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Gut bei Stimme: Übungen und Tricks für Sängerinnen und Vorleser

Begonnen von Ary, 10. Mai 2016, 09:59:51

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Ary

... oder Vorleserinnen und Sänger. Ganz gleich - denn egal ob Männlein oder Weiblein, wer viel spricht oder singt, braucht eine tragende, kräftige Stimme. Und damit meine ich nicht Stimmkraft, die durch Druck ensteht, sondern die, die durch Training und richtige Sprech/Singtechnik zustande kommt.

Weil ich selber arge Probleme beim Vorlesen (seltsamerweise nicht beim Singen) habe, habe ich mich mal ein bisschen mit Stimm-und Sprechtechnik beschäftigt und auch durch Chorarbeit und Gesangsunterricht einige gute Tipps und Übungen bekommen, die ich gern mit euch teilen und durch eure Anregungen auch gern erweitern möchte.

Gerade, wenn man einen Raum ohne Mikrofon "füllen" muss, gerät man, was Stimmvolumen angeht, schnell an seine Grenzen, wenn man nicht gerade von Natur aus schon über eine Donnerstimme verfügt. Frauen und Männer mit hellen Stimmen haben es meiner Erfahrung nach noch schwerer, weil helle Stimmen nicht so weit tragen wie dunkle. Ich spreche hier absichtlich nicht von "hohen" und "tiefen" Stimmen.
Aber wie komme ich denn nun zu Stimmvolumen, wenn ich nicht "schreien" will?
Die Antwort steckt schon in dem Wort "Stimmvolumen" - es geht nicht um Lautstärke durch Druck (den spürt man, wenn man angestrengt schreit oder lauf redet oder singt), sondern durch Volumen, durch Weite und Offenheit.

Meine Gesangslehrerin sagt immer: "Nicht DU singst, sondern ES singt DURCH dich."
Was sie mir damit sagen will: singen und auch sprechen ist etwas, das wir gar nicht zu sehr aktiv steuern wollen sollten, weil es dann sofort unnatürlich und künstlich klingt, die Kehle eng wird und der Atem nicht mehr fließt, sondern sich staut und man das Gefühl hat, fast zu ersticken, auch wenn man genug eingeatmet hat. Das aktive Einatmen wird da tatsächlich zum Problem.

Was passiert, wenn man versucht, aktiv so richtig tief einzuatmen? Meistens atmen wir dann nicht tief in den Bauch rein, sondern in die Brust, und fühlen sofort einen unangenehmen Druck und eine enge Kehle.

Aber wie komme ich nun zu diesem gefühl von Weite, Endlosluft und Volumen in der Stimme?

Dazu eine kleine Übung. Stellt euch aufrecht hin, mit Körperspannung, aber nicht starr, die Knie ganz leicht gebeugt, die Fußgelenke "weich", Arme locker hängen lassen. Wer dazu neigt, die Schultern nach von hängen zu lassen (so wie ich...), sollte erst mal die Schultern langsam kreisen lassen. Von vorn nach hinten, in dem Moment, in dem die Schultern nach vorn rollen, einatmen, beim Zurückrollen langsam ausatmen und die Schulterblätter leicht hinten zusammenziehen. Das weitet den Brustkorb.
Vorsichtiges Armkreisen oder sanftes Dehnen der Nackenmuskeln (Handflächen zeigen zum Boden, die Arme sind gestreckt, dann den Kopf langsam nach Rechts oder Links neigen, als ob man das Ohr auf die Schulter legen wollte, aber nicht dabei die Schulter hochziehen, das Ganze drei-bis fünfmal pro Seite) lockert ebenfalls den für das Singen und Sprechen wichtigen Schulter-Nackenraum.

