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Klischees in der Fantasy - Erfahrungen und Meinungen dazu?

Begonnen von Frostschimmer, 18. August 2021, 18:07:25

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Alana

#15
@Maja Zu fast verschwundenen Fantasy-Klischees der 80er gehört definitiv auch das Mädchen, das sich als Junge verkleidet, um eine Ausbildung zu machen, die nur Männern offensteht. Ich habe dieses Trope geliebt, aber habe das Gefühl, heute sind wir viel weiter und brauchen das nicht mehr, da es heute andere Strukturen sind, die aufgebrochen werden müssen und zum Glück "Frauen müssen beweisen, dass sie etwas auch können" heute kaum noch Thema ist. Letztens habe ich einen aktuellen YA Bestseller gefunden, indem das der Aufhänger ist und war nostalgisch berührt.  ;D (Ich glaube es war von Elizabeth Lim, Ein Kleid aus Seide und Sternen.)
Alhambrana

Frostschimmer

@Mondfräulein ich meinte damit, dass ich mir beim Kreieren eines Charakters nicht schon vorher überlege, wie exakt Weiblichkeit (oder eben Männlichkeit) in Szene gesetzt werden soll. Außerdem reden meine Charaktere auch nicht ständig über ihre Sexualität, den Umgang mit ihrem Geschlecht oder das allgemeine Rollenbild. Meine POV-Charaktere denken auch nicht dauernd darüber nach. Sowas bringe ich nur ein, wenn es nötig wird, und dann tendiere ich eher dazu, es aktiv darzustellen, statt meine Figuren lange Reden darüber schwingen zu lassen.
Im Moment schreibe ich an einer Geschichte, die ein episches Setting hat, würde ich ein Selbstfindungsdrama schreiben, würde ich sowas eher mit reinbringen, aber in meinem Setting wäre ständiges Reflektieren über solche Dinge total unpassend und aufgesetzt.
Ich entwickle meine Charaktere zunächst als Grundkonzept und lasse sie sich dann entwickeln, das genau herzuleiten führt hier jetzt zu weit, auf jeden Fall habe ich da nicht ständig moralische Botschaften im Sinn, in erster Linie mag ich interessante Charaktere, die gut in das Setting und die Handlung passen. Ich denke eher darüber nach, was meine Charaktere zu Sympathieträgern oder zu unsympathischen Figuren machen kann.
Generell spielt Sexualität in meinen Geschichten eine eher untergeordnete Rolle, Geschlechterrollen sind ggf. spezifisch an das aktuelle Setting angepasst, in meiner momentanen Fantasy-Welt ist das jeweilige Geschlecht aber eher unwichtig, da gibt es keine vorgefertigten Rollentypen.
Das Thema gehört wirklich besser in einen eigenen Thread, finde ich.

Mich nervt es aber bei dem Thema auch, wenn Frauen immer nur ,,das Zimmermädchen", ,,die Tänzerin", ,,die Amme" oder irgendein anderer langweiliger und stereotyper Archetyp sind.

NatNat

Zitat von: Frostschimmer am 18. August 2021, 18:07:25
Was fällt euch dazu so ein?

Das Typische: Schüchterne oder zickige (geht beides) Frau lernt einen unheimlich mysteriösen Mann kennen, in den sie sich verliebt, ohne es zu wollen. Schnell wird aus diesem "eigentlich will ich ja nicht" ein "Och, er is' ja doch ganz toll" und der erste Sex. Oft ist die Frau da noch Jungfrau, kommt aber sofort 300x zum Orgasmus und allgemein ist der Typ immer der Brenner im Bett. Alternativ, wenn 'se keine Jungfrau ist, ist er einfach der beste und sie kommt so oft und tierisch, wie nie zuvor.
Danach besteht jede freie Minute aus Sex.
Ein Kampf steht bevor? Warte, wir haben noch zwei Minuten, erst einmal eine Nummer schieben (und 12x kommen nicht vergessen!) :rofl:
Die Familie stirbt (auch ein typisches Klischee!): Hm. Ist ja alles traurig - aber wart' mal, ich hab ja diesen Kerl, erstmal eine Beruhigungsnummer schieben (die dann ganz besonders toll ist, die Trauer regelrecht fortbläst (höhö, wortwitz :rofl:) und ... erwähnte ich die tierischen, brüllenden, 300-maligen Orgasmen schon?).
Der Endkampf kündigt sich an?`Erstmal Sex, könnt' ja das letzte Mal sein.
Man streitet sich? ... Sex? ;D
Man stellt fest, dass der Mann doch auch düstere und böse Seiten hat (Nachdem man ihn nie wirklich kennenlernen wollte und eigentlich immer nur auf ein Körperteil fixiert war, ist man darüber natürlich extrem erstaunt!): Hm. Aber im Bett war er doch gut. Naja. Sex regelt.

