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"Hallo Autor, ich muss dir was sagen ..." - Geständnisse eurer Figuren

Begonnen von Arcor, 04. Juni 2015, 18:40:57

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canis lupus niger

#15
Der Prota aus meiner Reihe, den ich immer als fairen, sich um Objektivität bemühenden Menschen angesehen (und dargestellt) habe, hat tief in sich drin einen irrationalen, durch ein traumatisches Erlebnis hervorgerufenen aber nichtsdestoweniger pauschalen und daher ungerechtfertigten Hass auf alle Angehörigen eines verfeindeten Clans aus seiner Heimat. Am liebsten würde er jeden Einzelnen von ihnen umbringen. Gleichzeitig leidet er aber schon seit seiner Jugend darunter, dass er den Tod vieler Frauen und Kinder dieses verfeindeten Clans nicht verhindert hat. Konnte er auch nicht, weil er von der Gefahr für sie nichts wusste, aber er fühlt sich trotzdem verantwortlich.

Vier Manuskripte habe ich gebraucht, davon zwei fertig geschrieben, um zu erkennen, wie sehr diese Mischung aus Hass und Schuld seinen Charakter verzerren, wie wenig er in der Lage ist, diese Empfindungen zu reflektieren. Er reflektiert seine Gefühle überhaupt sehr wenig, wenn ich es genau überlege, versucht immer nur, sie unter seine Kontrolle zu bringen und alles, was ihm schädlich erscheint, zu verdrängen. Ich wünschte, ich hätte eher gewusst, wie (herrlich) wenig perfekt ihn das macht, um das von Anfang an angemessener darzustellen. Hätte der Geschichte gut getan! Zumindest in die zwei unvollendeten Manuskripte werde ich diesen neuen Aspekt auf jeden Fall noch einfließen lassen.

HauntingWitch

Da bin ich ja ein richtiger Aussenseiter, ich hatte das bisher noch nie. Geständnisse schon, aber so gravierende, dass sie den ganzen Plot über den Haufen werfen? Ich denke schon den ganzen Morgen darüber nach, aber mir fällt keines ein. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich das selten als Störung sehe, sondern als Möglichkeit. Meistens, wenn mir Protagonisten mit solchen Geständnissen daherkommen, denke ich: Oh, gut, mehr Drama-Potenzial. :darth: Natürlich bin ich auch schon einmal überrascht oder weiss nicht, was ich damit anfangen soll, aber das stellt für mich kein Problem dar.

Wenn ich den Gedanken weiter spinne, glaube ich nicht einmal, dass es so etwas wie eine "Zerrüttung des Plots" gibt. Im ersten Moment empfinde ich das vielleicht so, aber ich gehe davon aus, dass dann am vorherigen Plot irgendetwas falsch war. Solche Geständnisse sehe ich daher eher als Entwicklungen. Ich sehe das wie Aljana, nicht ich denke mir die Geschichten aus, die Geschichten kommen zu mir und ich schreibe das, was geschrieben werden will. Wenn das etwas anderes ist, als was ich anfangs dachte, dann ist es eben so.  :)

DoroMara

Der Neffe meiner Prota - den sie dummerweise zu Beginn der Geschichte aus Mitleid nicht umbrachte - wurde plötzlich zu ihrem grössten Gegenspieler.
(Meine Betaleserin meinte sogleich, ich soll ihn gefälligst etwas lieblicher darstellen, was wirklich nicht möglich ist.)
Nun überlegt sich aber meine Prota, ihren Neffen zu adoptieren, was ich ihr dringlich abrate, da dies meinen ganzen Plot über den Haufen schmeissen würde. Wie kann ich sie nur umstimmen?

Lazlo

@DoroMara: Hat Deine Prota eigene Kinder? Dann könnte sie herausfinden/entdecken, dass ihr Neffe, böse zu ihnen ist, ihnen vielleicht sogar etwas antun will.

