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Magiebegabung, ihre Verteilung und ihr Preis

Begonnen von Mithras, 16. Dezember 2023, 14:27:36

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Mithras

Moin! In phantastischen Welten ist magische Begabung ja oft ungleich verteilt, und damit habe ich als entschiedener Verfechter des Egalitarismus einige Probleme. Bisweilen läuft es schließlich darauf hinaus, dass Magiebegabte als von Natur aus überlegen dargestellt werden und somit am Ende Rassismus, Klassismus und andere diskriminierende Konzepte legitimiert werden.

Es versteht sich natürlich von selbst, dass Magiebegabung bei mir nicht an bestimmte Ethnien oder gar Hautfarben gebunden ist. Es gibt zwar gewisse regionale Schwankungen, aber grundsätzlich ist die Begabung auf jedem Kontinent und in jeder Großregion meiner Welt zu finden. Relevant ist dabei auch, dass Magiebegabung das Ergebnis gentechnischer Modifikationen ist, bei denen Menschen als Modellorganismen dienten, die nach Zusammenbruch der Zivilisation, die diese Forschung betrieben hat, aus den Laboren entkommen sind. Die Idee dahinter ist, dass ich die "Überlegenheit" der Magiebegabten nicht legitimieren will, sondern die Ursprünge ihrer Begabung bewusst wenig glamourös gestalten will. Also nichts á la Abstammung von den Göttern, auch wenn die Magiebegabten das glauben wollen.

Aber selbst, wenn ich die Rassismus-Falle damit hoffentlich umgehe, bleibt Klassismus ein Problem. Wie verhindere ich, dass Magiebegabte als etwas Besseres präsentiert werden? Eine Möglichkeit ist, dass Magie einen Preis hat. In Scott Bakker's Second Apocalypse werden Magieanwender von den Göttern mit ewiger Verdammnis verflucht, in anderen Werken geht Magiebegabung mit körperlichen Beeinträchtigungen wie verringerter Lebenserwartung einher, doch beides ist handlungstechnisch für mich keine Option, unter anderem, weil es ich zu atheistisch eingestellt bin, als dass Götter bei mir eine Existenzberechtigung hätten. Momentan habe ich zwei Ideen dazu; zum einen könnten Magieanwender von Albträumen, intrusiven Gedanken, Traumata etc. heimgesucht werden, weil sie sich der Welt und ihren Schrecken nicht mehr verschließen können (inspiriert durch Star Wars - Knights of the Old Republic II, wo die Hauptperson ihre Verbindung zur Macht getrennt hat, weil sie durch diese die Auslöschung eines ganzen Planeten und seiner Bewohner*innen miterlebt und mitverschuldet hat). Die andere Idee ist, dass Magieanwender nicht wirklich sterben und somit keine ewige Ruhe finden können, weil sie durch den regelmäßigen Einsatz von Magie ihre "Seele" zu sehr verändert haben und nach ihrem Tod dazu gezwungen sind, in der Welt der Lebenden zu spuken. In meiner Welt ist das auch der Ursprung des Glaubens an Dämonen, Dschinnen und andere Geistwesen. Entsprechend werden Magieanwender in vielen Kulturen bei mir gemieden, weil sie als verflucht gelten. In anderen Kulturen und Religionen üben Priester*innen Magie aus, und dass sie dadurch bewusst in Kauf nehmen, laut ihrer Religion niemals wiedergeboren werden bzw. in den Himmel kommen zu können, wird als ultimatives Opfer verstanden.

Ich unterscheide übrigens bewusst zwischen Magiebegabten und Magieanwendern, da nicht jeder Mensch mit der entsprechenden Begabung auch darin unterwiesen wird und in der Lage ist, diese zu nutzen. Zudem muss die Begabung erst durch Rituale erweckt werden, ein wenig inspiriert durch die Kräuterprobe in Sapkowskis Hexer-Romanen. Und hier ist mir neulich eine weitere Idee gekommen, wie ich Magiebegabung egalitärer verteilen kann: Eine mächtige Gruppierung hat die entsprechenden Rituale derart weiterentwickelt, dass sie auch magisch unbegabte Personen mittels Alchemie und Blutmagie genetisch so modifizieren kann, dass sie von Magiebegabten, die mit diesen Fähigkeiten geboren wurden, nicht mehr zu unterscheiden sind. Allerdings ist der Preis, den es dafür zu zahlen gilt, äußerst hoch und verlangt große Opfer, denn einfach und harmlos ist Magie bei mir grundsätzlich nie.