Jetzt geht es an die Stimme, auch wenn diese ersten Übungen noch komplett "stimmlos" sind. Sie dienen der Weitung und der Aktivierung des Zwerchfells. Atmet locker ein, dann lasst die Luft auf einem scharfen sssssssssssssssss wieder raus und stellt euch dabei einen Wasserfall vor, der von euren Lippen runter auf den Boden fließt und sich dort zu einem Fluss weitet. macht das so lange, bis ihr das Gefühl habt, gleich nicht mehr zu können und unbedingt atmen zu müssen. An diesem Punkt haltet ihr noch ein paar Sekungen inne, und dann öffnet den Mund und richtet euch auf, breitet die Arme aus. Ihr werdet merken, dass sich eure Lunken ganz von selbst mit Luft füllen, und zwar so richtig tief. Das liegt daran, dass durch die vorher durch das Ausatmen gegen Widerstand (sssssssssssss) Spannung im Zwerchfell explosionsartig wieder löst und dadurch der gesamte Brust-Bauchraum weit wird. Probiert dasselbe auch mit Ausatmen auf "sch" oder "f".
Merkt ihr was? Wenn ja: super!

Was auch sehr schön das Zwerchfell aktiviert und für die nötige "Stimmstütze" sorgt: die Konsonanten p, t und k sowie fffff, ssss und sch. Sagt mal abwechselnd und nicht zu langsam "fff-sss-fff-sch-p-t-k", wobei p, t und k tatsächlich nur p, t und k sind (nicht "peee-teee-kaaa"). Wenn ihr dabei eine Hand auf den Magenbereich legt, merkt ihr, wie das Zwerchfell sich bei diesen "Explosivlauiten" bewegt. Wenn es das tut, macht ihr die Übung richtig.
Gerade die Atemübungen helfen auch wunderbar gegen Nervosität und Lampenfieber, und die Nacken-und Schultergymnastik macht insgesamt locker. Ihr könnt auch Beine und Arme ausschütteln, euch langsam vorbeugen und dann Wirbel für Wirbel wieder aufrichten und euch mit erhobenen Armen zur Decke strecken. Alles,w as die Muskulatur dehnt und die Rippenmuskeln streckt, ist gut für die Stimme, denn man singt und spricht mit dem ganzen Körper und nicht nur mit dem Stimmapparat.

Merkt ihr vielleicht, dass euch sprechen und/oder singen anstrengt und ihr das Gefühl habt, die Halsmuskeln tun euch weh oder ihr verspannt euch im Bereich des Kehlkopfes?
Jetzt wird es richtig albern, denn die Übung, die dagegen hilft, sieht zum einen ausgesprochen dämlich aus und klingt auch nicht besonders toll. Macht sie allein im stillen Kämmerlein, wo euch niemand sieht oder hört, und guckt bloß nicht in einen Spiegel.
Denkt an eine widerkäuende Kuh und lasst mit leicht geöffnetem Mund den Unterkiefer kreisen. Diese Übung lockert die Muskulatur des Zungengrundes, und das verhindert, dass ihr beim singen oder reden in die Anspannung kommt, die den Kehlkopf hochzieht. DAS ist es, was reden oder singen anstrengend macht und die Stimmlippen angreift.
Malmt eine Weile stumm vor euch hin, dann fangt an, dabei auch Silben zu bilden. Am besten funktionieren Silben mit "d", also da, do, de, du, di, dä, dö, dü. Dabei werdet ihr merken, dass jeder Konsonant im Mundraum einen anderen "Sitz" hat. "Da" scheint oben an eurem Gaumen zu hängen, "de" oder "di" und die Umlaute ü und ä sitzen etwas weiter hinten am weichen Gaumen und rutschen leicht nach hinten - wenn sie zu weit nach hinten rutschen, klingt die Stimme "halsig" oder "knödelig". Das beste beispiel für das Knödeln ist die deutsche Stimme von Kermit dem Frosch. Das klingt lustig, aber nicht schön, also sollte man versuchen, diesen "Stimmfehler" zu vermeiden.

