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[Geschichte] Strafbarkeit von Pansexualität bei einer Witwe (Rom)

Begonnen von Evanesca Feuerblut, 10. Mai 2016, 23:47:50

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Evanesca Feuerblut

Ich kriege das, was ich wissen will, ums Verrecken nicht raus und je nachdem, was ich bei Google und bei Büchersuchen eingebe, kommt entweder immer das Gleiche (was ich schon weiß) oder Dinge, die ich mir ganz gewiss nicht im selben Raum mit meinen Eltern anschauen will...

Also folgendes Problem. Ich bin gerade dabei, eine Geschichte, die ich zuerst mit 15 schrieb, neu aufzusetzen. Um hier keine Patzer zu machen, muss ich plotten und recherchieren.

Meine Protagonistin Livia wird, romtypisch (wir sind 250 v.u.Z.) mit 12 verheiratet und hat Glück, Ehe an sich ist für damalige Verhältnisse recht liebevoll (ich wollte nicht das Klischee der bösen Zwangsehe bedienen, in der die Frau immer unglücklich und unterdrückt zu sein hat, wenigstens etwas Sonnenschein hat Livia verdient), aber er stirbt und somit wandert Livia mit Sack und Pack zu ihrem Vater zurück. Der nicht gerade glücklich ist, die älteste Tochter wieder am Hals zu haben.
Nun ist Livia eine junge Frau mit der Orientierungskombination pansexuell/aromantisch und auch wenn sie ihrem Gemahl nachtrauert, weil er ein guter Mensch war und sie ihn als Mensch schätze, fühlt sie sich sexuell bald von "Flavia" (selbstgewählter Name, daher die Gänsefüßchen) angezogen. Flavia ist anatomisch weder eindeutig männlich noch eindeutig weiblich*, sieht sich selbst eher als Frau und möchte auch so angesprochen und behandelt werden. Und ist weit unter Livias Rang in der Gesellschaft (Baby-Flavia ward öffentlich ausgesetzt und von Freigelassenen großgezogen, hat somit den elterlichen Rang), die immerhin Senatorentochter ist.
Lange Rede, kurzer Sinn: Die beiden werden erwischt.

Nach allem, was ich über das römische Gesetz und die Hausgewalt weiß, darf der Vater eine unkeusche Tochter töten, wenn die mit einem Mann erwischt wird. Darf er sie auch dann töten, wenn er sie mit einer Frau oder mit einem Menschen mit nichtbinärem Geschlecht erwischt? Sprich: Dürfte er dann Livia theoretisch an den Haaren vor den Hausaltar zerren und enthaupten? (Wie genau so eine häusliche Hinrichtung von statten geht, müsste ich gegebenenfalls recherchieren, aber traurigerweise halte ich da die Informationen für leichter verfügbar als zu der Frage nach Livias pansexuellem Abenteuer :'( )
Oder gibt es dafür keine Rechtsgrundlage, sodass sie "nur" verbannt wird oder zum Beispiel das Haus nicht mehr verlassen kann/sonstwie vom Vater bestraft wird, ohne sterben zu müssen?

Es ist fast unmöglich, etwas zum Thema weibliche Homo-/Bi-/Pansexualität im alten Rom zu finden und ich habe auch schon auf Genderstudies-Portalen herumgeklickt und Leute befragt, die Latein studiert haben.

Vielleicht weiß hier jemand rein zufällig die Lösung für mein Problem.
(Wenn nicht, dann gehe ich vom Schlimmsten aus und lasse Livia einen Fluchtversuch unternehmen, ehe ihr Vater sie umbringen kann. Ich brauche sie lebend, sonst kann sie später nicht zu einem Vampir werden.)

*intersexuelle Menschen hatten in Rom einen unfassbar schlechten Stand, bis hin dazu, dass sie bei der Geburt oder kurz danach getötet wurden, weil ihnen nachgesagt wurde, schlechte Omina für was weiß ich was für Katastrophen gewesen zu sein und standen daher sehr weit unten in der Hackordung in Rom  :'(

Wer Hinweise hat, dem ist meine unendliche Dankbarkeit sicher :knuddel:

Churke

Zitat von: Evanesca Feuerblut am 10. Mai 2016, 23:47:50
Meine Protagonistin Livia wird, romtypisch (wir sind 250 v.u.Z.) mit 12 verheiratet und hat Glück, Ehe an sich ist für damalige Verhältnisse recht liebevoll (ich wollte nicht das Klischee der bösen Zwangsehe bedienen, in der die Frau immer unglücklich und unterdrückt zu sein hat, wenigstens etwas Sonnenschein hat Livia verdient), aber er stirbt und somit wandert Livia mit Sack und Pack zu ihrem Vater zurück. Der nicht gerade glücklich ist, die älteste Tochter wieder am Hals zu haben.