Wie geht ihr damit um? Und seht ihr grundlegende Probleme mit meinem Ansatz, derer ich mir womöglich gar nicht bewusst bin? Für entsprechende Hinweise wäre ich sehr dankbar!

Luna

Eine interessante Fragestellung, die ich auch öfter im Hinterkopf hatte. Ich ziehe daher direkt mal eine Parallele zu unserer Welt. Je nachdem in welche Familie man geboren wird, hat man mehr oder weniger Möglichkeiten, weil der Finanzielle Hintergrund anders aussieht. Man kann das also als Metapher ansehen, als Plotpunkt, der stets da ist und gegen den sich die Charaktere eventuell auch wehren.

Ich denke im Endeffekt kommt es darauf an, ob du diesen Punkt nur hinnimmst, kritisierst oder sogar feierst. Teilweise kann da ja auch der "amerkianische Traum" hineingelegt werden, wenn Charaktere mit geringer Begabung starten, aber es schaffen, trotzdem Mächtig zu werden, indem sie mit der Begabung lernen umzugehen, neue Wege finden, wie sie trotzdem etwas bewegen können etc.

Wie mit vielen anderen Plotpunkten kommt es also darauf an, worauf der Fokus liegt. Um jetzt auf dieses Ritual bei dir einzugehen: Wer wird sich zu so einem Ritual herablassen, andere Leute zu Opfern, um doch eine Macht zu erlangen, die sie zuvor nie hatten? Auch wenn es den Klassizismus in deinen Augen zum einen durchbricht, befeuert es ihn auf einer anderen Seite. Die, die viel Macht und Geld haben können sich so zusätzliche Macht "kaufen".

Eine Unterschiedliche Magiebegabung, die unabhängig von der Herkunft ist könnte daher auch ein Gleichmacher sein, der die anderen Klassen durchbricht. Inwieweit das funktioniert und nicht in einer noch-mehr-klassen-Gesellschaft endet, hängt davon ab, wie es gelehrt wird, damit umzugehen und auf diejenigen, die da mitmachen. Wenn ich da an Star Wars denke, dann versuchen die Jedi ja nur ihr wissen an die weiterzugeben, die bestimmte voraussetzungen mitbringen. Und die Sith sehen das wiederum anders.

Das Ergebnis ist folgendes: Absolute Gleichheit ist etwas, das man anstreben kann, das aber nie erreicht wird. Dafür sind wir Menschen zu sehr darauf fixiert, hierarchische Strukturen haben zu wollen. Etwas zu dem man aufsehen oder sogar aufsteigen kann. Egalitarismus fängt da an, wo diese Aufstiegschancen halt gleich sind.

Ich hoffe, diese Gedanken helfen dir etwas weiter.

Nina Louise

Kommt darauf an, woher die Magie stammt.
Wenn du keine Schöpfergestalt in deiner Geschichte haben möchtest, müsste Magie also entweder durch Zufall auftreten (1) oder sich willentlich aneignen lassen (2).

1. Magie ist eine Laune der Natur. Die verfolgt keine Absicht. Der eine hat's, der andere nicht. Menschen sind unterschiedlich ausgestattet und ich wüsste nicht, warum man für einen Zufall bestraft werden sollte. Das würde mir sogar sauer aufstoßen.

Magie kann natürlich körperliche Auswirkungen haben. Vielleicht ist magisches Wirken so wahnsinnig anstrengend, dass die Magischen dauernd Hunger haben oder es ist schlecht für die Haut und sie kriegen Pickel davon. Da würde man schon überlegen, ob man zaubert, wenn der Kühlschrank leer ist oder bevor man ein Date hat. ;)
Das wäre für mich keine Strafe oder ein gerechter Ausgleich, eher eine Nebenwirkung.

