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Sind Kurzgeschichten überhaupt noch "in"?

Begonnen von Farean, 02. August 2012, 13:10:26

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Farean

Zitat von: Lomax am 06. August 2012, 18:17:16
Aber bei jeder Diskussionen kann man beobachten, dass die Einigkeit schnell zerbricht, sobald die Diskussion weitergeht und Bücher genannt werden, die die Leute lieber wollen.
Das ist natürlich leider nicht von der Hand zu weisen. :( Daß aber gerade bei Anthologien die ein bis zwei Haare in der Suppe für so viele Käufer anscheinend den Ausschlag geben, den übrigen fünf bis sechs Geschichten gar nicht erst eine Chance zu geben, ist extrem schade.

Wenn dies das Problem ist: was kann man tun, um es zu lösen? :hmmm:

FeeamPC

Anthologien laufen nur, wenn sie Werbung bekommen.
In den Buchhandel gelangen sie gar nicht erst. Die Märchen-Anthos, die ich gerade verlegt habe, wurden genau von zwei Buchhandlungen in Kommission genommen (heißt, sie werden nur bei Verkauf bezahlt, also für die Buchhandlung risikofrei). Eine davon ist bei mir zuhause, die andere, da hatte eine Autorin der Anthologie einen besonders guten Draht.
Alle anderen Bücher verkaufen sich ausschließlich über Lesungen der Autoren und deren persönliche Kontakte, sowie die Direkt-Werbung durch mich.
Grob kalkuliert ( und schöngerechnet) bedeutet das, pro teilnehmendem Autor verkaufe ich ca. 10 Bücher, durch eigene Initiative noch mal ca. 100. Im ersten Jahr. Danach sinken die Zahlen. Mehr Potential sitzt bei dem mageren Werbeetat eines Kleinverlages kaum drin.

Was können Leser und Autoren tun, um die Anthos wieder besser ins Rennen zu bringen? Aus Verlagssicht: taggen bei Amazon, Rezensionen schreiben bei Amazon, Rezensionen schreiben für Buchblogs, bei Autoren auch: eigenen Blog interessant gestalten, oder zumindest eine Webseite führen, die fur zufällige Besucher etwas zu lesen bietet. Facebook geht einigermaßen für Werbung, Twitter bringt praktisch nichts. (Wird von verschiedenen Seiten so bestätigt).
Diese Aktivitäten würde helfen. Dann würden die vorhandenen Anthos wenigstens von suchenden Lesern gefunden.
Hits werden es trotzdem keine. Allerhöchstens könnte man damit die Antho-Szene wenigstens einigermaßen am Leben halten.

Ich bin selbst durch Anthos erst zur Science Fiction and später zur Fantasy gekommen. Nach wie vor lese ich gerne Anthos. Ich würde es sehr bedauern, wenn es sie nicht mehr gäbe.

P.S: Die Einhörner- Antho im Torsten-Low-Verlag kann ich auch empfehlen.

Alana

#32
Ich persönlich habe als Leser bei Anthos einfach oft Pech gehabt. Ich hatte eben nicht zwei Geschichten, die mir nicht gefallen haben, sondern 2, die mir gefallen haben und der Rest war nicht mein Ding. (Das ist kein Qualitätsurteil sondern einfach eine Geschmackssache). Trotzdem mag ich Anthos prinzipiell und schaue immer wieder danach. Besonders im Erotik-Bereich finde ich Anthos super, man möchte halt oft einfach nur ein oder zwei Geschichten lesen und keinen ganzen Roman, nur dass die leider bisher alle grottenschlecht waren. Für mich müssten Anthos homogener sein, also eben gerade nicht gemischt zum reinschnuppern, sondern alles auf der gleichen Schiene, so dass ich, wenn mir die Leseprobe gefallen hat, davon ausgehen kann, dass auch der Rest meinen Geschmack trifft.
Abgesehen davon finde ich die Idee super, kleinere Anthos zu einem günstigen Preis anzubieten, also immer nur 3 Geschichten, die aber dafür wirklich richtig gut zusammen passen.