Richtige Zwangsehen gibt es im römischen Recht eigentlich nicht, weil alle Beteiligten einschließlich der Frau der Ehe zustimmen müssen. Natürlich sollte die Zustimmung mit 12 Jahren leicht zu kriegen sein...
Die Rückkehr zum Vater ist ein, äh... Problem. Bei der Manusehe wandert Livia mitsamt Mitgift, Vermögen etc. in die Gewalt ihres Ehemannes oder ggf. ihres Schwiegervaters, sofern ihr Ehemann noch unter dessen Hausgewalt steht. Sie gehört dann zur neuen Familie und ist mit ihren Vater auch nicht mehr verwandt. Mit dem hat sie also absolut nichts mehr zu schaffen.

Alternative wäre die manus-freie Ehe. Davon abgesehen ist es aber meines Wissens so, dass Witwen unter niemandes Hausgewalt stehen. (Person sui generis) Sie brauchen "nur" einen Vormund, wenn sie weniger als 3 Kinder haben. Ich würde das plotmäßig dringend gegenchecken...

Zitat
Nach allem, was ich über das römische Gesetz und die Hausgewalt weiß, darf der Vater eine unkeusche Tochter töten, wenn die mit einem Mann erwischt wird.
Wie gesagt, ich bezweifle aus oben genannten Gründen, dass sie als Witwe in seiner Hausgewalt steht. Stand sie unter der Hausgewalt ihres Ehemannes, schließe ich es völlig aus. Bei anderen Konstellationen bin ich mir aber nicht 100 % sicher.  :-\

Zitat
Es ist fast unmöglich, etwas zum Thema weibliche Homo-/Bi-/Pansexualität im alten Rom zu finden und ich habe auch schon auf Genderstudies-Portalen herumgeklickt und Leute befragt, die Latein studiert haben.

Nachdem die Römer das Penetriertwerden als anrüchig betrachteten, würde ich die Rechtslage davon abhängig machen, wie Flavia "bestückt" ist.
Was die weibliche Homosexualität betrifft - ich denke, dass die Frauen in der Frühzeit einfach zu unwichtig waren, als dass man(n) sich damit hätte beschäftigen müssen... 

Araluen

Ich schließe mich Churke an. Es ist nicht ausschlaggebend für einen etwaigen Prozess/Hinrichtung, welche sexuelle Orientierung Livia und Flavia haben, sondern wie Flavia bestückt ist, ob sie biologischein Mann oder eine Frau ist. Sollte Livia eine Art Prozess bekommen, könnte sie aber zu ihrer Verteidigung anführen, dass sie getäuscht wurde oder so.
Das nur grob dazu. Tortz ausreichend Lateinunterricht kenne ich mich mit antikrömischen Recht vor allem in dem Bereich nicht aus, zwecks Einhalten von Trauerzeiten und der Freizügigkeit, wenn man ncihtmehr verheiratet ist.

Snöblumma

Zitat von: Churke am 11. Mai 2016, 01:15:29
Nachdem die Römer das Penetriertwerden als anrüchig betrachteten, würde ich die Rechtslage davon abhängig machen, wie Flavia "bestückt" ist.
Was die weibliche Homosexualität betrifft - ich denke, dass die Frauen in der Frühzeit einfach zu unwichtig waren, als dass man(n) sich damit hätte beschäftigen müssen...

Dem stimme ich voll und ganz zu - und auch wenn er fachlich durchaus umstritten ist, finde ich dazu Niklas Holzberg sehr aufschlussreich (seine Thesen klingen für mich zumindest in sich stimmig, und das ist ja schon einmal etwas wert).

Und Witwen waren in Rom tatsächlich sehr viel freier als andere Frauen, vor allem wenn der Erbe zweifelsfrei schon existierte. Zurück zum Vater lässt sich auf jeden Fall kaum erklären, ohne noch fünf andere Plottwists einzubauen.

