• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

[Jura] Erben - wie geht das eigentlich?

Begonnen von pink_paulchen, 22. Oktober 2015, 10:22:38

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

pink_paulchen

Ich habe mir, wie es die Regel verlangt, die Finger blutig gegooglet - ohne Erfolg. Nicht weil ich nicht genug Informationen gefunden habe, sondern weil es viel zu viele waren und mir die Basis fehlt, all das einzuordnen.
Ich habe eine Handlung im Deutschland der Gegenwart. Meine Heldin soll einen Hund erben.
Herausforderung: Sie will ihn eigentlich nicht, es soll einen juristischen Zwang geben, der sie dazu bringt, ihn doch erstmal zu nehmen. Deshalb frage ich mich zunächst mal:
Kann das Erbe eines großen Vermögens an die Übernahme und Betreuung des Tieres gebunden sein? Könnte es andere rechtlich bindende Gründe geben, warum sie den Hund trotz eigentlicher Ablehnung (zunächst) behält?
Und im zweiten Schritt:
Wie funktioniert der konkrete Prozess? Kriegt sie einfach einen Brief? Von wem? Und muss sie dann irgendwo hinkommen, wo ihr das vorgelesen wird? Oder wird da eine Summe einfach auf ein Konto ihrer Wahl überwiesen?
Kurz gesagt: Wie geht erben?

Snöblumma

Oh doch, da gäbe es Möglichkeiten :D. Ich bin gerade beschäftigt, hoffe aber, dass ich dir in der Mittagspause mehr sagen kann. Sollte ich es vergessen, stubs mich an ;).

Nycra

Snö kann dir das vielleicht im Detail erklären, aber soweit ich das bei meinem Mann und bei meinem Vater mitbekommen habe, gibt es nur Hopp oder Topp. Schlägst du das Erbe aus, gehört alles dem Staat - oder dem nächsten Angehörigen. Nimmst du das Erbe an, musst du alles nehmen, wobei man ein Tier natürlich jederzeit nach Antritt des Erbes ins Tierheim abschieben könnte.

Ob es vertragsrechtlich bindend ist, ins Testament zu schreiben, dass man ein finanzielles Erbe nur dann behält, wenn man auch das Tier behält und versorgt, weiß ich nicht, könnte mir aber vorstellen, dass da der moralische Aspekt mitspielt, meint, dass man nicht zu einer Handlung gezwungen werden darf. Aber da weiß Snö vielleicht mehr - so als Fachfrau und so.

Christian

Ich versuche mich zu erinnern. Ist fast zwanzig Jahre her. Als mein Vater starb, habe ich eine Nachlassverwaltung beim zuständigen Gericht beantragt. Die Verhältnisse meines Vaters waren undurchsichtig. Nach ein paar Wochen gab es einen Brief vom Gericht und die Aufforderung binnen sechs Wochen das Erbe anzutreten oder auszuschlagen. Ich musste dann selbst zum Gericht und formal die Erbschaft ausschlagen. Was das Ausschlagen selbst angeht, ist es wie Nycra sagt: Hopp oder topp.

Das mal aus Sicht eines (verhinderten) Erben.

pink_paulchen

Zitat von: Christian am 22. Oktober 2015, 10:36:10
Als mein Vater starb, habe ich eine Nachlassverwaltung beim zuständigen Gericht beantragt.
Was haste gemacht? Ist das Fachjargon für "Ich habe mal nachgefragt, ob es ein Testament gibt?"

Nycra

Guck mal, vielleicht hilft dir dieser Link ja auch weiter: Klick!

pink_paulchen

Den kenne ich schon den Link. Der heißt "Erbrecht einfach" - ist aber eben genau das nicht. Etikettenschwindel!  :ätsch:

Christian

Zitat von: pink_paulchen am 22. Oktober 2015, 10:39:14
Was haste gemacht? Ist das Fachjargon für "Ich habe mal nachgefragt, ob es ein Testament gibt?"
Nein, so ich mich erinnern kann, bin ich mit den gesammelten Unterlagen meines Vaters zum Rechtsanwalt. Der hat recht schnell gesagt "Nachlassverwalter". Dann musste ich zum Nachlassgericht und diesen Verwalter beantragen. Das war einfach nur ein Verwaltungsakt. Ich musste ein Formular ausfüllen. Mein unheilbar- und todkranker Erzeuger hat in weiser Voraussicht seines nahenden Ablebens natürlich kein Testament hinterlassen. Es stellte sich dann auch sehr schnell heraus, dass er mehr Schulden als Besitztümer hatte und ich habe das Erbe ausgeschlagen.

Churke

Im Wege der Gesamtrechtsnachfolge muss sie den Hund erstmal sowieso nehmen, wenn sie das Erbe nicht ausschlägt.