Und dann liegt es daran, wie die Leute damit umgehen.
Man könnte natürlich hingehen und eine Gesellschaft erschaffen, in der die Magischen (egal oder sie ihre Gabe anwenden oder nicht) höher gestellt werden. Oder aber eine, in der es etwas ist, das zwar besonders ist, nicht aber als Anlass genommen wird, um diese Menschen auf ein Podest zu stellen.
Sie sind eben das, was sie sind und vielleicht geht damit eine moralische Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber einher ("Du kannst heilen, also musst du das auch tun, auch wenn du viel lieber Steuerberater wärest.") oder damit vermutlich auch eine (soziale) Kontrolle.
("Hast du gehört? Die Trine kann Sachen herbeizaubern, aber sie hat Willi nicht geholfen, seinen verlorenen Schlüssel zu finden! Also, die lade ich nie wieder ein.")

Vielleicht werden sie sogar ausgegrenzt, weil anders. Ein wenig schief angeguckt. Gefürchtet gar.
Ich finde nicht, dass die Magischen automatisch an die Spitze der Gesellschaft gestellt sind.


2. Magie entsteht durch Willen.
Man kann sie erlernen oder kaufen. Es gibt einen Preis dafür. Das kann alles Mögliches sein. Fleiß, Geld, das Erstgeborene, der Weisheitszahn, unter Lebensgefahr zu beschaffende Kräuter ...
Wer verwaltet und verteilt die Ressourcen? Wer darf lernen oder wer hat genug Geld, um ein Pfund Magie zu kaufen?
Das ist sehr reizvoll, denn dann stellt sich die Frage nach der Verteilung des Geldes. Wunderbarer Zündstoff, tolles Konfliktmaterial auf dem Weg zu der erstrebten Gleichheit.

Das kannst du doch frei definieren. Und es liegt ganz allein bei dir, welche Rolle die Magischen in deiner Geschichte einnehmen werden - ich sehe nicht, dass es automatisch Rassismus mit sich bringt.


Fantastische Geschichten aus der Luftschlosserei.

Mithras

Danke für die Rückmeldungen! Ich muss wohl noch ein paar Sachen dazusagen, damit der Kontext klarer ist: Magiebegabung ist in meiner Welt tatsächlich genetisch bedingt, und als Biologe habe ich mir dazu ein komplexes System an Voraussetzungen überlegt, die für die Ausprägung und die Vererbung erfüllt sein müssen. Dieses System ist so zentral für meine Geschichte geworden, dass ich es nicht einfach aufgeben kann, auch trotz der Probleme, die damit einhergehen. Allerdings ist Magiebegabung sehr selten und aufgrund des eingangs erwähnten Preises, den die Nutzung verlangt, in den meisten Kulturen nicht hoch angesehen oder gar geächtet, sodass Magieanwender in der Regel im Hintergrund agieren und ihre Fähigkeiten geheim halten. Auch zentrale Institutionen wie Hogwarts gibt es nicht. Magiebegabte stehen in der Regel für sich alleine und versuchen meist, ihre Fähigkeiten voreinander zu verbergen, um nicht zur Zielscheibe zu werden und sich dadurch unkalkulierbaren Gefahren auszusetzen.

Zitat von: Luna am 16. Dezember 2023, 15:00:24Ich denke im Endeffekt kommt es darauf an, ob du diesen Punkt nur hinnimmst, kritisierst oder sogar feierst.
Natürlich lasse ich zwischen den Zeilen Kritik einfließen, das ist ja klar. Ein zentrales Thema in meiner Geschichte ist Macht und die damit einhergehende Verantwortung, und viele mächtige Antagonisten werden dieser Verantwortung nicht gerecht.

Zitat von: Luna am 16. Dezember 2023, 15:00:24Wie mit vielen anderen Plotpunkten kommt es also darauf an, worauf der Fokus liegt. Um jetzt auf dieses Ritual bei dir einzugehen: Wer wird sich zu so einem Ritual herablassen, andere Leute zu Opfern, um doch eine Macht zu erlangen, die sie zuvor nie hatten? Auch wenn es den Klassizismus in deinen Augen zum einen durchbricht, befeuert es ihn auf einer anderen Seite. Die, die viel Macht und Geld haben können sich so zusätzliche Macht "kaufen".
Das it bei mir tatsächlich kein Thema, da Magie aus den oben genannten Gründen in vielen Teilen meiner Welt als Makel angesehen wird. Diejenigen, die sich den Ritualen unterziehen, legen in der Regel keinen Wert auf ihre Reputation oder halten es so geheim wie möglich. Diejenigen, die zu Magiebegabten "gemacht" werden, sind daher in der Regel Menschen, die keinen Ruf zu verlieren haben und die niemand vermisst, z. B. Straßenkinder. Das kann natürlich ebenfalls problematisch sein, aber auch hier werde ich es natürlich nicht als in Ordnung darstellen.