Theoretisch bin ich also der perfekte Abnehmer für einzelne Kurzgeschichten im eBook-Format. Nur habe ich keinen Kindle und abgesehen davon erschlägt einen die Auswahl.
Alhambrana

Judith

Ich bin kein Fan von Kurzgeschichten, das muss ich ganz ehrlich sagen. Ich schreibe sie nicht gern und ich lese sie nicht gern.
Das heißt nicht, dass ein Roman bei mir immer episch lang und mit zig Handlungssträngen sein muss, aber auch zwischen einem 200-Seiten-Roman und einer Kurzgeschichte gibt es für mich noch einen riesengroßen Unterschied. Eine Kurzgeschichte ist fast immer eine Momentaufnahme und ich möchte Figuren meistens länger auf ihrem Weg begleiten.
Deshalb funktionieren für mich z.B. Kurzgeschichten besser, die Spin-offs zu Romanen sind. Etwa George R. R. Martins Dunk&Egg-Geschichten, die aber ohnehin von der Länge und der Struktur her eher ein Kurzroman sind.

Tja, und dann kommt noch dazu, was Alana schreibt: Wenn ich Anthologien lese, dann gefällt mir meistens gerade mal die Hälfte der Geschichten, wenn überhaupt.
Daher mag ich auch eher Kurzgeschichtensammlungen von einem Autor/einer Autorin als solche mit verschiedenen. Wenn ich bei jemandem schon weiß, dass mir der Schreibstil gefällt, dann probier ichs auch eher mal mit kurzen Geschichten. Jorge Luis Borges etwa finde ich toll und auch die Kurzgeschichten von Michael Ende mag ich sehr.
Aber bei Anthologien bin ich eben vorsichtig. Und da wiederum ist es meiner Meinung nach ein großes Problem, dass sie so wenig in Büchereien präsent sind. Wenn ich eine Anthologie ausleihe und dann gefallen mir darin nur 3 Geschichten - was solls? Es war ein Versuch und ich hab kein Geld "verloren". Aber in Büchereien findet man Anthologien fast nie und kaufen mag ich sie dann nicht.

Vielleicht könnten mich einzelne Kurzgeschichten, die es als ebook gibt, mit dieser Erzählform "aussöhnen". Aber wie Alana schon schreibt: Da erschlägt einen die Auswahl komplett, ich wüsste nicht mal, wo ich da mit der Suche ansetzen sollte.

Yukan

Kurzgeschichten mochte ich auch nie wirklich. Es war immer so, dass mir die Gefühle und die Tiefe der Charaktere gefehlt haben. Das positivste, was eine Kurzgeschichte bei mir erreichen kann, ist, dass ich mir wünschen würde, dass es weiter geht. Es ist schade, wenn eine gute Idee aufgegriffen wird, aber dann leider keine Tiefe aufbaut, die die Charaktere authentisch wirken lassen. Vor allem, das "Mitleiden" mit Charakteren wird schwer, da sie so schnell auftauchen und wieder verschwinden, dass man sich denkt, na gut, ist er/sie eben wieder weg, kam auch erst vor 2 Seiten.

Andererseits hat mich auch die Anthologie vom Thorsten Low Verlag "Geschichten unterm Weltenbaum" und "geheimnisvolle Bibliotheken" vom Gegenteil überzeugt. Die sind sorgfältig ausgewählt und haben mir überaus gut gefallen.

Aber allgemein bin ich auch kein Fan davon.

canis lupus niger

Die Anthologien von Torsten Low sind wirklich supergut, und das hat sich auch herumgesprochen. Deshalb verkaufen sie sich auch inzwischen gut. Auch ich denke, dass es eine Frage der ... nein, nicht Werbung, sondern eher Bekanntheit ist, die das Leserinteresse an einer Anthologie oder sogar Anthologie-Reihe weckt. Aus dem Low-Verlag sind ja inzwischen etliche Anthos gekommen, immer zu einem bestimmten Thema (z.B. Lovecraft, Bibliotheken, Einhörner, demnächst Krieger ...), so dass der Leser ungefähr weiß, was er bekommt. Ähnlich ist das auch mit (Christopher) Tolkiens "Nachrichten aus Mittelerde".

