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Historische Fantasy

Begonnen von Lennard, 30. Dezember 2007, 20:57:27

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RaphaelE

Zitat von: Kati am 27. Januar 2014, 11:59:06[...]die ganzen mittlerweile als falsch anerkannten Deutungen, massenweise Übersetzungsfehler, Unterschiede zwischen verschiedenen Ausgaben,[...]
Oh ja. Zum Beispiel die Tatsache, dass Eva nicht aus einer Rippe Adams geschaffen wurde. Soweit ich weiss, ist das genau so ein Übersetzungsfehler. Aus dem Aramäischen wurde das Wort falsch übersetzt: Aus "Grat" für "Grenze" oder "Begrenzung" bis zu "Rippe". Demnach wurde die Frau als Begrenzung des ungestümen und ungeduldigen Wesens des Mannes erschaffen. Es gab in der Vergangenheit(à la Mittelalter) ja viele Debatten darüber, warum Frauen anscheinend niederer seien als Männer. Da frage ich mich immer, wie sie sich das zurechtbogen: Wie kann die Frau niederer sein als der Mann, wenn sie aus des Adams Rippe geschaffen worden wäre(damals war man sich des Übersetzungsfehlers ja nicht bewusst)? Das ist ja eigentlich nichts weiter als peinliches(männliches) Verstecken von der Realität. An Widersprüche zu glauben oder sie mit blossem Willen nicht wahrnehmen zu wollen schien damals in Mode gewesen zu sein.
Pfannt mich, wenn ich was Falsches von mir gebe(gilt auch für spätere Posts)... :pfanne:

PS: Ich werde auf die einzelnen Beiträge später noch eingehen.

Kati

Es ist immer noch in Mode, sich die Bibel so auszulegen, wie man möchte, um andere Menschen als niederer oder generell als blöd darzustellen.  :psssst: :weglauf: Aber ja, es gibt einige Beispiele für Übersetzungsfehler. Der mir bekannteste ist, dass "Satan" an sich im Hebräischen nur für "Feind" steht. Also, wie es aussieht war das nie als Bezeichnung für ein einzelnes Wesen gedacht, sondern ist tatsächlich einfach eine Bezeichnung für einen Gegner. Und in der Übersetzung (namentlich in der King-James-Version. Wie das bei deutschen Übersetzungen ist, weiß ich gar nicht.) werden dem bestimmten Satan dadurch Taten angehaftet, die im Original bloß irgendein anderer beliebiger Feind begeht, weil das Wort einfach als Eigenname übernommen wurde und nicht übersetzt. Da müsste man halt genau gucken, wo das im Kontext richtig und falsch übersetzt wurde und wo wirklich der eine gemeint ist, und wo eigentlich nur irgendwer, der als Gegenspieler bezeichnet wird und ob das wirklich einen Unterschied macht.

ZitatDer Inhalt aller 4 Evangelien passt wahrscheinlich in eine Kurzgeschichte. Aber was man daraus macht, das ist die Frage....  :hmmm:

Jepp. Man muss nur gucken: Was lässt man raus, was lässt man drin und welche Wirkung erziehlt man damit. Es gibt ja verschiedene Geschichten, die vielleicht für den Verlauf der großen Handlung nicht so wichtig sind, aber je nachdem welche dieser Geschichten ich nacherzähle und welche ich unter den Tisch fallen lasse, erziele ich eine ganz andere Wirkung und natürlich ein anderes Gesamtbild mit einer anderen Aussage. Da kann man viel mit machen.

Fianna

Meine feministische Religionslehrerin sah in Ester ein so tolles Beispiel starker und einflußreicher Frauen... als ich das im Rahmen meiner Facharbeit mal durchging, sah ich das ganz anders, weil im Prinzip Ester immer nur von einem Mann gesagt wird "Mach dies!" und sie sagt "Ja."
Nicht gerade eine starke Figur.
Ich glaube, ich hatte nur den Benjaminitischen Krieg als alttestamentliches Beispiel, und da hab ich das Buch auch mal zwischendurch an die Wand geworfen. Das ist auch hervorragend durchdacht *Ironie*

