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Alles zur Perspektive

Begonnen von Lastalda, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Coppelia

#480
@Yamuri
Freut mich sehr, wenn ich dir weiterhelfen konnte! Dir danke fürs Lesen. Ernsthaft. ;D In solchen Sachen steckt natürlich viel Arbeit, und sie wird größtenteils ziemlich sinnlos investiert, weil Diss-Themen für fast niemanden interessant sind außer einem selbst. Wenn die Arbeit wirklich jemandem weiter hilft, freue ich mir einen Keks.
Mit dem Blogeintrag habe ich allerdings noch nicht angefangen, momentan fließt meine ganze Energie in die Überarbeitung. ::)

ZitatEine andre Frage. Hättest du den Wechsel in der Szene als störend empfunden, wenn du aus der Perspektive der Leser*innen den Text gelesen hättest?
Ja, ich glaube schon. Das liegt halt an der Erwartungshaltung als Leser*in, dass die Perspektive halt bei der Figur (und einer Figur) verbleibt und nicht wechselt. Dass es so sein soll, schärfen einem ja fast alle Schreibratgeber ein. Es gibt auch einige gute Argumente dafür, warum Figurenperspektive spannend ist. Trotzdem ist mir ein bisschen schleierhaft, wie sich die Erzähltradition dermaßen gewandelt hat; relativ viel Erzählerperspektive war ja noch sehr lange üblich, und fast jeder Klassiker ist so geschrieben.
Gerade wir Fantasyautoren stehen ja in der Tradition der großen Epen und haben, zumindest mit diesem Argument, ein "Recht" darauf, die Figurenperspektive auch mal zu verlassen. ;) Ich persönlich glaube, dass man ziemlich alles machen darf, dass es aber auch nötig ist zu wissen, was man gerade macht, um die erwünschte Wirkung zu erzielen.

FeeamPC

Wenn man mit verschiedenen Perspektiven spielt, kann man auch Informationen hereinbringen, für die man sonst den allwissenden Erzähler gebraucht hätte, also ein Pluspunkt. Allerdings sollten diese Perspektiven im jeweiligen Abschnitt auch strikt sein, dass der Leser genau weiß, in wessen Kopf er gerade steckt. Sonst gibt es Irritationen, auch wenn die bei vielen Lesern unterschwellig sein dürften, weil sie nicht genau benennen können, was sie eigentlich stört.

Judith

Zitat von: Coppelia am 12. Mai 2019, 05:29:47
Ja, ich glaube schon. Das liegt halt an der Erwartungshaltung als Leser*in, dass die Perspektive halt bei der Figur (und einer Figur) verbleibt und nicht wechselt. Dass es so sein soll, schärfen einem ja fast alle Schreibratgeber ein. Es gibt auch einige gute Argumente dafür, warum Figurenperspektive spannend ist. Trotzdem ist mir ein bisschen schleierhaft, wie sich die Erzähltradition dermaßen gewandelt hat; relativ viel Erzählerperspektive war ja noch sehr lange üblich, und fast jeder Klassiker ist so geschrieben.
Mir ist es auch schleierhaft. Ich liebe den auktorialen Erzähler und lese wohl deshalb auch so gern Klassiker. Ich kann mich auch noch gut erinnern, wie sehr ich den Anfang von "Der Name des Windes" geliebt habe und wie enttäuscht ich war, als der Hauptteil dann in den Ich-Erzähler wechselt.  :'(
Was nicht heißt, dass ich nicht auch gern Romane in personaler Perspektive lese, aber ich schätze die Abwechslung und es ist mir ein Rätsel, weshalb die auktoriale Perspektive inzwischen so verpönt ist.

