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Fantasy in aller Munde

Begonnen von Kalderon, 08. August 2006, 15:28:26

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Papiervogel

Wie gesagt: Sehr viele Fantasy-"Jugendbücher" sind keine Jugendbücher. Da geht es ebenso viel oder wenig um Freundschaft und Selbstfindung wie in Büchern für Erwachsene auch.
Letzten Endes fällt die meiste Fantasy halt unter "Trivialliteratur". Die, die das nicht tut (z.B. Herr der Ringe) wird ernstgenommen, der Rest weniger. Und das ist bei Krimis und den meisten anderen Büchern ganz genauso.

Rei

Zitat von: Papiervogel am 09. August 2006, 15:21:39
Aber es werden ja nicht nur Fantasyromane verfilmt.
Dann dürfte eigentlich auch niemand Jane Austen lesen oder Donna Leon. Noch nicht mal Rosamunde Pilcher!
Das war reine Spekulation, Papiervogel. Ich habe nicht gesagt, daß es so ist.

Ich zum Beispiel lese lieber, als daß ich mir den Film dazu anschaue. Bei anderen mag das anders laufen. *schulterzuck* Noch kann ich nicht in jeden Kopf reinschauen, aber ich arbeite daran...  ;)

Linda

Zitat von: Kalderon am 09. August 2006, 15:25:53

Machen die Verlage denn keine Umfragen? Zum Beispiel:
Verlag: "Welche Themen interessieren sie in der Fantasyliteratur?"
Kunde: "Themen? Ich dachte, es geht um Orks und um Elfen."

Gut getroffen. Genau dieser Attitüde begegnet man leider viel zu oft. Und es wird nicht grade einfacher dadurch, dass in den letzten zwei Jahren vorwiegend Bücher mit diesen "Fantasyvölkertiteln" rausgekommen sind.

Zitat

Was ist mit sozialkritischer Fantasy? Gab es die nicht auch? Die wird aber nicht so gut verkauft, weil sie nicht "glücklich" genug ist, nicht wahr?  ::)*nachdenklicher Kalderon*

ja, die gibt es. Zum Beispiel die Sachen von China Mieville, die haben immer einen recht deutlichen sozialkritischen / politischen Touch. Sind aber trotzdem sehr unterhaltsam, wenn man den Stil mag und nicht auf einem Happy End besteht.  Genau genommen sind die Enden immer recht grausam in dem Sinne, dass zum Schluss alle unglücklich sind, weil sie getan haben, was sie getan haben, auch wenn sie es gezwungenermaßen oder nur nach langen Gewissenskonflikten gemacht haben.

Gruß,

Linda

Lastalda

@Linda: das klingt doch mal gut! *aufhorch* Gibt es da einen speziellen Titel, den Du empfehlen würdest?


Ich denke auch, dass es mit der allgemeinen Wahrnehmung von Fantasy zu tun hat. Das, was man sich so unter dem Begriff vorstellt (ihr wisst schon, Orks, Schwerter, Zauberei und Realitätsflucht) würde ich als Nicht-Fantasyleser auch nciht eben mit hoher Literatur assoziieren. Das, was auf dieser Schiene fährt, mag sich gut lesen, ist aber eben Trivialliteratur und hat auch nciht mehr oder weniger künstlerische Achtung verdient als andere. Die Schmuckstücke sind selten und weichen normalerweise von diesem Schema ab, und damit sind sie in den Augen eines Außenstehenden schon wieder "gar keine richtige Fantasy", also ist Fantasy immer noch keine "ordentliche Literatur". ;)

@Aneirin:
Du wohnst in Dresden? Krass... ich krie ja wiedermal gar nichts mit... *g*

Kalderon

@ Linda: Das klingt wirklich gut. Ich hab mal bei Amazon geguckt. Hört sich vielversprechend an. Da bleibe ich auf jeden Fall am Ball, wenn ich erstmal die ganzen Bücher hier durchhabe :d'oh:.

Was ist Herr der Ringe? Klassische Fantasy? Oder war es zu seiner Zeit gar nicht einzuordnen?

Was ist mit Harry Potter? Trivialliteratur, die jeder liest? Sowie die Bild-Zeitung?

Ist das der einzige Grund? Dass Fantasy Trivialliteratur ist? Ist schon ein guter Grund. Aber der einzige?

Linda

#35
Hallo Lastalda und Kalderon,

zu dem Mieville hatte Lomax in einem anderen Thread bereits eine Leseprobe (Link) eingestellt.