Luna

Wenn das so rum ist, dann ergibt sich ja die Zweiklassengesellschaft genau anders herum. Im Endeffekt, solange Macht nicht wirklich gleich verteilt ist, wirst du immer eine Zwei- oder Mehrklassengesellschaft haben.

Mithras

Und genau das ist ja das Problem: Ich will eine Zweiklassengesellschaft ja nicht legitimieren und als in Ordnung darstellen, und deshalb suche ich nach Möglichkeiten, das Thema zu dekonstruieren. Ein Ansatz ist, dass Mahie als Makel angesehen wird und Begabte oder der Begabung verdächtige Personen verfolgt werden, zumindest in Teilen meiner Welt. Ein anderer Ansatz ist, dass der Preis zu hoch ist und viele Begabte ihn nicht zahlen wollen, weshalb sie sich aktiv gegen das Erlernen von Magie entscheiden. Soziale Ächtung ist da nur eines von mehreren Übeln. Wichtig ist mir, dass ich Magiebegabte eben nicht als bon Natur aus besser darstelle. Eine Zweiklassengesellschaft darf als Quelle von Spannungen und Konflikten existieren, soll aber eben nicht sls in Ordnung dargestellt werden.

Habt ihr weitere Ideen?

Amanita

#6
Mein Ansatz für dieses Problem wäre es, die Magie schlichtweg in ihren Anwendungsmöglichkeiten zu begrenzen.
Sprich, dass der Magier gegen die Fähigkeiten des gut ausgebildeten Schwertkämpfers eben nicht immun ist, sondern durchaus beide eine ähnlich große Chance haben, den Kampf zu überleben. Und das ist nur ein gängiges Beispiel aus klassischen Fantasyromanen, da gibt es noch viele weitere Möglichkeiten. Solange Nichtmagier durch Intelligenz und/oder andere "normale" Fähigkeiten den Magiern gegenüber wettberbsfähig sind stellt die Magie nur ein zusätzliches mögliches Talent in der Fantasywelt dar, aber verursacht nicht zwangsläufig eine auf dem Vorhandensein von Magie basierende Klassengesellschaft. Wobei es die natürlich trotzdem geben kann, genau wie das Gegenteil, wo Magie abgelehnt wird. Mir gefällt es in solchen Fällen am besten, wenn verschiedene Kulturen innerhalb der Fantasywelt das unterschiedlich handhaben. Dadurch zeigt sich nämlich automatisch, dass das nichts von Vorneherein vorgegeben ist, sondern dasselbe aus verschiedenen Perspektiven unterschiedlich bewertet werden kann.

Den Ansatz mit der "Magie als Makel" und der Verfolgung von Magiern finde ich insbesondere für das, was du erreichen willst, nicht so ideal, weil es so ein gängiges Klischee ist, das wieder eine problematische Botschaft aussendet: Die besonderen und eigentlich überlegenen Menschen werden vom Pöbel verkannt und verfolgt. So oder so ähnlich wird dieser Konflikt eben auch häufig genutzt.

Volker

Da kann man sich bei Rollenspielen umsehen, wie Magie zum Spiel-Balancing beschränkt wird:

  • gesellschaftlich: Magie ist "betrügen", weil unehrliche Arbeit
  • Der Köper/Geist des Magier leitet die magischen Energien durch - und brennt dadurch aus bzw. verstopft, muss sich erst mal erholen. Also ein magischer Muskelkater nach Anstrengung.
  • Magieanwendung ist wie eine Droge, die einen dann früher oder später (größen)wahnsinnig werden lässt - wenn man sicht nicht strengstens kontrolliert. Daher dann Rituale und strikt geregelte Lebensarten ähnlich zu Mönchen.   
  • Magie hat man nicht selber, sondern durch Pakte mit Dämonen oder anderen Wesen - die ihren Preis haben.
  • Magie ist eine negative Lotterie: jede Anwendung zieht ein "Los". jede Anwendung kann die Aufmerksamkeit eines Dämon o.ä. auf sich ziehen - was man ganz bestimmt nicht will.
  • Magie ist ... unstet. Und schwer zu kontrollieren. Das kann einem durchaus mal um die Ohren fliegen - und je mächtiger der gewirkte Zauber, desto größer der Knall wenn die Kontrolle mal wegrutscht.