Fianna

Muss es diese Zeit sein? Über die augusteischen Ehegesetze findest Du viel besser etwas. Eine verwitwete oder geschiedene Frau musste innerhalb von 18 Monaten.neu heiraten, sonst war eine Geldstrafe fällig.
Da war auch eine einfachere Form der Ehe üblich, bei der die Frau nie komplett aus der Vormundschaft des Vaters entlassen wurde (war leichter zu scheiden).


Wohnst Du in einer Universitätsstadt? Ich würde mal bei den Althistorikern aufschlagen, im Kleinen Pauly nachschlagen und mir den elektronischen Katalog erklären lassen. Da findest Du bestimmt eher was als bei Gender Studies; im Zusammenhang mit Rechtsgeschichte oder moralischen Vorstellungen der Römer ist da sicher mal was zu geschrieben worden.

JarlFrank

Zitat von: Churke am 11. Mai 2016, 01:15:29
Nachdem die Römer das Penetriertwerden als anrüchig betrachteten, würde ich die Rechtslage davon abhängig machen, wie Flavia "bestückt" ist.
Was die weibliche Homosexualität betrifft - ich denke, dass die Frauen in der Frühzeit einfach zu unwichtig waren, als dass man(n) sich damit hätte beschäftigen müssen... 

Es liegt nicht daran, dass Frauen unwichtig waren, sondern daran, dass der sexuelle Akt mit Penetration identifiziert wurde, noch bis in die frühe Neuzeit hinein. Frauen können einfach keinen Sex miteinander haben, weil da einfach ein "Ding" fehlt. Sie haben zwar die Ausstattung dafür, passiv Sex zu empfangen, aber nicht die Ausstattung, aktiv welchen auszuüben, denn aktiv heißt immer, dass man sein Glied in irgendeine Öffnung des Partners einführt.
Klar gab es sowas, und man wusste auch dass es sowas gab, aber dann waren entweder beide Partner "passiv", oder es zählte einfach nicht als "richtiger" Sex, also war es weitaus weniger problematisch als wenn ein Mann involviert wäre. "Weibliche Homosexualität" existiert insofern gar nicht, weil es nicht als solche wahrgenommen wird. Ich hatte mal gelesen, dass im England der Renaissance, als Sodomie/Homosexualität unter Strafe stand, es für Frauen völlig in Ordnung (und in manchen Kreisen sogar verbreitet) war, miteinander rumzumachen. Aber fragt mich nicht mehr, wo ich das her hatte, habe die Quelle leider vergessen.
Frau mit Frau wurde in vormodernen Gesellschaften (Europas, zumindest) gar nicht erst mit Mann mit Frau oder Mann mit Mann verglichen, weil das Verständnis von Sexualität schlicht ein anderes war.

Zitat von: Fianna am 11. Mai 2016, 09:16:17
Wohnst Du in einer Universitätsstadt? Ich würde mal bei den Althistorikern aufschlagen, im Kleinen Pauly nachschlagen und mir den elektronischen Katalog erklären lassen. Da findest Du bestimmt eher was als bei Gender Studies; im Zusammenhang mit Rechtsgeschichte oder moralischen Vorstellungen der Römer ist da sicher mal was zu geschrieben worden.

Der Kleine Pauly ist ganz ok, die alte Realencyklopädie ist besser. Aber bitte nicht im Neuen Pauly nachschauen, denn der ist Mist. Das ist die Meinung der meisten Althistoriker an meiner Uni, und ich muss ihnen dabei auch zustimmen. Wikipedia ist da teilweise besser.
Wikipedia ist auch fürs erste eine gute Anlaufstelle um weiter zu recherchieren. Die angegebene Literatur in den Fußnoten ist meistens ganz gut, damit kann man schon was anfangen.
Fang vielleicht mal mit dem Artikel zum Eherecht an: https://de.wikipedia.org/wiki/Ehe_im_R%C3%B6mischen_Reich

Am wichtigsten wäre es fürs erste, klarzustellen, welchen Rechtsstatus deine Livia in ihrer Ehe und nach dem Tod ihres Ehemanns hat. Je nachdem wie das aussieht kann es am Ende sogar sein, dass sich kaum jemand dafür interessiert, was sie mit Flavia hat.

Und je nachdem wie Flavia so aussieht und sich kleidet (wie eine Frau, oder eher wie ein Mann mit sehr weiblichen Zügen?) stellt sich überhaupt die Frage, ob jemand nachschauen würde, was sich zwischen ihren/seinen Beinen befindet.

