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Alles zur Perspektive

Begonnen von Lastalda, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Sukie

#405
Ich habe eine Kurzgeschichte aus der Du-Perspektive geschrieben. Es ist aber von Anfang an klar, wer erzählt und das Ganze ist mehr als Hommage an den angesprochenen Charakter zu verstehen. Also, der Erzähler beobachtet eine andere Figur und spricht in der Du-Perspektive über sie. Ist das verständlich?  ;D Ich fand, dass es sich richtig flott und leicht schreiben ließ.

Das Ganze so zu schreiben, dass man den Erzähler erst am Ende wirklich erkennt, stelle ich mir schwierig vor. Zum Lesen, aber vor allem zum Schreiben. In Shedzyalas Geschichte hat es sehr gut funktioniert (auch wenn es todtraurig war  :brüll:). Einen ganzen Roman oder so könnte ich mir da aber nicht wirklich vorstellen zu lesen/schreiben.
"Impossibility is a kiss away from reality." (Sense8)

Zit

Hm, vielleicht schaut ihr mal in der Krimiabteilung nach. Wenn ich mich recht erinnere, kommt im ein oder anderen ja auch der Täter mit eigener Perspektive vor, allerdings wäre es natürlich doof, wenn er sich selbst verrät. ;)
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Trippelschritt

@ Wolkentänzerin und zDatze

Mir ist gar nicht wohl bei eurer Begründung. Wenn ich das recht verstanden habe, wollt ihr einen handwerklichen Effekt in Szene setzen, weil ihr diesen Effekt für wirkungsvoll haltet und sucht nun für eine Lösung innerhalb der Geschichte. Ich möchte nicht sagen, dass das nicht geht. Ich habe einmal vor sehr langer Zeit auch so etwas probiert, mir aber die Finger daran verbrannt. Aber der Haken ist, dass meiner Meinung nach das Handwerk der Geschichte folgen sollte, sie möglichst gut erzählen sollte und nicht die Geschichte sich an einer handwerklichen Idees des Autors orientiert. Es kann zwar klappen, weil man intuitiv eine gute Lösung findet. Es kann aber auch grauenhaft schief gehen. Die kleidung sollte dem Körper passen, nicht der Körper der Kleidung.

Wenn ich den Namen einer Figur verschweige, die überdies auch noch jemanden begleitet, dann ist die erste Frage für mich, was denn der Mensch denkt, dessen Begleiter sich nicht vorstellt. Und meine Antwort wäre, er traut ihm nicht. Und dieses Misstrauen wäre das zentrale Gefühl für die nächsten Abnschnitte oder Szenen. Wenn ich dieses Misstrauen aber nicht gebrauchen kann, dann muss ich einen Weg finde, dass es nichr entsteht oder dass ich es zerstreue. Und diese Art der Überlegung ist völlig anders als eine, die sagt: "Ich will es geheimnisvoll halten. Wie mache ich das?" In dem von mir skizzierten Beispiel wird es nicht geheimnisvoll und damit nach jeder Seite offen, sondern unheilvoll, weil es von jemandem handelt, der etwas zu verbergen hat. Die Figur hat etwas zu verbergen, nicht der Autor.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Wolkentänzerin

@Trippelschritt
Ich verstehe deine Bedenken. Ehrlich gesagt, bin ich selbst mir noch nicht sicher, ob es funktioniert, da die zweite Perspektive erst noch einsetzen wird. Jedoch würde ich eben wirklich gerne eine zweite Sicht einfügen und ich finde es in dem Fall eben spannender, den Namen nicht sofort zu verraten, da sonst viel der Handlung von vornherein weggenommen wird. Ich könnte evtl. die Perspektive weglassen, doch ich denke eben, dass sie den Roman bereichern wird.
Ich denke in meinem Fall wird es nicht unheilvoll wirken, wie du es nennst. Natürlich kann es schief gehen, doch so wie ich meine Charaktere kenne, denke ich nicht, dass es so wirkt als hätten sie allzu viel zu verbergen. Die Begleitung hat ja auch einen normalen Vornamen, dadurch wirkt sie nicht allzu mysteriös. Meine einzige Möglichkeit wäre noch, dass ich ihnen beide "Decknamen" gebe, da es auch zur ihrer Lebenssituation passen würde. Allerdings bin ich kein Fan davon und finde das auch meist sehr verwirrend.

Czara Niyaha

Mich beschäftigt aktuell eine Frage zum Thema Perspektive.
Obwohl ich bereits auch gegoogled habe, finde ich keine eindeutige Antwort für mich.

Auslöser des "Problems" ist mein NaNo Projekt.  ;)
Perspektiventräger bis auf wenige Kapitel ist der Charakter Lourance, von allen Lou gennant.

Mir ist aufgefallen, dass ich  beim Schreiben, meistens ungewollt, gerne mal in die auktoriale Erzählform springe...  :-\
Nicht das ihr denkt, dass ich still und heimlich bereits am Schreiben bin. Nein, außer Plot entwerfen und das ein oder andere (große) Loch stopfen, halte ich die Finger still!