Pygmalion

@Kati:
Das mit Satan stimmt so nicht, glaube ich. Es ist kein wirklicher Übersetzungsfehler, sondern eine Veränderung des Konzepts dieses "Feindes, Gegners, Anklägers". Die Übersetzung ist, soweit ich weiß, richtig und symbolisiert eben den Wandel von einem allgemeinen Posten des Begriffs Satan im Judentum (der da aber auch religös und tendenziell mit dem "Bösen" belegt war) zu einer Personifizierung im Christentum. Satan gibts auch im Islam.

canis lupus niger

#109
Zitat von: Kati am 27. Januar 2014, 13:30:04
Es ist immer noch in Mode, sich die Bibel so auszulegen, wie man möchte, um andere Menschen als niederer oder generell als blöd darzustellen. 
(...)
Jepp. Man muss nur gucken: Was lässt man raus, was lässt man drin und welche Wirkung erziehlt man damit. Es gibt ja verschiedene Geschichten, die vielleicht für den Verlauf der großen Handlung nicht so wichtig sind, aber je nachdem welche dieser Geschichten ich nacherzähle und welche ich unter den Tisch fallen lasse, erziele ich eine ganz andere Wirkung und natürlich ein anderes Gesamtbild mit einer anderen Aussage. Da kann man viel mit machen.

Mit großen Augen habe ich vor einiger Zeit die Bücher von Michael Baigent und seinen Partnern gelesen, aus denen sich Dan Brown die Grundlage für seinen Roman "Sakrileg" geholt hat.
Danach (und inzwischen aus wissenschaftlichen Quellen bestätigt) gab es in der Tat nicht nur die vier Evangelien, die wir aus dem neuen Testament kennen, sondern so um die dreißig. Da haben die Autoren der christlichen Bibel also reichlich Material gehabt, ihren Schäflein das richtige Futter auszuwählen und das falsche wegzulassen. Zum Beispiel das, in dem von Maria als der Gefährtin (im damaligen jüdischen Sprachgebrauch = Ehefrau) von Jesus die Rede war, dass er sie allen anderen Jüngern vorzog und oft auf den Mund küsste. Das passte einfach nicht in das Bild des asexuellen, gottähnlichen Gottessohnes, den die römischen Kirchenoberen für angemessen hielten, sowie der untergeordneten Rolle der Frauen in den christlichen Gemeinden. Einer der frühen Kirchenoberen (den Namen weiß ich nicht mehr, müsste nachschlagen. Irenäus von ...?) hat sich ja sogar mal ausdrücklich entsprechend geäußert: Es gäbe allerhand Dokumente, deren Kenntnis für die gewöhnlichen Gläubigen nicht  ratsam wäre. Es sei Aufgabe der Kirche, die richtige Auswahl zu treffen. Deutlicher geht es nicht, oder? Entsprechend wurden alle nichtrömischen, frühchristlichen Gemeinden dann auch nach Möglichkeit entweder assimiliert oder vernichtet, so dass eine katholische, sprich: einheitliche christliche Kirche entstehen konnte.

Eine Forschungseinrichtung, die die Katholische Kirche im späten 19. Jahrhundert gründete, um die tatsächlichen, realen Hintergründe der Bibel aufzudecken und damit die Echtheit ihrer historischen Aussagen zu belegen, wurde schon nach wenigen Jahren wieder geschlossen, die Arbeiten dieser Gruppe unter Zensur gestellt und die Mitglieder unter Androhung der Exkommunikation zum Schweigen verdonnert. Offenbar waren die Forscher zu den falschen Ergebnissen gekommen.

Fianna

Der Film Stigma paraphrasiert ja auch das Thomasevangelium und vergleichbare Quellen ("Nimm in Stein, und ich bin da"), die natürlich ebenfalls für Gläubige ungeeignet waren, weil sie die Kurche als Ort des Gebets und die Priester als Mittler überflüssug machen.

canis lupus niger

Und dabei sind gerade solche Passagen sogar für einen so wenig reiligiösen Menschen wie mich lesenswert. Weil sie nicht so entsetzlich stilisiert sind, sondern von Menschen erzählen, die ihre Überzeugung gelebt haben und zu vermitteln versuchten.

