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Speer vs Schwert

Begonnen von Vali, 04. Januar 2009, 23:47:51

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Vali

Ich bräuchte nochmal eure Hilfe. Ich lasse nämlich meinen Prota (Speerkämpfer) gegen meinen Anta (Schwertkämpfer) antreten.

Mein Prota ist ein gebürtiger Wüstennomade und seit mehreren Jahren in den kälteren Norden ausgewandert. Den Umgang mit dem Speer lernte er bei der Jagd (Wurftechniken) und bei Spielen und Festen des Clans (Nahkampftechniken) in seinem Heimatland. Mein Antagonist ist ein talentierter Autodidakt und beherrscht ein wenig Magie, die er beim besagten Kampf aber noch nicht anwendet.

Worauf muss man bei solch einem Kampf achten? Mein Prota hat erst mal den Vorteil, dass er aus der Distanz angreifen kann. Weil der Speer für den Nahkampf kräftig genug sein muss, wird die Distanz allerdings nicht besonders groß sein, schätze ich. Kann man mit einem Schwert einen Wurfspieß abblocken? Oder muss mein Anta ausweichen?

Wie sieht eigentlich so ein Nahkampf aus? Das Schwert ist sowohl eine Stich- als auch eine Hiebwaffe. Mein Anta führt es einhändig und hat kein Schild oder so in der anderen Hand. Mein Prota kann mit seinem Speer eigentlich nur zustechen und als Stabwaffe (stumpfe Hiebe) benutzen. Können sich beide eigentlich schnell bewegen? Hat man es mit einem Speer im Nahkampf eigentlich schwerer als mit einem Schwert?

Fragen über Fragen. Ich habe von sowas sehr wenig Ahnung und möchte nicht so eine unrealistische Kampfszene schreiben bei dem sich die Balken biegen.

Melian

 ... denk .... denk....denk... OK

Er wird den Speer wohl kaum werfen, es sei denn er hat mehrere.

An sonsten ist das gar nicht so einfach. Wie scharf ist das Schwert? Wie hart das Holz? Grundsätzlich ist ein richtig gehärtetes Hartholz gar nicht so leicht durchzuschlagen wie es in Filmen oft gezeigt wird!! Denk an einen guten Axtstiel. Allerdings mit einem richtig guten Schwert und der richtigen Schlagsituation ist... Zak durch ist er. Kommt natürlich auch darauf an wie schwer das Schwert ist. Ein leichtes einhändiges Schwert wird den Speer nicht so leicht durchtrennen wie ein Lang oder Bastardschwert. (Deswegen werden in chinesischen Haudrauf Filmen auch so selten Kampfstäbe durchgeschlagen.) Das Schwert könnte sich unter entsprechenden Umständen dann sogar im Holz verkannten.... auch wenn eher unwahrscheinlich.

All das beeinflusst das Kampfverhalten der beiden Kämpfer. Grundsätzlich wird der Speerkämpfer eher defensiv kämpfen und versuchen seine höhere Reichweite auszunutzen. Er versucht also die Distanz groß zu halten. Der Schwertkämpfer will am liebsten den Speer zur Seite wegschlagen und plötzlich die Distanz überbrücken.

Allerdings kann der Speerkämpfer auch seinen Speer wie einen Langstab führen und das stumpfe Ende gleichberechtigt einsetzen. Er verliert in diesem Augenblick seinen Distanzvorteil, hat aber zwei Enden zum Zuschlagen.

Viele Möglichkeiten! Wie lang ist denn der Speer überhaupt?

Volker

Gegen das japanische Anderthalbhänder-Katana wurde die Technik mit dem Jo entwickelt - das ist ein 1,30m langer "Besenstil" aus Eiche. Mit dem Jo wird nicht quer geblockt (was eh' eine blöde Idee ist, egal welcher Block mit was blockt), sondern ein Schwert seitlich weggeschlagen.

Ein Speer kann nicht nur zum Stechen oder im-weiten-Bogen-rumschwingen (eindrucksvolle aber dumme Idee) genutzt werden, sondern auch als beidhändig geführter Langschild (wenn auch ein ziemlich dünner).

Um was für ein Schwert handelt es sich? Ein reiner Einhänder bzw. Kurzschwert (Sax, Gladius) hat deutlich weniger Reichweite - ein Anderthalbhänder (Katana, Broadword, ...) schon mehr, ein echter Zweihänder dürfte eine ähnliche Reichweite und auch eine ähnliche Technik wie ein Speer haben.

Werfen ist eine ganz dumme Idee, wenn es auf einen Zweikampf hinausläuft - der Gegner kann beobachten und vergleichsweise bequem ausweichen oder gar den Speer aus der Luft fangen und selber missbrauchen (das kann man seit Jahren bei den Speerwettkämpfen auf dem FdF beobachten).