So laufen tatsächlich viele Romantasys ab, die ich kenne, meist sogar von großen Autoren, die mehrere Bestseller geschrieben haben. Ich finde das teils eher erschreckend, weil es, finde ich, nichts mehr mit einer Romantasy zutun hat, aber darunter klassifiziert wird. Mir fehlen da einfach die Gefühle.

Noch ein Klischee ist das "Weil Plot"-Klischee.
Helden oder Geschehnisse, die immer gerade auftauchen - weil Plot. Es gibt keinen richtigen Grund für sie, an diesem Ort zu sein, aber der Plot will das so.

Oder die Heldin, die erst schüchtern (oder zickig, geht nach wie vor beides) ist, aber auf einmal eine barmherzige, starke, unabhängige Frau ist - innerhalb von wenigen Tagen natürlich. Und das ohne Grund. Diese Frau rettet dann plötzlich im Alleingang die Welt, muss dabei keine Verluste hinnehmen .. und joa.

Ooooder.... übertrieben Gewalt. In vielen Fantasys, ja normalen Romantasys und auch Dark Fantasys findet diese großen Anklang. Dark Fantasy, okay - aber doch bitte in einem nachvollziehbaren Rahmen. Wenn eine junge Frau vergewaltigt, verstümmelt, wieder geheilt, wieder verstümmelt, verbrannt - und irgendwann gerettet und körperlich geheilt wird, ist es - egal, welches Genre - vollkommen unlogisch, dass diese nach zwei Minuten aufspringt, sich x-Messer schnappt und "Auf in den Krieg!" brüllt. Irgendwie... fehlt mir da die Logik. Ich meine ... ist die darüber nicht verstört oder so? :/

Frostschimmer

Ich schätze mal, dass das genau die Bücher sind, die ich immer sofort weglege, wenn im Klappentext von "dunkler Liebe", "verbotener Liebe", "geheimer Liebe" oder generell sofort von Liebe geschrieben wird. Ich kenne dieses Klischee eher aus der Fanfiktion, echt nervtötend. :no:
Ich finde, dass dieses ganze Liebesthema eher in die Coming of Age Thematik passt, wenn das alles noch große, neue Themen sind. In einer Geschichte, in der es plötzlich darum geht, die Welt zu retten, ist das irgendwie fehl am Platz, finde ich.

Mindi

Zitat von: Frostschimmer am 20. August 2021, 12:21:52
Ich finde, dass dieses ganze Liebesthema eher in die Coming of Age Thematik passt, wenn das alles noch große, neue Themen sind. In einer Geschichte, in der es plötzlich darum geht, die Welt zu retten, ist das irgendwie fehl am Platz, finde ich.

Neee, da würde ich mal vehement widersprechen. Also, dass das Liebesthema nur in Coming of Age passt. Dort empfinde ich es übrigens am langweiligsten, einfach weil die erste Liebe sich vielleicht für die Protagonisten welterschütternd anfühlt, aber ich als erwachsene Frau einfach weiß, dass sie das nur selten ist.

Liebesgeschichten im Roman, oder auch Liebesgeschichten in Fantasyromane sind meiner Meinung nach wirklich Geschmackssache und ich würde das auch nicht als Klischee sehen, wenn es eine Liebesgeschichte gibt. Außer vielleicht die zu rettende Prinzessin, deren einzige Funktion das gerettet werden und Kinder empfangen ist. Dafür gibt es ja so unglaublich viele Bücher auf dem Markt, dass am Ende (so hoffe ich) für jeden was dabei ist. 
Ich behaupte nicht, dass jeder Roman eine Liebesgeschichte braucht und alles verkuppelt werden muss, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, aber mir persönlich fehlt etwas, wenn es keine Liebesgeschichte gibt. Die muss nicht bis zum äußersten gehen und kann auch damit enden, dass sie sich nach 3 Büchern am Ende die Hand reichen und sich tief in die Augen schauen. Aber dieses Annähern und Kennenlernen ist auch bei älteren Protagonisten, die vermutlich schon deutlich mehr Lebenserfahrung haben als der nächste dahergelaufene Teenie-Auserwählte, sehr spannend und ich fiebere da gerne mit.