Ihr habt euch aber noch nicht genug zum Obst gemacht. Oben auf der Bühne könnt ihr ja schlecht erst mal stundenlang dem Publikum was vorturnen oder vorkauen, das macht ihr hinter der Bühne oder auf dem Parkplatz. Jetzt steht ihr auf dem Podium und sollt lesen. Woher holt ihr dann also so plötzlich die "Weite" für die Stimme?
So blöd das klingt: mit einem staunenden Gesichtsausdruck.
Überlegt mal bewusst, was ihr macht, wenn ihr ein Überraschungsgeschenk auspackt. Was passiert in eurem Gesicht, wie atmet ihr? Wie ist eure Körperspannung?
Die Augen weiten sich. Euer Mund formt ein stummes "Oh!" Vielleicht breitet ihr die Arme aus. Macht das mal. Hinstellen, staunen, die Augen öffnen, ein Lächeln andeuten, stumm "Ohhhhh!" formen. Ihr werdet euch wundern, wie "weit" euch das in eurem Inneren macht.

Und dann fangt ihr an zu lesen. Ihr habt euren Text wahrscheinlich geübt und kennt ihn fast auswendig, aber für das Publikum ist er neu, und so muss er auch klingen. Das ist alles superspannend, was ihr den Leuten da erzählt.
Wichtig ist es, langsam zu lesen - nicht so langsam, dass die Leute einpennen, aber doch langsam genug, dass eure Worte auch im hinteren Teil des Saales angekommen sind, bevor ihr den nächsten Satz lest. Vor allem, wenn ihr noch nie ein Mikro vor der Nase hattet, sorgt dafür, dass ihr das vorher üben könnt, denn allein mit "ins Mikro sprechen" ist es nicht getan. Nehmt euch die Zeit, das Mikrofon auf eure Größe, auf eure Sitzhaltung einzustellen - der Technikmensch im Hintergrund wird es euch danken. Habt keine Angst vor dem Mikro. Die Dinger beißen nicht. Sprecht normal, nicht leiser oder lauter, als ihr es gewohnt seid, und geht nah genug an das Mikro heran. Sprecht immer frontal in das Mikro und dreht nicht den Kopf weg, während ihr redet, denn dann nervt ihr euer Publikum mit Lautstärkeschwankungen.
Überlegt euch vorher, ob ihr lieber sitzt oder steht, wenn ihr lest. Ich persönlich stehe lieber, weil ich im Stehen unbewusst besser atme.

Wenn ihr das Gefühl habt, beim Lesen außer Atem zu kommen, auch wenn ihr langsam sprecht und immer wieder einatmet, dann kann es sein, dass ihr nicht genügend AUSatmet. Denn man braucht zum Sprechen oft deutlich weniger Luft, als man meint. Atmen in Pausen bewusst aus und versucht, nicht krampfhaft Luft wieder einzusaugen (macht Kehle und Brust eng und sorgt für das Gefühl von Luftballon im Bauch), sondern lasst die Luft natürlich nachströmen. Endet ein Wort, das ihr lest, auf t, auf p oder k? Nutzt das aus. Sagt mal ganz bewusst "t". Wie bei der p-t-k-Übung werdet ihr merken, dass durch die Spannung, die der Explosivlaut erzeugt, ganz natürlich Luft in eure Lungen strömt, wenn ihr euch wieder entspannt. Das könnt ihr fürs Lesen nutzen.

So, und jetzt höre ich erst mal auf. Ich poste immer wieder mal Übungen hier rein, bin neugierig auf eure Erfahrungen und Fragen, und auf eure Tipps und Tricks für eine gute, tragende Stimme.





Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Feuertraum

Hallo Aryana,

danke für die Tipps und Übungen, die ich demnächst (wenngleich auch nur im stillen Kämmerlein) ausprobieren mag. Ich hoffe, Sie haben für eines meiner "Probleme" auch einige Kniffe, wie ich dieses in den Griff bekomme. Nach meinem letzten Auftritt auf einer Offenen Bühn bekam ich als Feedback, dass ich viel zu schnell spreche. Ich bekomme dies jedoch nie wirklich mit; ich spreche meinen auswendig gelernten Text, setze meine Modulation und meine Akzente so ein, wie ich sie mir ausgemalt habe. Das alles bekomme ich auch mit, aber die Geschwindigkeit, mit der ich spreche, zieht an mir vorbei. Für mich klingt sie "normal".
Zwar habe ich im Internet einige Kniffe gelesen, wie man langsames Sprechen erlernen kann, aber fast immer mit dem Zusatz: Solange wiederholen, bis man das richtige Sprechtempo hört. Und da passiert es wieder, dass ich wohl zu schnell spreche.
Haben Sie eine Idee, wie man mitbekommt, wenn man zu schnell spricht?
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Tinnue

