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Lächelnd, tanzend und dergleichen

Begonnen von Pandorah, 05. Dezember 2007, 19:42:29

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Pandorah

Jemand schrieb in einem Review zu (m)einem Buch: "Ein großes Problem ist die extrem häüfige Anwendung des 1. Partizips der deutschen Sprache (zum Beispiel: ein tanzender Mann, die Umarmung erwidernd). Sicherlich ist das nicht direkt ein Fehler, doch wird dies von Verlagen und Lesern ungerne gesehen."
Mal abgesehen davon, dass ich keine Ahnung von den korrekten Bezeichnungen für grammatikalische Phänomene der deutschen Sprache habe (gelernt und vergessen...), sind der tanzende Mann und der Fall dieser Umarmung in meinen Augen zwei Paar Schuhe.

Was mich jedoch interessiert, ist, ob dieser Fall à la "Lächelnd drehte er sich um" tatsächlich so ungern gelesen wird. Ich mag es, sonst würde ich es nicht schreiben. Mag sein, dass ich allein dastehe.
Empfindet ihr so etwas als Füllwort? Als unnütze Worthülse? Als "unausgereiften Stil", wie mir vorgehalten wurde?
Würdet ihr vorziehen "Er lächelte und drehte sich um" oder "Er drehte sich um und lächelte", was beides in meinen Augen eine andere Nuance ergibt?

Lomax

In der Tat sind Partizipien im Deutschen eher schwerfällig, und sie rauben den Verben und damit auch dem Geschehen die Dynamik. Insofern würde ich prinzipiell ein "Er drehte sich um und lächelte sie an" einem "lächelnd drehte er sich um" vorziehen. Partizipien verleiten immer zu "Infodumping".
  Andererseits sehe ich natürlich auch einen Unterschied zwischen dem Beispiel mit dem "tanzen" und der "Umarmung". Und sicher gibt es auch Stellen, wo das Partizip wichtig und richtig und auch die eleganteste der verfügbaren Möglichkeiten ist. Partizipien sind also nicht grundsätzlich zu verdammen.
  Allerdings trägt die Truhe mit den Partizipialkonstruktionen zu Recht einen großen, roten Warnaufkleber, und man sollte sie nur unter größten Vorsichtsmaßnahmen öffnen und sorgsam die Umgebung prüfen, ehe man ein Partizip dort aussetzt. Partizipien sind nämlich noch viel, viel böser als normale Adjektive und Füllwörter ;)

FeeamPC

Beim Gebrauch von Partizipien schwebt mir ein förmlicher Schreibstil á la Courths-Mahler vor Augen, der auch etwas abgehoben und altmodisch wirkt. So nach dem Motto:
"Süffisant lächelnd drehte der Baron sich zu ihr um. Errötend floh sie seine Nähe...."
Ganz eindeutig, die Handlung wirkt damit steifer.

Wobei es bestimmt Situationen gibt, wo genau dieser Effekt wünscheswert ist.

Coppelia

#3
Das Problem sind, wie Lomax ja sagt, Partizipien besonders, wenn sie als Partizipialkonstruktionen, also in erweiterter Form, auftreten, und wenn sie lang und flektiert sind. Man schreibt ja einfach nicht "Ich öffnete meinem nassgeregneten/lächelnden Freund die Tür".
Warum es so verpönt ist, kann ich auch nicht genau sagen, ich weiß nur, dass es als schlechter Stil gilt. Und es klingt für mich auch tatsächlich nicht gut.

Aber vom Lateinstudium her habe ich gutes Rüstzeug, wie man die Partizipialkonstruktionen im deutschen Satz loswird! :D Vielleicht erzähle ich jetzt was, was alle wissen, aber mir hilft es immer wieder, wenn ich ein Partizip tilgen will.
Auf Latein liest man nämlich ständig Sätze wie:

Caesars Namen gehört habend, wandte sich Pompeius zur Flucht.
Ich hielt das sich nicht heftig sträubende Mädchen am Zipfel ihres Umhangs fest.

Und wenn ich dann überlege, wie ich das auf deutsch übertrage, dass es auch gut klingt, gibt es im Groben drei Möglichkeiten, die alle drei variabel sind:
1. Partizip durch zwei verbundene Hauptsätze auflösen
2. Partizip durch Substantivierung auflösen
3. Partizip durch Nebensatz auflösen.