In Filmen gibt es wiederum oft die aufgestülpte Liebesgeschichte, die mich dann nur nervt. Wie z.B. die zwischen dem Zwerg und der Elbin im Hobbit, oder in in den meisten Actionfilmen Marke Transformers, wo die Frau sowieso nur eine zweifelhafte Rolle hat UND dann auch noch als LI für den "Helden" herhalten muss.
"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí

Yamuri

Was anderes vorn weg: Würde dieser Thread nicht besser in die Rubrik Handwerk passen?

Da ich seit Jahren vorwiegend chinesische Wuxia und Xanxia Serien und zeitweise auch koreanische, historische Fantasy sehe, würde ich sagen, bei Klischees und Tropes ist es wichtig, dass man unterscheidet in welchem Kulturraum die Geschichten entstehen. Tatsächlich lese und sehe ich nicht so viel westliche Fantasy. Und ich denke, dass ein Klischee/ Trope einem erst dann wirklich auffällt, wenn man sehr viel von einem Genre konsumiert. Ich denke auch, dass es außerdem sinnvoll wäre den Unterschied zwischen Klischee und Trope zu definieren und nicht nur die westliche Welt als Maßstab zu nehmen.

Mittelalter sehe ich z.B. weniger als Klischee und mehr als Trope. High Fantasy ist für mich dadurch definiert, dass es ein Mittelalter Setting hat. Hätte es das nicht, wäre es eine andere Form von Fantasy, z.B. Urban Fantasy, Science Fantasy usw.

Was mir bei chinesischen Serien oft auffällt, sind die Intrigen. Es kommt keine Serie ohne Intrigen aus. Was auch oft vorkommt sind die tragischen Helden, die dann am Ende heroisch ihr Leben opfern. Aber es gibt auch einige Serien in denen die Protagonisten nicht am Ende sterben. Ist aber auffällig, dass die Protagonisten und Protagonistinnen häufiger sterben, als das in westlichen Serien der Fall ist.

In Contemporary Serien kommt auch das Trope, Mädchen verkleidet sich als Junge vor. Arsenal Military Academy und You're beautiful sind da sehr gute Beispiele. Beide Serien haben mir sehr gefallen, weil die Art wie eingeführt wurde, wie es zu der Verkleidung kam, eine schöne Lösung war. Im ersten Fall starb der Bruder einer jungen Frau, bevor er die Militärakademie besuchen konnte, um dem Land zu dienen und es von der Fremdbesatzung zu befreien. Da die junge Frau aus einer patriotischen Familie stammte und den Traum ihres Bruders verwirklichen wollte, gab sie sich als ihr Bruder aus. Im zweiten Fall trat der Manager eines jungen Sängers auf eine angehende Nonne zu, die dessen Zwillingsschwester war und bat sie, wegen eines Unfalls ihres Bruders vorübergehend als ihr Bruder aufzutreten. Während die erste Serie eher ein Drama mit Action und Tragik war (aber gutem Ende), war die zweite Serie deutlich auf Liebeskomödie ausgelegt. Es ging aber in beiden Serien nicht darum, Frau muss etwas beweisen, sondern um Loyalität und Geschwisterliebe, die dazu führte, dass die Frau sich dafür entschied temporär als Mann aufzutreten.

