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Ein Fantasymärchen?

Begonnen von Drachenfeder, 06. Dezember 2008, 12:23:01

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Drachenfeder

Märchen und Fantasy - ein Unterschied? Oder sind es Genre die ineinanderfließen?
Ich habe mir in den letzten Tagen öfter Gedanken gemacht ob ich nicht eher an einem Märchen schreibe als an einer Fantasysaga. Ich habe ein paar märchenhafte Wesen dabei, jedoch ist der Hauptbestandteil eher ernste Fantasy da es um einen kriegerischen Kampf geht. Am Ende meiner Überlegungen bin ich der Meinung, dass es eine Geschichte für Erwachsene und Jugendliche ist. Also ab 16 würde ich sagen, trotz ein paar niedlischer Figuren. Ich denke ich habe eine perfekte Mischung geschafft.

Nun bin ich neugierig, gibt es bei Euch auch welche die ernsthafte Fantasy mit etwas Witz und märchenhaften Figuren mischen?

LG Drachenfeder**



Linda

Hallo,

Märchen sind eine Literaturgattung mit relativ genau definierten Bestandteilen*. Deswegen schüttelt es mich immer, wenn jemand Fantasygeschichten und Märchen einfach gleichsetzt, nur weil darin Magie und Fabelwesen vorkommen. Gut, diese Einschätzung bekommt man häufiger von Leserseite aus zu hören... und Autoren merken, dass es verflixt schwierig ist, ein richtiges Märchen zu schreiben, statt einer Ansammlung von niedlichen Figuren und sprechenden Tieren. Hier empfehle ich die Lektüre von Tolkiens "Über Märchen", Bruno Bettelheims "Kinder brauchen Märchen" sowie mindestens drei Bänden von Diederichs Märchen der Weltliteratur.

Ein märchenhafter Tonfall hingegen ist etwas anderes. Ich denke, je nachdem, welche Geschichte man erzählt, fließt das etwas ineinander. Schon Kunstmärchen unterscheiden sich von echten Volksmärchen. Moderne Märchenromane wären z.B. die Werke von Hand Bemman, namentlich "Stein und Flöte".

Was du da oben beschrieben hast, Drachenfeder, klingt für mich nach einem All Ager. Glückwunsch, diese Art der Fantasy ist heute relativ gefragt. Ein Märchen ist es jedoch vermutlich nicht. Warum solltest du es also in diese Richtung bürsten?

Viele Grüße,

Linda Budinger


(*Archetypen statt individuellen Figuren,
stilistisch scheinbar einfach,
relativ strenge Gliederung,
- magische Dreizahl und andere Symbole,
psychologische Prozesse sind abgebildet,
nicht für Kinder geschrieben usw.)

Linda

Der Titelthread erinnert mich an den Epilog eines meiner Romane. Der ist nämlich ein echtes Fantasymärchen - eine Märchenerzählung in einem fiktiven Kontext, die den Inhalt des Romans symbolisch wiedergibt und deutet.
Das hat sich Rowling bei mir abgeguckt ;-))). Aber mal im Ernst. Die Beedle-Märchen wären solche (inzwischen nicht mehr fiktiven) Geschichten, die in einem Werk eine Rolle spielen.

Gruß,

Linda Budinger

LoneRanger


ZitatNun bin ich neugierig, gibt es bei Euch auch welche die ernsthafte Fantasy mit etwas Witz und märchenhaften Figuren mischen?


