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Verlagsladen und Autorenimage

Begonnen von TheaEvanda, 24. April 2013, 09:34:26

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TheaEvanda

Ein Verlag, für den ich schreibe, hat einen Vertriebsvertrag mit einem anderen Verlag. Entsprechend vertreibt ¨mein¨ Verlag die Publikationen des anderen Verlags mit. Darunter fällt auch eine Heftchenreihe namens Landser. Letztere gilt als kriegsverherrlichend und ganz schön grenzwertig (Deutsche Wehrmacht gegen ¨den Ivan¨). Manche halten sie auch für die Serie für Rechtsradikale. Darüber streiten sich die Experten.

Unter Schreiberlingen habe ich schon einiges darüber gehört. ¨Der kennt nichts, der schreibt/malt/setzt auch für den Landser¨ fällt recht abfällig aus. Irgendwie liegt Landser-Schreiben vom Ansehen her noch unter Heftchenklopfen für Bastei-Lübbe.
Kommen wir zu meinem Problem. Im Zuge eines Flamewars warf eine Person allen Autoren ¨meines¨ Verlages pauschal vor:

Zitat(...) Womit ich aktuelle XXX-Autoren identifiziere? Sie schreiben für einen Verlag, der rechtsextreme Propaganda vertreibt.  Und kein einziger Autor und keine einzige Autorin hat sich von dieser Praxis distanziert. Stillschweigende Zustimmung nennt man das dann. Und mit solchen Leuten will ich nichts zu tun haben und ich würde gerne einmal wissen, auf welche Kreise man da setzt (...)

So, ganz abgesehen von der Rumflamerei ... Die Landser-Sache wurde aktuell kurz nach Weihnachten 2012, als ¨mein¨ Verlag die Publikationen des anderen Verlags in die Datenbank übernahm. Daraufhin beschwerten sich einige Fans bitterlich. ¨Mein¨ Verlag entschuldigte sich am zweiten Januar 2013 schriftlich auf der eigenen Website, distanzierte sich vom Landser und kündigte den Bündelvertrag mit dem anderen Verlag.

Ich selbst habe erst im März von dem ganzen Vorfall erfahren, habe die Pressemitteilung ¨meines¨ Verlags gelesen und war zufrieden. Ich sah von meiner Seite keinen Grund zum Handeln, und da ich mit ¨meinem¨ Verlag auf guter Basis zusammenarbeiten will, habe ich einfach öffentlich die Klappe gehalten und ¨meinem¨ Verlag für die Entscheidung im privaten Gespräch gedankt. Die Sache schien für mich erledigt. Und nun das.

So, meine Frage: Wie weit muss ich mich für eine Vertriebsgesellschaft in Sippenhaft nehmen lassen? Für wie ehrenrühirig haltet ihr es, für einen Verlag zu schreiben, der auch angreifbare Sachen verlegt (das beträfe zum Beispiel auch Perry Rhodan (SF-Heftchen) und der Landser)?

--Thea
HErzogenaurach, Germany

Alaun

#1
Uff, das ist schwierig ... Also zum einen: mir persönlich ziehts beim "Landser" die Schuhe aus. Und ich denke, dein Verlag hätte im Vorfeld damit rechnen müssen, dass es zu Problemen kommen kann. Das Kind ist leider in den Brunnen gefallen, umso besser, dass eine offizielle Distanzierung deines Verlages stattfand und Verträge aufgekündigt wurden.

Ob sich nun jeder Autor einzeln zu Wort melden muss, naja ... Für mich wäre es mit der offiziellen Mitteilung des Verlages auch erledigt gewesen. Und euch alle jetzt in "Sippenhaft" zu nehmen, ist eine bequeme Vereinfachung und Pauschalisierung, die man so leider nicht stehenlassen kann. Ich denke, ich würde als Autor doch noch kurz dazu Stellung nehmen. Auch, wenn es eigentlich nicht sein müssste, da der Verlag es bereits getan hat ... Oder würde das alles schlimmer machen? Hach, schwierig, echt schwierig!

Was das "Schreiben für einen Verlag" angeht, der auch "ehrenrüchige Sachen verlegt", so wird es noch komplizierter. In deinem Fall bist du ja schon länger bei dem Verlag und warst damit zufrieden. Nun ändern sich die Bedingungen (von aussen betrachtet). Und plötzlich gibt es für Autoren ein Rechtfertigungsproblem. Eine wirklich fiese Situation.
Ich würde mich bei einem Verlag, der ehrenrüchiges verlegt, nicht als Autor verdingen wollen. Aber in diesem Fall gehts ja nicht um Neu- sondern um Altverträge. Und das macht es schwierig. Ich nehme an, dass du es dir auch "existentiell" nicht erlauben kannst, einfach auszusteigen?