Ein Kurzschwert/Dolch kann gefährlich werden, da sich der Kämpfer darauf konzentriert, am Speer vorbeizukommen - und sehr beweglich ist.

Generell: wenn ich wählen müsste, würde ich einen Speer nehmen.   :jau:

Tenryu

#3
Grundsätzlich würde ich sagen, ist keiner der beiden eindeutig im Vorteil. Am Ende siegt der, welcher seine Kampfkunst besser beherrscht und mehr Entschlossenheit kämpft.

Da ein Speer nur vorne spitz ist, kann man ihn leicht am Schaft ergreifen oder zur Seite schlagen. U.U. kann man bei einem Stoß, dem man ausweicht, die Energie des Angreifers nutzen und ihn zu Boden schleudern, oder ihm den Speer entreißen.
Je länger der Speer ist, desto weniger Kontrolle hat man und desto weniger präzise kann man damit angreifen. Schlägt man daneben, überträgt sich die Stoßwelle auf den Schaft und versetzt diesen in Schwingungen. Auch ist die Angriffsgeschwindigkeit des Speeres deutlich geringer. Dafür aber seine Durchschlagskraft viel höher; weshalb er auch gerne gegen gepanzerte Gegner eingesetzt wird. Mit einem Speer kann man eine Rüstung oder ein Kettenhemd durchschlagen, mit einem Schwert eher nicht.

Wurfspeere besitzen übrigens häufig eine Sollbruchstelle. Dadurch gehen sie beim Aufprall leicht kaputt und können vom Gegner nicht zurückgeworfen werden.

Churke

Zitat von: Vali am 04. Januar 2009, 23:47:51
Den Umgang mit dem Speer lernte er bei der Jagd (Wurftechniken) und bei Spielen und Festen des Clans (Nahkampftechniken) in seinem Heimatland.
Sehr viele jagbares Wild gibt es in der Wüste normal nicht, vielleicht mal eine Antilope, aber gut...

ZitatWorauf muss man bei solch einem Kampf achten?
Im Grunde genommen ist es banal: Mit dem Schwert muss man an der Speerspitze vorbei und die Distanz verkürzen. Ist man erst einmal im Nahkampf, hat der Speerkämpfer wahrscheinlich verloren. Da kann es sogar ratsam sein, den Speer weg zu werfen und mit dem Dolch weiter zu machen.

Die Praxis ist weniger banal, um nicht sogar zu sagen tückisch. Mit dem Schwert muss ich genau den Zeitpunkt abpassen, in dem der Speer zustößt. Wenn der Stoß kommt, leite ich ihn vorbei und renne gleichzeitig los, um den Speerkämpfer mit meinem Schwert zu erledigen.
Mache ich das zu früh oder falle ich gar auf eine Finte (!) des Speerkämpfers herein, dann zieht er den Speer zurück und sticht mich ab. Warte ich zu lange, sticht er mich ab. Laufe ich nicht ein, sondern bleibe stehen und beschränke ich mich auf die bloße Defensive, sticht er mich ab. Wenn nicht beim ersten Mal, dann halt bei zweiten, dritten oder zehnten Mal.  ::)

Wie erkennt man, ob der Speerträger richtig zustößt oder nur rumplänkelt? Durch jahrelanges Training und Beobachten der Körperhaltung. Außerdem kann man durch eine Klingenbindung anhand der Druckverhältnisse spüren, was der andere vorhat. Wenn ich also Kontakt aufnehme zur Speerspitze, wird es für mich einfacher, weil ich den Stoß spüre.  Ist natürlich die Frage, ob sich der Speermann darauf einlässt oder fröhlich drauflos stochert, damit ich das bleiben lasse.

Kann man den Speerschaft mit einem Schwert durchschlagen? Wenn mir jemand den Speer hin hält und sagt "hau drauf!", dann vielleicht schon (ein Schwert ist keine Axt und soll sie auch nicht ersetzen), aber in einem dynamischen Kampf eher nicht. Wir reden hier ja auch nicht von Baumarkt-Holz.

ZitatWie sieht eigentlich so ein Nahkampf aus?

http://www.doppelwaffen.hardatshooting.de/Videos/2707085.avi
http://www.doppelwaffen.hardatshooting.de/Videos/2707081.avi

(Die Videos sind mit diesem Codec: http://sourceforge.net/projects/ffdshow)

Ein paar Dinge musst du dir dazu denken: Stiche zum Kopf, Stiche von unten nach oben, Watschn mit dem Buckler. Aber lass dich vom Buckler nicht irritieren, die Hauptarbeit erledigt das Schwert. Und ausweichen kann man einem Speer nicht. Wenn man gut ist, kann man ihn mit der Hand vorbei leiten, aber nicht den Körper weg bewegen.