Hallo Drachenfeder,

auf diese Frage hin sollte ich mich melden.  :winke:

    Allerdings ist der Begriff Märchen bei mir eher mit einem "Gefühl" belegt, das deutlich zwischen der angelsächsischen Variante (Over the fields and far away...) und der mir persönlich viel zu brutalen deutschen Variante unterscheidet  (Brutale Stiefmütter, abgeschnittene Körperteile und ständig missbrauchte Kinder). Diese Unterscheidung ist, ich möchte das betonen, aus dem Bauch heraus und dadurch nicht differenziert genug, um irgend etwas davon abzuleiten. Ich habe wenig Fachwissen über Literatur, habe aber sehr viel in meinem Leben gelesen. Bis ich gerade die Beiträge von Linda gelesen habe, hätte ich Deine Frage mit einem "Ja" beantwortet. Ein deutscher Autor, der Teile meines Manuskriptes kennt, sprach in dem Zusammenhang von "... einem außergewöhnlichen Roman und einem großes Märchen mit viel Phantasie und Atmosphäre." Dieses Lob war für mich schon ein sehr großer Schuh, zu groß, und ich gebe zu, bis heute nicht zu glauben auf diesem Niveau zu schreiben. Der Begriff "Märchen" blieb mir aber daraus hängen und deswegen sprach mich Deine Frage an.

Es gibt zwei Gründe, warum ich den Begriff "Märchen" selbst nicht gebrauchen möchte:
1: Nach Lindas Hinweisen zum Umgang mit den Begriffen schreibe ich bestenfalls Fantasy mit märchenhaften Zügen.
2: Eine Verlags- bzw. Agenturanfrage wurde abschlägig beantwortet. "Keine Kinderbücher!" Da setzte man Märchen wieder mit einem Buch für Kinder gleich (siehe unten). Ich schreibe ein Buch für Jugendliche und Erwachsene, aber auch meine 8jährige Tochter folgt der Geschichte mit grossen Augen. Das nennt man einen "All-Ager?" Muss ich mir merken!

Also Drachenfeder, jetzt habe ich doch Deine Frage, die ich mit "Ja, ich!" beantworten wollte mit "Nein, ich nicht!" beantwortet. Wieder etwas gelernt.

@ Linda
Kann es sein, dass die Definition Märchen, so wie Du sie kurz zusammengefasst hast, (Archetypen statt individuellen Figuren, stilistisch scheinbar einfach, relativ strenge Gliederung, magische Dreizahl und andere Symbole, psychologische Prozesse sind abgebildet, nicht für Kinder geschrieben usw.) nur noch für den wissenschaftlichen Umgang mit der Materie nutzbar ist? Schon sehr lange werden im Volk die Begriffe "Märchen" und "Kinder" miteinander verbunden, dazu gibt es dann später die "Erwachsenen-Märchen."*

Gibt es unterschiedliche Definitionen des Begriffes für unterschiedliche Kulturbereiche? Ich möchte es nicht zu sehr im Detail wissen, nur gerne, ob es so ist.

Ist Fantasy eine Weiterentwicklung des Märchens, ein Genremix oder wirklich ein eigenes Genre? Sind die Unterarten (High Fantasy, Urban Fantasy...) bereits fest definiert oder wird das willkürlich gehandhabt.

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende von

Stefan (Lone Ranger)





* Persönlich halte ich weder die Gebr. Grimm noch Wilhelm Busch (Struwwelpeter, Max und Moritz) für geeignet, die wenig beschriebene Seele eines Kindes zu prägen. Ich lese ja auch die "Märchen" von W. Moers  nicht meinen Kindern vor.  Ich hatte als Kind Alpträume!

Linda

Hallo Stefan,

Zitat@ Linda
Kann es sein, dass die Definition Märchen, so wie Du sie kurz zusammengefasst hast,  nur noch für den wissenschaftlichen Umgang mit der Materie nutzbar ist?

es sind wissenschaftlich geprägte Definitionen, sicherlich. Aber ich habe sie selbst auch seit vielen Jahren so erfahren und vorhin auch eher aus dem Bauch heraus aufgeschrieben, was aus 30 Jahren intensiver Märchenlektüre hängengeblieben ist.