Wenn ich dann die Möglichkeiten durchgehe, kann ich mir zum Schluss den Satz aussuchen, der am besten passt und am schönsten klingt:

1. Pompeius hörte Caesars Namen und wandte sich sofort zur Flucht.
    Das Mädchen sträubte sich zwar nicht heftig, aber ich hielt sie trotzdem am Zipfel ihres Umhangs fest.
2. Beim Klang von Caesars Namen wandte sich Pompeius zur Flucht.
    Trotz ihrer schwachen Gegenwehr hielt ich das Mädchen am Zipfel ihres Umhangs fest.
3. Sobald er Caesars Namen gehört hatte, wandte sich Pompeius zur Flucht.
    Obwohl sich das Mädchen kaum sträubte usw.

Diese Methoden haben mir sehr geholfen, auch deutsche Partizipialkonstruktionen - wir können das nämlich auch - zu erkennen und loszuwerden. :) Wobei ich meist die Nebensatz-Variante am wenigsten mag. Ich habe nämlich oft das Gefühl, der Text wird dadurch schwerfälliger. Dafür kann man mit der Nebensatz-Variante am besten das Verhältnis darstellen, in dem das Partizip zum restlichen Satz steht, da wir viele Konjunktionen haben, die dieses Verhältnis anzeigen. Trotzdem verwende ich diese Variante nicht gern in lebendigen, erzählenden Passagen.

Pandorah

Zitat von: FeeamPC am 06. Dezember 2007, 01:00:16
Beim Gebrauch von Partizipien schwebt mir ein förmlicher Schreibstil á la Courths-Mahler vor Augen, der auch etwas abgehoben und altmodisch wirkt. So nach dem Motto:
"Süffisant lächelnd drehte der Baron sich zu ihr um. Errötend floh sie seine Nähe...."
Ganz eindeutig, die Handlung wirkt damit steifer.

Hö, so was mag ich. *g* Etwas altmodischer. Und gerade zu (mittelalterlicher) Fantasy passt es dann ja eigentlich auch wieder...

Wobei ich so etwas nicht so gerne mag:

Zitat von: CoppeliaCaesars Namen gehört habend, wandte sich Pompeius zur Flucht.
Ich hielt das sich nicht heftig sträubende Mädchen am Zipfel ihres Umhangs fest.

Der erste ist mir zu umständlich und beim zweiten wurde mir erst durch die umgeschriebene Variante klar, wo der Knackpunkt lag. *lacht*

Ich mag Partizipien (danke, jetzt weiß ich tatsächlich wieder, wie die Dinger heißen) noch immer sehr, aber werde jetzt ein wachsames Auge darauf haben, wenn ich sie benutze. Auch wenn ich nicht der Meinung bin, dass ich sie derart im Übermaß verwende... doch wer weiß, man ist ja häufig betriebsblind. *g*

Aber dieser Punkt des Reviews hatte mich ziemlich verärgert, weswegen ich noch mal nachhaken wollte. Denn normalerweise reagiere ich mit Verärgerung, wenn ich meine, es könnte etwas am Vorwurf dran sein. Hehe. Bei anderen Dingen, die ich für komplett ungerechtfertigt halte, kommt nur ein Schulterzucken.

Danke euch dreien.

Darien

Ich arbeite auch sehr viel mit Sätzen wie. "Lächelnd drehte er sich um", ich finde das kling besser als "Er drehte sich um und lächelte." ich finde eher diese Aufspaltung in zwei Teilsätze behindert den Lesefluß.
Vielleicht kämpfe ich hier aber auch auf verlorenem Posten, aber ich finde zum Fantasy-Genre passt das gut.

Darien

saraneth

Also meiner Meinung nach sollten diese Wörter (lächelnd, tanzend) zwar verwender werden, aber nicht den Text beherrschen. Das klingt nämlich wirklich etwas förmlich und passt vielleicht in großem Stil eher in einen Jane Austen Roman.

Wobei ich mich hiermit nicht zur Gegnerin solcher Wörter und Satzkonstruktionen erklären möchte. ;) Halt nur nicht im Übermaß. Dann ist der Text durchaus angenehm zu lesen. =)

Ratzefatz

ZitatIch arbeite auch sehr viel mit Sätzen wie. "Lächelnd drehte er sich um", ich finde das kling besser als "Er drehte sich um und lächelte." ich finde eher diese Aufspaltung in zwei Teilsätze behindert den Lesefluß.
Ich finde, es hat auch nicht dieselbe Bedeutung.
"Lächelnd drehte er sich um." - sobald er sich umdreht, sieht man, dass er (schon die ganze Zeit über) lächelt
"Er drehte sich um und lächelte." - er dreht sich zuerst um, lächelt dann

