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Regeln und Gesetze des Schreibhandwerks - darf man sie brechen?

Begonnen von Ratzefatz, 04. Mai 2016, 07:00:17

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Slenderella

Es ist aber schwer, da hinterzusteigen, was ein Verlag wirklich will.
Du schreibst was, wo du denkst, das haben die so schon zig mal verlegt und das passt einfach genau und dann sagt dir der erste: Nö, also das ist uns zu banal. Der nächste sagt, olé das ist zu speziell. Der übernächste sagt dann, das verkauft sich nicht, hat aber 300 solcher Bücher im Programm.

Ich war letztens ganz erstaunt, eine super ehrliche Antwort von einem sehr großen Verlag zu bekommen, wo sie das Manuskript zwar voll toll fanden, aber genau ein ähnliches (thematisch) haben und dazu gesagt haben, dass sich das leider gar nicht verkauft, daher müssen sie mich auch ablehnen (obwohl die das Risiko locker tragen könnten).

Marktkompatibel zu schreiben ist nicht einfach, selbst WENN man genau studiert was geht, laufende Klischees übernimmt, die überall ziehen und in diesen "Regeln" enthalten sind, die Schreibratgeber propagieren hat man halt trotzdem nicht die Garantie unter Vertrag zu kommen.
Da kann ich mir die Zeit halt auch schenken, die es mich kostet das zu lesen.
Ich brauch noch eine Katze
Und ein Beil wär nicht verkehrt
Denn ich gehe heute abend
Auf ein Splatter-Pop-Konzert

Churke

Um hier mal eine etwas anderes Perspektive reinzubringen...
Am Wochende kam "The Legend of Hercules".
Der Film hat 70 Millionen Dollar gekostet und ist grottenschlecht. Das liegt zu einem wesentlichen Teil daran, dass der Plot wirkt, als wäre er aus Schreibratgebern zusammengeschustert. Figuren wie aus dem Handbuch: böser Bruder, tyrannischer Vater, die ganze große Liebe, der weise Mentor... Gnadenlos trashig und ohne ein Fünkchen Inspiration.

Also: Ratgeber sind nicht alles.


Trippelschritt

Habe ich reingeschaut und nach ungefähr zehn Minuten wieder rausgeschaut. Aber welchen Schreibratgeber zitierst Du da, Churke. Ich kenne keinen, der solche schlimmen Dinge vorschlägt.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Cailyn

#48
Slenderella
Klar, wenn du Ratgeber nur als Mittel siehst, um den Verlagen zu entsprechen, ist das schon irgendwie überflüssig. Aber mir persönlich geht es mehr darum, ein wirklich gutes Buch zu schreiben. Das Handwerk zu erlernen und, wie Trippelschritt sagt, den Horizont zu erweitern. Es ist ja mehr eine Inspiration als ein Diktat oder eine Anpassung an den Markt.

Churke,
Also dein Beispiel hat doch jetzt überhaupt nichts mit einem Schreibratgeber zu tun. Wo hast du denn gelesen, dass es zu einem guten Buch einen tyrannischen Vater und einen bösen Bruder gehen soll? In den meisten Ratgebern geht es ja um Struktur, um Beispiele (nicht Vorgaben), was zu einem spannenden Konflikt führen "könnte". Aber da wird doch nicht gesagt, welche Figuren im Konkreten ein guter Antagonist oder ein guter Konflikt ist. Habe ich noch nie irgendwo gesehen. Und zu dem weisen Mentor... klares Klischee. Aber in Ratgebern wird doch gerade davon abgeraten, solche Figuren zu konzipieren, ausser wenn es wirklich in diese Geschichte gehört und mit diesem weisen Mentor was geschehen soll, was dem Klischee nicht mehr entspricht. Z.B. Saruman, früher weise, wird zum dunklen Magier, so als Beispiel. Wenn du mir aus 2-3 Ratgeber zitieren kannst, dass man solche und solche Figuren einbringen soll, dann finde ich dein Fazit ok. Aber so komme ich gerade auf die Idee, dass du ohnehin darauf pfeifst und du diese Beispiele nicht belegen kannst.

canis lupus niger

Um meine persönliche Meinung mit wenigen Worten auszudrücken:

Ja, man darf die Regeln und Gesetze des Schreibhandwerks brechen. Wenn man das mit Sinn und Verstand tut, kann dabei was wirklich Gutes und vielleicht Bahnbrechendes entstehen. Auch Schreibregeln haben sich schließlich im Lauf der Zeit immer wieder geändert und Moderichtungen angepasst. Man darf nur nicht erwarten, dass jedem gefällt, was man da geschrieben hat. Und wenn es dem Lektor nicht gefällt, muss man damit rechnen, dass er das angebotene Manuskript ablehnt.  :-\

Slenderella

Zitat von: Cailyn am 16. Mai 2016, 12:32:16
Slenderella
Klar, wenn du Ratgeber nur als Mittel siehst, um den Verlagen zu entsprechen, ist das schon irgendwie überflüssig. Aber mir persönlich geht es mehr darum, ein wirklich gutes Buch zu schreiben. Das Handwerk zu erlernen und, wie Trippelschritt sagt, den Horizont zu erweitern. Es ist ja mehr eine Inspiration als ein Diktat oder eine Anpassung an den Markt.

Churke,
Also dein Beispiel hat doch jetzt überhaupt nichts mit einem Schreibratgeber zu tun. Wo hast du denn gelesen, dass es zu einem guten Buch einen tyrannischen Vater und einen bösen Bruder gehen soll? In den meisten Ratgebern geht es ja um Struktur, um Beispiele (nicht Vorgaben), was zu einem spannenden Konflikt führen "könnte". Aber da wird doch nicht gesagt, welche Figuren im Konkreten ein guter Antagonist oder ein guter Konflikt ist. Habe ich noch nie irgendwo gesehen. Und zu dem weisen Mentor... klares Klischee. Aber in Ratgebern wird doch gerade davon abgeraten, solche Figuren zu konzipieren, ausser wenn es wirklich in diese Geschichte gehört und mit diesem weisen Mentor was geschehen soll, was dem Klischee nicht mehr entspricht. Z.B. Saruman, früher weise, wird zum dunklen Magier, so als Beispiel. Wenn du mir aus 2-3 Ratgeber zitieren kannst, dass man solche und solche Figuren einbringen soll, dann finde ich dein Fazit ok. Aber so komme ich gerade auf die Idee, dass du ohnehin darauf pfeifst und du diese Beispiele nicht belegen kannst.

Ein wirkliches gutes Buch ist aber immer Subjektiv und vor allem Zeitabhängig. Nach heutigen Maßstäben sagt kein Mensch mehr, dass der Herr der Ringe ein gutes Buch ist, wenn er ehrlich ist. Das ist es auch nicht. George R. R. Martin schreibt auch schlecht, wenn es nach Schreibratgebern geht.
Oder sagen wir was Blasphemisches: Das Tagebuch der Anne Frank ist schriftstellerisch schlecht. Es ist nur aufgrund seiner Umstände ein Hit geworden. Klar, da hat auch niemand mit Ratgeber geschrieben. Aber was als gutes Buch wahrgenommen wird, das ist nicht aus einem Ratgeber zu erlernen. Weil die Menschen es beurteilen. Und die scheren sich einen Dreck um Ratgebertipps. Wenn die Kritik vernichtend ist, nützt es gar nichts, dass der Ratgeber gesagt hat, man solle so und so schreiben.
Ich brauch noch eine Katze
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Denn ich gehe heute abend
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Sturmbluth

Zitat von: Slenderella am 16. Mai 2016, 20:34:40Nach heutigen Maßstäben sagt kein Mensch mehr, dass der Herr der Ringe ein gutes Buch ist, wenn er ehrlich ist. Das ist es auch nicht.

Witzig, genau das hab ich mir vor ein paar Tagen auch gedacht und überlegt, ob ich das hier zur Diskussion stelle. Da wird z.B. erklärt, dass Gollum in die Lava stürzt. Ganz kurz, ohne zu beschreiben, wie. Und ich so "Show! Don't tell!"  ;D
Ich weiß nicht, ob mir das aufgefallen wäre, wenn ich mich nicht selbst mit Schreiben beschäftigen würde. Aber vielleicht wäre es mir tatsächlich aufgefallen, weil heute einfach anders geschrieben wird.