Kati

Pygmalion: Das mag später so gekommen sein. Aber zur Zeit der Übersetzung der King-James-Version war das eine Übernahme eines Wortes, das zu dieser Zeit eigentlich noch eine andere Bedeutung hatte. Ein richtiger Übersetzungsfehler ist es eh nicht, schließlich wurde ja nichts übersetzt, und darin liegt ja das "Problem". Die Figur des Teufels gab es vorher auch schon, das ist klar, aber man kann sich halt nicht sicher sein, ob mit jedem Satan wirklich der Teufel gemeint ist. Im Judentum hat Satan übrigens ganz lange Zeit überhaupt keine Rolle gespielt und es gab eben, wie gesagt, mehr als einen. Dass daraus dann ein bestimmter geworden ist, ist eine Entwicklung über die Jahrhunderte, die viel damit zu tun hat, dass das Christentum die Bedeutung des Begriffes "Satan" für jegliche Ankläger (meist Engel) nicht akzeptiert hat und daraus ein einzelnes Wesen gemacht hat. In alten englischen Übersetzungen wird "ha-satan" auch tatsächlich noch als Ankläger oder Gegner übersetzt. Später, bei King James, in vielen Fällen nicht mehr, da taucht es dann als Eigenname auf.

An sich ist die Personifizierung des Begriffes eine Veränderung, die so am Anfang nicht vorgesehen war. Das ist doch genau das, worauf ich hinaus möchte: Die Bibel wird heute komplett anders gelesen als zur Entstehung der King-James-Bible und wieder ganz anders, als sie wohl irgendwann mal gemeint war. Deshalb und weil es eine ganze Reihe Übersetzungsfehler gibt, deren falsche Bedeutung sich in der Religion fest gefressen haben, kann man über die Bibel nicht wertfrei schreiben. Man muss immer deuten, schauen, welche Auslegung man für sich am Sinnvollsten findet und dann entscheiden, wie man die einzelnen Sachen darstellt. (Dazu muss ich halt sagen, dass ich von der Geschichte der deutschen Übersetzungen keinen blassen Schimmer habe und es interessant wäre, wie die aussehen und welche Version genau übersetzt wurde, also mit welcher Fassung die Übersetzer gearbeitet haben. Ich weiß nicht mal, wie das in der Lutherbibel ist.)

Canis: Ganz genau. Es gibt einige inoffizielle Bibelbestandteile, die nicht zur eigentlichen Bibel gezählt werden. Deshalb ist es halt so schwer die Werte der Bibel bestimmen zu wollen, weil sie so oft bearbeitet und verändert wurde und eben Menschen mit ganz bestimmten Motiven ausgesucht haben, was jetzt wirklich zur Bibel gehören darf und was nicht.

Wir sind jetzt ganz schön off-topic hier.  :versteck:

Fianna

Das habe ich mir auch gedacht... Am besten wäre vermutlich, ein Mod trennt es ab zu "Autoren helfen Autoren", da passt es doch gut hin.

RaphaelE

So. Nach mehrmaligem Darüber-Schlafen habe ich mich dazu entschieden, diese Idee zu verwerfen. Es gibt einfach schon zu viele Werke in diesem Bereich, derer meine Idee zu nahe wäre, als dass es sich lohnen würde, sich selbst so ein Projekt aufzuzwingen. Es gäbe halt einfach zu wenige Unterschiede, die mein Werk von den Anderen abheben würde.
Ich habe die "Bibel nach Biff" zwar nicht gelesen, aber ein/zwei Szenen kenne ich schon. Zum Beispiel die, in der Jesus eine tote Eidechse in den Mund nimmt und wiederbelebt. ;D

Ich danke euch allen, dass ihr mir mit so viel Rat geholfen habt. :jau:

absinthefreund

#115
Zitat von: RaphaelE am 01. Februar 2014, 12:48:28
So. Nach mehrmaligem Darüber-Schlafen habe ich mich dazu entschieden, diese Idee zu verwerfen. Es gibt einfach schon zu viele Werke in diesem Bereich, derer meine Idee zu nahe wäre, als dass es sich lohnen würde, sich selbst so ein Projekt aufzuzwingen. Es gäbe halt einfach zu wenige Unterschiede, die mein Werk von den Anderen abheben würde.