Aarous

Ich gebe Tenryu recht. Wenn dein Prota wirklich jahrelanges Training hat (und gut in Form ist), dann hat er Anta ein Problem. Wenn der Anta aber ebenfalls viel Erfahrung mit seinem jeweiligen Schwert und eine guten Trainingsstand hat, dann ist die Sache wieder ausgeglichen und wird echt spannend. Die jeweiligen Vor- und Nachteile beider Waffen wurden ja schon ausreichend erläutert, ebenfalls die zu möglichen Kampftechniken. Da der Prota wohl auch im Nahkampf erfahrung hat, wird er hoffentlich klug genug sein, die Taktik zu verwenden, die Churke vorschlägt, die ist mMn noch am erfolgsversprechenden.

Vorausgesetzt, beide sind etwa gleich gut trainiert mit ihren Waffen, haben ähnliche Tageform, stellen sich nicht wie der letzte Vollidiot an, usw... dann ist es ungefähr 50:50 und das Glück entscheidet.

Vali

#6
Oh, danke euch allen für diese ausführlichen, interessanten Antworten!

@Churke: Keine Sorge, das ganze spielt nicht auf der Erde. Es gibt zwar fast gar keine Viecher in der puren Sandwüste, aber in der Nähe von Oasen, in Savannen und je näher man den Bergen kommt, gibt es mehr Leben. Fleisch macht auch nur einen geringen Anteil ihrer Ernährung aus. Fleisch gammelt so schnell an. Wie auch immer, Hunger haben sie schon, deswegen ist mein Prota vor langer Zeit abgehauen.

Mein Anta hat einen Einhänder. Einen Speer kann er damit nicht durchschlagen, das habe ich mir schon gedacht. Ich hatte es sowieso nicht mit ihm vor, mein Prota braucht die noch für später. Mein Prota schleppt nur drei Stück mit sich rum. Wie genau die Speere aussehen, weiß ich noch nicht. Weil ich meinem Prota zwei Mal die Gelegenheit gebe seine Waffe zu werfen, müssen sie dementsprechend leicht gebaut und dürfen nicht zu lang sein.
Mein Prota hat die bessere Technik und Training, mein Anta hat mehr Erfahrung mit Ernstsituationen.
Bei dem Kampf, um den es hier geht, wird mein Prota den Speer wohl nicht werfen, wenn er nicht blöd ist. Der Anta hat viel Platz zum Ausweichen und könnte zurückwerfen.
Die Videos finde ich sehr interessant. Sieht wohl so aus, als ob mein Anta viel zu laufen hat, um meinem Prota an die Pelle zu rücken. Und seine freie Hand muss er dazu benutzen, den Speer zu packen, um die Beweglichkeit meines Protas einzuschränken. Stelle ich mir schwierig vor ohne gleich abgestochen zu werden.

Ansonsten kommen noch ein paar Begleitumstände dazu. Mein Prota ist vorher lang gelaufen und den Hügel hoch gekrakselt. Zudem ist er noch stinksauer und aufgeregt. Er ist noch nie einem Schwertkämpfer entgegengetreten und hat bisher nur einmal auf Leben und Tod gekämpft. Mein Anta hatte vor dem Kampf eine Minute Zeit zum Verschnaufen und erwartet meinen Prota schon. Er hat vorher aber auch was geleistet (Geisel hochgeschleppt) und müsste dann auch müde sein.

Wie der Kampf ausgeht, weiß ich ja schon. Da wird sich einer nicht richtig konzentrieren und sich ko auf dem Boden wiederfinden. Sterben tut noch keiner, aber es darf leicht verletzt werden.

EDIT.: Beide tragen keine Rüstung. Kein Kettenhemd, kein Leder, kein Waffenrock.

Volker

Zitat von: Churke am 05. Januar 2009, 09:51:56
Sehr viele jagbares Wild gibt es in der Wüste normal nicht, vielleicht mal eine Antilope, aber gut...
*Wild*jagen* ist etwas ganz anderes als Kampf Mann gegen Mann. Jagd ist oft genug ein nur einzelner Speerwurf oder Stoß/Schieben gegen ein Gegner, der keinen Speer kennt. Bisher sah ich den Speer als mindestens ebenbürtig an - aber ein Tier-Jäger mit Speer gegen einen Schwert-Kämpfer dürfte durch die Erfahrungen des Schwertkämpfers ungleich sein.

Zitat von: Churke am 05. Januar 2009, 09:51:56
http://www.doppelwaffen.hardatshooting.de/Videos/2707085.avi
http://www.doppelwaffen.hardatshooting.de/Videos/2707081.avi
Sehr schön im ersten Video zu sehen: der Speerkämpfer kommt im Nahkampf in den Rücken des Schwertkämpfers - und versucht trotzdem in einer sehr vorteilhaften Nahkampfsituation die Distanzwaffe Speer einzusetzen.  :happs:
In so einer Situation wäre es vielversprechend gewesen, den Speer (zumindest mit der linken Hand) loszulassen und von hinten in die Augen zu greifen/reißen oder zu würgen.