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Dialekte schreiben

Begonnen von Villyana, 06. Dezember 2022, 01:43:11

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Villyana

Hallo zusammen,

könnt ihr mir sagen, wie ihr das macht: schreibt ihr Dialekte in eure Geschichte rein?
Hier spreche ich hauptsächlich die an, die nicht zur heutigen Zeit oder nah an unserer Welt schreiben.
Aber es dürfen sich natürlich auch alle anderen angesprochen fühlen, wie sie es machen.

Wie schreibt ihr denn bitte Dialekte?? Ich finde das total schwer. Was für Dialekte nutzt ihr als Vorbilder? Ich mein, mal so einen urigen Charakter zu schreiben, der dann auch so spricht, hat sicherlich etwas für sich, aber ich würde das als Leser auch sehr anstrengend empfinden, das lesen zu müssen.

Oder hat jemand damit gute Erfahrungen gemacht? Manchmal bin ich mir auch nicht sicher, ob ich Dialekte richtig verstehe, was in meiner Geschichte jetzt nicht schlimm wäre, da was eigenes draus zu machen.

Dialekte im Sinne von regionalen Unterschieden von Regionen, nicht Ländern. Das wäre nochmal eine eigene Kategorie, würde mich aber auch interessieren. Wie schreibt man z.B. wenn jemand einen englischen Akzent hat? und wie macht man das dann ohne England?  :rofl:

Ich habe da nichts konkretes geplant, frage eher aus Neugier, aber was noch nicht ist.. ;)

Bin gespannt auf eure Beiträge!

Liebe Grüße

Villy

Madrisa

Spannendes Thema!

Persönlich finde ich es zwar charmant, aber manchmal auch etwas anstrengend, wenn nur eine Figur "Dialekt" redet in einem Buch. Es besteht ein wenig die Gefahr, dass man diese Figur in einer bestimmten Art "stigmatisiert" und/oder Othering-Prozesse anstösst. Was ich hingegen total mag, ist, wenn ein ganzer Text in einem Dialekt geschrieben ist. Dann kommt man auch schnell rein und taucht in eine spezifische Denkwelt ein. (Ich merke gerade, dass ich recht oft dialektale Texte lese, hihi).

Zit

#2
In der Regel nicht, nein. Ich streu manchmal einzelne Wörter in der Muttersprache ein (wobei es auch da unterschiedliche Meinungen gibt, ob man das so machen sollte oder nicht) oder behlfe mir dann mit Beschreibungen wie schwer der Figur es fällt, Worte zu finden, dass sie öfter nach einem Wort sucht oder einfach nur verständnislos guckt, um Sprachbarrieren zu zeigen. Mundart kann charmant sein, wenn es Teil des Genres ist, s. Heimat-Krimis. Und "Othering" gehört in dem Genre genauso dazu, wenn der Komissar von außerhalb nur Standartdeutsch redet und alle anderen Mundart. Hinzu kommt auch, dass Mundart mit fehlender Bildung gleichgesetzt wird/ Leute, die Mundart reden, als einfacher oder bodenständiger wahrgenommen werden. (Stellt euch mal einen Professor für Physik vor, mit drei Nobelpreisen und zig Publikationen unter dem Gürtel, und dann textet er einen im dreckigsten Berlinerisch zu. Das wär doch mal ein liebevoller Exot und Chaot in einem (Dark-Academia-)Roman. ;D) Und letztlich ist es für mich einfacher, wenn ich nicht so tun muss als würde ich einen fremden Dialekt oder fremde Mundart beherrschen.

Unabhängig davon: Gerade unser Gibt es diese Wörter überall?-Thread zeigt auch schön, dass wir vor unseren eigenen regionalen Eigenheiten der Sprache nicht gefeit sind. Warum sollte ich es mir anmaßen, in einer anderen Mundart schreiben zu können, wenn ich nicht einmal jedes "mundartige" Wort in meinem eigenen Wortschatz identifizieren kann. ;D
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Madrisa

#3
Zitat von: Zit am 01. Januar 2023, 17:11:17Unabhängig davon: Gerade unser Gibt es diese Wörter überall?-Thread zeigt auch schön, dass wir vor unseren eigenen regionalen Eigenheiten der Sprache nicht gefeit sind. Warum sollte ich es mir anmaßen, in einer anderen Mundart schreiben zu können, wenn ich nicht einmal jedes "mundartige" Wort in meinem eigenen Wortschatz identifizieren kann. ;D

Wieso ist Dialekt in Deutschland denn so negativ konnotiert? Gibt es da Gründe dafür? 

@Zit: Ich stimme dir zu, dass man fremde Dialekte/Idiome, die man nicht beherrscht, imitieren sollte, bzw. vorsichtig sein sollte, dass man sich dann in den Texten nicht über diese Leute lustig macht.