Ich würde die Lektüre in der chronologischen Reihenfolge beginnen mit
Perdido Street Station 1) Die Falter/ 2) Der Weber

Das stellt schon mal die Welt vor bzw den Hauptdarsteller, die Stadt New Crobuzon, wohl eine Art Fantasy-London, das mit sehr vielen abgedrehten Beschreibungen zum Leben erweckt wird.
Die Story von PSS nimmt ein wenig langsam Fahrt auf, weil erst mal ziemlich viel in den Schauplatz und die Figuren investiert wird. Diese ganzen Fremdvölker wollen ja auch vorgestellt werden, eben weil es nicht die altbekannten Elfenorkszwerge sind, sondern phantasievolle Neukreationen.
Mieville ist übrigens bekennender Fan von Mervyn Peake (Gormenghast) , Marxist und Ex-Rollenspieler ;-)

Bei dem nächsten geteilten Roman: Die Narbe / Leviathan geht es aufs Meer. Ebenso schräg und ungewöhnlich und wieder mit einem bitteren Ende.

Das tückische an dieser Lektüre ist folgendes: nach der Kennenlernphase und nachdem die Figuren das eine oder andere machen, hat man (ebenso wie sie) meist ein mieses Gefühl und würde sie am liebsten vor dieser Dummheit bewahren.
Dann scheint alles dennoch gut abzulaufen, man gönnt den Leuten ihren Frieden, ihre neue Heimat, ihre Liebe, ihre Kunst ... und dann geht die Scheiße so richtig nach hinten los.
Der Leser ahnt die ganze Zeit das kann nicht gut gehen, aber man hofft eben um der Figuren willen, dass es doch noch was wird.

Wer es ein bisschen freundlicher haben möchte, und für Fans des düsteren, pittoresken Londons, den verweise ich auf  Mievilles Erstlingswerk: "König Ratte" London meets den Rattenfänger von Hameln, abgeschmeckt mit einem gut geloopten Trance, Jungle (oder wie auch immer dieser komische, moderne Musikstil heißen mag, nie davon gehört).
Das Buch endet irgendwie hoffnungsvoller, der Held ist erwachsen geworden, hatte einige sehr schmerzhafte Erlebnisse aber es ist eben nicht nur traurig, sondern fast revolutionär lebhaft.

Wie solche Revolutionen dann doch wieder den Bach runter gehen, dürfen wir in "Der eiserne Rat" erleben, seinem bisher neusten Roman.

Die SF-Fans okkupieren den Mieville wegen seiner Uto/Dystopien gerne für sich, allerdings ist er waschechter Fantasy-Autor. Nur geht seine Definition von Fantasy über "Elfenprinzessin reitet Einhorn in den Regenbogen" hinaus. Mieville macht deutlich, dass die Goldtöpfe am Ende des Regenbogens mit dem Blut der unterjochten Zwergenmassen gefördert wurden und mindestens ein Fluch auf jedem Goldstück liegt :-) 

Viele Grüße,

Linda

Lastalda

#36
Das klingt ja sowas von genau nach dem, was ich verzweifelt suche... Danke!
(Aber der Link funzt nicht! :( )

Linda

Hallo Lastalda,

der "Link" kann nicht funktionieren. Es ist kein Link! :-)

Du musst beim Workshop gucken, bei "Beschreibungen - eine Textanalyse" und zwar unter Lomax erstem Beitrag auf Seite 1. Da steht auch noch etwas Hintergrund zu dem Thema.

Die Leseprobe ist übrigens in Englisch.
Und sogar wenn du gerne Original liest, würde ich dir zur deutschen Übersetzung raten. Denn die Übersetzung hat tatsächlich einen etwas anderen Charakter und ist besonders wortgewaltig und überbordend, wo das Original andere Schwerpunkte setzt, weil es auf andere Formen der Sprachebene zurückgreifen kann. So einen ausgeprägten stimmungsbilden Slang gibt es im Deutschen ja nicht.
Als deutscher Autor kann man von der Übersetzung da noch profitieren.