Oh vielen Dank, Ary. Ich finde einige Dinge wieder, die ich aus dem Chor kenne, aber auch etwas Neues. Atem und Spannung waren beim Singen immer ganz wichtige Dinge für mich, das konnte ich dann teilweise gut auch aufs Lesen/Vorlesen übertragen. Hatte ich keine Spannung, konnte ich manchmal gut bemerken, dass die Stimme an Stärke verliert und sich dünn anhört. Beim Aufgeregtsein neigt man dazu, diese Spannung evtl zu verlieren. Dann hab ich immer ein Stimmlein. Als ich mal vor Leuten gelesen hab, hab ich versucht, mich daran zu erinnern. Aufrecht zu stehen vorher, den Atem zu spüren, wo er herkommt, wie es sich anfühlt, und zusammen mit der Übung von dir hier hat das schon enorm geholfen.

Ich find es in dem Zusammenhang super interessant, wie sich da Parallelen zwischen gesprochenem und gesungenem Vortrag finden lassen. Mittlerweile erst seh ich, wie gut mir das singen getan hat, auch das Vorlesen zu verbessern, auch wenn ich anfangs erstmal Schiss hatte, vor Leuten zu singen.

Alys

Auch wenn es keine Stimmübung ist, dann ist es doch ein Trick von meiner Logopädin, der mir ganz toll weitergeholfen hat: es gibt Tabletten für Sänger (darf ich hier den Markennamen eines Arzeneimittels nennen? - man kriegt sie frei in jeder Apotheke) die man in den Mund nimmt und die sich ganz langsam mit einem leichten Kitzelgefühl auflösen. Wenn ich in der Arbeit nach einem halben Tag merke, dass die Stimme mal wieder wegbricht, dann einfach eine davon unter der Zunge parken und 5 min nix sagen. Die Tabletten befeuchten die Schleimhäute und damit auch die Stimmbänder prima, und danach ist die Stimme echt wieder deutlich besser. Als Notfallmittelchen unschlagbar.
Always avoid alliteration.

Mondfräulein

Mein Musiklehrer hat uns früher jahrelang viele Zwerchfellübungen machen lassen, weil man das beim Spielen von großen Blasinstrumenten wirklich gut gebrauchen kann. Ich weiß nicht, ob das auch beim Sprechen etwas bringt, aber das könnte ich sehr gut gebrauchen, weil ich viele Präsentationen und Vorträge halten muss und mir oft gesagt wird, dass ich zu leise spreche. Eine Übung bestand darin, dass wir uns auf den Boden legen mussten und er hat ein paar Bücher auf unseren Bauch gelegt. Wir mussten dann tief in den Bauch einatmen, sodass wir die Bücher nach oben gehoben haben. Alternativ kann man auch jemanden bitten, einem mit der Hand aufs Zwerchfell zu drücken, damit man gegen den Widerstand das Zwerchfell ausdehnen muss. Er war zumindest davon überzeugt, dass das das Zwerchfell kräftigt.

Mailor

@Feuertraum: Das mit dem langsamen Sprechen ist garnicht so leicht. Selbst bekommt man das wirklich kaum mit. Da hilft nur üben, üben, üben und immer wieder gegenhören und sich gegenhören lassen, irgendwann bekommt man das Gefühl dafür. Es hilft sich selbst aufzunehmen und sich selbst gegen zu hören, da fällt einem meist schon selbst auf, dass es recht flott war.