Trippelschritt

Doch, ganz ehrlich. Es ist ein grandioses Buch. Aber dass es Kult wurde, war einer bestimmten Zeit geschuldet. Und ja, eine gute Idee, es zur Diskussion zu stellen. Aber in einem eigenen Thread. die Textanalyse dieses Buches wird Erstaunliches zu Tage bringen.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Layka

Zitat von: Slenderella am 16. Mai 2016, 20:34:40Oder sagen wir was Blasphemisches: Das Tagebuch der Anne Frank ist schriftstellerisch schlecht. Es ist nur aufgrund seiner Umstände ein Hit geworden. Klar, da hat auch niemand mit Ratgeber geschrieben.
Mir wäre auch neu, dass es für Tagebücher Schreibratgeber gäbe :D Das ist ja eher eine (für den Durchschnittsschüler leicht zugängliche) Quelle als ein belletristisches Werk über die NS-Zeit.

Der Herr der Ringe zeigt für mich auch eher, wie sich der Lesegeschmack verändert. Nach meinem Eindruck wird in älteren Büchern allgemein viel mehr erzählt, wohingegen die Leser Bücher heute mehr wie einen Film erleben wollen und nicht wie eine Geschichte, die der Großvater gemütlich am Kamin erzählt. Dementsprechend raten auch die Schreibratgeber zu dem, was heute die meisten Leute erreicht. Das heißt nicht, dass man es nicht anders machen könnte - immerhin gibt es auch heute noch genug Leute, die am Herr der Ringe das "Tell, don't show" genießen, und in manchen Situationen gewinnen für mich auch moderne Bücher dadurch, dass sie nicht jede Handlung zeigen müssen.
Für mich sind Schreibratgeber daher nützliche Hilfen. Klar, die "Regeln" sind nicht immer anwendbar, aber man kann sich von ihnen inspirieren lassen und bei mir lenkt es die Aufmerksamkeit auf Aspekte, auf die ich noch gar nicht geachtet hatte. Die fallen mir dann beim Lesen und bei meinem eigenen Schreiben auf, womit wir wieder beim learning by doing wären, ohne das es natürlich nicht funktioniert. Umgekehrt schon eher, aber wenn ich mir Denkanregungen holen kann, die den Lernprozess beschleunigen, warum sollte ich darauf verzichten?
lights out.

wortglauberin

#54
Zitat von: Slenderella am 16. Mai 2016, 20:34:40
Oder sagen wir was Blasphemisches: Das Tagebuch der Anne Frank ist schriftstellerisch schlecht. Es ist nur aufgrund seiner Umstände ein Hit geworden. Klar, da hat auch niemand mit Ratgeber geschrieben. Aber was als gutes Buch wahrgenommen wird, das ist nicht aus einem Ratgeber zu erlernen. Weil die Menschen es beurteilen.

Blasphemisch finde ich das nicht, aber ein Stück weit würde ich trotzdem widersprechen wollen  :): ich glaube nicht, dass Anne Franks Tagebuch nur aufgrund der Umstände bekannt geworden ist- es ist schon eine Weile her, dass ich es gelesen habe, und ich kann mich nicht mehr an Einzelheiten des Schreibstils erinnern, aber ich erinnere mich daran, wie ich mich gefühlt habe, als ich es gelesen habe, wie ich mitgefiebert, mitgelitten und mich mitgefreut habe, obwohl ich wusste, wie es endet- und es stimmt, einen Schreibratgeber hatte Anne wohl nicht, aber sie wusste, so vermute ich, schon, wie sie ihre Leser erreichen konnte.
Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, plante sie ja auch, Schriftstellerin zu werden, und überarbeitete Kitty sogar; bei guter, den Lesenden berührender Literatur geht es ja auch um emotionale Resonanz und eine dem Verfasser eigene Stimme, und obwohl ich kein Anne- Frank- Experte bin, glaube ich schon, dass sie den Rezipienten beim Schreiben im Kopf hatte.

Damit das jetzt nicht am Thema vorbeischrammt... was ich damit eigentlich sagen wollte: ich kenne mich zwar nicht besonders in der Ratgeberliteratur aus, aber, wie Sturmbluth und Slenderella schon gesagt haben, verändern sich ja Schreibkonventionen und somit auch der Massengeschmack des Lesers. So entwickelt sich Literatur, so entwickeln sich Genres und so entsteht auch das Korsett, in das erstere teilweise gezwängt wird; um diesen Konventionen (und auch dem bisherigen Fortschritt) zu entsprechen, sind Schreibratgeber sicherlich nützlich.
Trotzdem gibt es meiner Ansicht nach Romane (oder Bücher), die mich mehr auf einer emotionalen Ebene ansprechen und bei denen es mich auch absolut nicht stört, wenn sie geschrieben sind, wie ich heute nie erzählen würde.