Luna

#2
Bei Landser ist das ja klar, aber inwiefern ist dann Perry Rhodan angreifbar? Das sind doch harmlose Weltraumgeschichten oder?
Hmm, Dein Verlag hat sich ja bereits davon distanziert, sehe ich das richtig? Von daher finde ich da überhaupt keine Probleme, weiterhin für ihn zu schreiben. Ansonsten würde die Sache schon anders aussehen. Da würde ich auch aufkündigen. Beim Landser ziehen sich bei mir, genau wie bei Aqua, auch die Schuhe aus. Trotzdem musst Du Dich nicht in Sippenhaft dafür nehmen lassen. Aber sag das mal dem "Mob". Ich denke, selbst wenn Du eine kurze Stellungnahme schreiben würdest, würde sie nicht beachtet werden. Gegen die Hetzer ist leider kein Kraut gewachsen. Die wollen nur das sehen, was sie sehen wollen, überall Rechtsradikale, und so übersehen sie gerne mal, dass Leute, gegen die sie hetzen, damit überhaupt nichts zu tun haben.
Eine ähnliche Erfahrung musste auch das Musikmagazin Zillo machen. Das war damals noch ein sehr junges Magazin. Denen ist mal aus Versehen eine gut getarnte Kleinanzeige der Jungen Freiheit untergekommen. Im Nu ging ein Shitstorm los und die Zillo wurde von allen Seiten als rechtes Propagandamagazin gebranntmarkt. Nachzulesen hier: http://www.focus.de/kultur/leben/possen-zillos-freiheit_aid_156881.html. Der Chefredakteur Easy Ettler (RIP) hat sich seinerzeit auch den Mund fusselig geredet und sich klar distanziert von jeglichem rechten Gedankengut, doch die Flames hörten nicht auf.

TheaEvanda

#3
Tja, Perry Rhodan wird von Pabel Möwig verlegt. Die haben auch den Landser unter ihrem Dach. Und "mein" Verlag hatte einen Vertriebsvertrag mit Pabel Möwig. Das war ein Bündelvertrag mit allen Pabel-Möwig-Erzeugnissen. Ergo landete der Landser auf der Liste der lieferbaren Bücher "meines" Verlags.

Die Neonazis mag ich nicht. Sie mögen mich auch nicht und haben mir deshalb schon mehrmals Hakenkreuze auf die Hauswand gemalt. Deshalb, und nicht nur wegen des guten Geschäftsklimas, möchte ich mich da raushalten. Ich bin nicht mehr jung und wild, sondern habe Familie und fühle mich dadurch erpressbar.

Aber eines spielt da schon klar mit rein: Niemand weiß ganz genau, welche Eisen ein Verlag im Feuer hat. Perry Rhodan und Landser verbindet niemand mteinander. Es ist trotzdem der gleiche Verlag. Welchen Mist baut Ullstein, wo niemand hinschaut, der sich überlegt, für den Verlag zu schreiben? Was für angreifbare Sachen werden irgendwo bei Random House verlegt? Bei Heyne? Bei Bastei?
Absolut irritierend ist für mich auch, dass der Chefredakteur von Perry Rhodan spuckt wie eine Katze, wenn die Sprache auf (Neo-)Nazis kommt. Aber halt auch für Pabel Möwig arbeitet.

Entschuldigt die wirre Argumentation, mir fehlt heute der rote Faden.

--Thea
Herzogenaurach, Germany

Alaun

Zitat von: TheaEvanda am 24. April 2013, 10:26:23
Welchen Mist baut Ullstein, wo niemand hinschaut, der sich überlegt, für den Verlag zu schreiben? Was für angreifbare Sachen werden irgendwo bei Random House verlegt? Heyne? Bastei im Heftchenbereich?

Das ist ein grundsätzliches Problem. Je weiter die Netze, desto unübersichtlicher wird das Ganze. Kann man von Autoren verlangen, sich haarklein mit allen Veröffentlichungen der jeweiligen Verlage auseinanderzusetzen? Ich denke, nicht. Das ist überhaupt nicht leistbar. Aber das macht uns natürlich angreifbar, denn wenn das so etwas publik wird, wie gerade im Fall deines Verlages, dann wirds ungemütlich. :P

Pestillenzia

Ich denke, in Deiner Situation würde ich auf eine öffentliche Stellungnahme verzichten. Ich sehe es wie Luna, eine Stellungnahme würde entweder nicht beachtet oder als "Schönfärberei" betitelt und Du wirst mit den "Landser"-Lesern in den dunkelbraunen Topf geworfen.
Glauben würden die Argumente diejenigen, die das Ganze differenziert sehen - aber das sind meistens die, die den Mund halten, weil sie wissen, dass sie gegen die Hetzer und Scheuklappenträger keine Chance haben.
Da fände ich persönlich es vorteilhafter, wenn Dein Name erst gar nicht in der Öffentlichkeit auftaucht, dann wirst Du auch von den Hetzern nicht zu Unrecht mit Schmutz beworfen.

