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[Geschichte] Stricken und Häkeln im Mittelalter

Begonnen von Drachenfeder, 07. Mai 2014, 13:27:51

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Drachenfeder

Hallo zusammen!

Für mein aktuelles Novellenskript (historical fantasy) benötige ich Eure Hilfe.
Die Geschichte spielt im Winter 1599 in Deutschland. Um draußen nicht zu frieren, zieht mein Protagonist eine gehäkelte bzw. gestrickte Mütze auf. Und genau da bin ich hängen geblieben. Es ist zwar nur eine Kleinigkeit, aber auch diese muss stimmen. Kannte und konnte das einfache Volk schon solcherlei Handarbeiten? Meines Wissens war dies im Mittelalter noch nicht so etabliert. Ich habe im Netz nicht die "perfekte" Lösung gefunden. Oder nutzten sie Kopfbedeckungen (Männer), die sie auf Märkten besorgten und nicht aus eigener Herstellung stammten? Kennt sich jemand aus oder hat eine Antwort für mich?

Vorab vielen Dank
Eure Drachenfeder



Pygmalion

Also erstmal ist 1599 nach geläufiger Definition kein Mittelalter mehr, sondern frühe Neuzeit :P

Häkeln ist, soweit ich weiß, eine deutlich jüngere Erfindung, stricken könnte es schon gegeben haben.
Hauptsächlich hat man aber sicher gewoben und genäht. Und das in jeder Bevölkerungsschicht. Gerade die einfache Kleidung wurde selbst hergestellt und das durch sämtliche Bevölkerungsschichten hindurch. Auch Adlige Frauen verbringen viel Zeit mit dem Weben, Sticken etc. Sicher wurden gerade auch aufwendigere Arbeiten auch gekauft. Aber wenn jemand Arm war, konnte es zum Schutz gegen Kälte vermutlich auch schon einfach ein Wolltuch tun, das man sich um den Kopf wickelte.
Wobei ich nicht denke, dass es soetwas wie eine Strickmütze damals schon gab. Vielmehr wird es in Richtung Bundhaube, Barrett und Filzhut gehen.
Dabei darfst du nicht vergessen, dass Kopfbedeckung immer auch eine Zugehörigkeit zu einer Gesellschaftsschicht symbolisierte. Nicht jeder konnte jede Kopfbedeckung tragen.
Ein Buch dazu habe ich leider gerade auf die Schnelle nicht für dich ;)

Ary

#2
Hi,
es gab das "Nadelbinden". Erste historische Funde sind aus der Jungsteinzeit belegt. Es ist dem Häkeln, finde ich, ähnlicher als dem Stricken, und dient genau wie Stricken und Häkeln dazu, auch einem einzelnen Faden ein Gewebe zu machen.
Schau mal hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Nadelbinden
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Pandorah

Soweit ich jetzt eben recherchiert habe, wurden eher Handschuhe und Strümpfe gestrickt. 1599 war das Stricken wohl aber schon (wieder)entdeckt:
http://www.rete-amicorum.de/publikationen/stricken/stricken.html
http://www.tempus-vivit.net/taverne/thema/Stricken-im-Mittelalter

Drachenfeder

Danke für Eure Antworten.

Gerne könnt ihr "im Mittelalter" auch durch die Frühmoderne ersetzen.  Epochengrenzen varrieren ja immer ein wenig. Ich hätte dazuschreiben sollen, dass das Dorf noch sehr mittelalterlich lebt.

Das Nadelbinden hatte ich bereits im Auge. Aber ... hach es passt irgendwie nicht so ganz.

An eine Bundhaube habe ich auch erst gedacht, doch irgendwie passt das nicht, genauso wie ein Barett. Ein einfacher Filzhut wäre eine Möglichkeit, ich muss ihn ja nicht anfassen  ;D. Hach, ihr kennt das ja, man hat da was im Kopf und nichts passt.




gbwolf

Je nach Region kannst du auch in einem Heimat- oder Textilmuseum anrufen und fragen. Oder ganz nett Thea eine PN schreiben, die sich sehr viel mit Textilgeschichte beschäftigt.
Und wenn das Detail gar nicht so wichtig ist, dann lieber weglassen, statt bspw. Nadelbinden zu verwenden und dann war es in der Gegend nicht üblich.

Nycra

In Bad Homburg gibt es übrigens ein Hutmuseum, falls dir das was bringt. Ist ja nicht soo weit weg von euch.


Mika

#8
Ich kann das mit dem Nadelbinden definitiv bestätigen, man kann damit wirklich wunderbare Mützen, Socken, Beutel und noch viel mehr machen. Habe das Handwerk auf einem Mittelaltermarkt gelernt und es ist zwar deutlich "umständlicher" als manch andere Arten der "Maschenproduktion", hat allerdings den Vorteil, dass es sich nicht mehr auflöst, im Gegensatz zu gehäkelten/gestrickten Sachen.

Aber in der frühen Neuzeit war Gestricktes definitiv auf dem Vormarsch, eine gestrickte Mütze ist also gut möglich. 1527 wurde zum Beispiel Paris eine Mützen-Stricker-Gilde gegründet. Deswegen sollten gestrickte Mützen zu deiner Zeit überhaupt kein Problem darstellen (Quelle: Nadelbinden: Was ist denn das, S. 45, dort in dem Buch gibt es auch entsprechende historische Belege/Exkurse zum Thema Stricken). Wenn du magst, kann ich dir die entsprechenden Passagen auch abtippen/zitieren und schicken, falls das für dich interessant ist :)

Drachenfeder

Und dieses Nadelbinden wurde auch von ganz einfachen Bauersfrauen betrieben?

Wenn ich mir zu unsicher bleibe, werde ich es machen wie Nadine geschrieben hat und das Detail weglassen. Aber irgendwie juckt es mich, dass mit reinzunehmen, da es ja auch bitterlich kalt ist in den verschneiten Wäldern.



Mika

Nadelbinden konnte, meines Wissens nach, von jedem betrieben werden, also auch von einfachen Bauersfrauen. Ich denke aber bei dir würde von der Zeit her, fas eine gestrickte Mütze besser passen und sollte dann eigentlich auch überhaupt keine Probleme mehr mit sich bringen. Stricken hat sich zu deiner Zeit wieder vermehrt ausgebreitet und nachdem es einfach schneller ging als das Nadelbinden, kann ich mir auch gut vorstellen, dass eine einfache Bauersfrau eher eine Mütze strickt, als sie nadelzubinden, damit dürfest du eigentlich nichts falsch machen :)

Merrit

Was ist mit Gugeln? Gefilzte Wolle ist sehr warm und weit verbreitet...

Hanna

Was ist denn mit Fell oder einfach einem Tuch? Gut, ein Kopftuch ist wohl eher etwas für Frauen, aber es würde reichen, um den Wind abzuhalten.
#happyverpeilt oder auch gründlich überfordert ...

Tanja

Ich habe das Nadelbinden selber auch schon mal ausprobiert, und was vielleicht interessant ist:

Im Gegensatz zum Stricken kann man beim Nadelbinden das Gebundene einfach an einer Stelle aufschneiden und dort etwas ansetzen, ohne dass es auseinanderfällt - wie es beim Stricken der Fall wäre. Das liegt daran, dass beim Nadelbinden einzelne Knoten entstehen, während man beim Stricken aneinander gereihte Schlingen arbeitet.

Viele Grüße
Tanja