Coppelia

#483
Ist nur eine Theorie von mir, aber: "Mitfiebern" macht einen Roman spannend. Und je stärker man in der Perspektive einer Figur drinsteckt, desto mehr hat man als Leser*in die Möglichkeit, mit ihr mitzufiebern. Spannende Romane werden schneller durchgelesen, sodass die Leser*innen dann Nachschub brauchen. Sie bleiben auch in guter Erinnerung, weil sie unterhaltsam sind, sodass die Leser*innen Nachschub wollen. Und sie sind weniger anspruchsvoll und damit leichter zugänglich, weil der*die Leser*in nicht verschiedene Ebenen und Perspektiven im Kopf auseinander dröseln muss. (Normalerweise auch nicht, wenn verschiedene Figuren Perspektive haben, da dies in der Regel klar ersichtlich getrennt ist.)
Mit anderen Worten: Figurenperspektive bietet einen wirtschaftlichen Vorteil, da entsprechende Romane schneller, mehr und von mehr Personen gelesen werden. So erkläre ich es mir jedenfalls.

Trippelschritt

Ja, Um das Mitfiebern geht es. "Aber was bedeutet: Je stärker man in der Perspektive einer Figur drinsteckt."?

Heißt je stärker, je dichter dran an einer Figur? Dann wäre es Nähe. Meinst du keine Perspektivwechsel? Dann wäre die beste Perspektive die Ich-Perspektive, denn da wird in der Regel nicht oder kaum gewechselt.

Aber für das Mitfiebern sind Perspektive und Nähe/Distanz nur zwei von mehreren Faktoren. Außerdem kann ich auch die Gegenthese aufstellen, dass der Perspektivwechsel zum Mitfiebern führt. (führen kann). George Martin macht das vor. Durch die vielen Figuren gibt es keinen Protagonisten. Aber da die wichtigsten Figuren unterschiedliche Sprachen sprechen und unterschiedliche Weltansichten haben, unterscheiden sie sich deutlich voneinander. Und wenn sie ihre eigene Perspektive bekommen wie der Lannisterzwerg oder Jon Snow, dann können sie zu Lieblingen werden, weil die authentischer erscheinen als die anderen Figuren, mit denen der Leser sie automatisch vergleicht. Wohingegegn nicht jede Geschichte in Ich-Form gut ankommt.

So gut mir deine Behauptung gefällt, weil sie Dinge einfach macht, so sejr zweifele ich auch daran, dass es so ist. Oder dass das alles ist. Trotzdem bin ich Dir ausgesprochen dankbar für diesen Post. Er hat mich mal wieder über etwas zum Nachdenken gebracht, was ich eigentlich schon abgehakt hatte.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Churke

Zitat von: Coppelia am 12. Mai 2019, 05:29:47
Trotzdem ist mir ein bisschen schleierhaft, wie sich die Erzähltradition dermaßen gewandelt hat; relativ viel Erzählerperspektive war ja noch sehr lange üblich, und fast jeder Klassiker ist so geschrieben.

Ich vermute hier den Einfluss anderer Medien, sprich des Films. Der Film erzählt streng personal. Szenen werden heute auch anders geschrieben als früher.

Coppelia

@Ahneun
Es freut mich immer, wenn ich ein bisschen provozieren kann. ;D Ich glaube auch, dass es so einfach nicht ich.

Wechsel zwischen verschiedenen Figuren ist ja immer noch personale Perspektive bzw. Figurenperspektive. Man kann dann mit verschiedenen Figuren mitfiebern. Allerdings wird es tatsächlich wieder anspruchvoller, wenn die Figuren gegensätzliche Ansichten haben.

Warum einige Leser*innen Ich-Form nicht mögen, habe ich mich auch schon gefragt, da sie tatsächlich eine der besten Möglichkeiten zum Mitfiebern sein müsste. (Nach meiner Theorie ist Ich-Perspektive aber nur eine Art von Figurenperspektive, sie wird nicht getrennt behandelt.)