Evanesca Feuerblut

Erstmal... Danke an euch alle für eure Antworten! Einiges deckte sich mit meinen Vermutungen, bei anderem weiß ich jetzt auch, wo ich noch mal nachschauen könnte. Alle haben mich dazu gebracht, Livias Situation zu reflektieren.

@Churke
ZitatRichtige Zwangsehen gibt es im römischen Recht eigentlich nicht, weil alle Beteiligten einschließlich der Frau der Ehe zustimmen müssen. Natürlich sollte die Zustimmung mit 12 Jahren leicht zu kriegen sein...
Richtig widersprechen konnte die Frau auch soweit ich es rausfinden konnte nur, wenn der Mann vorbestraft (im römischen Sinne) oder "schlecht von Charakter" war (was auch immer das heißen mochte).
In meiner Geschichte lief alles ganz klassisch mit einer Verlobung ab, bei der die Braut sieben war und der folgenden Vermählung mit zwölf. Wenn ich es richtig recherchiert habe, müsste die Braut schon bei der Verlobung die Zustimmung geben. Da ist sie ja noch klein.

ZitatAlternative wäre die manus-freie Ehe. Davon abgesehen ist es aber meines Wissens so, dass Witwen unter niemandes Hausgewalt stehen. (Person sui generis) Sie brauchen "nur" einen Vormund, wenn sie weniger als 3 Kinder haben. Ich würde das plotmäßig dringend gegenchecken...
An die manus-freie Ehe habe ich gedacht, war anscheinend auch viel üblicher als die Manusehe ab einer gewissen Zeit.
Ja, ich checke das auf jeden Fall gegen, ob sie in die Hausgewalt zurückkehrt oder einen Vormund bekommt, sie ist beim Tod ihres Mannes vierzehn und verliert das gemeinsame Kind, als sie die Nachricht erhält, hat also nicht die nötigen drei Kinder, um als ausreichend eigenständige Person zu gelten.

ZitatBei anderen Konstellationen bin ich mir aber nicht 100 % sicher.
Eben. Die Quellen, die ich bisher auftreiben konnte, sprechen dafür, dass sie bei einer manusfreien Ehe unter der Hausgewalt des Vaters bleibt (es sei denn, ich habe es völlig falsch verstanden, das ist durchaus möglich!) und der Vater die Ehe theoretisch auch einfach hätte aufheben können, wenn ihm der Schwiegersohn als Bündnispartner nicht mehr gepasst hätte. Dann müsste sie als kinderlose Witwe theoretisch auch dorthin zurückkehren, aber ich sehe zu, dass ich da noch eine eindeutige Quelle auftreibe, die da nicht so unfassbar schwammig ist  >:(

ZitatNachdem die Römer das Penetriertwerden als anrüchig betrachteten, würde ich die Rechtslage davon abhängig machen, wie Flavia "bestückt" ist.
Was die weibliche Homosexualität betrifft - ich denke, dass die Frauen in der Frühzeit einfach zu unwichtig waren, als dass man(n) sich damit hätte beschäftigen müssen... 
So oder so ähnlich hätte ich es jetzt auch vermutet. Dann hätten wir die von mir gewünschte rechtliche Grauzone, bei der Livias Vater sie nicht töten darf. Gesetzt natürlich der Fall, dass er die Hausgewalt über sie zurückerhält. Da forsche ich mal weiter.

Danke auf alle Fälle auch für die Denkanregungen. Jetzt weiß ich, was ich unbedingt als Nächstes herausfinden muss.

@Araluen
ZitatIch schließe mich Churke an. Es ist nicht ausschlaggebend für einen etwaigen Prozess/Hinrichtung, welche sexuelle Orientierung Livia und Flavia haben, sondern wie Flavia bestückt ist, ob sie biologischein Mann oder eine Frau ist. Sollte Livia eine Art Prozess bekommen, könnte sie aber zu ihrer Verteidigung anführen, dass sie getäuscht wurde oder so.
Flavia ist genau dazwischen. Also: Bestückung zwar vorhanden, aber nicht voll ausgebildet und nicht funktionsfähig.
Danke für den Tipp mit Livias Aussage für einen etwaigen Prozess.

ZitatDas nur grob dazu. Tortz ausreichend Lateinunterricht kenne ich mich mit antikrömischen Recht vor allem in dem Bereich nicht aus, zwecks Einhalten von Trauerzeiten und der Freizügigkeit, wenn man ncihtmehr verheiratet ist.
Ich habe beim Suchen gefunden - vor Augustus:
10 Monate Trauerzeit und danach im Schnitt acht Monate, in denen man sich neu vermählen soll. Enthaltsamkeit galt als Tugend (und war bei der hohen Müttersterblichkeit auch schlicht lebensrettend), eine Frau sollte also nicht freizügig sein. Männer hatten da mehr Freiheiten.