Hinsichtlich der Darstellung von Frauen generell in westlichen Romanen oder Serien, muss ich gestehen, dass ich mich bisher noch in keine hineinversetzen konnte. Ich schreibe selbst auch eher Männerlastig, weil ich mich einfach leichter in Männer hineinversetzen kann und daher auch über Männer lesen möchte. Mir ist eine Geschichte mit lauter Männern lieber, als eine Geschichte mit Frauen, die so schlecht dargestellt sind, dass ich nur meine Augen rollen kann. Seit ich aber chinesische, koreanische und japanische Serien schaue, finde ich tatsächlich weibliche Figuren, die mir gefallen. Das finde ich sehr interessant. Wobei ich aber auch einfach ein Fan von Bromance und angedeuteter Gay Romance (also ohne Sex, aber subtil angedeutet) bin. Daher wohl auch mein Fokus auf Männer.  :D



"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Frostschimmer

Zitataber mir persönlich fehlt etwas, wenn es keine Liebesgeschichte gibt

Darf ich fragen, warum das so ist? Ich finde zum Beispiel diese Aragorn-Arven-Geschichte einfach nur ärgerlich. Wenn das passt, ist das ja okay, aber wenn man irgendwie den Eindruck bekommt, dass das nur drin ist, weil sonst jemand sagt, dass das fehlt, finde ich das nicht gut.
Tony Stark und Pepper Potts, das passt, aber ich finde es gut, dass nicht in jedem Marvel-Film eine Liebesgeschichte verbaut ist.
Relevant finde ich da die Fragestellung, ob sich die Liebesgeschichte in die Geschichte einfügt und diese bereichert, oder ob die einfach aufgesetzt daherkommt, damit sie da ist.
Ich finde jedenfalls, dass in einem High Fantasy Epos keine Liebesgeschichte benötigt wird.

Dämmerungshexe

Zitat von: Frostschimmer am 20. August 2021, 13:46:42
Ich finde zum Beispiel diese Aragorn-Arven-Geschichte einfach nur ärgerlich. Wenn das passt, ist das ja okay, aber wenn man irgendwie den Eindruck bekommt, dass das nur drin ist, weil sonst jemand sagt, dass das fehlt, finde ich das nicht gut.

Gerade die fand ich soweit ok, weil sie ja an sich in den Büchern vorkommt und auch eine gewisse zusätzliche Motivation für Aragorn darstellt UND man obendrein auch noch ein kleines bisschen mehr an weiblichen Figuren bekommen hat dadurch. Hingegen dieses Elf-Zweg-Dings beim Hobbit ...  :wums:
Beim Hobbit frage ich mich immer noch, warum da keiner auf die Idee gekommen ist einfach mal gut die Hälfte der Zwerge zu Frauen zu machen (oder Bard, das wäre auch noch was gewesen) - da hätte es einiges gegeben, was man damit hätte anfangen können, aber NEIN! man brauchte ja eine hübsche Elbenfrau, die mit den unzwergischten Zwerg was anfängt ... was wiederum ein anderes Klischee ist: nur die Hübschen bekommen ne Lovestory.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Mindi

#23
Zitat von: Frostschimmer am 20. August 2021, 13:46:42
Zitataber mir persönlich fehlt etwas, wenn es keine Liebesgeschichte gibt

Darf ich fragen, warum das so ist? Ich finde zum Beispiel diese Aragorn-Arven-Geschichte einfach nur ärgerlich. Wenn das passt, ist das ja okay, aber wenn man irgendwie den Eindruck bekommt, dass das nur drin ist, weil sonst jemand sagt, dass das fehlt, finde ich das nicht gut.

Wie gesagt - in Büchern mag ich Liebesgeschichten. In Filmen erscheinen sie mir oft nicht so wichtig und eher aufgesetzt.
Ich interessiere mich auch eher für die Figuren und dass ihre Realität, inklusive ihrer Gefühle, für mich authentisch ist. Schlachten interessieren mich eher weniger. Das sind Geschmäcker und Vorlieben. High-Fantasy zählt auch nicht unbedingt zu meinen Genres, allein schon, weil ich auch weibliche Heldinnen mag und die gibt (oder gab) es da eher selten. Und wenn eine weibliche Protagonistin in einer High-Fantasy Welt loszieht, wird das ja eh ins Jugendbuchregal geschoben. Ich kenne von HdR nur die Filme (die Bücher waren mir damals zu langatmig und heute habe ich kein allzu großes Interesse, sie zu lesen) und die Aragon-Arwen Romance war bei mir schon allein durch Liv Tyler eine Katastrophe. Aber - deswegen fand ich die Liebesgeschichte nicht überflüssig, weil sie ja dennoch ihren Wert für Aragons Entwicklung hatte.