Zitat von: Zit am 01. Januar 2023, 17:11:17Und "Othering" gehört in dem Genre genauso dazu, wenn der Komissar von außerhalb nur Standartdeutsch redet und alle anderen Mundart.

Ich hoffe, ich verstehe dich jetzt richtig (sonst bitte sofort sagen): Aber da wäre ich etwas vorsichtiger. Ich verstehe Otheringprozesse als gekoppelt mit Machtmechanismen; Otheringprozesse sind stark diffamierende Prozesse, die Menschen sozial, politisch, wirtschaftlich etc. ausgrenzen oder auf solchen Ausgrenzungen basieren - Macht dabei verstanden als Autorität und Deutungshoheit. Quantität ist insofern nur ein Aspekt davon; es können zum Beispiel wenige Menschen in einer Gruppe die Macht besitzen und dann die Vielen "othern". Wenn etwa Fabrikarbeiterinnen sich im 19. Jh. gegen einen männlichen Fabrikbesitzer zusammentaten, dann ist das noch kein Othering des Fabrikbesitzers, denn er besitzt die politische, wirtschaftliche und soziale Macht, während die Arbeiterinnen in dieser Hinsicht "machtlos" sind.
Wenn also ein Kommissar Standartdeutsch spricht in einem Mundartkontext, dann steht er als Polizist und Staatsbeamter auf der Seite der Machthabenden, während Mundart in der Schule verboten wird, Menschen, die es sprechen, nicht ernst genommen werden, wie du schreibst, mit fehlender Bildung verbunden werden, usw. Klar, es gibt vielleicht Differenzprozesse von Seiten der Mundartsprechenden, sie machen sich möglicherweise auch über den Kommissar lustig und alles. Aber ob man da wirklich schon das Konzept "Othering" verwenden möchte, das hängt dann vom Kontext der Geschichte, dem Hintergrund und Leben des Kommissars ab. (Also, bitte nicht falsch verstehen: Ich sage nicht, dass man in diesem Fall nicht von Otheringprozessen sprechen sollte, es kommt eben wirklich stark auf den Kontext der jeweiligen Geschichte an).


Zit

#4
Es ist mehr die Spannung zwischen dem Komissar, der sich erhaben fühlt (meistens haben die keinen Bock, in die Provinz versetzt zu werden), und den Einheimischen, die er belächelt. Ich würde das schon als Othering sehen mit der Prämisse, dass der Komissar eben das Gegenteil lernen muss, um sich dann in die Gemeinschaft eingliedern zu können. Da Regional-Krimis auch einen gewissen Feel-Good-/ Cozy-Faktor haben, wird das nicht so krass ausgespielt als würden wir kritische Social Fantasy lesen. Meiner Meinung nach ist es im Ansatz dennoch da (und auch innerhalb der realen deutschen Gesellschaft ein Problem/ manchmal Klischee, dass Landleute und Städter sich gegenseitig für "blöd" halten). Warum das so ist, weiß ich nicht. Könnte mir denken, dass es vll. auf Elitismus/ humanistische Bildung zurückgeht? Wo einem dann die eigene Mundart aberzogen wird wie du schon sagst und man dadurch auch Leute ohne humanistische Bildung/ Gymnasiumsabschluss an ihrer Mundart erkennt. :hmmm: (Also Maßstäbe aus der Mottenkiste.) Ist ja auch nicht von der Hand zu weisen, dass heutzutage auch Manager einer Einkaufskette bspw. einen anderen Sprech haben als diejenigen, die Regale einräumen oder an der Kasse sitzen. Unterschiedliche Klassen, unterschiedliche Sprache. Was den Komissar angeht, ist es auch nur ein Trope/ Aufhänger im Regio-Krimi. Ich würds also nicht als zwingendes Merkmal des Genres einordnen sondern es als Teil des Tropes verstehen.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Madrisa

Zitat von: Zit am 01. Januar 2023, 20:00:39Es ist mehr die Spannung zwischen dem Komissar, der sich erhaben fühlt (meistens haben die keinen Bock, in die Provinz versetzt zu werden), und den Einheimischen, die er belächelt. Ich würde das schon als Othering sehen mit der Prämisse, dass der Komissar eben das Gegenteil lernen muss, um sich dann in die Gemeinschaft eingliedern zu können.

Ach so, ja in diese Richtung auf jeden Fall! Da stimme ich dir zu und würde ich ebenfalls von Otheringprozessen sprechen.

Ich wohne in der Schweiz, und hier gibt es eine aktive literarische Szene, die auf Schweizerdeutsch schreibt und zwar in verschiedenen Dialekten. Ein bisschen verfolge ich es - und finde es wirklich spannend! Denn mit der Sprache ist eben schon eine Denkwelt verbunden. Und dann kommt noch die Alltagskultur hinzu: Über soziale Medien wird in der Regel Dialekt geschrieben (ausser man hat einen Dialekt, den eh niemand versteht). Insofern macht es in diesem Kontext schon Sinn, das auch in Romane aufzunehmen.