@Snöblumma
ZitatDem stimme ich voll und ganz zu - und auch wenn er fachlich durchaus umstritten ist, finde ich dazu Niklas Holzberg sehr aufschlussreich (seine Thesen klingen für mich zumindest in sich stimmig, und das ist ja schon einmal etwas wert).
Danke für die Leseempfehlung! Ich habe mir die letzten Tage einen Wolf gesucht nach Publikationen zum Thema, aber keine gefunden. Da hatte ich wohl ein Brett vor dem Kopf. Von ihm habe ich doch schon mal das Ovid-Buch als Quelle für eine Arbeit verwendet.
Ich schaue mir mal an, ob ich gute Sekundärliteratur finde. Danke  :vibes:

ZitatUnd Witwen waren in Rom tatsächlich sehr viel freier als andere Frauen, vor allem wenn der Erbe zweifelsfrei schon existierte. Zurück zum Vater lässt sich auf jeden Fall kaum erklären, ohne noch fünf andere Plottwists einzubauen.
Ein Erbe existiert in dem Fall nicht und Livia ist noch sehr jung, als ihr Mann stirbt.

@Fianna
ZitatMuss es diese Zeit sein? Über die augusteischen Ehegesetze findest Du viel besser etwas. Eine verwitwete oder geschiedene Frau musste innerhalb von 18 Monaten.neu heiraten, sonst war eine Geldstrafe fällig.
Da war auch eine einfachere Form der Ehe üblich, bei der die Frau nie komplett aus der Vormundschaft des Vaters entlassen wurde (war leichter zu scheiden).
Das wäre tatsächlich sehr attraktiv (wobei die besagte einfachere Form auch vor Augustus bereits üblich war, das war auch die, für die ich mich entschieden habe, weil sie den Plot mit dem Vater zulässt). Ich müsste mal durchrechnen, ob es noch funktioniert, zeitlich, wenn ich die Handlung um 200 Jahre nach vorne verlege. Ich habe einige historische Plotpoints, die ich nicht verschieben kann.
Ich lasse es mir auf alle Fälle durch den Kopf gehen, denn ja, zu den Gesetzen AB Augustus finde ich tatsächlich mehr als über die Gesetze zur Zeit des punischen Krieges. Dann müsste ich eine andere Intrige bauen, wieso ihr Gemahl stirbt, aber... also wenn sich das zeitlich ausgeht, hätte mir dein Vorschlag den Hals gerettet.
Ich rechne auf alle Fälle erstmal durch, ob dann der Rest der Handlung trotzdem so klappt (und schaue, ob ich ein paar der nichthistorischen geplanten Ereignisse umschieben kann).

ZitatWohnst Du in einer Universitätsstadt? Ich würde mal bei den Althistorikern aufschlagen, im Kleinen Pauly nachschlagen und mir den elektronischen Katalog erklären lassen. Da findest Du bestimmt eher was als bei Gender Studies; im Zusammenhang mit Rechtsgeschichte oder moralischen Vorstellungen der Römer ist da sicher mal was zu geschrieben worden.
Ich bin gerade an der Uni :D. Mit dem elektronischen Pauly habe ich schon mal gearbeitet (geht sogar von zu Hause per VPN sehr gut). Dass ich nicht auf die Idee gekommen bin, da mal nachzuschlagen, zeigt: Brett vor dem Kopf.
Ich habe mich mühsam durch Gender Studies und Gender history und was weiß ich gewühlt, aber einfach bei den "Römern" im dritten Stock nachzuschauen... Ähm  :rofl:
Danke für die Denkanregung!

@JarlFrank
ZitatFrauen können einfach keinen Sex miteinander haben, weil da einfach ein "Ding" fehlt. Sie haben zwar die Ausstattung dafür, passiv Sex zu empfangen, aber nicht die Ausstattung, aktiv welchen auszuüben, denn aktiv heißt immer, dass man sein Glied in irgendeine Öffnung des Partners einführt.
Wobei die Römer tatsächlich bereits Dildos kannten und es auch entsprechend dokumentiert ist, dass die verwendet wurden, damit zwei Frauen es tun konnten wie Mann und Frau (ich finde gerade nur die Quelle nicht mehr wieder, aber belegt war es).