Trippelschritt

Zitat von: Slenderella am 16. Mai 2016, 20:34:40
George R. R. Martin schreibt auch schlecht, wenn es nach Schreibratgebern geht.

Dieser Satz war mir entgangen. Ich würde mich freuen, wenn diese Aussage belegt würde, denn ich bin genau entgegengesetzter Auffassung. Schreibratgeberratschläge scheinen bei ihm direkt durch wie durch einen zu dünnen Stoff. Man liest und versteht genau, wie und warum er etwas schreibt und trotzdem ist es richtig gut. Das ist mir vor allem beim Anfang im ersten Band aufgefallen (nicht im Prolog).

Liebe Grüße
Trippelschritt

Cailyn

Slenderella
Das Beispiel mit LOTR habe ich ja nur wegen der Figur Saruman gebracht und nicht weil ich finde, dass es grandios geschrieben ist. Churke meinte ja, dass Schreibratgeber zu Klischeefiguren raten. Und ich wollte ein Beispiel finden, bei dem eine Klischeefigur (der weise Zauberer) zu einem bösen Zauberer wird und somit die Klischeefigur aufhebt. Dass LOTR vom dramaturgisch gesehen wenig geschickt ist, bezweifle ich nicht. Ist aber ein anderes Thema.  ;)

Trippelschritt

Ich weiß jetzt nicht mehr, ob wir noch über die gleichen Dinge sprechen. Die Schreibratgeber, die ich kenne, empfehlen Figuren dreidimensional mit Tiefe anzulegen. Figuren sollten schillern, der Leser sollte sich sich mit ihnen identifizeiren können oder sie verabscheuen. Nirgendwo finde ich den Rat: Schreibt in Klischees. Und der weise Zauberer ist keine Klischeefigur, sondern ein Erzählarchetyp. Und das ist etwas ganz anderes. Es ist eine Figur aus unserer Erzähltradition und so lebendig wie der jugendliche Liebhaber, due gütige Mutter, der Narr oder der Trickster.
Ein schlechter Schreiber macht aus den Archetypen Klischees, ein guter faszinierende Persönlichkeiten.

Sol Stein und James Frey, zwei Ratgeberautoren, die sich an Schreiber wenden, die noch nicht so viel Erfahrung haben und zu denen man stehen kann, wie man will, betonen beide, dass Autoren mit ihren Figuren Gott spielen und faszinierende Menschen erschaffen sollen.