In den Antologien der 70er/80er Jahre die zum Beispiel von Heyne herausgebracht wurden, als der verlag noch nicht Bertelsmann/Random House gehörte, war das nicht immer der Fall. Das war dann der "Science-Fiktion Story-Reader 12 mit einem Vorwort von Isaac Asimov" (oder ähnlich) und hat dann tatsächlich die Assoziation zu einer Sammlung von Groschenromanen erzeugt. Fantasy war damals irgendwie das Schmuddelkind der Science Fiktion und noch kein eigenes Genre. Jedenfalls war die Verlockung nicht sehr groß, so eine Sammlung zu erwerben. Heutzutage findet man in diesen alten Schätzchen wahre Juwelen, frühe Werke von heute höchst bekannten Autoren.

Auch die Hexer-Reihe von Sapkowski begann ja mit zwei Anthologien, bis die Mundpropaganda und vor allem die Computerspiele die Reihe bekannt machten.

Auf jeden Fall kann man sagen, dass sich Anthologien wenn, dann über Namen verkaufen, den des Autors, des Verlages oder den der Reihe/des Hauptcharakters.

Aus meiner Sicht haben Kurzgeschichten aber über die EBook-Schiene wieder eine Zukunft, denn als Unterhaltung für die Mittagspause oder die Zugfahrt zur Arbeit lesen doch Viele mittlerweile die kostengünstigen und schnell ladbaren Stories. Das Risiko ist nicht so groß, viel Geld für eine Geschichte in den Sand zu setzen, die einem nicht gefällt.   

Hanna

In einem anderen Autorenforum hatten wir letztes Jahr einen Jahreswettbewerb. Jeden Monat sollte eine Kurzgeschichte geschrieben werden. Da ist einiges zusammengekommen. Meine Chefin, die auch schreibt und in dem gleichen Forum ist, hat jetzt alle Geschichten in einer Anthologie herausgebracht und an Weihnachten an unsere Kunden geschickt. Wir haben unglaublich viele Rückmeldungen zu dieser Anthologie bekommen und die Kunden waren begeistert. Ich denke also schon, dass Kurzgeschichten immer noch ihren Markt haben und auch immer haben werden. Es gibt Menschen, die lesen ausschließlich Kurzgeschichten, z. B. in der Bahn oder abends vor dem Schlafengehen. Und für einen Autor macht sich eine Veröffentlichung in der Vita sicher auch nicht schlecht.
#notdeadyet

Nachtblick

In der jungen Literaturszene läuft Kurzprosa nach meinen Erfahrungen tatsächlich sehr gut, wenn nicht hauptsächlich. Das liegt aber daran, dass ein Großteil der wichtigen Wettbewerbe, Stipendien und Auszeichnungen über Kurzprosa vergeben wird. Hier wird man mit Märchen, Fantasy und Sciene Fiction allerdings wenig. Viele Anthologien großer Wettbewerbe wie MDR, FM4 Wortlaut und Open Mike haben ihre regelmäßigen Abnehmer, aber sicherer ist natürlich die Präsentation über den Wettbewerb. Nur auf der Shortlist zu sein bringt weniger.
Tatsächliche klassische Kurzgeschichten zu bestimmten Themen dürften sich, besonders wenn sie in Anthologien laufen, nur verschwindend verkaufen.
Insofern: so wie ich das selbst, bei Freunden und Kommilitonen mitkriege, ist die Veröffentlichung von Kurzprosa essentiell, wenn man sich etablieren will: darüber werden Lektoren, Verlagsleute und Leute, die jemanden kennen, auf dich aufmerksam.