Zitat[...]
Frau mit Frau wurde in vormodernen Gesellschaften (Europas, zumindest) gar nicht erst mit Mann mit Frau oder Mann mit Mann verglichen, weil das Verständnis von Sexualität schlicht ein anderes war.
Das hilft mir auf alle Fälle schon mal weiter!

ZitatDer Kleine Pauly ist ganz ok, die alte Realencyklopädie ist besser.
Ich hoffe wir haben den direkt in der Bereichsbibliothek und nicht dort, wo ich schon mal war, als ich was aus ausgelagerten Beständen gebraucht habe. Dann kann ich im Zweifelsfall im Realpauly UND in der Onlineversion gucken.
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


ZitatWikipedia ist auch fürs erste eine gute Anlaufstelle um weiter zu recherchieren. Die angegebene Literatur in den Fußnoten ist meistens ganz gut, damit kann man schon was anfangen.
Danke für die Brett-vor-dem-Kopf-Beseitigung. Ich habe den Wikipedia-Artikel zur Rolle der Frau mehrmals inhaliert, die Quellen dortdrunter nachgeschaut und alles, aber dass es einen separaten Artikel zur Ehe gibt  :wums:
Den plus die Quellen schaue ich mir jetzt ganz genau an.

ZitatAm wichtigsten wäre es fürs erste, klarzustellen, welchen Rechtsstatus deine Livia in ihrer Ehe und nach dem Tod ihres Ehemanns hat. Je nachdem wie das aussieht kann es am Ende sogar sein, dass sich kaum jemand dafür interessiert, was sie mit Flavia hat.
Das kläre ich auf alle Fälle ab.
Da sie in einer manusfreien Ehe verheiratet war, gehörte sie de iure immer trotzdem zur Familie ihres Vaters. Die Frage ist, ob das auch nach dem Tod des Ehemanns der Fall ist, sofern, wie in diesem Fall, keine Kinder vorhanden sind.

ZitatUnd je nachdem wie Flavia so aussieht und sich kleidet (wie eine Frau, oder eher wie ein Mann mit sehr weiblichen Zügen?) stellt sich überhaupt die Frage, ob jemand nachschauen würde, was sich zwischen ihren/seinen Beinen befindet.
Livia jedenfalls hält Flavia lange für eine Frau, bis sich da mehr entwickelt.

Vielen Dank für eure Hilfe!
Ich recherchiere dann eifrig weiter und dann gebe ich Bescheid  :knuddel:

Fianna

Recht und Recht durchsetzen sind ja zwei verschiedene Sachen. Es kann sein, dass es vorher auch schon so war - rechtlich gesehen - aber wurde es durchgesetzt?

Das Problem hatte ich so ähnlich mit der Navy: Desertieren steht eigentlich unter Todesstrafe. Aber die wurde nicht immer vollstreckt / meist anscheinend nicht (Davies und Cordingly bleiben da recht vage und behaupten unbelegt, das sei die Ausnahme gewesen).

So ähnlich stelle ich mir das bei Dir vor: die Neuerung unter Augustus muss nicht das Gesetz selbst gewesen sein (wenn Du sagst, so ähnlich gabs das schon), sondern vielleicht, dass es nunmehr strikt durchgesetzt wurde.

Churke

Zitat von: JarlFrank am 11. Mai 2016, 10:17:48
"Weibliche Homosexualität" existiert insofern gar nicht, weil es nicht als solche wahrgenommen wird.

Ich finde diese Interpretation zweifelhaft. Die Constitutio Criminalis Carolina Karls V. bezeichnet das alles als "Unzucht wider die Natur". Männer wie Frauen hätten "nach gemeiner Gewohnheit" das Leben verwirkt.
Das soll jetzt kein Ausflug in deutsche Rechtsgeschichte werden. Aber solche Gesetze haben immer gesellschaftliche Hintergründe. Mit denen muss man sich auseinandersetzen. Wenn man die kennt, kann man die Lösungen solcher Probleme herleiten.

Das römische (Familien-)Recht ist für dynastisch denkende Großgrundbesitzer gemacht. An der Spitze steht der 80jährige Familienpatriarch als pater familias, alle anderen sind bis in die Enkelgeneration unmündig und haben zu gehorchen. Ehen werden politisch arrangiert, um die Macht und den Einfluss der Familie zu sichern und mehren. Die Tochter (eine reicht, denn Erbteilung gefährdet die Macht der Familie) ist ein Asset, das gewinnbringend verheiratet werden soll. Wenn sie rumhurt, drückt das massiv auf den Preis, also muss man sie bewachen bzw. frühzeitig verheiraten.