Allgemein hilft um langsam zu Sprechen, ruhig zu atmen (auch bevor man mit dem Sprechen beginnt) und immer wieder kurze Pausen zu machen. Der Atmen gibt den Takt vor. Faustregel: bei Kommas und Satzzeichen, Pause machen.
Auch hilft es, sich bewusst auf die Wortenden zu konzentrieren und diese auch bewusst auszusprechen. Das drosselt das Tempo auch schon ungemein.

Wenn ich Texte lese, markier ich mir die sehr gern durch. Kennzeichne mir lange und kurze Pausen, bestimmte Wortenden, die ich gern verschlucke, Stellen an denen ich das Tempo etwas anziehe und wo ich mir viel Zeit lassen möchte. Wo geh ich mit der Stimme runter, wo hoch. Es hilft sich Zeit zu lassen und wirklich jedes Wort beim Sprechen zu fühlen, in jedem Wort bewusst zu sein. Das erzeugt a) Spannung und man wird b) automatisch langsamer.

Vielleicht hilft es ja :)
Wenn man vor dem Mokro spricht, würde ich mir um das Stimmvolumen nicht zu viele Sorgen machen. Wichtig ist nah ran, ruhig zu bleiben, tief zu atmen und ein Glas Wasser. Damit hat man meist schon die halbe Miete. Wenn man entspannt ist, ist auch der Hals viel lockerer und der Atem ruhiger. Dann hält man viel leichter durch.

caity

Sehr gute Idee, das einmal zu sammeln, Aryana.
Ich mache aktuell ein Stimmtraining und habe dort folgende Tipps für ein sehr schnelles Aufwärmen erhalten, das notfalls auch unterwegs funktioniert:
1. Gähnen: Wie beim Singen ist es auch beim Sprechen wichtig, den Rachen hinten weit zu machen, weil dann die Resonanz größer ist. Diese Stellung, die man dazu braucht, kann man durch ausgiebiges Gähnen erreichen.
2. Schnauben wie ein Pferd: Zuerst in einer angenehmen Lage, solange wie möglich. Nach einer Weile kann man auch verschiedene Tonhöhen ausprobieren.
3. Summen: Auch wieder zuerst in der angenehmen Lage, dann ein wenig wechseln.

Abgesehen davon ist Atmen super wichtig, aber das hat Aryana schon sehr gut erklärt. Ein zusätzlicher Tipp wäre noch: Versucht, nicht in die Brust, sondern in den Bauch zu atmen. Abgesehen davon, dass sich beim Bauch-Atmen die Bauchdecke nach vorne bewegt, sollten sich auch die Schultern nicht heben.
Für die richtige Haltung ist es außerdem hilfreich, sich vorzustellen, man habe einen Scheinwerfer auf seiner Brust. Man richtet sich dann automatisch besser auf und außerdem dringt man durch diese Vorstellung besser durch.

Das mal als grundlegende Tipps, die ich sehr hilfreich finde  :)
Bin gespannt, was hier sonst noch so kommt  ;D

Alles Liebe,
Isabella
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Ary

:) Das mit dem Scheinwerfer finde ich gut. Meine Gesangslehrerin sagt immer, ich solle mir eine Halskette mit einem supertollen Anhänger vorstellen, den ich unbedingt allen zeigen muss. Und schon halte ich mich unbewusst aufgerichteter.

Zu dem schnell sprechen ... das Problem habe ich auch und ich habe dafür auch keine andere Lösung als üben, aufnehmen zur Selbstkontrolle und immer wieder üben.