@Churke
Mangels Film-Theorie-Kenntnissen kann ich wenig zur Begriffsverwendung im Film sagen. Aber in meinen Augen macht gerade im Medium Film den Unterschied aus, dass man grundsätzlich nicht ganz nahe mitbekommt, was im Kopf der Figuren vor sich geht. Man muss es als Zuschauer*in immer irgendwie erschließen. Das kann natürlich zum Teil sehr einfach sein, wenn die Wahrnehmung einer Figur und ihre Reaktion darauf gezeigt wird und alles schlüssig ist. Aber man wird doch normalerweise nicht z. B. direkt an den Gedanken der Figur teilhaben, oder? (Natürlich gibt es auch hier Methoden, wie z. B. Sprecher*in aus dem Offf u. ä.)
Ich glaube aber auch, dass der Film bei dieser Entwicklung eine Rolle spielt, und mich würde sehr interessieren, welche.

Yamuri

Zitat von: CoppeliaFreut mich sehr, wenn ich dir weiterhelfen konnte! Dir danke fürs Lesen. Ernsthaft. ;D In solchen Sachen steckt natürlich viel Arbeit, und sie wird größtenteils ziemlich sinnlos investiert, weil Diss-Themen für fast niemanden interessant sind außer einem selbst. Wenn die Arbeit wirklich jemandem weiter hilft, freue ich mir einen Keks.
Mit dem Blogeintrag habe ich allerdings noch nicht angefangen, momentan fließt meine ganze Energie in die Überarbeitung. ::)

Kein Stress. Ich überarbeite momentan auch recht viel und kann nun etwas besser auf Perspektiven achten. Deine Diss lässt sich auch sehr gut lesen. Man merkt, wie viel Arbeit drin steckt.

Zitat von: CoppeliaIch persönlich glaube, dass man ziemlich alles machen darf, dass es aber auch nötig ist zu wissen, was man gerade macht, um die erwünschte Wirkung zu erzielen.

Das war auch der vorrangige Grund für mich mehr rauszufinden, um zu wissen was ich tue und bewusst Perspektivenwechsel zu setzen. :)

Zitat von: FeeamPCWenn man mit verschiedenen Perspektiven spielt, kann man auch Informationen hereinbringen, für die man sonst den allwissenden Erzähler gebraucht hätte, also ein Pluspunkt. Allerdings sollten diese Perspektiven im jeweiligen Abschnitt auch strikt sein, dass der Leser genau weiß, in wessen Kopf er gerade steckt. Sonst gibt es Irritationen, auch wenn die bei vielen Lesern unterschwellig sein dürften, weil sie nicht genau benennen können, was sie eigentlich stört.

Ist eine Möglichkeit, wobei es nicht immer passt, finde ich. Manches lässt sich meiner Meinung besser über den allwissenden Erzähler sagen ohne auf mich konstruiert zu wirken oder erzwungen. Mir ist es lieber wenn der allwissende Erzähler genutzt wird, als wenn ich das Gefühl habe ein Chara wurde nur zu dem Zweck eingeführt bestimmte Informationen verbal zu vermitteln. Liegt wohl auch mit daran, dass ich generell erzählerischen Schreibstil mag und mir gern auch mal abstraktere Beschreibungen von Außen oder Hintergrundinformationen durchlese.

Zitat von: JudithMir ist es auch schleierhaft. Ich liebe den auktorialen Erzähler und lese wohl deshalb auch so gern Klassiker. Ich kann mich auch noch gut erinnern, wie sehr ich den Anfang von "Der Name des Windes" geliebt habe und wie enttäuscht ich war, als der Hauptteil dann in den Ich-Erzähler wechselt.  :'(
Was nicht heißt, dass ich nicht auch gern Romane in personaler Perspektive lese, aber ich schätze die Abwechslung und es ist mir ein Rätsel, weshalb die auktoriale Perspektive inzwischen so verpönt ist.

Ich mag den auktorialen Erzähler auch und ich denke im beschreibenden Text wird er wohl immer verwendet. Spätestens wenn man raus zoomt und etwas Hintergrund erzählt. Stephen King oder auch Tolkien haben stellenweise durch Telling eigentlich viel Erzählerperspektive, also den auktorialen Erzähler. Also so ganz aus der Mode ist er glaub ich nicht, nur wird er nicht mehr als Haupterzähler eingesetzt, sondern mehr als Transporteur des Hintergrunds/Rahmens wie mir scheint.