Dass sich HF und Liebesgeschichte ausschließt möchte ich nach wie vor nicht unterschreiben. Nur, weil man ein größeres Ziel verfolgt, schaltet man ja nicht seine Menschlichkeit aus und dazu zählt auch, Bindungen aufzubauen zu eventuell neuen und alten Weggefährten. Das muss nicht unbedingt Liebe sein, das kann Freundschaft sein, das kann etwas körperliches sein - was auch immer. Wenn Reisegefährten Monate zusammen im Dreck verbringen und Abenteuer erleben, ist es da soweit hergeholt, dass sich da etwas entwickelt?
"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí

Frostschimmer

#24
Na ja, die Zwerge teilweise zu Frauen zu machen, wäre vielleicht nicht so gut gewesen, denn die sind im Buch ja eindeutig benannt. Wenn da plötzlich die Hälfte einfach ersetzt worden wäre, hätte das viele (verständlicherweise) verärgert. Tolkiens Werke sind eben recht alt und vor allem mit Männern besetzt. Wenn man das ändern will, müsste man das neu interpretieren, bei einer klassischen Verfilmung fände ich das unpassend.
Was mir aber gerade bezüglich Tolkien einfällt: Elfen sind immer perfekt. Im Film finde ich da die Szene, in der Legolas voller Eleganz über die zerfallende Brücke rennt, absolut übertrieben. Im Kino habe ich gelacht und an Devil may Cry gedacht, als ich das gesehen habe.

@Mindi ich finde auch nicht, dass HF eine Lovestory ausschließt, für mich fehlt aber auch nichts, wenn es keine gibt.

Herbstblatt

Zitat von: Yamuri am 20. August 2021, 13:39:50
Ich denke auch, dass es außerdem sinnvoll wäre den Unterschied zwischen Klischee und Trope zu definieren und nicht nur die westliche Welt als Maßstab zu nehmen.


Da fällt mir gleich ein Klischee ein, das mich unglaublich nervt und oft in japanischen Spielen finde: Die tausend Jahre alte Frau, sieht aber aus wie ein Kind.
Gaaah. Das finde ich so grässlich. Meistens haben sie auch noch eine nervige Kleinkinderstimme und verhalten sich wie ein Kleinkind. Dann sind sie sauer, wenn andere Figuren sie wie ein kleines Kind behandeln. "Ich bin tausend Jahre alt!!!!"  ::) ::)

ZitatWie gesagt - in Büchern mag ich Liebesgeschichten. In Filmen erscheinen sie mir oft nicht so wichtig und eher aufgesetzt.
Der Satz könnte von mir kommen, haha. Aber ganz so einfach ist es dann für mich doch wieder nicht... mit eingeschobenen Liebesgeschichten werde ich auch nicht warm. Gilt für alles, was zu konstruiert erscheint. Und zu der Liebesgeschichte in Herr der Ringe: Die fand ich überflüssig. Die war zum Beispiel nicht meins. Vielleicht wäre es anders, wenn ich die Bücher gelesen hätte, so habe ich eben nur den Film gesehen. Und da wären wir bei: "In FIlmen erscheinen sie mir oft nicht so wichtig und eher aufgesetzt."

ZitatWas mir aber gerade bezüglich Tolkien einfällt: Elfen sind immer perfekt. Im Film finde ich da die Szene, in der Legolas voller Eleganz über die zerfallende Brücke rennt, absolut übertrieben. Im Kino habe ich gelacht und an Devil may Cry gedacht, als ich das gesehen habe.
Ich mag's auch nicht, wenn Elfen als so perfekt dargestellt werden. Normalerweise. Die übertriebenen Szenen von Legolas mochte ich hingegen schon ... eben weil sie mich auch an Devil May Cry erinnerten. In dem Spiel ist es ja absichtlich übertrieben, die Charaktere sind absichtlich übertrieben cool, alles ist so übertrieben cool, dass sich die Entwickler wohl darüber lustig gemacht haben. Deswegen mag ich es.  ;D Wobei ich mir nicht sicher bin, ob es im Herr der Ringe-Film auch so gedacht war.

Frostschimmer

@Herbstblatt ja, ich liebe Devil may Cry, aber Herr der Ringe ist ja eigentlich nicht so dargestellt. Ich meinte aber auch eher, dass Elfen immer anmutig, gewandt, einfach super perfekt sind... das nervt...