Ich habe ein "lustiges" Problem, das ich nur beim lesen habe, nicht beim singen - ich atme nicht AUS. Irgendwann klingt meine Lesestimme total erstickt, weil ich zu viel Luft in mir habe und sie nicht loswerde, und das fühlt sich extrem unangenehm an. Ich kann ja nicht während des Lesens plötzlich durchschnaufen.
Vielleicht hilft da auch das anmarkern für bewusste Pausen zum leisen Durchatmen. Hat da vielleicht noch jemand Tipps?
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

caity

Hast du das Problem denn nur beim Lesen oder auch beim "normalen" Sprechen?
Meine Lehrerin meint immer, das Atmen und Lesen wird dann leichter, wenn der Text selbst und nicht mehr seine Präsentation im Vordergrund steht, und dann weniger Lesen, als mehr ... Sprechen?
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Ilva

Zur Haltung im Stehen könnte ich noch beitragen: Die meisten Leute haben ja am Hinterkopf eine Art kleinen Haarwirbel. Stellt euch vor, ihr wärt an einer Feder aufgehängt, die dort ansetzt und euch sanft nach oben zieht. Zudem braucht ihr Raum in der Kehle. Mir half die Vorstellung, ein Fenster im Nacken zu haben, dessen Flügel sich öffnen. Gähnen ist natürlich auch immer super.

Zum Sprechtempo habe ich mal gehört, dass sich dieses unbewusst am Herzschlag orientiert. Deshalb kann man langsam üben, aber wenn man nervös wird, ist man dennoch wieder zu schnell. Bei manchen Vorträgen habe ich mir deshalb ein externes Metronom verpasst: Ein Kopfhörer im Ohr mit einem langsamen Musikstück. Die Mondlicht-Sonate eignet sich hervorragend. Allerdings klappt das nur, wenn man das Kabel unter den langen Haaren verbergen kann.  ;D
Alternativ jemanden in die vorderste Reihe setzen, der die Lesung kennt und unauffällig ein Zeichen gibt, wenn man sich gerade wieder in einen Schnellzug verwandelt.

Zitat von: Aryana am 22. Mai 2016, 19:24:14
Ich habe ein "lustiges" Problem, das ich nur beim lesen habe, nicht beim singen - ich atme nicht AUS. Irgendwann klingt meine Lesestimme total erstickt, weil ich zu viel Luft in mir habe und sie nicht loswerde, und das fühlt sich extrem unangenehm an. Ich kann ja nicht während des Lesens plötzlich durchschnaufen.
Vielleicht hilft da auch das anmarkern für bewusste Pausen zum leisen Durchatmen. Hat da vielleicht noch jemand Tipps?
Vielleicht hilft es dir, die gleiche Atmung wie beim Singen zu üben? Dort klappt es schliesslich.
Ich meine dieses passive Entspannen, damit Luft in die Lunge strömt, statt aktiv Luft zu holen, die du sowieso nicht ganz verbrauchen kannst. Die sollte eigentlich auch beim Lesen möglich sein. Oder etwas lauter lesen und damit mehr Luft ausatmen?
Und ich glaube, niemand nimmt es dir krumm, wenn du ab und zu durchatmen musst. Soll ja menschlich sein. ;)

Ach, ich sehe gerade beim erneuten Durchlesen, dass du diese passive Atmung bereits vorschlägst. Schade, wenn es doch nicht klappt.

Ich hätte da noch eine Frage dazu. (Nicht dass Vorlesen bei mir schon ein Thema wäre)
Beim Singen (vor allem im Chor) wird einem beigebracht, Konsonanten mit Zwechfell-Einsatz (s, t, z, k, p etc.) übermässig deutlich zu betonen, damit das Publikum überhaupt etwas vom Text versteht. Macht man das eigentlich auch bei Lesungen?

caity

@Ilva: Laut meiner Stimmbildungslehrerin, nein. Beim Singen braucht man das, weil man sonst die Wörter nicht versteht. Wenn man aber nicht gerade ein Problem mit der Artikulation hat, wirkt ein übermäßiges Betonen beim normalen Sprechen schnell unnatürlich.
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Ary

Das Problem mit dem Ausatmen habe ich nur explizit beim vorlesen. Weder beim Vortragen noch beim Singen. Es nervt wirklich ganz extrem.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Mailor