ZitatSchon sehr lange werden im Volk die Begriffe "Märchen" und "Kinder" miteinander verbunden

Märchen sind urwüchsige Geschichten, die sich Erwachsene über Generationen hinweg in der Spinnstube usw erzählten. Erst als sie schriftlich wurden (Perrault, Grimm, Mother Goose ...) sind sie um unmoralische und besonders erotisch gefärbte Inhalte beeinigt (Inzest, Kannibalismus, Sex), den Kindern vorgesetzt worden.
Es bleiben trotzdem im Kern Erwachsenengeschichten (daher auch die Grausamkeiten). Der "Herr der Ringe" bleibt ja auch ein Roman, selbst wenn es inzwischen eine leicht superheldige Verfilmung gibt. :snicker:

Zitat
Gibt es unterschiedliche Definitionen des Begriffes für unterschiedliche Kulturbereiche? Ich möchte es nicht zu sehr im Detail wissen, nur gerne, ob es so ist.

wüsste ich nicht. OK, Buddhistische Märchen sind beispielsweise sehr spezifisch und religiös eingefärbt. Irische (keltische) Märchen handeln sehr stark vom Kleinen Volk und der Feenwelt. Aber im Grunde sind Märchen universell und sprechen die gleiche Sprache. Das altägyptische Brudermärchen kann man heute immer noch sehr gut verstehen.

ZitatIst Fantasy eine Weiterentwicklung des Märchens,

Nein. Eine Spielart der Phantastik, die sich ähnlicher Motive bedient, würde ich sagen.

Zitatein Genremix oder wirklich ein eigenes Genre? Sind die Unterarten (High Fantasy, Urban Fantasy...) bereits fest definiert oder wird das willkürlich gehandhabt.

diese Genrediskussion führt zu weit, dafür fehlt mir momentan die Zeit. Das hatten wir aber auch an anderer Stelle schon.

Gruß,

Linda

LoneRanger


@ Linda

Herzlichen Dank für Deine Antworten,

was die Genre-Diskussion angeht werde ich mich noch einmal in den alten Beiträgen umschauen. Bisher war mir da nichts aufgefallen, aber es schlummert ja noch eine Menge in den Threads.

Bis dahin

Lone Ranger

Linda

Hallo,

@all - ich wollte keinesfalls die Diskussion abschneiden. Märchen sind nun mal eines meiner Steckenpferde und die Gleichsetzung von Fantasy = moderne Märchen ist mein rotes Tuch...

@Lone Ranger - und fündig geworden im Archiv? Genredefinitionen (insbesondere der Fantasy) sind ein Sack Flöhe, von denen jeder in eine andere Richtung springt, wenn man den Sack aufmacht. Und verbindliche Richtlinien gibt es dabei auch nicht. Man kann sich höchstens "grenzwertig" an den Begriff annähern.

Gruß,
Linda

LoneRanger

#7
@ Linda

Danke, das Du noch einmal fragst. Alles was ich gefunden habe ist besagter Sack Flöhe. Da werfe ich jetzt meinen Floh namens "White Fantasy" rein, erwähne es mal hier mal da - und ein weiters Genre verwirrt den ohnehin gebeutelten Markt.

Mal im Ernst:
Mir ist es wichtig, das ich schreiben kann. Das ist gut für meine Seele und das ist der Grund, warum ich noch schreiben würde, selbst wenn mir jetzt jemand attestieren würde, das eine Veröffentlichung meiner Arbeit ausgeschlossen ist. Trotzdem möchte ich einer späteren Veröffentlichung auch nicht dadurch entgegenwirken, das ich meine Hausaufgaben nicht gemacht habe. Aber die Hauptsache muss immer die Hauptsache bleiben. Da ist eine Geschichte in mir drin, der erst einmal egal ist, zu welchem Genre sie gehört. Ich war mit den "märchenhaften Zügen" in einer Fantasy-Geschichte vollauf zufrieden.

Kennst Du noch den Song von den Hollies (1976) "Write on..."

Write on
even though there's noone listening to your song
Write on shine on
get it together let your light break through
Shine on baby shine on
write on...

[Moni-modedit: Hab den kaputten Link (führte auf eine Fehlerseite) mal rausgenommen. Da solche Seiten vom Urheberrecht her zweifelhaft sind, am besten auch nicht verlinken. /Moni-modedit]

In dem Sinne!

Lone Ranger