steht hier jeweils deutlich mehr im Vordergrund. Romantic Fantasy verspricht mehr Fantasy und Fantasy Romance mehr Romance. Ich habe aber zumindest Debatten darüber gesehen, was von beidem jetzt am Ende Romantasy ist, oder ob beides Romantasy sein kann, und ich bin nicht sicher, wie die am Ende ausgegangen sind. Dazu kommt auch, dass es ziemlich wahrscheinlich ist, dass sich das nicht eins zu eins vom englischen auf den deutschen Markt übertragen lässt. Ich habe auch das Gefühl, dass es manchmal einen Graubereich zwischen beiden gibt, in dem sich Bücher nicht ganz eindeutig einem von beidem zuordnen lassen. Bei der genauen Definition bin ich also überfragt.

Außerdem habe ich das Gefühl, dass verschiedene Bereiche der Verlagswelt oft mit verschiedenen Definitionen arbeiten. Da gibt es Autor*innen, Verleger*innen, Buchhändler*innen und Leser*innen. Alle haben unterschiedliche Perspektiven auf Genres und im Prinzip überschneidet sich da viel, aber teilweise gibt es vielleicht auch Unterschiede. Ein Buch zu schreiben ist etwas anderes, als es vermarkten und verkaufen zu müssen, und nochmal etwas anderes, als in die Buchhandlung zu gehen und nach etwas zu suchen, was einem gefallen könnte.

Gerade bei Romantasy habe ich das Gefühl, dass es hier unterschiedliche Definitionen gibt, die zu unterschiedlichen Erwartungen führen, und vielleicht müssen wir im Moment auch mit dieser Ambivalenz leben. Personen beschweren sich über zu viele und zu wenige Fantasyelemente, teilweise bei den gleichen Büchern. Manche legen mehr Wert auf den Fantasyanteil als andere. Wie viel Fantasy in Romantasy stecken muss ist eine Frage, die ich mir auch stelle. Von sehr wenig bis sehr viel habe ich hier schon viel gesehen und finde, dass das alles irgendwie funktionieren kann. Das geht von Büchern, die sich wirklich wie normale Contemporary-Romances lesen, aber ein paar übernatürliche Elemente haben, die alles etwas aufpeppen, bis hin zu epischen High Fantasy Geschichten, in denen der Fantasy-Plot alleine schon unglaublich spannend ist.

Aber was drin stecken muss ist Romance und vielleicht schreibe ich einfach mal auf, was ich persönlich von der Romance in einem Romantasy-Buch erwarte:

Charakterentwicklung: Romance ist meiner Ansicht nach ein sehr charakterzentriertes Genre und deshalb erwarte ich gut ausgearbeitete Figuren, die sich im Laufe des Romans entwickeln und verändern. Das erwarten die meisten von jedem Buch, aber gerade in Romantasy ist mir wichtig, dass das für alle Personen gilt, die Teil der Romance sind. Auch wenn der Love Interest zum Beispiel keine Perspektive hat, will ich ihn gut kennenlernen. Egal wie toll ich die Hauptfigur finde, der Love Interest muss mich auch mitreißen.

Happy End: Romance braucht immer ein Happy End, das beinhaltet, dass die Hauptfigur in einer glücklichen romantischen Beziehung ist. Ob das für  Romantasy auch gilt ist eine interessante Frage, bei der ich mir noch nicht sicher bin, aber wenn der Romance-Anteil hoch genug ist, wird es diese Erwartung wahrscheinlich geben. Das bedeutet nicht, dass alles glücklich ausgehen muss. Alle anderen Figuren können sehr tragische Schicksale erleiden, auch den Hauptfiguren kann einiges zustoßen. Zwischendurch können sie sich trennen und so heftig zerstreiten, dass man nicht weiß, wie sie je wieder zueinander finden sollen. Gerade weil das Happy End garantiert ist, nehmen Lesende auf dem Weg dahin gerne ganz viel Herzschmerz mit. Der Third Act Breakup ist schließlich fester Bestandteil des Romance-Genres.