Anschließend könnte sie den Hund abgeben oder verkaufen. Was nach meinem bescheidenen Dafürhalten auch aus Sicht des Erblassers nicht die schlechteste Lösung wäre. Wer will sein Tier schon jemandem aufs Auge drücken, der dafür nichts übrig hat?

Es geht aber trotzdem, über eine Auflage im Testament:
http://www.erbrechtsforum.de/erbrechtstipps/pdf/DFE_Auflagen_im_Testament_Monatstipp_Januar_2014.pdf

pink_paulchen

Zitat von: Churke am 22. Oktober 2015, 11:03:07
Im Wege der Gesamtrechtsnachfolge muss sie den Hund erstmal sowieso nehmen, wenn sie das Erbe nicht ausschlägt.
Anschließend könnte sie den Hund abgeben oder verkaufen.
Das ist ja noch viel einfacher. Danke für den Link. Also würde sie irgendwann dieses Tier "überreicht" bekommen? Und danach kann sie damit zum Tierheim fahren oder ihn annoncieren? Das würde mir plottechnisch perfekt entgegen kommen!
Was für einen Verwandschaftsgrad brauche ich denn da beim Verstorbenen, damit meine Heldin mit dem Hund "dran ist"? Weit weg wäre mir recht, es soll kein krasser Schicksalsschlag sein. Mehr ein Ärgernis, um das sie sich kümmern muss.

Churke

Zitat von: pink_paulchen am 22. Oktober 2015, 11:19:01
Danke für den Link. Also würde sie irgendwann dieses Tier "überreicht" bekommen? Und danach kann sie damit zum Tierheim fahren oder ihn annoncieren? Das würde mir plottechnisch perfekt entgegen kommen!

Da zwischen dem Tod und der Benachrichtung der Erbin wahrscheinlich einige Wochen vergehen, müsste sich irgendjemand um den Hund gekümmert haben. Er könnte bei einem Nachbarn untergekommen sein, der ihn nicht will, oder er wurde im Tierheim platziert.
Die Erbin würde dann vom Nachlassgericht angeschrieben, dass sie Erbin ist. Wenn sie das Erbe annimmt, kommen erst mal eine Menge Probleme auf sie zu, zumal sie den Erblasser nicht weiter kennt. Wenn ich einen Hausschlüssel habe und die Kontoauszüge und weiß, wo das Auto geparkt ist, ist das eine ganz andere Sache, als wenn ich das alles erst mal herausfinden muss.
Und dann kommt halt irgendwann jemand und sagt: "Sie haben da noch einen Hund geerbt. Nehmen Sie den bitte mit."

Zitat
Was für einen Verwandschaftsgrad brauche ich denn da beim Verstorbenen, damit meine Heldin mit dem Hund "dran ist"? Weit weg wäre mir recht, es soll kein krasser Schicksalsschlag sein. Mehr ein Ärgernis, um das sie sich kümmern muss.
Bei "weit weg" ist die vereinfachte Kurfassung: "keine weiteren Angehörigen". Stichwort "Erbonkel". Familiengeschichten können überraschungsträchtig sein. Manch einer erfährt vom Nachlassgericht, dass er noch eine Schwester hat. :o

Pygmalion

Die suchen da auch recht lange nach einem Erben, der das Erbe annimmt. Meiner Freundin und ihrem Bruder wurde das Erbe irgendeines weit entfernten Verwandten angetragen, weil alle vorher berechtigten das Erbe ausgeschlagen haben, weil es aus Schulden bestand. Man erfährt zwar nicht vor dem Erbantritt, was man wirklich erbt, soweit ich weiß, aber in dem Fall war das klar. Sie haben dann natürlich auch abgelehnt.
In dem Fall deiner Protagonistin könnte da ja auch die Gier über die gesunde Vorsicht siegen. Die meisten erwarten ja nicht, dass das Erbe des lange verschollenen Großonkels mütterlicherseits aus einem Hund, einem alten Wohnwagen am Badesee in Castrop-Rauxel samt Gartenzubehör und Schulden im Wert von 20.000 Euro bestehen :D

Trippelschritt

Als juristischer Laie weiß ich nur, dass man den Totenschein braucht (den kann auch ein Notar haben), es entweder kein Testament geben darf oder wenn es eines gibt, dass man es kennt und akzeptiert (klagen kann man immer noch) und dann beim Amtsgericht einen Erbschein beantragt, wenn man das Erbe antritt. Den bekommt man gegen Gebühr, wenn man versichert Alleinerbe zu sein. Im anderen Fall müssen alle dahin oder ihren gesetzliche Vertreter schicken. Und mehr weiß ich auch nicht.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Snöblumma

Also, es gäbe mehrere Möglichkeiten, die auch halbwegs gängig sind (es gibt noch etliche wildere Konstruktionen, hauptsächlich aus Steuergründen, aber lassen wir die mal beiseite).

