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1. Weltkrieg

Begonnen von Alaun, 12. Oktober 2009, 08:59:03

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Alaun

Hallo liebe Schreiberlinge!

Bei meinem aktuellen Projekt tauchte gerade ein Problem auf, vielleicht könnt ihr mir weiterhelfen. Mein Protagonist lebt im Jahr 1926 in Deutschland. Er ist Jahrgang 1899, will heissen, zu Handlungsbeginn 27 Jahre alt. Mit diesen Daten müsste er eigentlich genau in den 1. Weltkrieg hineingeraten sein. Kann mir jemand von euch sagen, wie alt die Soldaten damals im Schnitt waren, als sie eingezogen wurden? Im 2. Weltkrieg wurden ja zum Schluss hin sogar Kinder geschickt... Wie war das im 1. Weltkrieg? Hätte mein Prota eine Chance gehabt, davonzukommen? Und wenn ja, wie? Gab es Möglichkeiten, sich dem Dienst an der Front zu entziehen? Studium oder ähnliches (wobei er dafür fast wieder zu jung ist, hmpf)?

Wenn nicht, muss ich ihn jünger machen, was mir widerstreben würde...

Danke und liebe Grüße!
*Alaun

Abakus

Interessant.

Vielleicht hilft dir folgender Link weiter:  http://www.deutsche-kriegsgeschichte.de/manhst14.html.

Viel Spaß bei der Recherche! :)

Chuck

#2
Der erste Weltkrieg hat noch so manches Mysterium inne, weshalb ich diese Spanne immer als sehr interessant empfunden habe.

Hier auch ein Link von der selben Seite wie Markus sein Tipp:

http://www.deutsche-kriegsgeschichte.de/wehrpfl.html

Hier steht auch das Alter von 17 Jahren für den Beginn der Wehrpflicht, was ja 1914 noch nicht für deinen Protagonisten zutrifft. Wohl aber zwei Jahre später.

Ich weiß gerade nicht genau, wie es tatsächlich gehandhabt wurde, aber auf folgender Seite:

http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Wirtschaftsgeschichte_im_Ersten_Weltkrieg

... fand ich folgenden Satz:

Die OHL fordert im Juni 1918 die Ausdehnung der Wehrpflicht auf den Altersraum von 15 bis 60 Jahren

Die OHL ist die Oberste Heeresleitung gewesen. Der Satz ist ein Indiz dafür, dass bis zum Ende des Krieges niemand eingezogen wurde, der unter Siebzehn bzw. 15 Jahre alt war. Womit dein


Kriegsdienstverweigerung gab es in Deutschland wohl schon länger, allerdings war es teilweise überhaupt nicht richtig geregelt. Hauptsächlich konnten sich wohl so gewisse Gruppen absondern, die triftige Gründe wie grundsätzlichen religiösen Glauben angeben konnten. Beliebt hat man sich in dieser Zeit damit aber nicht unbedingt gemacht.

Mehr vielleicht dazu unter:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kriegsdienstverweigerung#20._Jahrhundert



Leider kann ich dir über die tatsächliche Praxis auch nicht mehr erzählen, habe nur diese Dinge über die Rahmenbedingungen gefunden. Wie es tatsächlich aussah, wie stark man Verweigerer "verfolgt" hat und wie sehr man auf neue Rekruten gepocht hat ... da müsste man doch noch mal auf genauere Zahlen und Erzählungen schauen.

Churke

Ich meine mich erinnern zu können, dass "Im Westen nichts Neues" steht, dass die 16-Jährige an die Front geworfen haben. Es kann sein, dass die sich freiwillig gemeldet hatten.

ZitatHätte mein Prota eine Chance gehabt, davonzukommen? Und wenn ja, wie? Gab es Möglichkeiten, sich dem Dienst an der Front zu entziehen?
Chancen gibt es immer. Manche Leute haben einfach ein unglaubliches Glück:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_J%C3%BCnger

Weniger Glück brauchte Hitler, der als Meldegänger eine ruhige Kugel hinter der Front schob. Außerdem bestand der Krieg nicht nur Schützengräben an der Westfront. Truppengattungen wie die Artillerie hatten deutlich weniger Verluste und die besten Chancen hatte man wohl bei der Marine, wo die Schlachtschiffe nach 1916 nur noch im Hafen lagen.

Alaun

Hallo!