Gerade die letzteren beiden (5/6) sind risikobasiert. Es MUSS also nichts passieren, aber wenn...
Die mittleren (3+4) haben den Vorteil, dass sich Geschichten dazu fast von selbst schreiben - und den Nachteil, dass der Karriereweg fast schon vorgegeben ist.

Mithras

Zitat von: Amanita am 16. Dezember 2023, 18:03:53Den Ansatz mit der "Magie als Makel" und der Verfolgung von Magiern finde ich insbesondere für das, was du erreichen willst, nicht so ideal, weil es so ein gängiges Klischee ist, das wieder eine problematische Botschaft aussendet: Die besonderen und eigentlich überlegenen Menschen werden vom Pöbel verkannt und verfolgt. So oder so ähnlich wird dieser Konflikt eben auch häufig genutzt.
Das ist natürlich ein valider Punkt, über den ich nachdenken werde. Grundsätzlich ist meine Welt noch recht archaisch und befindet sich kulturell an der Schwelle zur Renaissance, weshalb auch Aberglaube weit verbreitet ist. Entsprechend ist Misstrauen gegenüber Magie auch relevant für die Atmosphäre und als Triebfeder von Konflikten, die sich aus dem Spannungsfeld zwischen Religion, Aberglauben und Tradition auf der einen Seite sowie technisch-wissenschaftlichem Fortschritt auf der anderen Seite ergeben (z. B. Verbreitung neuer Ideen durch den Buchdruck oder intensiverer Kontakt mit fremden Kulturen). Dieses Grundmotiv meiner Welt und meiner Geschichte kann ich natürlich nicht so einfach ändern, denn es ist ein integraler Teil des gesamten Settings. In einer unfertigen Geschichte in meiner Welt ist das sogar die wesentliche Triebfeder meiner Handlung, da ich mich hier auf die Veränderung einer Gesellschaft durch eine Pandemie, die an den Schwarzen Tod angelehnt ist, konzentriere.
An dieser Stelle sei aber auch erwähnt, dass echte Magie in meiner Welt so selten ist, dass nur wenige Menschen jemals mit magisch Begabten, geschweige denn echten Magieanwendern in Kontakt kommen. In vielen Kulturen sind die gängigen Vorstellungen durch Aberglauben geprägt, und ein Grundmotiv in meinem "Pest-Roman" ist, dass die anfängliche Abneigung und der Aberglaube gegenüber magisch Begabten weicht, je besser man sie kennenlernt und erkennt, dass es sich bei ihnen auch nur um Menschen handelt.

Zitat von: Amanita am 16. Dezember 2023, 18:03:53Mir gefällt es in solchen Fällen am besten, wenn verschiedene Kulturen innerhalb der Fantasywelt das unterschiedlich handhaben. Dadurch zeigt sich nämlich automatisch, dass das nichts von Vorneherein vorgegeben ist, sondern dasselbe aus verschiedenen Perspektiven unterschiedlich bewertet werden kann.
Das kann ich definitiv unterschreiben, denn das ist auch meine Vorgehensweise. In manchen Kulturen gilt Magie als Makel, in anderen als bewundernswertes Opfer, und in wieder anderen sind gerade solche Religionen erfolgreich, , die Magieanwendern die Läuterung und das Seelenheil versprechen und sie bewusst integrieren wollen.

@Volker: Ein paar sehr gute Punkte, über die ich mir Gedanken machen werde. Punkt 5 beschreibt auch das Dilemma der meisten meiner Magier*innen ganz gut - nur hat man hier weniger Angst vor Dämonen, Besessenheit etc., sondern  vor anderen Begabten, die einem nicht wohlgesonnen sind.

Aidan

#9
Puh, ich finde das gerade sehr - schwierig. Ich schreibe hier mal, wie es für mich ankommt und was mir für Gedanken kommen, okay?

Was ich aus deinem Ansatz mitbekomme, erinnert mich einfach perfekt an die Hexenverfolgungen. Für die verbrannten und gefolterten Hexen und Hexer ist es dabei egal, ob sie tatsächlich Magie wirken konnten oder nur dessen beschuldigt wurden. Bin da ganz bei @Amanita .