Gruß,

Linda

Lastalda

danke für die Wegbeschreibung. :)

Termoniaelfe

ZitatLastalda schriebIch denke auch, dass es mit der allgemeinen Wahrnehmung von Fantasy zu tun hat. Das, was man sich so unter dem Begriff vorstellt (ihr wisst schon, Orks, Schwerter, Zauberei und Realitätsflucht) würde ich als Nicht-Fantasyleser auch nciht eben mit hoher Literatur assoziieren. Das, was auf dieser Schiene fährt, mag sich gut lesen, ist aber eben Trivialliteratur und hat auch nciht mehr oder weniger künstlerische Achtung verdient als andere. Die Schmuckstücke sind selten und weichen normalerweise von diesem Schema ab, und damit sind sie in den Augen eines Außenstehenden schon wieder "gar keine richtige Fantasy", also ist Fantasy immer noch keine "ordentliche Literatur".  ;)


Ich lese hier immer wieder den Begriff "Trivialliteratur"

Ich mag diesen Begriff überhaupt nicht, weil ich denke, das jedes Genre seine Daseinsberechtigung hat. Was ist denn dann "ordentliche Literatur"?

LG
Termi

Papiervogel

Natürlich hat Trivialliteratur eine Daseinsberechtigung.
Das ist aber kein Grund, ihre Existenz zu leugnen (eher im Gegenteil!).

Feuertraum

ZitatIch lese hier immer wieder den Begriff "Trivialliteratur"

Ich mag diesen Begriff überhaupt nicht, weil ich denke, das jedes Genre seine Daseinsberechtigung hat. Was ist denn dann "ordentliche Literatur"?

Eine sehr gute Frage. Ich versuche mal meine Definition

Manche Autoren schreiben Geschichten, weil sie "nur" etwas erzählen wollen, also nur unterhalten. Das ist Trivialliteratur.
Andere Autoren schreiben Geschichten, mit denen sie etwas sagen, die meistens über Elend und Verzweiflung handeln und über menschliche Schwächen. Das wird dann meistens als ordentliche Literatur angesehen.

LG

Feuertraum
Zitat
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Kalderon

Ich lege viel Wert auf Bücher mit einer Aussage, auch wenn ich noch nicht viele davon gelesen habe. "Momo" von Michael Ende war so ein Buch in meinen Augen. Es geht unter anderem darum, worauf man seine Zeit verwendet. Und ob es sinnvoll ist, sie so zu verwenden.

Trivialliteratur hat zwar leidende Charaktere, Intrigen, Freundschaften...etc, aber es geht nicht wirklich um diese Themen, sondern um Unterhaltung.

In der Literatur, die sich nicht Trivialliteratur schimpft, geht es oft um bestimmte Themen wie Ausländerfeindlichkeit, Missbrauch...etc.

So sehe ich das zumindest.

Lastalda

Vielleicht sollte man auch nicht den eigentlichen Begriff mit Aossiziationen verwechseln. Trivialliteratur ist kein Schimpfwort. Es beschreibt eben Literatur, die keinen weiteren Anspruch an sich und den Leser stellt, als erwartungsgemäß massenwirksam zu unterhalten. Ist unterhalten werden zu wollen denn ein schlechter Grund, ein Buch zu lesen?
Ich schätze, der größte Teil der vielgelesen Bücher will gar nichts anderes tun, und das ist in Ordnung.

Nur wenn man als "höhere Literatur" wahrgenommen weren möchte, dann sollte man sich schon mit ein bisschen mehr auseinandersetzen. Dann sollte ein Buch auch eine Aussage haben oder einen sozialen/gesellschaftlichen Aspekt beleuchten, etwas in der Art.
Und genau das tut Fantasy eben selten, was sehr schade ist, weil ihr Potential dazu gewaltig ist.

Arielen

Ts, ist man mal ein paar Tage durch die Umschulung ausgeschaltet tobt hier gleich die Diskutierwut.

Fantasy ist in den Augen vieler ein reines Unterhaltungsgenre ohne anspruch. Das merkt man schon sehr deutlich in manchen Buchhandlungen oder auch wie die Fantasy in Sendungen im Radio oder fernsehen angefasst wird. Sehr vorsichtig nämlich.

Trivialliteratur ist ein abwertender begriff, der früher schon gerne benutzt wurde, meist von denen, die Germanisten waren oder sich so geben wollten. Der Begriff impliziert Anspruchslosigkeit, Oberflächlichkeit, die Werke sind schnell und billig herunter geschrieben und geben der Literatur keine Impulse. Es ist oft auch Kinderkram, denn nur Kinder dürfen sich noch mit etwas simplem beschäftigen.

Das aber in der Fantasy auch intelligente, sozialkritische und durchaus anspruchsvolle Romane existieren, die auch eine etwas tiefere Ebene haben, wird gerne negiert, und auch von den Verlagen, wenn sie nicht gerade Klett Cotta heißen nur vorsichtig angefasst.
Alles liegt im Auge des Betrachters