Zitat von: Luna am 24. April 2013, 10:16:16
Gegen die Hetzer ist leider kein Kraut gewachsen. Die wollen nur das sehen, was sie sehen wollen, überall Rechtsradikale, und so übersehen sie gerne mal, dass Leute, gegen die sie hetzen, damit überhaupt nichts zu tun haben.

Genau so ist es.

Churke

Pabel Moewig ist nicht gerade für sein anspruchsvolles Verlagsprogramm bekannt.

Die Frage ist aber: Hat man ein Problem mit dem Verlag und seinem Programm - oder geht es eher darum, was "die anderen" denken? Kriegsverherrlichend - ja, gut. Aber schon mal Military SF von Tanya Huff gelesen? Wenn ich recherchieren wollte und die Wahl hätte zwischen Guido Knopp und dem Landser, dann würde ich übrigens auf jeden Fall zum Landser greifen. Der ist erheblich näher an dem, was ich von Zeitzeugen weiß.

Szazira

#7
Zitat von: TheaEvanda am 24. April 2013, 09:34:26
So, meine Frage: Wie weit muss ich mich für eine Vertriebsgesellschaft in Sippenhaft nehmen lassen? Für wie ehrenrühirig haltet ihr es, für einen Verlag zu schreiben, der auch angreifbare Sachen verlegt (das wäre zum Beispiel Perry Rhodan und der Landser)?
Nein, musst du nicht. Du hast keinen Einfluss auf das, was der Verlag verlegt. Hättest du ihn, sähe das anders aus oder würdest du jetzt erst angeboten bekommen, für den Verlag zu schreiben. Du musst nur für dich entscheiden, ob du damit klarkommst. Pro gegen kontra ganz sachlich im Stillen. Dein Verlag hat Schritte angekündigt, das Kind mit dem Bade auszuschütten bringt nichts und in den Brunnen ist es schon gefallen.

Davon abgesehen: Diejenigen, die schreien, sind (ja, ich wage diese Unterstellung) zu 90% Leute, die selbst nicht die Konsequenzen ziehen würden, die sie von dir fordern.

Meines Erachtens kannst du nur verlieren. Es gibt zu viele, die bei einer öffentlichen Stellungnahme, ein "getroffener Hund bellt" draus machen, dir das Wort im Mund herum drehen, schweigst du, lasten sie es dir auch an. Zweiteres wird im Normalfall schneller vergessen, da du dem Feuer keine neue Nahrung zuführst.

FeeamPC

#8
Perry Rhodan?
Rechts angesiedelt?
Habe ich irgendwie nicht bemerkt, und ich habe in meiner seeligen Jungendzeit über 1000 Heftchen davon gelesen. Hat mir weder geschadet, noch meine Gesinnung geändert ( die ist ganz siche rnicht rechts).
Und dem Verlag, der die Heftchen mit ausliefert, kreide ich das sowenig an, wie dem Zeitugsboten, dass er hin und wieder die Bildzeitung zum Nachbarn bringt.

Luna

#9
Man kann es auch übertreiben. Den Schlümpfen wurde doch auch mal angedichtet, ein faschistoides Völkchen zu sein http://www.news.de/medien/855176578/kleine-blaue-faschisten/1/. Donald Duck und Tim und Struppi standen demnach ebenso schon auf der Abschussliste.

TheaEvanda

#10
Ja, wenn man genug Analysewerkzeuge anschleppt, kann man jedem Text alles unterstellen. Fragt mal Kamen nach den Schloten über Hausdächern, die die männliche Dominanz mit ihren Penisdarstellungen zementieren ... oder die Mitglieder und Mitklitoriten ...

Mein Problem ist weniger die Landser-Vertriebssache, die ja schon geklärt ist. Mehr als der genannte Verlag getan hat, kann man nicht verlangen. Wenn ich mein aktuelles Projekt abgeschlossen habe, bin ich vertragsfrei und werde es erst einmal bleiben.

Aber ich habe mir schon mal überlegt, mich ganz offiziell bei Perry Rhodan für die Hauptserie oder NEO zu bewerben. Aus Interesse, und auch, weil PR wirklich gut zahlt für den Stress, den man damit hat. Auch wenn Perrys Lebenserhaltungssystem sich ganz sicher aus der Lebenskraft aller im Unternehmen Perry Rhodan involvierten Leute speist. Perry geht's gut, die Schreiberlinge werden früher oder später alle krank. :)

Vor allem finde ich es befremdlich, dass irgendjemand von einem freien Mitarbeiter erwartet, sich von den Geschäftsentscheidungen der Vertriebsgesellschaft eines Auftraggebers zu distanzieren. Und das möglichst noch im Netz und vor aller Augen. Ich versuche ja, etwas Netzpräsenz zu zeigen, aber so etwas geht mir zu weit. Bleibt der Mist dann an dem hängen, der sich zuletzt duckt, weil er gar nicht mitbekommen hat, was los war?