Zitat von: TrippelschrittAber für das Mitfiebern sind Perspektive und Nähe/Distanz nur zwei von mehreren Faktoren. Außerdem kann ich auch die Gegenthese aufstellen, dass der Perspektivwechsel zum Mitfiebern führt. (führen kann). George Martin macht das vor. Durch die vielen Figuren gibt es keinen Protagonisten. Aber da die wichtigsten Figuren unterschiedliche Sprachen sprechen und unterschiedliche Weltansichten haben, unterscheiden sie sich deutlich voneinander. Und wenn sie ihre eigene Perspektive bekommen wie der Lannisterzwerg oder Jon Snow, dann können sie zu Lieblingen werden, weil die authentischer erscheinen als die anderen Figuren, mit denen der Leser sie automatisch vergleicht.

Eines meiner Projekte hat auch dieses Konzept, viele Charaktere, keinen eindeutigen Protagonisten. Das Projekt ist stärker Plotdriven. Ich achte bei den Perspektivenwechseln wie George Martin darauf, dass der Wechsel möglichst nur pro Kapitel stattfindet und nicht innerhalb eines Kaps. Habe auch Martins Bücher analysiert und mir seine Vorgehensweise ein wenig als Vorbild genommen.

Zitat von: ChurkeIch vermute hier den Einfluss anderer Medien, sprich des Films. Der Film erzählt streng personal. Szenen werden heute auch anders geschrieben als früher

Wäre mir da nicht so sicher, ob Filme streng personal erzählen, eher streng "show" anstelle "tell". Es wird auch häufiger gewechselt in Szenen und nicht nur gezeigt, was ein einziger Chara erlebt, sieht und macht, also Perspektivenwechsel. Grade wenn man mit der Kamera Panoramaperspektive hat und die draufsicht ist es denk ich auch nicht mehr personal? Siehe die Szenen bei Fluch der Karibik auf dem Meer oder bei Star Wars Weltraumschlachten, bei denen nur die Raumschiffe gezeigt werden. Das würde ich als auktoriale Erzählweise betrachten.

Zitat von: CoppeliaIch glaube aber auch, dass der Film bei dieser Entwicklung eine Rolle spielt, und mich würde sehr interessieren, welche.

Ich denke, dass Medien insofern auf die Erzählweise in Romanen Einfluss haben, als dass durch sie das Show in den Vordergrund gerückt ist. Zum einen das, und zum anderen, der Anspruch in Filmen nur Szenen zu zeigen die auch Relevanz haben für die Handlung. Das ist auch ein Punkt auf den ich versuche zu achten, ob die Szenen einen Mehrwert für die Gesamtgeschichte haben. Haben sie das, bleiben sie drin, haben sies nicht, dürfen sie gestrichen werden.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Antennenwels

Ich habe eure letzten Beiträge mit viel Interesse gelesen. Mir war lange nicht bewusst, wie sehr man die Distanz zur Figur verändern kann beim personalen Erzähler (3. Person), indem man gewisse "Filterwörter" nutzt, oder eben weglässt. Beispielsweise: "Sie sieht einen Hund vorbeilaufen" (distanziert) im Vergleich zu "Ein Hund läuft vorbei" (nahe).
Ich bin mir nun unsicher, wie man mit der Nähe/Distanz in Geschichten am besten umgeht und würde gerne hören, wie ihr das handhabt. Gilt es ebenfalls als schlecht, wenn man zwar nicht zwischen Perspektiven per se wechselt, aber die Distanz zur Figur sich je nach Szene verändert. Es scheint mir in "show" Szenen ist es einfach nahe am Charakter zu bleiben, aber insbesondere wenn man Dinge zusammenfasst (oder generell in tell Szenen) wird es sehr schwierig und umständlich diese extreme Nähe zum Charakter aufrecht zu erhalten und es erscheint mir fast schon unmöglich alle Filterwörter (fühlen, sehen, hören, bemerken, realisieren etc) wegzulassen.
"You still prided yourself on three things: firstly, bloody-minded composure; secondly, an inhuman intellect for necromancy; thirdly, being very difficult to kill."