@Aryana:
Ich spreche immer so lange, bis der Großteil der Luft draußen draußen ist. D.h. ich machen zwischendurch Pausen beim Sprechen in denen ich weder ein- noch ausatme, sondern den Atem halte und dann sprech ich normal weiter. Irgendwann ist die Luft dann draußen ... Ich denke, das kommt durch's singen, weil man da ja das "Atemschöpfen" lernt. Das ist beim Vorlesen absolut unnötig, zu mal sich starke Einatmer auch nicht sonderlich gut anhören. D.h. man versucht möglichst sanft ein und aus zu atmen.
Was mir geholfen hat ist die Yogische-Wechselatmung. Dabei lernt man sehr gut, langsam und bewusst zu atmen und mit zu zählen. Irgendwann lass die Finger weg und versuch durch den Mund genauso langsam und "zart" zu atmen wie durch ein Nasenloch mit dem selben Zählrythmus und der Atempause. Es ist erstaunlich mit wieviel Luft man auskommt.
Auch hilft es sich selbst im Alltag zu beobachten, in der Regel haben wir beim Sprechen mit Freunden oder in der Familie keine Probleme mit dem Atmen, weil wir es von Natur aus "richtig" machen. Daher kann es durchaus helfen, den eigenen Atem im Alltag zu beobachten und das dann auf's Vorlesen zu übertragen.

Vielleicht helfen die Tipps ja  :D Ich drück dir die Daumen.

Edit: Ich würde übrigens beim Lesen nie bewusst ausatmen, es sei den es passt zum Kontext, des gelesen Textes. Das ist so eine Macke, die sehr viele deutsche Sprecher und Schauspieler haben, ständig bewusst auszuatmen. Ich finde das klingt furchtbar und zwingt einen in einen Sprechrhythmus, der eigentlich total unnatürlich ist. Ich habe nie ein Sprechtraining oder der gleichen gemacht, sondern mich immer nur am Alltag orientiert. Meist hilft es mir, einfach nur den Kopf auszuschalten und mir ein Tratschgespräch mit der Nachbarin vorzustellen und von der Leber weg zu reden.

Ilva

Zitat von: caity am 22. Mai 2016, 19:52:57
@Ilva: Laut meiner Stimmbildungslehrerin, nein. Beim Singen braucht man das, weil man sonst die Wörter nicht versteht. Wenn man aber nicht gerade ein Problem mit der Artikulation hat, wirkt ein übermäßiges Betonen beim normalen Sprechen schnell unnatürlich.
Danke für die schnelle Antwort!

Merwyn

Zitat von: Ilva am 22. Mai 2016, 19:46:30
Beim Singen (vor allem im Chor) wird einem beigebracht, Konsonanten mit Zwechfell-Einsatz (s, t, z, k, p etc.) übermässig deutlich zu betonen, damit das Publikum überhaupt etwas vom Text versteht. Macht man das eigentlich auch bei Lesungen?

Jein.
Professionelle Sprecher lernen das durchaus, aber halt in dem Maß, in dem es richtig ist.
Wenn du "nur" bei einer Lesung vorliest, klingt es in den meisten Fällen wahrscheinlich zu übertrieben oder schlicht falsch betont. Da ich nun quasi vom Fach bin, höre ich z.B. so was bei anderen Menschen durchaus und es fällt mir auch negativ auf (besonders falsch ausgesprochene -ig's gehen mir jetzt so was von auf den Senkel, es nervt mich selbst, wie sehr mich das nervt ;))), aber die Mehrheit der Zuhörer dürfte "ungeschult" sein und es somit selbst auch nicht besser wissen.

Was das zu schnelle Sprechen angeht, da hilft neben üben, üben, üben eigentlich nur, sich für das eigene Empfinden bewusst langsamer auszudrücken, als man das normalerweise tun würde. Wenn man selbst den Eindruck hat, man spricht viel zu langsam, ist es für die Zuhörer oft genau richtig.
Man sollte immer dran denken, dass das Publikum den Text wahrscheinlich nicht (so gut) kennt, wie man selbst, und sie deswegen nicht nur einfach zuhören, sondern auch verarbeiten müssen, was da gelesen wird.