Dazu kommt dieses: wir haben da eine Bevölkerungsgruppe, die könnte aufgrund ihrer Begabung als priviligiert gelten, also kehren wir den Spieß um und depriviligieren sie. Das gleiche in Grün nur mit unterschiedlichen Vorzeichen. Das wäre ein Grund für mich ein Buch nicht zu lesen, wenn das, was auf der einen Seite verurteilt wird, in anderer Richtung aber gut geheißen wird. Sind ja nur die sowieso Priviligierten, ne sind sie in dem Fall nicht und für das einzelne Individuum ist es egal, ob es an anderer Stelle in einer anderen Welt für seine Gabe priviligiert werden würde.

Wie habe ich das für mich gelöst? Die klassische Magie ist in meiner Welt eine, für die man sicher auch eine gewisse Begabung braucht, aber auch ganz, ganz viel lernen muss. Es ist genauso ein Studium wie der Schwertkampf oder ein Beruf - wer gut sein will, muss viel investieren. Und natürlich erschöpft Magie wirken genauso, wie es ein Kampf oder eine konzentrierte Arbeit tut. Tara lernt keine Magie, nicht weil sie keine Begabung hätte, sondern weil sie nicht still sitzen kann und sie zu chaotisch ist. Denn Magie braucht Disziplin und Struktur, um die Energie in die richtige Bahn zu lenken. (Die Ergebnisse sind ansonsten von schreiend komisch bis tragisch dramatisch. Nicht günstig.) Sind Magier den Kämpfern überlegen? Kommt auf die Situation an. Wer den ganzen Tag in der Bibliothek sitzt und die Nase nicht aus dem Buch bekommt, wird körperlich deutlich schwächer sein, als jemand, der den ganzen Tag auf dem Übungsplatz steht und seine Muskeln beansprucht. Es hat in einem Kampf deutlich Vorteile, wenn beide zusammen arbeiten. (Wobei mächtige Magier als Gegner echt bescheiden sind, aber sie müssen ja erstmal dorthin kommen. Und wer weiß, wie er an sie ran kommt, der kann dann seine körperliche Überlegenheit ausspielen. Aber auch das will gelernt sein.)

Dazu kommt die klerikale Magie, die natürlich auch gelernt, fokussiert und an einen Glauben gebunden ist, dazu gehört im weitesten Sinne auch die Schamanenmagie, die es bei mir durchaus auch gibt. Braucht alles Ausbildung, bestimmte Riten, was auch immer, die dafür sorgen, dass man halt nicht gleichzeitig der beste Kämpfer oder beste Magier oder der beste Dieb werden wird.

Es gibt aber bei meinem aktuellen Projekt noch eine zweite Gruppe von Magiewirkern, diejenigen, die spontan Magie wirken können. Das eine sind die Lichtgeborenen, denen nachgesagt wird, dass sie das Licht der Sterne in sich tragen - und deren Gabe letztlich beschränkt und vom Charakter eher klerikaler Natur ist. Das andere sind die Schattenkinder, die durch ein schwarzmagisches Ritual Fähigkeiten von anderen Wesenheiten bekommen haben - wie Feen und andere magische Wesen. Ihr Preis? In den meisten Ländern werden sie verfolgt, weil sie eine sehr große Gefahr werden können, dort, wo sie nicht verfolgt werden, haben sie häufig mit psychischen Problemen zu kämpfen (bis hin zu Wahnvorstellungen) und laufen ständig Gefahr, in die Schatten gezogen zu werden. Wenn sie fallen, können sie nur durch den Tod aufgehalten werden, stehen dann aber unter Umständen als Untote wieder auf. Wenn sie lernen, den Schatten zu beherrschen und ihre Gaben einzusetzen, dann können sie sehr mächtig werden. Aber sie stehen immer mit einem Bein am Abgrund. Und auch sie müssen sehr viel in die Beherrschung ihrer Gaben investieren, und weil sie so spontan ihre Magie wirken und eher chaotische Naturen sind, können emotionale Ausbrüche echt gefährlich werden. Und - Magie wirken erschöpft, erschöpfte Schattenträger fallen schnell in depressive Gedanken und sie haben deutlich mehr Hunger, weil es ihre Energiereserven anzapft. Fasten sollte man nicht müssen, wenn man spontane Magie wirkt, zumindest nicht, bis man gelernt hat, die Energie dafür aus dem Umfeld zu nutzen, anstatt die eigene Kraft.