Romance-Fokus: Romance muss nicht der einzige Fokus sein. Aber zu wenig romantische oder emotionale Momente zwischen den Figuren sollte es auch nicht geben. Es ist sehr frustrierend, wenn man so ein Buch liest und sich so sehr auf die Interaktionen zwischen dem Pärchen freut und dann bekommt man nur einen Kuss zwischen den beiden und das war es. Damit meine ich nicht, dass es weiter gehen muss als küssen. Aber ich möchte viele intime Momente zwischen den beiden, auch emotionaler Natur. Ich möchte romantisch auf meine Kosten kommen und das ist in sehr vielen Fantasy-Romanen nicht der Fall, auch wenn es eine Liebesgeschichte gibt.

Beziehungsentwicklung: Ähnlich zum vorherigen Punkt: Ich will sehen, wie sich die Beziehung entwickelt. Ich will nicht nur etwas Anziehung und einen Kuss, sondern eine tiefe Bindung zwischen den Figuren miterleben, die mich daran glauben lässt, dass die beiden wirklich für immer füreinander bestimmt sind. Es geht schließlich auch ein wenig ums Träumen, um die Illusion der großen Liebe. Das darf natürlich auch beinhalten, dass die beiden durch Höhen und Tiefen gehen, dass sie realistisch an ihrer Beziehung arbeiten müssen, dass es in ihrer Beziehung Probleme gibt, die sie überwinden müssen. Umso besser, wenn das passiert! Hier gibt es eine Menge Spielraum, Second Chance Romances zum Beispiel können auch richtig toll sein.

Steffi

Ich schaue ziemlich viel Youtuber, die Romantasy lesen und ich habe den Eindruck, Romantasy ist in erste rLInie eine Romance mit Fantasysetting. Das bedeutet nicht, dass die Fantasywelt kein ausgeklügeltes Worldbuilding haben kann oder soll, und auch die Intrigen und Verstrickungen im Hintergrund können viel Platz einnehmen. Im Vordergrund stehen aber wie beim klassischen Liebesroman die Gefühle der Protagonist*innen zueinander. Deren romantische Entwicklung nimmt den Hauptfokus ein.

Was ich auch ganz spannend finde ist, dass Romantasyleser*innen oft einen gehörigen Teil Spice, also Sexszenen, erwarten. Das hat mit Sarah J. Maas angefangen und scheint seine eigene Konvention innerhalb des Genres geworden zu sein. Es gibt natürlich auch Romantasy ohne Sexszenen, aber für viele Leser*innen gehören sie dazu.
Sic parvis magna

Mondfräulein

Zitat von: Steffi am 16. Dezember 2024, 15:48:30Was ich auch ganz spannend finde ist, dass Romantasyleser*innen oft einen gehörigen Teil Spice, also Sexszenen, erwarten. Das hat mit Sarah J. Maas angefangen und scheint seine eigene Konvention innerhalb des Genres geworden zu sein. Es gibt natürlich auch Romantasy ohne Sexszenen, aber für viele Leser*innen gehören sie dazu.