Nebeldiener

Ich habe auch so eine Geschichte von meinem Prota zu vermelden. Glücklicherweise ist er nicht schwul geworden, denn das hätte mir die ganze Geschichte zerstört, aber er wurde Vater. Einfach so. Ich hatte ihn mir immer als etwa 22 jährigen angehender Erwachsener vorgestellt und auch so die Geschichte geschrieben, bis er mir mitteilte, dass er einen Sohn von einer verstorbenen Frau hätte und eigentlich mehr so 35 Jahre alt ist und nicht 22.
Jetzt darf ich ein Kind einbauen, mit dem der Prota agieren muss und dann muss ich meinen Prota auch noch erwachsener erscheinen lassen.
Ich glaube wirklich, dass es unsere Protas extra machen, um uns zu ärgern :ätsch:

Simara

Eines meiner liebsten "Geständnisse" habe ich ja beim Schreiben meiner "Raben" von Loki bekommen. Bestimmt ein halbes Jahr lang habe ich versucht ihm seinen großen Plan zu entlocken, schließlich muss ich den ja wissen um alles wieder auf zu lösen, und dann bekomme ich doch tatsächlich ein: "Also eigentlich hab ich keinen Plan. *Schultern zuck* Ich wollte nur mal sehen was passiert und ein bisschen Chaos stiften. Ist doch nicht meine Schuld wenn die Protagonisten das nicht rechtzeitig wieder geregelt bekommen." Wenn das nicht so furchtbar gut zur Figur passen würde, hätte ich wahrscheinlich eine Krise bekommen...   :rofl:

DoroMara

@Lazlo: Nein, meine Prota will keine Kinder, da sie Angst hat, dass diese so wahnsinnig werden können, wie der Rest ihrer Verwandtschaft. Aber danke für den Tipp.
Der Freund meiner Prota hat zum Glück schon Bedenken zur Adoption gemeldet. Er weiss aber, dass meine Prota gegenüber Ratschlägen sehr resistent ist. Wir müsse mal im stillen Kämmerchen einen Plan aushecken.

Sipres

Ich werde schon seit Tagen von einem meiner Antas angebettelt, ihn bitte nicht so böse sein zu lassen. Er will einer der Guten sein, auch wenn es erst am Ende der Geschichte rauskommt. Also hab ich den Plot geändert, hier und da eine Anspielung fallen lassen und arbeite nun auf ein neues Ende hin, dass dem großen Finale allerdings nicht im Weg steht. Das ist durchaus tragbar und hat den Schreibfluss sogar verstärkt.

Kadeius

Ja, ja ... die Antas betteln bei mir auch viel mehr als die Protas. Meiner bettelt, aus dem Gefängnis herauszukommen, dabei hat er die Karte vom Ereignisfeld gar nicht gezogen. :p
Nein, im Ernst, er sitzt zu Recht für eine ganze Weile in einem magiegesicherten Gefängnis. Das Schlimme: Ich glaube, er findet trotzdem einen Weg herauszukommen. Nach und nach gesteht er mir nämlich all seine Verbrechen, je mehr Inspiration ich für diesen Anta bekomme.  :zensur:
Noch schlimmer: Nicht nur meine Betaleser, sondern alle, denen ich es vorgestellt habe, gefällt der Kerl ausnahmslos.  :darth:

SLis

Geschichte war durchgeplottet, ich war so froh, beginne hochmotiviert mit dem Schreiben und Zack - kommt der Sidekick, mogelt sich vor den Helden und erkärt mir lang und breit, warum er der einzig wahre Hauptcharakter ist. Immerhin wüsste der Held ohne ihn nichts von seiner Bestimmung, und wenn er nicht den ganzen Weg über auf ihn Achtgeben würde, hätte der Held sich doch schon längst hoffnungslos verlaufen, bzw. wäre wahrscheinlich schon tot.  :hmhm?:

Immerhin war er ja so nett, mir das sehr ausführlich darzulegen und es auf den gesamten Plot auszuweiten, so dass es zwar dauerte, alles anzupassen, ich aber dankenswerter Weise kaum darüber nachdenken musste. ;)

Zum Dank für seine Hilfe, habe ich ihn dann fast umgebracht.  :d'oh: Aber hey, wer ganz vorne mitspielen will, bekommt eben die Dramakeule ab. Selbst schuld.  :darth:

funkelsinlas

Hach, ich kenn das mit dem Eigenleben der Charaktere!
Mein Bösewicht wurde plötzlich voll nett! Hatte so einen guten Grund, dass er mir fast nur noch Leid tut.
Beim Plotten der nächsten Geschichte das selbe! Ich hab mit ner Freundin drüber geredet und sie meinte nur: Kommen die dann zusammen? Und das als total Unromantische! Irgendwie hatte ich da wohl was übersehen. Mein Prota fand das Mädchen wohl hübscher als ich dachte. Als ich ihn dann mal gefragt hab, hat mir auch noch Vorhaltungen gemacht, dass sie wegen mir erst nen anderen heiratet und von dem ein Kind bekommt.  :wums: Was sagt man dazu?Eifersuchtspinsel! Jetzt bekommt er sie am Ende des Buches.
Aber ich finde schon beim Plotten gibt es immer wieder ne Seite bei meinen Charakteren, die ich nicht erwartet hätte.

Sipres

Mir hat gerade der weibliche Prota einer KG ein erstaunliches Geständnis gemacht. Sie ist eine Prinzessin, aufgezogen von den beiden homosexuellen Königen ihres Heimatlandes. Eigentlich war es so geplant, dass einer der beiden eine Leihmutter geschwängert hat, aber das wollte Constance nicht. Sie hat mir gerade gestanden, nur adoptiert zu sein. Ihre leiblichen Eltern sind eine Prostituierte und ein unbekannter Freier.

funkelsinlas

Sipres, deine Gesellschaft ist ja noch aufgeschlossener als ich dachte. So was als Prinzessin? Das wird interessant.

Mithras

@Sipres: Das klingt... eigenwillig. :o Die Gesellschaftsstruktur in deiner Welt würde mich wirklich mal interessieren!

Esfandiyân, mein heimlicher Protagonist, hat heute beschlossen, Vegetarier zu werden. Nicht, weil er es falsch findet, Tiere zu töten und zu essen, sondern weil ihn der Geruch von verbranntem Fleisch an einen Verrat erinnert, den er einst begangen hat. Macht ihn mir natürlich sympathischer, denn eigentlich ist er ein skrupelloser Utilitarist, der seinen Weg ohne Rücksicht auf Verluste verfolgt. Dummerweise schicke ich ihn gerade auf eine Reise durch die Wildnis, in der er ohne Fleisch verhungern würde. Einfach macht er es sich (und damit mir) definitiv nicht.

Sipres

Zitat von: funkelsinlas am 25. August 2015, 00:59:24
Sipres, deine Gesellschaft ist ja noch aufgeschlossener als ich dachte. So was als Prinzessin? Das wird interessant.

Zitat von: Mithras am 25. August 2015, 01:41:00
@Sipres: Das klingt... eigenwillig. :o Die Gesellschaftsstruktur in deiner Welt würde mich wirklich mal interessieren!

Ich denke mal, dass ich es ganz einfach löse. Das nette Königspaar möchte ein Kind adoptieren. Da sie sehr volksnah sind, wollen sie einem Kind aus einem normalen Waisenhaus eine Chance geben. Kaum haben sie Constance erblickt, sind die verliebt. Das goldene Haar, die smaragdgrünen Augen: Ein Bild von einem Baby. Dann erst erfahren sie, wer die Eltern sind, es ist ihnen aber egal. Und es muss ja niemand außer dem Königspaar, der Leiterin des Waisenhauses und Constance etwas davon wissen.