Was die Verteilung angeht: so wie andere Begabungen halt auch. Gibt halt Leute, die sind eher sportlich, andere musikaltisch, manche sind magisch begabt. Wertungsfrei - die Leute sind halt verschieden begabt.
"Wenn du fliegen willst reicht es nicht, die Flügel auszubreiten. Du musst auch die Ketten lösen, die dich am Boden halten!"

,,NEVER loose your song! Play it. Sing it. But never stop it, because someone else is listening."

Luna

Ich habe noch einen Lösungsansatz in meinem "Blue Star Project", das ich jedoch noch schreiben muss. Als Hintergrund vielleicht folgendes: Die Magie selbst ist als Energiefeld überall, ausgehend von einem enormen blauen Stern, der in der Mitte der Galaxie sitzt. Allerdings können diese Magie nicht alle nutzen, sondern war eigentlich den Sylvan vorbehalten. Die Menschen haben dann einen Weg gefunden, wie sie die Fähigkeit an sich nehmen können: Die Sylvan haben dafür ein Organ ...

Die Magieanwender haben also zum einen das Problem, dass sie ihr eigenes Immunsystem schwächen müssen, um die Fähigkeit nicht wieder zu verlieren, zum anderen vergiftet das Organ die Körper (beider Rassen), wenn man Magie nutzt. Zu viel und man vergiftet sich selbst und stirbt (limitierender Faktor).

Da hier Fantasy-Rassen vorkommen (Ist ein Science-Fantasy-Projekt), ist da halt ein Proplem verankert, das du umgehen möchtest. Andererseits hat diese Rasse ewigkeiten im Licht dieses Sterns gelebt und sich entsprechend entwickelt.

Ich will damit natürlich die dunklen Seiten der Menschheit beleuchten und kritisieren. Nicht umsonst wird das Verfahren möglichst geheim gehalten. Aber wenn es u.a. militärische Vorteile bringt ...

Mithras

Zitat von: Aidan am 17. Dezember 2023, 18:03:28Puh, ich finde das gerade sehr - schwierig. Ich schreibe hier mal, wie es für mich ankommt und was mir für Gedanken kommen, okay?

Was ich aus deinem Ansatz mitbekomme, erinnert mich einfach perfekt an die Hexenverfolgungen. Für die verbrannten und gefolterten Hexen und Hexer ist es dabei egal, ob sie tatsächlich Magie wirken konnten oder nur dessen beschuldigt wurden. Bin da ganz bei @Amanita .

Dazu kommt dieses: wir haben da eine Bevölkerungsgruppe, die könnte aufgrund ihrer Begabung als priviligiert gelten, also kehren wir den Spieß um und depriviligieren sie. Das gleiche in Grün nur mit unterschiedlichen Vorzeichen. Das wäre ein Grund für mich ein Buch nicht zu lesen, wenn das, was auf der einen Seite verurteilt wird, in anderer Richtung aber gut geheißen wird. Sind ja nur die sowieso Priviligierten, ne sind sie in dem Fall nicht und für das einzelne Individuum ist es egal, ob es an anderer Stelle in einer anderen Welt für seine Gabe priviligiert werden würde.
Wenn du es so interpretierst, hast du mich vermutlich missverstanden oder ich habe mich unklar ausgedrückt. Natürlich rechtfertige ich nicht, dass Magiebegabte in Teilen meiner Welt geringgeschätzt und ausgegrenzt werden (Unterdrückung und Verfolgung sind die Ausnahme und nicht die Regel), denn es geht mir immer darum, sie als Menschen mit Stärken und Schwächen darzustellen. So viel Vertrauen darfst du in meine Vorstellungen von Gleichhiet und Gleichberechtigung schon haben! ;) Man kann als Autor ja schließlich Missstände beschreiben, um sie aufzuzeigen und zu kritisieren, und der Umgang mit Magiegebaten in Teilen meiner Welt ist ein solcher Missstand.