Dämmerungshexe

Zitat von: Frostschimmer am 20. August 2021, 14:28:10
Na ja, die Zwerge teilweise zu Frauen zu machen, wäre vielleicht nicht so gut gewesen, denn die sind im Buch ja eindeutig benannt. Wenn da plötzlich die Hälfte einfach ersetzt worden wäre, hätte das viele (verständlicherweise) verärgert. Tolkiens Werke sind eben recht alt und vor allem mit Männern besetzt. Wenn man das ändern will, müsste man das neu interpretieren, bei einer klassischen Verfilmung fände ich das unpassend.

Gerade weil die Werke alt und aus einem ganz anderen Kontext heraus entstanden sind, wäre es wichtig, Neuinterpretationen an die aktuelle Realität anzupassen - sprich: Frauen können und wollen alle diese Dinge auch tun und sich repräsentiert sehen. Die Verfilmung über die wir reden ist absolut nicht klassisch sondern auf ein möglichst breites Publikum ausgelegt, deswegen hat man ja diese unsägliche Lovestory eingefügt.
Es gab mal Diskussionen drum Gandalf weiblich zu machen - DAS wäre schwer und womöglich ein Fehler gewesen, dafür hat er zuviel Charakter hat und ist gleichzeitig ein absoluter Stereotyp. Aber die Zwerge ... bei einem Making-Of haben die Macher sogar davon gesprochen dass sie einen Weg suchen mussten alle Zwerge optisch so unterschiedlich zu machen, dass das Publikum sie auch wirklich unterscheiden kann. Denn mal ganz ehrlich: welche Charktereigenschaften haben die schon im Buch? Thorin ist der Chef und grummelig, Kili und Fili sind die jüngsten, Bombur ist dick - und weiter? (An sich mussten es nur 13 sein damit Bilbo als Nummer 14 die Unglückszahl aufhebt.)
Und das mit den Namen, da muss ich laut und deutlich wiedersprechen: A - wer kann sie aus dem Stehgreif alle aufzählen? B - Kili, Fili, Ori, Dori und Nori klingen schon durch das -i am Ende (für deutsche Rezipienten) weiblich. Dori IST ein weiblich-besetzter Name, nicht erst seit Findet Nemo.



Zitat von: Frostschimmer am 20. August 2021, 14:28:10
Was mir aber gerade bezüglich Tolkien einfällt: Elfen sind immer perfekt. Im Film finde ich da die Szene, in der Legolas voller Eleganz über die zerfallende Brücke rennt, absolut übertrieben. Im Kino habe ich gelacht und an Devil may Cry gedacht, als ich das gesehen habe.

Wobei das nicht an Tolkien liegt. Im Buch waren die Elfen ja neben arrogant und schnell eingeschnappt auch teilweise betrunken und haben Bilbo nie bemerkt. (Was im Silmarillion alles abgeht müssen wir hier ja nicht erwähnen.) Das ist so ein Klischee, dass sich erst später entwickelt hat, aber womöglich mitunter durch Tolkiens Werk und der Fixierung darauf, die die Fantasy an sich ja bis heute prägt. (Und ich fürchte die Jackson-Verfilmungen, wo Gimli als witziger Sidekick abgestempelt wurde und LEgolas andauernd den tag gerettet hat, hat das nochmal verstärkt.)


Weiterer Gedanke dazu: es ist schwierig Klischees als solche zu erkennen/benennen und aufzubrechen, wenn man sich, um Qualität oder zumindest Reichweite zu erreichen immer wieder an Klassikern orientiert. Es folgen nach wie vor so viele Erzählungen der Heldenreise, weil die Autoren das Muster nicht als solches erkennen und einfach reproduzieren (sage ich). Andere nutzen es, weil es funktioniert - es hat so oft funktioniert, es gibt wissenschaftliche Werke warum es funktioniert, warum also nicht ? Wenn es gut gemacht ist, ist es nur ein weiteres Werkzeug.