Wenn du viel Ärger möchtest wegen dem Hund: Man kann ein Testament, wie Churke schon sagte, immer mit einer Auflage versehen. D.h. man bekommt das Geld etc. nur unter der Auflage, dass der Hund Zeit seines Hundelebens gut gepflegt wird. Wenn man die Auflage nicht erfüllt, passiert an sich erst mal gar nichts - allerdings können diejenigen, die davon profitieren würden, wenn man selber als Erbe wegfällt, das ganze einfach gesagt beaufsichtigen, einklagen und notfalls geltend machen, dass die Auflage eben nicht erfüllt wurde und nun sie erben sollen. Hier könnte man also einen zusätzlichen Konflikt einbauen.

Weniger Ärger: Sie ist im Testament einfach so als Erbin eingesetzt oder bekommt das ganze im Wege gesetzlicher Erbfolge, weil sie die näheste noch lebende Verwandte ist. Dann bekommt sie den Hund juristisch gesprochen im Moment des Todes des Erblassers (es gibt also keine Zeiträume, in denen das ganze Erbe niemandem gehört), der Hund wird ihr Eigentum und sie kann damit machen, was sie will. Weggeben, verschenken, behalten, was auch immer. Aber der Hund ist erst mal ihrer.

Wenn wir annehmen, dass es ein Testament gab, kommt es für das Prozedere ein bisschen darauf an, ob es notariell ist oder handschriftlich. Ein notarielles Testament wird im Regelfall in Verwahrung gegeben, d.h. das liegt beim Amtsgericht. Wenn das Amtsgericht nun vom Tod einer Person erfährt (dafür Meldung beim Standesamt), sehen die in ihren Systemen, dass es da ein Testament gibt. Natürlich wissen die nicht, was drin steht. Das Amtsgericht wird nun mal beim Melderegister anfragen, ob die noch andere Personen unter der Adresse haben oder etwas von Verwandten wissen. Die werden dann angeschrieben, gebeten ggf. weitere mögliche Erben zu benennen. Die, die dem Amtsgericht am wahrscheinlichsten erscheinen, bekommen einen Termin zu Testamentseröffnung. Und da kommt dann oft alles anders als gedacht ;).

Wenn es kein Testament gab, geht das im Zweifelsfall sehr ähnlich vonstatten. Nur eben ohne Testamentseröffnung. Man kann auch direkt beim Amtsgericht den Erbschein beantragen, wenn man meint, Alleinerbe zu sein (z.B. einziges überlebendes Kind beim Tod des letzten Elternteils). Normalerweise wird der auch problemlos ausgestellt; andere, die meinen, sie hätten das bessere Recht, können dann evtl. klagen etc.

Da gibt es auf jeden Fall sehr viele Variablen. Wenn du magst, kannst du mir gerne noch mehr Details schildern, dann sage ich dir mehr dazu (heute abend).

pink_paulchen

Hach ihr seid toll! Lieben Dank an alle.
ZitatIn dem Fall deiner Protagonistin könnte da ja auch die Gier über die gesunde Vorsicht siegen. Die meisten erwarten ja nicht, dass das Erbe des lange verschollenen Großonkels mütterlicherseits aus einem Hund, einem alten Wohnwagen am Badesee in Castrop-Rauxel samt Gartenzubehör und Schulden im Wert von 20.000 Euro bestehen :D
Leider passt es nicht in den Plot, obwohl es für meine romantische Frauenkomödie perfekt passen würde. Ich behalte den Wohnwagen in Castrop-Rauxel im Kopf für einen Folgeband!

Ich versuche mal etwas zu schildern und ihr sagt, ob das so tut:
Die Heldin hat einen Onkel, den sie nicht kennt. Er stirbt ohne Testament, ledig.
2 Wochen später erfährt die Heldin per Post vom Tod und davon, dass sie die einzige Verwandte ist und  eine kleine Kunstsammlung und etwas Geld von ihm erben soll.
Sie nimmt das Erbe an. Der Verstorbene besass einen Hund. Der war in den letzten 2 Wochen bei dem Züchter, der sich übergangsweise gekümmert hat. Besagter Züchter hört von der Wohnungsauflösung der Mietswohnung des Verstorbenen (Garagenverkauf) und geht dahin. Er bekommt die Adresse der Erbin, die ja Auftraggeberin des Garagenverkaufs ist und steht nun vor der Tür meiner Heldin - um den Hund zu übergeben.