Danke für die hilfreichen Links! Meine Güte, Kriegsdienstgeschichte ist ja mal so gar nicht mein Gebiet...  :gähn: Hm, ich glaube, vielleicht mache ich meinen Prota einfach doch einige Jahre jünger, so würde ich um eine sehr aufwendige, akribische Recherche herumkommen. Ich brauche die Infos für das NaNo-Projekt und da habe ich nicht mehr so irrsinnig viel Zeit bis zum Beginn... Außerdem ist es wahrscheinlich für die Handlung selbst nicht wichtig, ob mein Prota im Krieg war oder nicht. OBwohl ihn so eine Erfahrung natürlich geprägt haben dürfte, hätte er sie machen müssen...
Mal sehen, wie ichs mache.

Liebe Grüße!
*Alaun

LoneRanger

#5
Zitat...so würde ich um eine sehr aufwendige, akribische Recherche herumkommen.

Das schöne an so einer Recherche ist, seine Protas anschließend in einem ganz anderen Licht sehen zu können und eine Menge an Authentizität zu gewinnen. Bei Projekten unter Zeitdruck würde ich allerdings eher versuchen, das Allgemeinwissen über eine Epoche in den Gehirnen der Leser zu wecken oder anzuzapfen.

In Deinem Fall, nennen wir den Prota mal Karl, sähe das so aus:

Der Mann sah ihn an. "Dann waren Sie ja im ersten Weltkrieg dabei!"
Karl nickte.
"Westfront?"
"Ich weiß noch von meinem Vater, das er..."
"Hören Sie!" Karls Stimme war nicht lauter geworden, doch sie hatte an Intensität zugenommen. "Ich rede nicht drüber. Und unser Projekt hat nicht das geringste damit zu tun."

Mit einem solchen Aufbau hast Du die unterschiedlichen Bilder in den Köpfen der Leser/innen geweckt und ohne viel Aufwand die passende Stimmung erzeugt. Es ist nur ein Beispiel, das kann man in vielen Bereichen so machen - bei größeren Romanprojekten kommst Du allerdings an einer akribischen Recherche nicht vorbei.

Viel Spaß, weiterhin.

Stefan (Lone Ranger) 

Romy

Zitat von: Churke am 12. Oktober 2009, 12:36:48
Ich meine mich erinnern zu können, dass "Im Westen nichts Neues" steht, dass die 16-Jährige an die Front geworfen haben. Es kann sein, dass die sich freiwillig gemeldet hatten.

Ich habe nur den Film gesehen und meine mich zu erinnern, dass die Jungs sich alle freiwillig gemeldet hatten. Einige von denen zwar unter Gruppenzwang, aber offiziell waren sie alle Freiwillige.
Haben die nicht sogar mitten im Schuljahr die Schule abgebrochen? Kann aber auch sein, dass ich das jetzt mit "Die Brücke" verwechsle, der spielt zwar im zweiten Weltkrieg, aber die Filme beginnen ja doch ähnlich.

Chuck

Freiwillige gab es damals auch reichlich. Natürlich auch Unfreiwillige.

Aber gerade der Erste Weltkrieg ist ja die Grenze zwischen den "romantischen" Kriegen der Zeit davor und unserer Moderne. Motivationen und Ansichten wurden damals kräftig durcheinander gewirbelt.

Tenryu

Freiwillige gab es wohl nur ganz am Anfang in Massen, als die Leute glaubten, der Krieg wäre ein Spaziergang nach Paris. Spätestens nachdem die Front zum Erliegen gekommen war und nach dem ersten Einsatz von Giftgas, dürfte die Kriegsbegeisterung rapide abgenommen haben.

Artemis

Zitat von: Churke am 12. Oktober 2009, 12:36:48
Ich meine mich erinnern zu können, dass "Im Westen nichts Neues" steht, dass die 16-Jährige an die Front geworfen haben. Es kann sein, dass die sich freiwillig gemeldet hatten.

Man muss auch die damalige Mentalität betrachten. Vor dem 1. Weltkrieg waren wir noch mit beiden Füßen im Kaiserreich, das von Militarismus und konservativem Denken geprägt war. Wer sich Fotos von damals anschaut, sieht den Trend, in Uniformen herumzulaufen. Ob das unser guter Willi der II. oder der Bursche im Matrosenhemd war, überall sieht man die deutlichen Anspielungen, dass Krieg was Tolles und Ehrbares war. Wer nicht diente, taugte nichts. Dementsprechend groß war sicher die anfängliche Begeisterung über den neuen "modernen" Krieg gegen die Erzfeinde.