Zum Thema "Zuviele männliche Protagonisten" - das ist auch so eine Gewöhnungssache: wir sehen und hören diese Figuren immer und überall und wenn es soweit ist, dass wir uns selbst ans Schreiben machen, versuchen wir es naturgemäß zuerst mit dem, was uns vertraut ist. Dazu kommen noch solche Details wie dass die deutsche Sprache jeder Sache einen Genus zuordnet und die meisten spezifischeren Personenbezeichnungen grundlegend männlich sind. Somit ist "männlich" irgendwo zum Standart geworden. Was problematisch ist, was geändert werden muss. Aber diese Denkmuster zu ändern ist ein Prozess, den man erstmal in Gang setzen muss und an den man sich immer wieder selber erinnern muss. Geht mir auch so: default-Protas sind bei mir erstmal männlich weil ... weiß nicht ... Weiblichkeit mit so vielen Nachteilen und Klischees belegt ist? Ich muss mich dann am Riemen reißen, um das zu ändern. Geht oftmals einfacher als man denkt.

Die nächste Klischeefall, die dann droht ist die Tomboy-Prinzessin - weibliche Charaktere, denen man, um sie "anders" und "feministisch" zu machen Charakterzüge und Klischees anhängt die positiv-männlich sind - gut mit Technik oder im Kämpfen, willensstark, immer praktische Kleidung und keine Angst davor sich schmutzig zu machen und Korsetts sind ja sooo böse und überhaupt sind sie "nicht wie andere Mädchen".
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Herbstblatt

Zitat von: Frostschimmer am 20. August 2021, 15:01:58
@Herbstblatt ja, ich liebe Devil may Cry, aber Herr der Ringe ist ja eigentlich nicht so dargestellt. Ich meinte aber auch eher, dass Elfen immer anmutig, gewandt, einfach super perfekt sind... das nervt...

Jo. Mag ich auch nicht. Deswegen versuche ich, meine Elfen nicht so klischeehaft zu interpretieren. Die in Divinity 2 fand ich nett. Sie sind hager, hochgewachsen, ich persönlich fnde sie nicht schön, weil sie schon zu mager sind. Richtig abgemagert. Elegant wirken sie auf mich nicht. Und sie haben dieses kannibalistische Bestattungsritual ...

ZitatGerade weil die Werke alt und aus einem ganz anderen Kontext heraus entstanden sind, wäre es wichtig, Neuinterpretationen an die aktuelle Realität anzupassen - sprich: Frauen können und wollen alle diese Dinge auch tun und sich repräsentiert sehen.
Warum ist das gerade deswegen so wichtig? Eine Neuinterpreation angepasst an die aktuelle Realität ... äh. Das kann unter Umständen ideologisch sein und nicht nur auf Populärliteratur bezogen auch die Geschichte verfälschen. Alte Werken sind in gewisser Weise Zeitzeugen: Da fließt immer irgendwo etwas vom Autor mit ein - und von seinen Lebensumständen. Du sagst ja selbst, sie entstanden aus anderen Kontexten heraus.
Abgesehen davon ist zum Beispiel die Verteilung von Geschlechterrollen ein Element des Worldbuidling. Würde man den Cast zum Beispiel mit weiblichen Figuren auflockern, würden wir da ordentlich in das Worldbuildings des Autors eingreifen und so sein Werk gehörig verfälschen.
Nun, das alte Werk sollte auf keinen Fall vernichtet werden.
Ich fände es schöner, die alten Werke alt sein zu lassen und stattdessen die neuen mitzugestalten: In dem wir unsere eigenen Frauenbilder in unseren eigenen Geschichten schreiben und veröffentlichen. Heute haben wir eine andere Auffassung von Frauen als vor Jahrzehnten.

Und: Du sagst, die Werke sind alt und es wäre wichtig. In meinen Augen stellst du anhand dieser Formulierung deine Meinung als ein Fakt hin, den du nicht wissenschaftlich untermauerst. Vorsicht. 