Envo

Ich denke, das ist tatsächlich ein "Ding der Zeit". Könnte mit Rentabilität einhergehen. Entweder die Verlage (wie wohl schon erwähnt) bringen aus diesem Grund gar keine Sammlungen mehr raus oder sie werden erst gar nicht mehr eingeschickt, weil Autoren eben genau das denken.
Kommt aber wohl auch wieder auf das Genre an - gerade in der Fantasy könnte man wohl über den Sinn von Kurzgeschichten streiten, sollten diese jeweils in einer völlig neuen Welt spielen. Ist aber immerhin eine gute Möglichkeit Charaktere und Welt ein wenig im Vorfeld vorzustellen, wie bei der Geralt-Saga.

treogen

Da hab ich doch tatsächlich eine relativ aktuelle Anekdote vom NordCon 2013.
Wir hatten tatsächlich einen Kunden, der uns erzählte, dass er Anthologien über alles liebt und er es gut findet, was wir machen. Er schaute sich auch tatsächlich jede Anthologie an.
Am Ende kaufte er Faulfleisch - einen Roman!

Ich habe ihn nicht nach dem Grund gefragt - das hab ich mir dann doch nicht getraut.
www.verlag-torsten-low.de

Phantastik vom Feinsten

FeeamPC


treogen

Zitat von: FeeamPC am 25. Juni 2013, 18:29:46
War der Roman so kurz?  :engel:

Ein bissl was über 300 Seiten, also nicht unbedingt kurz.
www.verlag-torsten-low.de

Phantastik vom Feinsten

AlpakaAlex

Ich hole diesen uralten Thread mal hervor, weil das Thema mich aktuell sehr beschäftigt.

Der Grund ist, dass ich aktuell allgemein lieber Kurzgeschichten schreibe und lese. Der Grund ist beim Lesen einfach, dass ich aktuell häufig beim Lesen von Romanen den Faden verliere und mich dann schwer tue, die Handlung zu erfassen. Bei Kurzgeschichten, die ich innerhalb von 30-90 Minuten durchlesen kann (je nach Länge), habe ich das Problem nicht. Deswegen kaufe ich mir aktuell auch so viele Anthologien - in erster Linie auf Englisch, da ich gerade halt sehr gerne Solarpunk lese und es bisher nur wenige Solarpunkromane gibt.

Auch schreibe ich gerade wirklich viele Kurzgeschichten (unter anderem weil ich dieses Jahr für ein paar Freund*innen Geburtstagsgeschichten schreibe - also Kurzgeschichten, die sie zum Geburtstag bekommen).

Außerdem plane ich eine eigene Kurzgeschichtensammlung nächstes Jahr fürs Self-Publishing.

Leider bringen sehr wenige Verlage noch Anthos raus, kommt es mir vor ... Hmm, ja, sehr schade, finde ich.
 

Exlibris

@AlpakaAlex - das kann ich dir richtig nachfühlen. Mir kommt es so vor, als ob jedes neue Buch als "#allergrößtesmegasuperduper Epos" beworben wird. Es gibt quasi nichts mehr unter 500 Seiten. Und um es vorsichtig auszudrücken: Nicht jede Geschichte braucht soviel Platz ...

Fun Fact: das Problem gab es schon im antiken Griechenland. Aristoteles stellt im ersten Buch seiner "Poetik" die Frage, ob die Tragödie oder das Epos anspruchsvoller sei. Er sagt, die Tragödie, weil man als Autor weit pointierter und auf kurzem Raum arbeiten muss, während man in einem tausendseitigen Epos leicht mal zu schwafeln beginnen kann.

Bis vor wenigen Jahren habe ich sehr gerne lange Bücher gelesen, aber ich wurde immer wieder enttäuscht. Ich habe zum Beispiel die "Drachenelfen"-Quintologie von Bernhard Hennen gelesen und kann mich heute nicht einmal noch an die Charaktere erinnern. Nichts gegen Hennen, aber es ist sowohl für die Schreibenden als auch für die Lesenden schwierig, bei solchen Größendimensionen den Überblick zu behalten.

Ich empfinde diese Entwicklung als kontraproduktiv für den Buchmarkt. Es fühlt sich fast so an, als würde der Wert eines Buches heutzutage in Kilogramm gemessen werden ... 
"Turning history into avantgarde"
- Krzysztof Penderecki