Zitat
Vielleicht kämpfe ich hier aber auch auf verlorenem Posten, aber ich finde zum Fantasy-Genre passt das gut.
Nicht zu jeder Art von Fantasy - Urban Fantasy eher weniger, würde ich sagen - aber, ja: Wenn jemand schon den tanzenden Mann nicht akzeptiert, wird ihm Tolkiens Stil (vor allem gegen Ende des "Return of the King") wohl auch missfallen.
,,Dein Name ist Venko", raunte Zoya in sein Ohr. ,,Venko, Venko, Venko." Sie gab ihm für jedes ,,Venko" einen Kuss und ermahnte ihren Mann: ,,Vergiss deinen Namen nicht!"
,,Wie könnte ich ihn vergessen, meine Zoya", raunte er zurück, ,,wenn ihn vergessen auch dich vergessen hieße?"

Lomax

Zitat von: Ratzefatz am 18. Dezember 2007, 21:16:47Wenn jemand schon den tanzenden Mann nicht akzeptiert, wird ihm Tolkiens Stil
Ähm - mit "Tolkiens Stil" hat das wenig zu tun. Wenn du das Original meinst: Im Englischen sind Partizipien äußerst elegant und flüssig und haben somit so ziemlich den gegenteiligen stilistischen Effekt wie im Deutschen. Wenn man die Wirkung richtig wiedergeben will, darf man englische Partizipien eben nicht mit deutschen Partizipien übersetzen.
  Und wenn du die Übersetzung meinst, dann ist es nicht mehr Tolkiens Stil ;)

Bei diesem Thema eignen sich englischsprachige Autoren per se nicht als Vergleichsmaßstäbe.

Steffi

#9
Ich lese gerade ein wunderbares Buch über das Schreiben, in dem der Autor folgende Meinung vertritt:  der Leser will nicht erzählt bekommen, was da passiert, er will es miterleben.

Die Sache mit dem Partizip fällt für mich in dieses Schema. Mit dem Partizip hast du eine Aktion, du erzählst dem Leser was passiert ohne, dass er es miterlebt. Das Lächeln ist "schon da". 

Lächelnd drehte er sich um.
Er lächelte und drehte sich um.


Mir gefällt auch letzteres besser. Irgendwie ist da mehr "Schwung drin".
Sic parvis magna

Amber

Hm, dass das als schlechter Stil gilt, wusste ich nicht.... zu dumm. Ich benutze nämlich gerade dieses "lächelnd" sehr, sehr häufig (weil mein einer Chara so ein Dauergrinser ist... ;D). Ein weiterer Grund dafür ist, dass ich sonst furchtbar viele "und"s verwende. An schlechten Tagen scheint mir mein Text nur noch aus "und"s zu bestehen.... und sicherlich bin ich auch ein wenig vom Englischen beeinflusst (da geht das so schön mit den Partizipien).

Termoniaelfe

Ich denke da ähnlich wie Lomax. Man kann Partizipien durchaus verwenden, aber in Maßen. Ich persönlich habe rein gar nichts gegen

"Lächelnd drehte er sich zu ihr um..."

eizuwenden.

Es ist ja nicht falsch, nur eben etwas veraltet. Ich selber verwende sie auch, wenn es passt. Viel wichtiger ist es doch die Geschichte, die erzählt wird. Wenn die nicht packt, dann nutzt es auch nix, wenn sie völlig partizipienfrei geschrieben wurde.  ;)

LG
Termi

Koriko

Oha... die Rezension hat dich verärgert... wenn ich ehrlich bin, war ich immer neugierig was du von ihr hältst, da ich versucht habe jeden Kommentar zu begründen. Ich wollte niemanden verärgern, aber ich finde es toll, wenn sie jemand mein geschreibsel so zu Herzen nimmt.

In dem Buch gab es ziemlich oft die Anwendung des Partizips, wäre es nur ein paar Mal gewesen, hätte ich es sicherlich nicht erwähnt, aber es tauchte sooft vor udn da ich den Roman jemandem vprgelesen habe, ist es mir verstärkt aufgefallen. Ich persönlich mag den verstärkten Einsatz nicht so sehr, es klingt zumeist ein wenig hölzern.
Letztendlich kommt es dann darauf an, wie der Verlag und damit der Lektor zu dem Gebrauch der Partizipien steht.
"Das schönste aller Geheimnisse: ein Genie zu sein und es als einziger zu wissen." - Mark Twain

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