• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Show, don't tell?

Begonnen von Maja, 24. Februar 2015, 00:23:18

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Drachenfeder

Hachja dieser Satz. Ich liebe und hasse ihn zugleich. Habe ihn auch schon Verlegern bzw. Lektoren gehört. Manchmal ja, da hatten sie recht und das "show" war definitiv notwendig, um mehr aus dem Text rauszuholen. Doch dann gibt es wieder Passagen, da will ich erzählen und das tue ich auch. Ich bewege mich also auch zwischen "show" und "tell", habe da nun meine ganz eigene Mischung entwickelt mit der ich bestens klar komme und die beim Leser auch gut ankommt.

Zitat von: Maja am 24. Februar 2015, 00:23:18
Wenn euch nach Erzählen ist, dann erzählt. Ihr seid nicht für die Schreibratgeber da, und ihr müsst ihnen nicht sklavisch gehorchen. Schreibt, wie ihr wollt. Hauptsache, ihr macht das so gut, wie ihr irgendwie könnt, und seht zu, dass ihr immer und immer weiter besser werdet.

:jau:



AlpakaAlex

Show, don't tell ist wahrscheinlich einer der am häufigsten falsch dargestellten Ratschläge in der ganzen Schreibcommunity. Einfach weil die meiste Zeit einfach übergangen wird, dass es eigentlich ein Motto aus Filmen und im weitesten Sinne den visuellen Medien ist. Dort ergibt es eben auch Sinn, denn da kann man Dinge tatsächlich zeigen und hat einen deutlichen Unterschied zum erzählen. Es ist im visuellen definitiv interessanter zu sehen, wie beispielsweise Gruppe 1 Gruppe 2 in den Rücken gefallen ist, als wenn der eine überlebende von Gruppe 2 uns dann melodramatisch erzählt, dass eben das passiert ist. Soweit, so gut.

Beim Schreiben ist es aber etwas komplizierter, weil man den Leser*innen nun einmal alles erzählt. Nehmen wir also das Beispiel von der einen Gruppe, die der anderen in den Rücken fällt. Egal, ob wir nun daraus eine Flashbackszene bauen oder einfach den einen überlebenden einen entsprechenden Dialog geben: Wir erzählen es in beiden Fällen. Entsprechend macht es eben nicht den großen Unterschied, welche der beiden Variationen wir nehmen - gerade wenn wir den Dialog emotional aufladen. (Genau deswegen bin ich auch kein Fan von Flashbacks in geschriebenen Geschichten, solange sie nicht ein cooles Framing Device haben.)

Allerdings gibt es schon Aspekte, wo der Spruch durchaus Sinn ergibt. Zwei Beispiele dafür sind Gefühle und Charaktereigenschaften. Bei Gefühlen sagt es weitaus mehr aus, wenn man beschreibt, wie das Herz bis zum Hals pocht und die Figur dem Gegenüber am liebsten ins Gesicht schlagen würde, als wenn man schreibt: "Er war wütend."

Genau so ist es eben bei Charaktereigenschaften. Hier ist es sogar noch schlimmer. Charaktereigenschaften, die nicht gezeigt werden, haben recht wenig Wert. Ist leider auch einer der häufigsten Anfänger*innenfehler, was sicher nicht dadurch besser gemacht wird, dass man es teilweise auch in den Jugendbüchern findet. Dann wird ein Charakter als etwas beschrieben, aber es wird nie gezeigt, dass der Charakter sich so verhält. Am schlimmsten finde ich das ja persönlich in Romanzen, wo häufig dann ein*e Ich-Erzähler*in davon schwärmt, wie liebevoll und einfühlsam der Boyfriend doch ist, aber was gezeigt wird, ist einfach das Hinterletzte Arschloch.  :kotz:
 

Araluen

Ich sehe in "Show, don't tell" das Versprechen dem Leser gegenüber, ihm Dinge nicht einfach nur zu erzählen, sondern auch auf einer gewissen Ebene zu beweisen und eben auch eine gewisse Konsistenz im Verhalten der Figuren zu wahren.
Beispiel:
Mona war traurig, weil ihr Freund sie verlassen hatte.
Das wird erzählt, der Leser muss es glauben, obwohl es keinen Beweis dafür gibt, ob Mona wirklich so fühlt. Manchmal kann es ganz gut sein, auf diese Art abzukürzen. So ein Roman kann ja auch nicht unendlich dick werden. Oft führt es aber auch dazu, dass der Fakt geliefert wird und sich die Figur im Folgenden völlig anders verhält, indem unsere Mona jetzt zum Beispiel im nächsten Moment mit ihrer besten Freundin fröhlich ein Eis essen geht.
Mona war traurig und Mona geht fröhlich ein Eis essen, müssen sich nicht zwangsläufig ausschließen. Jeder Mensch geht mit so einer Trennungssituation anders um. Nur dem Leser fehlt in diesem Fall der Beweis, dass Mona a) wirklich traurig ist und b) dennoch in der Lage mit ihrer Freundin fröhlich ein Eis essen zu gehen. Dadurch wirkt das ganze Konstrukt unglaubwürdig.
Hier kommt dann Show ins Spiel, wobei dem Leser wirklich gezeigt wird, dass Mona traurig ist und wie sich ihre Stimmung wandelt, dass sie trotzdem fröhlich ein Eis essen kann oder vielleicht nur nach außen hin fröhlich wirkt ihrer Freundin zuliebe.