Sarah J. Maas finde ich repräsentativ für die Entwicklung des Genres tatsächlich super interessant. Romantasy mit expliziten Sexszenen gibt es schon ziemlich lange, z.B. von Nalini Singh, allerdings immer in einer eigenen Nische. Das meiste davon ist auch glaube ich Urban Fantasy? Aber wenn man sich die Cover ansieht, werden sie auch oft entsprechend vermarktet, mit halbnackten Männern auf dem Cover und so weiter. (Ich habe das ehrlich gesagt nie gelesen, aber mir wurde das so von Romantasy-Veteran*innen erzählt.) Richtig groß und außerhalb seiner Nische bekannt wurde Romantasy meiner Wahrnehmung nach vor allem mit Twilight, fand dann aber lange ausschließlich im Jugendbuchbereich statt. ACOTAR hat auch als Jugendbuch angefangen, man merkt aber von Anfang an, dass die Bücher eigentlich keine Jugendbücher sein wollen. Der Plot ist teilweise recht düster, die Themen sind erwachsener. Ich glaube, was passiert ist, ist dass Sarah J. Maas durch ihren Erfolg und ihre Bekanntheit irgendwann in der Lage war durchzusetzen, dass die Reihe mit dem vierten Band schließlich ein Rebranding als Adult-Fantasy bekommen hat (oder sie hat den Verlag gezwungen, weil gefühlt das halbe Buch nur aus sehr, sehr expliziten Sexszenen besteht) und dass Crescent City von Anfang an als (New-)Adult-Fantasy vermarktet wird. Oder sie hat genutzt, dass sich das Genre aus dem Jugendbuchbereich heraus entwickelt hat. Throne of Glass beginnt auch als klassisches Jugendbuch, wächst da aber später ziemlich heraus. Interessant finde ich, dass ihre Bücher in Buchhandlungen immer mal im Adult-Fantasy-Bereich und mal im YA-Fantasy-Bereich ausliegen, weil das zwischen den Büchern eben nicht richtig einheitlich ist.

Romantasy wurde lange nicht ernstgenommen und in den Jugendbuchbereich abgeschoben. Jugendliche dürfen so etwas lesen, aber wenn man erwachsen wird, dann bitte etwas Richtiges. Nur lesen die, die damals mit Twilight ins Genre eingestiegen sind, immer noch gerne Romantasy, haben nur als Erwachsene keine Lust mehr auf Jugendbücher. Und Sarah J. Maas zeigt hier finde ich ziemlich gut, wie lange das Genre darum kämpfen musste, in den Erwachsenenbereich vordringen zu dürfen, und wie es das jetzt endlich geschafft hat. Insofern ist die Nachfrage nach Romantasy mit expliziten Sexszenen vielleicht auch eine Überkompensation für all die Zeit, in der man das nicht hatte. Romantasy musste sich sehr lange an Jugendbuchstandards halten und davon haben die Leser*innen und Autor*innen genug. Ich frage mich, ob es vielen wirklich um die Sexszenen geht oder ob die Sexszenen auch als Indikator benutzt werden, ob das Buch sich wie ein Jugendbuch liest oder wie die Adult-Fantasy, die sie schon so lange lesen wollen, mit erwachseneren Themen und Protagonist*innen. Klar mögen viele auch einfach wirklich die expliziten Szenen, aber vielleicht stehen sie auch für viel mehr als das. Insofern bin ich sehr gespannt, wie sich das in Zukunft noch entwickeln wird.

Franziska

#5
Ja, finde das auch so merkwürdig, dass viele meinen, dass spicy Romance neu wäre. Es ist nur neu, dass man es den Covern nicht ansieht...und es eben nicht mehr Nische ist. Interessant finde ich auch das Beispiel Ilona Andrews, die ursprünglichen Cover sind echt grausam und passen auch gar nicht. Würde z.B. Hidden Legacy eher als Fantasy Romance einordnen. Aber der Unterschied zu Romantasy ist fließend finde ich. Das ist auch ein Beispiel da finde ich persönlich die Romance sehr gut in einen spannenden Fantasy Plot integriert. Die Love Story entwickelt sich da jeweils langsam über 3 Bände.

Mal zum Handwerklichen. Hab gestern dieses gefunden und fand es ganz hilfreich. Sehr detailliertes Beat Sheet für Romantasy.

Maja

Vielen Dank für das Spreadsheet, @Franziska! Das ist gerade sehr hilfreich für mich!
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Elona

Ganz, ganz vielen lieben Dank für euren Input @Mondfräulein @Steffi @Franziska und das Sheet ist auch echt mega!