Das Alter der Recken kann man oft sehr schön auf alten Friedhöfen sehen. Geht mal in die richtig verwilderten Ecken und sucht nach Grabsteinen der Kriegsopfer - ihr werdet überrascht sein, wie jung manche von denen waren. 15, 16, 17 Jahre, das waren diejenigen, die als erstes ins Gras bissen. Blutjunge Burschen, die irgendwo auf dem Feld krepierten oder einfach nie mehr auftauchten.
Mit etwas Glück findet man auf manchen Friedhöfen auch große Denkmäler mit den Namen der Offiziere. Selbst die waren häufig noch grün hinter den Ohren. Grauenvoll, wenn man sich vorstellt, wie viele gute Männer es damals den Hals gekostet hat  :no:

Da fällt mir gerade ein Buch ein, das ich mal gelesen hatte: Die Offizierskammer. Da erlebt man das Leiden eines sehr jungen Kriegsinvaliden in einem Hospital mit. Sowohl das Buch als auch der Film dazu gehen gewaltig unter die Haut  :gähn:

Chuck

Einen Film (das Stück dazu habe ich noch nicht gelesen), den ich dazu empfehlen kann, ist die Verfilmung von "My Boy Jack".

Basierend auf dem Gedicht und der Geschichte von Rudyard Kipling (Dschungelbuch) zeigt der Film, wie sein junger Sohn von siebzehn Jahren in den Krieg ziehen will. Zunächst von der Idee und dem Krieg begeistert, zeigt sich schnell, dass Kipling sich nichts sehnlicher wünscht, als das sein Sohn heimkehrt. Tut dieser aber nicht. Er stirbt im 1. Weltkrieg.

Die Geschichte basiert auf der wahren Begebenheit und der Film ist wirkilch sehr gut gemacht. Allen voran ein genial spielender David Haig als Kipling und eine super Leistung von Daniel Radcliffe als dessen Sohn.

Die Geschichte spielt auf Seiten der Briten, was dir insofern nicht weiterhilft, da es dort zu dieser Zeit noch keine Wehrpflicht gab. Aber es zeigt, wie Jugendliche teilweise mit dem nahenden Krieg umgegangen sind und wie man einen solchen in der Öffentlichkeit sah. Und es zeigt deutlich, wie schnell sich die Stimmung zum Krieg ändert, nachdem erst einmal die Gräbenkämpfe beginnen. Der Film fängt daher weniger das Geschehen auf dem Schlachtfeld ein, sondern die Gefühle weit davon entfernt - zuhause.



Häufig geht der Erste Weltkrieg unter dem Zweiten ein wenig verloren. Da man aber beide nicht einander aufwiegen kann oder sollte, finde ich es immer enorm wichtig, dass man beide zusammen im Kontext sieht - mit der Weimarer Republik als Bindeglied. Denn der "Zerfall" gewisser Moral begann schon vom militärischen Standpunkt aus im Ersten Weltkrieg, als Begriffe der Ehre mit Vernichtungswaffen von größerer Macht kollidierten. Die alten Werte, die Artemis so gut beschreibt, passen einfach nicht in die Hände von solch konservativem Denken, in der Krieg noch "Schachspiel" war. Es hat mehr als 50 Jahre gedauert, dass sich ein solches Denken abgeändert hat. Nicht zuletzt da viele der Denker im Krieg gefallen sind.

Daher sind die Ansichten direkt in der Bevölkerung abseits des Krieges besonders "spannend". Hier trafen schließlich häufig unbändiger Wille auf unendliches Staunen und Stutzen.

Daher wäre es vielleicht auch ganz wichtig, Alaun, wie die Eltern, Familie oder das Umfeld deines Protagonisten zum Krieg steht.

Alaun

Hallo!

Danke, dass ihr euch so viele Gedanken macht, das gibt mir den einen oder anderen neuen Denkabstoß. Ich weiss, dass der 1. Weltkrieg von vielen als "Aufbruch" gesehen wurde, dass mit Begeisterung in den Krieg gezigen wurde und man tatsächlich dachte, die Sache wäre in eine paar Wochen erledigt. Spannend finde ich, dass ja auch eine ganze Riege von Künnstlern des Expressionismus zu Beginn extreme Verfechter des Krieges waren. Auch der Futurismus sah den Krieg ja eher als "Geschenk für die Weiterentwicklung der Gesellschaft", denn als etwas furchtbares und überflüssiges an.
Mein Protagonist hat keine Familie im eigentlichen Sinne, die ihn beeinflusst haben könnte. Er wächst bei Geistern auf und hat ansonsten lediglich Kontakt zu Künstlern (Tänzer, Schauspieler, Sänger) und dem einfachen Volk von der Straße.
Da er in Preussen aufwächst, hat er aber natürlich als Kind auf jeden Fall mit dem allgegenwärtigen Militarismus zu tun, das dürfte ihn geprägt haben. Obwohl ich glaube, dass er dadurch eher zum Pazifisten wird. Er tendiert generell als Figur dazu, es immer genau entgegengesetzt der gesellschaftlich anderkannten Meinung zu machen... was ich irgendwie sympathisch finde  ;D

Viele Grüße!
*Alaun