- Muir, Tamsyn. Harrow the Ninth

Yamuri

@Antennenwels:

Also mein Grundgefühl bei den Antworten ist: Wechsel per se sind nicht schlecht, solange man weiß was man tut und bewusst damit umgeht. Wenn ich beispielsweise Landschaften beschreibe (ich mag Landschaftsbeschreibungen in Büchern), dann zoome ich raus aus den Charakteren und gehe mehr auf Distanz. Offenbar geschieht das bei mir zum Teil aber subtil, weil Testleser die Parts zum Teil durchaus als durchgehend personal empfanden. Vereinzelt gab es dann aber Sätze, die wurden aus dem personalen rausgerissen empfunden und die werde ich korrigieren. Grade bei Tell Szenen gehe ich aber wie gesagt gern in den auktorialen Erzähler rein und versuche ein Mittelmaß zu halten.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Churke

Zitat von: Antennenwels am 15. Mai 2019, 00:43:27
Es scheint mir in "show" Szenen ist es einfach nahe am Charakter zu bleiben, aber insbesondere wenn man Dinge zusammenfasst (oder generell in tell Szenen) wird es sehr schwierig und umständlich diese extreme Nähe zum Charakter aufrecht zu erhalten und es erscheint mir fast schon unmöglich alle Filterwörter (fühlen, sehen, hören, bemerken, realisieren etc) wegzulassen.

Ich halte von solchen Filterwörtern generell nicht viel. Wir nehmen unsere Umwelt zwar gefiltert wahr, sind uns dessen aber nicht bewusst. Wenn ich zum Beispiel denke "Der Bürgermeister ist ein Idiot", dann halte ich das für eine Tatsache, obwohl es bestenfalls eine Vermutung ist.
"Der Bürgermeister ist ein Idiot", dachte Churke ist eine unnötige und umständlich. Wir arbeiten hier nicht journalistisch.

Solche Filterwörter benutzen wir in der Regel auch nicht als Filterwörter, sondern, um die Wahrnehmung zu betonen. "Ich habe einen Fuchs im Garten gesehen" ist keine Distanzierung, sondern eine außergewöhnliche Begegnung. War der Fuchs schön öfters da, sage ich "Der Fuch war wieder im Garten." Das lässt sich 1:1 auf das personale Erzählen übertragen. Erzähl deine Geschichte, wie du sie am Stammtisch erzählen würdest, und du kannst nichts falsch machen.  :)

Coppelia

#491
Ich glaube, bei dem Film habe ich mich unklar ausgedrückt. Ich meinte, dass in meinen Augen Filme eher weniger personal erzählen (können), weil Gedanken nur mithilfe von Kunstgriffen dargestellt werden können, Gefühle erschlossen werden müssen (auch wenn es einfach sein kann; aber das ist es nicht immer) und es fast immer einen Wechsel zwischen dem Blick auf die Figur und dem, was sie sieht, gibt. Ganz abgesehen von Dingen, wie Yamuri sie erwähnt: Totalen, Kamerafahrten, die auf keinen Fall die Wahrnehmung einer Figur wiedergeben können. Aber wie gesagt, ich bin keine Filmtheoretikerin.
Was ich eher glaube: Die hektische Erzählweise moderner Filme mit ihren kurzen Szenen und schnellen Schritten hat das Publikum ungeduldig gemacht und der klassischen Erzählerperspektive im Buch das Wasser abgegraben. Man möchte keine langen Einleitungen lesen, sondern bitte sofort Action. ;)