In diesem Sinne
Trippelschritt

Aircaina

Seit ich hier das letzte Mal einen Beitrag verfasst habe, habe ich noch recht viele Schreibratgeber verglichen, da ich so gar keine Ahnung habe, welcher besonders empfehlenswert ist. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich immer etwas abgeschreckt bin, wenn der Autor betont, wie viel wichtiger der handwerkliche Aspekt des Schreibens im Vergleich zu allen anderen ist. In dem Buch "Kreatives Schreiben" von Fritz Gesing heißt es "90% Handwerk und 10% Geheimnis". Dabei wird mir irgendwie total unwohl. Vielleicht gibt es noch andere, denen es genau so geht. Aber ganz ehrlich? Ich denke jetzt schon seit Tagen darüber nach, in wie fern dieses Unwohlsein an meiner Einstellung liegt. Immerhin bin ich, wenngleich der handwerkliche Aspekt natürlich sehr wichtig ist, immer noch ein Freund der Vorstellung, dass im Schreiben sehr viel "natürliche Poetik" liegt. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr frage ich mich, ob das arrogant ist oder das Schreiben zu sehr romantisiert. Zwar werde ich diese Einstellung wohl nie ganz ablegen - das möchte ich auch gar nicht - aber es ist schon gut, offen für diese Ratgeber zu sein. Bei den meisten, die ich gelesen habe, wird auch immer von Tipps und nicht von festgefahrenen Regeln gesprochen. Bei Letzteren schüttel ich persönlich schnell den Kopf. Vor Kurzem habe ich einen Bericht gelesen, in dem ein Autor jede Form von Perspektivwechsel verteufelt. Der Autor selbst hat aber "nur" Parodien und Ratgeber verfasst. Ganz abgesehen davon, dass er den Leser nahezu als dumm darstellt. Jeder Perspektivwechsel würde nur verwirren, außerdem könne der Leser sich nur mit einer Figur identifizieren und das müsse der Protagonist sein. Das geht meiner Meinung nach schon deshalb nicht auf, weil nicht jeder Mensch gleich ist und sich daher nicht jeder in jedem Protagonisten wiederfinden kann. Vor allen Dingen dann nicht, wenn der Protagonist gezielt unsympathisch dargestellt werden soll. Man sehe sich nur "Das Parfum" von Patrick Süskind an.
Man muss nicht alles als unumstößliche Regel betrachten. Das sollte man für sich selbst entscheiden. Die Autoren von Schreibratgebern wollen in den meisten Fällen wohl kaum den Autor tadeln, sich in ein Korsett aus Regeln zwängen zu lassen. Deshalb heißt es "Ratgeber" und nicht "Regelbuch". Es ist auch sehr hilfreich, um seine eigenen Macken zu erkennen, für die man in den meisten Fällen erst einmal blind ist. Wenn man sich genauer damit beschäftigt, sind die Ratgeber auch gar nicht so einfach gestrickt, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Trippelschritt hat es schon erwähnt. Es wird z.B. nicht empfohlen, Klischees zu schaffen, sondern lebendige Figuren.
Letztendlich können Ratgeber sogar dabei helfen, entgegen klassischer Konventionen zu schreiben. Man kann eine Regel gar nicht gezielt brechen, wenn man sie nicht kennt.

Sturmbluth

Zitat von: Aircaina am 19. Mai 2016, 09:16:36In dem Buch "Kreatives Schreiben" von Fritz Gesing heißt es "90% Handwerk und 10% Geheimnis". Dabei wird mir irgendwie total unwohl. Vielleicht gibt es noch andere, denen es genau so geht. Aber ganz ehrlich? Ich denke jetzt schon seit Tagen darüber nach, in wie fern dieses Unwohlsein an meiner Einstellung liegt. Immerhin bin ich, wenngleich der handwerkliche Aspekt natürlich sehr wichtig ist, immer noch ein Freund der Vorstellung, dass im Schreiben sehr viel "natürliche Poetik" liegt. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr frage ich mich, ob das arrogant ist oder das Schreiben zu sehr romantisiert.
Ich bin jemand, der das Ganze sehr nüchtern sieht und würde der Aussage "90% Handwerk und 10% Geheimnis" zustimmen - wenn man veröffentlicht werden will.

Ich sehe das Schreiben generell aufgeteilt in zwei Arten:

1) Schreiben als Handwerk: Es gelten Regeln und Konventionen, die meist der Leser bestimmt. Hält man sich daran, steigt die Chance, veröffentlicht zu werden. Der Rest ist die Idee, das Setting und etwas Schreibkunst, was aber in den Hintergrund rückt

2) Schreiben als Kunst: Ja, es gibt sie, die Autoren, die einfach aus dem Bauch heraus schreiben und dann große Kunst produzieren. Wobei die Frage, was nun Kunst ist und was nicht, eher dem Zufall unterliegt. Wie viel große Kunst gibt es wohl, die noch nie jemand gesehen hat? Wahrscheinlich viel. Dementsprechend ist die Chance, veröffentlicht zu werden, in dem man aus dem Bauch heraus schreibt (und dabei nicht durch Zufall die Konventionen einhält), verschwindend gering.

Jeder Autor sollte sich die Frage stellen "Was will ich?"
Veröffentlicht werden ==> Besser an die Konventionen halten
Kunst schaffen ==> Aus dem Bauch heraus schreiben, aber im Hinterkopf behalten, dass es wahrscheinlich nicht viele Leser finden wird.

Ich persönlich gehöre zu denen, die (irgendwann) veröffentlicht werden wollen. Das, was ich zu sagen habe, steckt in den oben genannten 10%. Und für diese 10% ist es mir wichtig, Leserschaft zu finden.