Falls du irgendwann doch wieder zu der Idee (oder einer ähnlichen) zurückfindest, lass dich nicht davon abschrecken, dass du die gesamte Christenheit gegen dich aufbringen würdest, wenn du die Geschichte Jesu neu interpretierst. Das ist - wie ja schon an Beispielen gezeigt wurde - zigfach geschehen und es wird immer wieder geschehen. Die Bibel, so wie alle religiösen und mythologischen Schriften, ist ein immens spannendes und vielschichtiges Ding, das sich von unendlich vielen Standpunkten aus betrachten lässt. Als Autor sind einem bei Tabus und kontroversen Themen nicht die Hände gebunden, sonst könnte man es auch sein lassen, zu schreiben.
Vielleicht könnte dich der Roman "Das letzte Testament der Heiligen Schrift" von James Frey interessieren. Darin erzählt der Autor vom Messias, der im New York unserer Gegenwart wieder auftaucht. Ich finde die Idee faszinierend. Die Geschichte wird übrigens auch aus der Perspektive aller möglichen Leute geschrieben, die dem Messias begegnen. Es ist zwar keine Fantasy, aber man kriegt durch die moderne Erzählform einen schönen Eindruck, wie Jesus Menschlichkeit hätte aussehen können.

(Ja, Mensch, das Thema ist mega-off-topic. Ein eigener Thread wäre bestimmt nicht schlecht. Vielleicht haben ja auch noch andere Leute Interesse an der Diskussion.)

Drachenfeder

Hallo Zusammen!
Gestern Abend fragte ich meinen Mann etwas bezüglich meiner zweiten Odenwald-Novelle (historical fantasy). Er machte nur große Augen und meinte: Dafür hast du doch den Tintenzirkel.
Also dann:
Wie schon erwähnt spielt die Geschichte im noch mittelalterlichen Städten Höchst im Odenwald. Drei Charaktere sind gerade auf der Jagt in den nahegelegenen Wäldern. Dort geschieht ein Unglück und jemand stürzt in eine Schlucht.
Hierzu hätte ich gerne Eure Meinung.
Ist es für Euch möglich bei Historical Fantasy neben den realen Orten und Gegebenheiten in einen nahen Wald eine Schlucht zu "zaubern"?
Es gibt zwar dort eine Schlucht, diese ist aber erst vor ca. 180 Jahren entstanden und die Möglichkeit in den Tod zu stürzten hat man dort nicht  ;)
In meinem Großprojekt habe ich neben realen Orten wie Mainz auch eine fiktive Stadt. ist ja eigentlich das Gleiche mit der Schlucht oder?
So ihr Lieben, wie seht ihr das?




Hanni

Hallo Drachenfeder!
Das ist wirklich keine einfache Frage. Ich finde aber, wenn man historical fantasy schreibt, hat man durchaus Freiheiten, die man in einem streng historischen Roman nicht hat. Bei letzterem fände ich eine solche Erfindung nicht gut, denn von einem historischen Roman erwarte ich, dass er die damalige Welt so darstellt, wie sie (nach unserem Wissen) gewesen ist. Von einem Fantasy-Roman erwarte ich das nicht. Du baust ja ohnehin Elemente ein, die es nicht gegeben hat, und ich finde, das kann auch auf die Landschaft ausgeweitet werden.
Ist aber, wie gesagt, ein schwieriges Thema und es gibt sicherlich Leute, die das anders sehen.

Moni

Ich glaube, ich würde es einfach machen.  8) Kommt natürlich drauf an, wie genau und übereinstimmend die erste Novelle in Bezug auf Landschaft und historische Ereignisse ist. Aber im Prinzip empfinde ich bei Historical Fantasy nicht so den Zwang, mich allen tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen.

Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

pink_paulchen

Aber zum zu Tode stürzen benötigt man ja nicht zwingend eine wirklich tiefe Schlucht? Könnte er nicht auch an einem kleinen Abhang ganz unglücklich stürzen und dabei mit dem Kopf auf einen Stein schlagen? Dann wäre man der Schlucht aus dem Weg gegangen und alles wäre sauber? (Operation gelungen, Patient tot)
Wer frech ist schreibt dann: "... das geschah perfiderweise an einer Stelle, die viele Jahre später als xy-Schlucht bekannt werden würde." ;)
Alternativ würde mich auch eine fiktive Schlucht überhaupt nicht stören. Da bin ich aber kein Maßstab, weil historische Ungenauigkeit mir mangels Geschichtswissen nur auffällt, wenn sie sich sehr anstrengt.