ZitatDazu kommen noch solche Details wie dass die deutsche Sprache jeder Sache einen Genus zuordnet und die meisten spezifischeren Personenbezeichnungen grundlegend männlich sind. Somit ist "männlich" irgendwo zum Standart geworden. Was problematisch ist, was geändert werden muss. Aber diese Denkmuster zu ändern ist ein Prozess, den man erstmal in Gang setzen muss und an den man sich immer wieder selber erinnern muss. Geht mir auch so: default-Protas sind bei mir erstmal männlich weil ... weiß nicht ... Weiblichkeit mit so vielen Nachteilen und Klischees belegt ist? Ich muss mich dann am Riemen reißen, um das zu ändern.
Meine Protagonisten werden meistens auch männlich. Wahrscheinlich auch, weil ich fürchte, dass ich mit weiblichen Figuren schnell in ein Klischee ratterte. Deswegen sprach ich da von einer selbsterlegten Frauenquote.
Aber dass mein Denken von der Sprache herrührt, wage ich zu bezweifeln. Es liegt mehr an der Darstellung der weiblichen Figuren in Filmen, Büchern und Spielen. In letzter Zeit kamen mir starke, sympatische Protagonistinnen unter. Jetzt habe ich selbst eine Protagonistin geschaffen, die ich richtig ins Herz geschlossen habe - das ist mir bei den anderen nicht passiert. Ich denke, es hat mir mehr eingebracht, mich von solchen Protagonistinnen inspirieren zu lassen, als an unserer Sprache herumzuwerkeln.
Zudem ich beim generischen Maskulinum alle möglichen Menschen vor Augen habe... und so wäre es ja eigentlich gedacht.

Wenn diese überwiegend männliche Darstellung von Protagonisten auf den männlichen Genus einer Sprache zurückzuführen ist: Warum ist das in der englischen Literatur dann das gleiche Problem? Englisch hat bekanntlich keinen Genus.

Und du sagst: Was problematisch ist, was geändert werden muss. Ich finde deine Wortwahl hier zu definitiv. Das klingt wieder nach einem Fakt, den du nicht unterlegt hast. Und wenn ich das richtig interpretiere, forderst du damit, ohne irgendwelche belegten Fakten, den männlichen Genus zu bekämpfen, unsere Sprache zu verändern, um gewisse Denkmuster in den Köpfen von Menschen zu produzieren. Vorsicht. Ein zweischneidiges Schwert.




Yamuri

#29
@Herbstblatt: Oh ja, das kommt echt oft vor, aber nicht nur bei alten Frauen, auch bei alten Männern, jedenfalls in Anime. Und generell gibt es bei japanischen Spielen/Serien oft so ein Maskottchen, das besonders kitschig und albern ist und man sich fragt, was der Zweck dieses Tieres ist, außer die Szenen ins Lächerliche zu ziehen.

@Dämmerungshexe: Bei mir liegt es nicht an der Gewöhnung, sondern daran, dass die Darstellung weiblicher Figuren mir immer das Gefühl gibt nicht normal zu sein. Und ich möchte mich aber dazugehörig fühlen.
Es wird aber leider so getan als sei es die Norm, wenn Frauen Mode mögen, Kleider tragen, Schminke nutzen, Jungs toll finden, Klatsch und Tratsch mögen, bei Babys einen 'ach wie süß' Schreikrampf bekommen usw. Diese Darstellung entspricht mir aber nicht. Ich bin nicht so. Ich war immer schon anders. Ich mochte Fußball und Ballspiele, ich liebte die Weltraumfahrt und wollte Astronaut werden (wegen meinem Geburtsfehler musste ich diesen Traum nur leider aufgeben), ich mag Computerspiele und Zocke gern. Ich liebe Kampfkunst und Mode ist mir gleichgültig. Kleidung muss bequem sein und warm halten, was Hosen tun. Röcken und Kleidern kann ich nichts abgewinnen.
Es stört mich, wie Frauen in den Medien immer als Püppchen dargestellt werden und wenn sie mal Tomboys sind, dann mutieren sie am Ende immer zu einem Püppchen, wirklich immer. Ich kenne kein einziges Buch und keinen Film, in dem ein Tomboy wirklich ein Tomboy bleiben durfte und bis zum Schluss nur Hosen tragen. Das wäre mal etwas, das ich wirklich gut fände. Wenn sie so sein und bleiben darf, um zu zeigen, Frauen sind nicht anders als Männer. Sie können dieselben Interessen haben und in den selben Fachbereichen gut sein. Sie sind deshalb nicht weniger Frau, nur weil sie willensstark sind, kämpfen können und Technik mögen.

Wobei mir grade zwei Frauenfiguren eingefallen sind, die tatsächlich Ausnahmen sind, also die soweit ich mich erinnere Tough bleiben bzw. Tough werden. Sarah Conner aus Terminator und Ellen Ripley aus der Alien Reihe. Beide Frauen sind Frauenfiguren, die ich persönlich gelungen finde.
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- Harriet Tubman