Die Parallelen zur Hexenverfolgung sind zwar gewollt, allerdings wird es bei mir nicht auf Exzesse á la Salem hinauslaufen, weil ich die damit verbundenen Klischees weitgehend umschiffen will. Der Hintergedanke ist für mich eher, dass das Denken der Menschen in archaischen Gesellschaften nicht zu modern anmuten soll, und deshalb Nutze ich bewusst Aberglauben, um die Unterschiede zu betonen. Was mich an anderen Werken immer wieder irritiert hat, ist, dass die Menschen selbst in archaischen Fantasykulturen die gleichen Moral- und Wertvorstellungen haben wie wir, obwohl Bildung meist in Privileg der Wenigen ist und ein Großteil deGesellschaft oft weder lesen noch schreiben kann, aber das ist ein anderes Thema. Das nur zu meiner Motivation. Aus Aberglauben resultiert aber nicht notgedrungen Fanatismus, und viele Vorstellungen in meiner Welt mögen zwar irritieren, sind aber ansonsten harmlos - z. B. dass schwarze Katzen Pech bringen. Daraus folgt ja nicht zwangsläufig, dass man sie alle gleich umbringt.

Rhagrim

#12
Ich hätte auch einen Ansatz, nachdem du schreibst, dass du Klischees und Machtstrukturen wie Klassismus und Rassismus nicht legitimieren willst und das Thema gleichzeitig dekonstruieren willst. 
Versuch, die kritische Linse doch einmal auf sich selbst zu richten und das zu thematisieren?

Wenn man davon ausgeht, dass alles nur ein soziales Konstrukt ist, dann betrifft das doch auch die Theorie selbst, die festlegt, dass eine Gesellschaft in bestimmte Gruppen geteilt ist, bei denen von vornherein fix festgelegt ist, wer privilegiert und wer unterdrückt ist. Genau dadurch werden die Dynamiken doch erst geschaffen und aufrecht erhalten, weil es keine Veränderung zulässt, da es das Ergebnis vorherbestimmt und jedes Ergebnis als illegitim betrachtet, das zu einem anderen Schluss kommt.

Es ist dadurch doch eine wissenschaftlich nicht haltbare Theorie, die sich selbst bestätigt und nicht widerlegt werden kann, denn: stimmst du zu, bestätigst du sie und stimmst du nicht zu, bestätigst du sie auch, weil du (als Privilegierter) entweder deine Privilegien und die vorherrschenden Machtdynamiken aufrecht erhalten willst, oder (als Unterdrückter) deine "Unterdrückung internalisiert" hast und somit auch die vorherrschenden Machtdynamiken bestätigst.

Vielleicht wäre es daher eine Idee, zu thematisieren, dass die gesellschaftliche "Ordnung" auch in dieser Hinsicht nur ein soziales Konstrukt ist, das nur solange funktionieren kann, wie die Menschen bereit sind, daran zu glauben und diese Theorie zu unterstützen. Wenn sich die Privilegierten nicht mehr als privilegiert und die Unterdrückten nicht mehr als unterdrückt wahrnehmen, dadurch das Selbstbild abwerfen, das man ihnen anerzogen hat und sie dadurch in einem Weltbild festhält, das sie in einem künstlichen, binären Rollenkonstrukt aus Unterdrücker und Unterdrückte gefangen - und voneinander getrennt -  hält... würde das nicht eine völlig neue Ordnung schaffen?
Das könnte ein Ansatz sein, der diese Dynamiken nicht nur aufzeigt und dekonstruiert, sondern sie komplett verändert und eine Alternative zulässt, die beide Seiten aus ihrer festgelegten Rolle befreit und ihnen dadurch die Möglichkeit schenkt, etwas neues zu schaffen, das sie nicht mehr an diese alten Glaubenssätze bindet?

Damit würdest du Klassismus und Rassismus nicht nur nicht legitimieren, sondern sie selbst als soziales Konstrukt entmanteln und aufzeigen, dass es die Theorie von Herrscher und Beherrschtem selbst ist, die diese Konzepte überhaupt erst so lange ermöglicht hat, weil sie die Menschen in dem Glauben erzogen hat, dass die ihr zugrunde liegenden Wertungen (dass jemand mehr oder weniger "wert" ist aufgrund von egal welchen Merkmalen) wahr seien - und nicht nur ein Werkzeug derer, die von solchen Kategorisierungen und der daraus entstandenen Trennung profitieren.
"No tree can grow to Heaven unless it's roots reach down to Hell."
- C.G. Jung