Außerdem: In patriarchalischen Gesellschaften ist die Frau Eigentum irgendeines Mannes. Wenn ich mit der Frau herummache, pinkel ich den Mann an. Das ist eine gegen den Mann gerichtete Beleidigung. Um seine Tochter töten zu wollen, müsste er Flavia eigentlich als Mann betrachten. Und dann ist es natürlich noch so, dass Livia Witwe ist und ein potentieller Bräutigam sowieso keine Jungfrau erwarten kann. Eine Affäre mit Flavia wäre gewiss ein übler Skandal und brächte Schande über den Ruf der Familie, aber ob Daddy da gleich das Schwert zücken muss...

Was die manus-freie Ehe betrifft: Im 3. Jahrhundert war das mit der Scheidung noch nicht so einfach. Das Szenario, dass der Brautvater mal eben vorbei kommt und seine "Investments" abzieht, drängt sich da nicht unbedingt auf. Trotzdem bleibt die Frage, ob man eine Fau will, die mitsamt ihrer Mitgift ihrem Vater gehört. Das ist eine für alle Beteiligten sehr unzufriedene Situation.

Ehrlich gesagt frage ich mich, ob es in deinem Fall nicht naheliegender und viel einfacher ist, wenn Livia einfach eine außereheliche Affäre hat.

Zitat von: Evanesca Feuerblut am 11. Mai 2016, 14:07:32
Richtig widersprechen konnte die Frau auch soweit ich es rausfinden konnte nur, wenn der Mann vorbestraft (im römischen Sinne) oder "schlecht von Charakter" war (was auch immer das heißen mochte).
Das steht bei Liebs ("Römisches Recht") aber anders. Und da ich Detlef Liebs für eine absolute Koryphäe halte...

Evanesca Feuerblut

@Fianna
ZitatRecht und Recht durchsetzen sind ja zwei verschiedene Sachen. Es kann sein, dass es vorher auch schon so war - rechtlich gesehen - aber wurde es durchgesetzt?
Nach dem, was ich herausfinden konnte, stand und fiel gerade in Rom unfassbar viel damit, ob die einzelnen Parteien überhaupt Anklage erhoben haben. Sprich: Viele Gesetze wurden ohnehin nur selten oder lax angewendet, das stimmt schon.

ZitatSo ähnlich stelle ich mir das bei Dir vor: die Neuerung unter Augustus muss nicht das Gesetz selbst gewesen sein (wenn Du sagst, so ähnlich gabs das schon), sondern vielleicht, dass es nunmehr strikt durchgesetzt wurde.
Wobei Augustus die Gesetze auch tatsächlich verschärft hat. Die "Inkubationszeit" für eine Witwe hat er von 10 auf 12 Monate verlängert, solange durfte sie nicht neu heiraten, aber alle Frauen zwischen 20 und 50 MUSSTEN verheiratet sein (sonst Geldstrafe) und alle Männer zwischen 20 und 60 (sonst, auch hier, Strafe). Jedenfalls ab Augustus.
Davor gab es nur die Sache mit dem "Eine Witwe soll 10 Monate ledig bleiben", um sicherzustellen, dass ein etwaiges Baby auch wirklich vom verstorbenen Gatten ist, das kriegt nämlich dann die Familie des Mannes, da die römische Mutter juristisch nicht mit dem eigenen Baby verwandt ist.
Ist schon interessant...

@Churke
ZitatIch finde diese Interpretation zweifelhaft. Die Constitutio Criminalis Carolina Karls V. bezeichnet das alles als "Unzucht wider die Natur". Männer wie Frauen hätten "nach gemeiner Gewohnheit" das Leben verwirkt.
Was ich interessant finde, da sich so eine Unzucht bei Frauen ja schwerer nachweisen lässt. Offtopic im Spoiler:
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.