Das Perspektivenproblem ist mir bei bereits geschriebenen, älteren Sachen aufgefallen.

An den NaNo habe ich für mich persönlich auch gewisse Anforderungen. Daher hoffe ich, dass mein geplantes Projekt nicht schon nach ein paar Seiten Wort für Wort einstürzt, weil ich es mit den Perspektiven durcheinander bringe...

So, jetzt lange genug drum herum geredet! Mein eigentliches Problem.

Beispieltext: ("Char" dient in den Fall als Platzhalter für irgendeinen x-beliebigen Charakter. Der Text ist einfach nur seinem Zweck entsprechend mal eben schnell getippt, also bitte nicht so kritisch sehen!)

Verspielte Sonnenstrahlen neckten Char, als er im Gras lag. Verträumt folgte sein Blick den kleinen Schäfchenwolken am azurblauen Himmel.
Ein sanfter Wind kam auf.
Char fühlte das Streicheln auf der Haut.
Nicht mehr lange, und er musste die Oase der friedvollen Stille wieder verlassen.
Ein leises Seufzen kam über seine Lippen.
Langsam stand er auf und machte sich auf den Rückweg.
Immer deutlicher tauchten vor seinen Augen die Mauern der Stadt auf.
"Blablabla" war eine Stadt mit einer düsteren Vergangenheit.
(Jetzt würde textmäßig eine Zusammenfassung kommen, die den Leser zumindest mit den wichtigsten Grundinformationen vertraut machen soll, damit er eine gewisse Vorstellung hat, wo er sich derzeit bewegt, zb:)
"BlaBla - Eine Stadt mit Licht- und Schattenseiten. Seit Jahrhunderten herrschte bereits die Adelsfamilie "Ping". Allein der Klang des Namens ließ  viele Bewohner, der nach außen hin friedvoll erscheinenden Stadt, erzittern. Usw...)

Mein Problem beim Schreiben ist folgendes: Vom Gefühl her würde ich sagen, dass die Beschreibung der Stadt, sowie das erwähnen von wichtigen Fakten und Hintergründen, eher aus der auktorialen Sicht geschrieben ist, weil ich sie ja nicht über den Charakter selber vermittle...

Ah, es ist echt zum Haareraufen...  :brüll: Aber ich weiß einfach nicht, wie ich dieses Problem lösen soll.
Wenn ich jetzt aber aus der Sicht von "Char" erzählen will - Darf ich dann trotzdem solche Beschreibungen machen? Oder ist das dann schon ein Stilbruch?! 
Oder ob ich mir einfach "treu" bleibe und aus verschiedenen Perspektiven schreibe?!?!?
Grundsätzlich habe ich die Einstellung, dass zum Thema Perpektive so ziemliches alles erlaubt ist, solange der Leser wirklich folgen kann und nicht alles im totalen Chaos endet.

Vielleicht mache ich mir auch nur einfach zu viele Gedanken!
Ich hoffe, dass ihr meinem leicht chaotischen Text folgen könnt und danke schon einmal für die Hilfe und Tipps!  :)

Solange es Visionäre und Träumer gibt, die den Funken der Hoffnung in sich tragen und das Licht in den Herzen anderer entzünden, ist diese Welt nicht verloren.

(Eden Chry'Salis)

Dämmerungshexe

An sich bleibst du da auch in der personellen Perspektive. Vor allem wenn du die Stadt und die Infos dazu durch die Augen des Protas beschreibst, also nur das beschreibst, was er kennt und seine Wertung dazu wiedergibst.
Auktorialen wäre es wenn du alles beschreibst, ohne Rücksicht auf die Kenntnis und Verständnis des Protas. Womöglich noch in einem neutralen Ton, oder mit einer Wertung, die nicht die das Protas ist (sondern die des Erzählers).
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Lothen

Ich stimme Dämmerungshexe zu.

In der personalen Erzählform hat jeder Perspektivträger seine eigene Stimme, in der auktorialen gibt es nur eine Erzählstimme, nämlich deine.

Außerdem weiß der auktoriale Erzähler Dinge, die der Perspektivträger nicht weiß. Wenn dein Perspektivträger all diese Informationen über die Stadt und ihren Hintergrund hat, dann kann das durchaus auch pesonal sein (wobei ich hier aufpassen würde, zu viel Infodump zu vermeiden, aber das ist eine andere Baustelle ;) ). Wenn dein Perspektivträger das nicht weiß oder gar nicht wissen kann, ist es auktorial.

Czara Niyaha

Danke für die Antworten  :)

Ihr habt für etwas Klarheit bei  mir gesorgt.
Solange es Visionäre und Träumer gibt, die den Funken der Hoffnung in sich tragen und das Licht in den Herzen anderer entzünden, ist diese Welt nicht verloren.

(Eden Chry'Salis)

Faye

Ich hätte da auch mal eine Frage, ich habe meine letzte Kurzgeschichte größtenteils in der Ich-Perspektive geschrieben(die beiden Hauptcharaktere) und die Kapitel aus der Sicht der dritten wichtigen Person mit "sie". Jetzt überlege ich, ob das für meinen NaNo-Roman auch sinnvoll ist, da ich die drei Hauptpersonen habe. Oder ist das zu verwirrend?