Was die "Filterwörter" betrifft: Die heißen in meiner Theorie "Fokalisationsmarker" und sind gewöhnlich ein Zeichen dafür, dass eine Figur Perspektive hat. Sie werden sich wohl selten ganz vermeiden lassen, und ich sehe auch nicht, warum das nötig sein sollte. "sah", "hörte", sind sicher die häufigsten. Meist wird man sie intuitiv nutzen, wenn man es für nötig hält. Bewusst nutzen kann man sie aber auch, um nach einem eher distanzierten Erzählabschnitt (oder reiner Erzählerperspektive) wieder näher an die Figur ranzugehen. Ich denke nicht, dass diese Begriffe Distanz darstellen. Sie stellen in meinen Augen eher Nähe dar, auch wenn es Methoden gibt, die Nähe zur Figur noch größer zu machen.
Zu prüfen, ob sie in dem jeweiligen Satz nötig sind, halte ich für einen ganz guten Plan. Wenn man schon in der Perspektive einer Figur fest "drin" ist, braucht man sie oft nicht.

ZitatGilt es ebenfalls als schlecht, wenn man zwar nicht zwischen Perspektiven per se wechselt, aber die Distanz zur Figur sich je nach Szene verändert. Es scheint mir in "show" Szenen ist es einfach nahe am Charakter zu bleiben, aber insbesondere wenn man Dinge zusammenfasst (oder generell in tell Szenen) wird es sehr schwierig und umständlich diese extreme Nähe zum Charakter aufrecht zu erhalten 
@Yamuri hat es ja auch schon geschrieben: Es ist normal, und man will nicht die ganze Zeit über ganz dicht an der Figur bleiben. Was machst du dann z. B., wenn sie mehrere Stunden lang ein langweiliges Buch liest - willst du alles mitschneiden, was sie liest? ;) Wie du schon schreibst, wird dann eine Zusammenfassung erforderlich. Ich persönlich finde es eigentlich dynamisch und interessant, wenn die Distanz zur Figur unterschiedlich groß ist.

Wildfee

Ich verfolge den Thread sehr interessiert mit und achte beim Lesen von Büchern dementsprechend stärker auf die Perspektiven.
Im Moment lese ich ein Buch, bei dem mir eine Pespektivenkombination aufgefallen ist, die ich bisher nicht bewußt wahrgenommen habe:
Die weibliche Hauptprotagonistin hat die Ich-Perspektive Vergangenheit, während die Kapitel des männlichen Hauptprotagonisten in der personalen Perspektive gehalten sind.
Ich finde das zum einen ungewöhnlich (entweder, weil ich es bisher nicht wahrgenommen habe oder weil es nicht allzu häufig vorkommt) und zum anderen recht elegant gelöst. Man bekommt nahe Einblicke in das Gefühlsleben der einen Person, fühlt sich der anderen aber auch nicht fremd.


Alina

Ich habe die letzten Beiträge auch mit großem Interesse gelesen.

Zum Thema und Identifikation mit der Figur/Mitfiebern und Perspektive fällt mir das Buch 'the fifth season' von N.K. Jemisin ein. Darin ist einer der Handlungsthreads in der  "Du"-Perspektive geschrieben (bzw. "you", ich habe es auf englisch gelesen) 
Wörtlich steht da: "You are she. She ist you. You are Essun."  Der Leser wird regelrecht aufgefordert, sich mit Essun zu identifizieren.
Ich mochte diese  Perspektive nicht besonders. Einerseits hatte ich das Gefühl, ich werde genötigt, mich mit der Figur zu identifizieren. Zum anderen aber auch deshalb, weil  Essun gleich zu Anfang etwas tut, was mir nicht gefällt. Sie verhält sich unmoralisch, und ich habe an der Stelle eher das Bedürfnis, mich zu distanzieren.
Das Buch fand ich trotzdem spannend. Aber die Art und Weise, wie mit der Du-Perspektive eine Nähe des Lesers zur Protagonistin forciert wurde  - so habe ich es jedenfalls empfunden -  hat mich gestört.

Dass ein ganzer Handlungsthread in der "Du"-Perspektive geschrieben ist, ist mir in dem Buch zum ersten Mal so begegnet.

FeeamPC

Klingt sehr nach Spielebuch.