ZitatAn der Spitze steht der 80jährige Familienpatriarch als pater familias, alle anderen sind bis in die Enkelgeneration unmündig und haben zu gehorchen. Ehen werden politisch arrangiert, um die Macht und den Einfluss der Familie zu sichern und mehren. Die Tochter (eine reicht, denn Erbteilung gefährdet die Macht der Familie) ist ein Asset, das gewinnbringend verheiratet werden soll. Wenn sie rumhurt, drückt das massiv auf den Preis, also muss man sie bewachen bzw. frühzeitig verheiraten.
Den Eindruck hatte ich auch.
Das Problem stellt sich eben, was als "rumhuren" gilt und was nicht.

ZitatUm seine Tochter töten zu wollen, müsste er Flavia eigentlich als Mann betrachten. Und dann ist es natürlich noch so, dass Livia Witwe ist und ein potentieller Bräutigam sowieso keine Jungfrau erwarten kann. Eine Affäre mit Flavia wäre gewiss ein übler Skandal und brächte Schande über den Ruf der Familie, aber ob Daddy da gleich das Schwert zücken muss...
Das wäre mir persönlich die liebste Variante, da Livia dann genug Schaden angerichtet hätte mit ihrer Affäre, aber nicht gleich sterben müsste. Wenn das bei der Recherche auch wirklich rauskommt, würde die reale Geschichte quasi perfekt zu meinem Plot passen. Aber ich muss mich natürlich absichern, weil ich mein Wunschdenken nicht einfach als historisch voraussetzen kann.

ZitatWas die manus-freie Ehe betrifft: Im 3. Jahrhundert war das mit der Scheidung noch nicht so einfach. Das Szenario, dass der Brautvater mal eben vorbei kommt und seine "Investments" abzieht, drängt sich da nicht unbedingt auf. Trotzdem bleibt die Frage, ob man eine Fau will, die mitsamt ihrer Mitgift ihrem Vater gehört. Das ist eine für alle Beteiligten sehr unzufriedene Situation.
Ne, aber da in diesem Fall niemand ursprünglich vorhatte, sich scheiden zu lassen... Ich ging einfach davon aus, dass die manus-Ehe aus irgendeinem in den von mir gelesenen Quellen nicht näher beschriebenen Grund allmählich ausgestorben ist.
Die Familie des verstorbenen Mannes muss ohnehin die zwei Mitgift-Raten wieder an Livias Familie zurückzahlen. Hätte er ein Jahr länger gelebt, hätten sie es behalten dürfen, habe ich das richtig verstanden?

ZitatEhrlich gesagt frage ich mich, ob es in deinem Fall nicht naheliegender und viel einfacher ist, wenn Livia einfach eine außereheliche Affäre hat.
Ich grüble mal darüber, ob das zu Livia als Person passt.

ZitatDas steht bei Liebs ("Römisches Recht") aber anders. Und da ich Detlef Liebs für eine absolute Koryphäe halte...
Ich habe bei Liebs die entsprechende Stelle mal nachgeschlagen. Sprich: Juristisch gesehen gibt es keine Zwangsehen und somit kann eine Ehe nicht mit der Begründung "Da war Zwang" geschieden werden. (In der Ausgabe, die ich mir angeguckt habe Seite 125)
Was ich meine, ist, dass es in der Praxis vermutlich so lief, dass es relativ leicht war, sich das Einverständnis eines siebenjährigen Mädchens zu holen, wenn man es nur mit den richtigen Worten ordentlich gefragt hat, sodass juristisch kein Zwang vorlag. Das Kind wusste eben nicht wirklich, was "Heiraten" jetzt impliziert.
Also für das Heiratseinverständnis an sich bei der Verlobung.
Ich fitze mich aber gerade generell durch alle Textstellen durch, die Frauen erwähnen, finde nur nichts, was sich konkret auf meinen Fall anwenden lässt.


Evanesca Feuerblut

Aktualisierung:
Ich konnte die Handlung um 100 Jahre vorverlegen, ohne die historischen Ereignisse, die ich einbeziehen wollte, dadurch irgendwie zu beschädigen.
Damit bin ich immer noch vor Augustus, aber zumindest steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die gesellschaftlichen Gepflogenheiten in Caesars Geburtsjahr nicht ganz so weit von dem, was quellentechnisch halbwegs belegt ist, abweichen, sodass ich als Studie über die Gesellschaft der damaligen Zeit ein paar Quellen mehr konsultieren kann.
Damit bin ich gerade beschäftigt.

Danke an @Fianna für diese Anregung, die mir das Recherchieren zumindest stark vereinfacht hat! Ich lese gerade ein paar Quellen (in Übersetzung, SO gut ist mein Latein nun doch nicht) und halte euch auf dem Laufenden.