Eure Bemerkungen bestärken mich auf jeden Fall darin, einfach die Klappe zu halten und meine Butterblümchenwebsite weiterhin mit Baumwollbäumen, Stickereien und selbstgenähtem Kinderspielzeug zu bestücken. Wenn ich ein Problem mit einem Verlag habe, dann kämpfe ich das wie gehabt hinter verschlossenen Türen aus. Diese öffentlichen Schlammschlachten sind mir sowas von zuwider.

@Linda: Ich bin ja völlig unbeleckt in die Autorenszene gekommen. Weder ist meine Familie mehr als nur Konsument von Büchern, noch hatte ich Kontakte mit dem Science Fiction und Fantasy - Fandom, bevor ich 2009 meine erste Kurzgeschichte veröffentlicht habe. Die FilkCONtinental war als Musikertreffen schon das Höchste der Gefühle. Und so fühle ich mich sehr außenstehend und habe im Hinterstübchen ständig den Kulturwissenschaftler sitzen, der die Hackordnungen innerhalb der Autoren-Ingroups analysiert ... Faszinierend, um es mit Spock zu sagen. Dort gehen sehr merkwürdige Dinge vor sich.
Mir ist das eigentlich egal. Ich schreibe Auftragsarbeiten und stehe dazu. Andere meinen, sich dafür entschuldigen zu müssen ... oder polieren ihr Ego dadurch auf, dass sie auf andere Berufsuntergruppen herabsehen. Wenn es nicht so typisch menschlich wäre, müsste man sich ständig darüber beömmeln.

--Thea
Herzogenaurach, Germany

Linda

Zitat von: TheaEvanda am 24. April 2013, 17:41:25
@Linda: Ich bin ja völlig unbeleckt in die Autorenszene gekommen. Weder ist meine Familie mehr als nur Konsument von Büchern, noch hatte ich Kontakte mit dem Science Fiction und Fantasy - Fandom, bevor ich 2009 meine erste Kurzgeschichte veröffentlicht habe.

hihi - das klingt jetzt irgendwie lustig. Ich denke, das ist normal.
Ich hatte auch keine Kontakte, weder familiärer noch sonstiger Art, ehe ich mein eigenes Zine an den Start gebracht habe. Wobei man auf diese Weise sehr schnell in entsprechende Netzwerke kommt.  :vibes:

Maja

#12
Hallo Thea,

dieses Board ist dafür da, einzelne Verlage und Agenturen vorzustellen, nicht für allegmeeine übergreifende Themen im Verlagswesen. Ich möchte diesen Thread gerne dahin schieben, wo er hingehört, weil dieses Board einfach dafür nicht gedacht ist. Da du den Thread aber in einem internen Board aufgemacht hast und wir nichts von internen in offene Boards schieben, ohne das vorher anzukündigen, möchte ich dich vorwarnen. Solltest du dieses Thema unter keinen Umständen in dem Board haben wollen, wo er eigentlich hingehört, müssen wir uns etwas einfallen lassen. Gib mir Bitte Bescheid, ob ein Verschieben für ich in Frage kommt, in meinen Augen steht hier nichts, das einer Verschiebung widersprechen könnte.

Alternativ, wenn du möchtest, dass dieser Thread hier bleibt, bearbeite ihn bitte entsprechend, dass klar ist, um welchen Verlag es sich handelt.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

TheaEvanda

#13
Hallo Maja,

Gerade wollte ich noch dafür plädieren, den Thread im internen Bereich zu lassen. Bei den Blausternen wollte ich es nicht schreiben, weil das Thema für alle interessant ist. Aber für den öffentlich zugänglichen Bereich war es mir zu sensibel.

Jetzt habe ich mir alles noch einmal durchgelesen und denke, dass das Thema durchaus in die Öffentlichkeit kann. Die angesprochenen Verlage scheinen mir gut genug anonymisiert zu sein, und wer den Flamewar mitbekommen hat, dem ist sowieso alles klar. Und die Pabel-Möwig-Sachen sind im Prinzip für jeden einsehbar. Wenn man denn mal auf der richtigen Seite hinschaut.

Das Thema ist ja doch eines, das uns alle angehen kann. Also verschieb drauflos. ;)

--Thea
Herzogenaurach, Germany