Dämmerungshexe

Zitat von: Lothen am 05. Oktober 2016, 16:42:29

In der personalen Erzählform hat jeder Perspektivträger seine eigene Stimme, in der auktorialen gibt es nur eine Erzählstimme, nämlich deine.


Erzähler ist nicht gleich Autor. Also wurde ich dem Satz nicht allgemein zustimmen. Ich schreibe ja auktorialen und das klingt eindeutig anders als das, was ich so im alltäglichen Leben von mir gebe.


@Faye - 3 Perspektiven in einer Kurzgeschichte finde ich etwas viel. In nem Roman passt dass besser. Ich denke ich persönlich hätte aber meine Probleme zum einem mit dem Wechsel zwischen zwei Ich-Perspektiven und zwisvhen Ich-Perspektive und Dritter Person. Das wurde mir als Leser die ganze Erzählung zerreißen. Als Autor würde ich es auch nicht schreiben.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Siara

#415
@Faye: Als Leser würde bei mir die Frage aufkommen: Warum zweimal Ich und einmal Er/Sie? Sind die ersten beiden Perspektivträger so viel wichtiger als die dritte, und das willst du hervorheben? Hat es einen anderen Zweck? Wenn es einen Zweck hat, der die Zuteilung erklärt, muss es nicht unbedingt verwirrend wirken bzw. kann es die Verwirrung durch positiven Effekt aufwerten. Andernfalls würde ich an deiner Stelle eine simplere Version wählen.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Faye

Okay, danke Dämmerungshexe. Ich werde die Kurzgeschichte nach dem November überarbeiten und mal darauf achten. Im Roman werde ich mal schauen. Ich versuche es mal, sonst merke ich es hoffentlich am Anfang und ändere es dann.  :)

Siara, eigentlich sind nur die beiden Hauptpersonen wichtig genug, die dritte Person spielt auch eine relativ wichtige Rolle, aber sie ist eher dafür da, dass der Leser Szenen liest, bei der die anderen nicht dabei sind oder um die Hintergründe deutlich zu machen.
Die Hauptpersonen zeigen mehr ihre Gedanken und ihre Gefühle, um dem Leser ein Bild zu machen.

Zit

#417
Bei 2x Ich und 1x Sie würde ich die Sie-Linie als Rahmenhandlung auffassen (klassische High Fantasy der Botschafter, der auf politischer Bühne die Welt zusammen brechen sieht) während die Ich-Linien die eigentliche Geschichte ausmachen (der Held, der die Welt rettet, und sein LI).

Hat sich überschnitten. Also insgesamt schon so wie du es andachtest.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

traumfängerin

Elizabeth Peters verwendet in ihren Krimis zwei Ich- und eine Er-Perspektive, bedient sich dafür allerdings eines Kniffs. Eine der Ich-Perspektiven ist das Tagebuch von Amelia Peabody, die zweite Ich-Perspektive sind Briefe ihrer Adoptivtochter Nefret, die Er-Perspektive sind Auszüge aus dem Tagebuch ihres Sohnes Ramses. So macht das auch Sinn, und wirft mich als Leser nicht raus.

Diana Gabaldon verwendet in ihren Romanen auch sowohl Ich- als auch Er-Perspektive. Die Ich-Perspektive ist für ihre Haupterzählung, die Er-Perspektive verwendet sie immer dann, wenn sie von dem weggeht, was ihre Hauptperson miterlebt, und um das auch abzugrenzen verwendet sie die Er-Perspektive, wenn ich mich recht entsinne, sogar unterschiedliche Er/Sie-Perspektiven. Dadurch ist man als Leser näher dran an der Hauptperson, so dass die Perspektiven durchaus Sinn machen.

Unsere @Alana hat in ihrem Roman "Die Tage, die ich dir verspreche" zwei Ich-Perspektiven verwandt, wobei jemals die Kapitel mit den Namen der Person überschrieben sind, damit der Leser weiß, wo er sich gerade befindet.  :D

Es ist also alles möglich, du musst es nur gut machen. Und wenn du dich für zweimal Ich-Perspektive entscheidest, dann brauchst du dafür tatsächlich eine gute Begründung, und vor allem auch dafür, warum die dritte dann in der Er-Perspektive ist. Diese Kombination, zwei Ich-Perspektiven, eine Er-Perspektive gibt es nämlich nicht so häufig, und kann deshalb auf den Leser zunächst ungewohnt wirken.

Lothen

Zitat von: TraumfängerinEs ist also alles möglich, du musst es nur gut machen.
Genau! Manche Strukturen sind vielleicht gefälliger als andere, aber das heißt nicht, dass man nicht experimentieren darf.

Ich hab gerade mit "Das Jahr der Flut" von Margaret Atwood begonnen, und sie kombiniert auch verschiedene Erzähler in der ersten und dritten Person. Ich bin noch nicht weit genug, um mir ein Bild machen zu können, welche Funktion sich dahinter versteckt, aber es ist auf jeden Fall interessant.