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Haltet euch an die Regeln! - Oder auch nicht.

Begonnen von HauntingWitch, 30. Mai 2013, 14:40:32

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Sin

Für mich sind diese Regeln nicht wirklich was, nur ein ganz kleiner Bruchteil davon, hilft mir. Die meisten blockieren mich eher.

Am Anfang hatte ich die Bücher von Frey und den Schreibratgeber von Elizabeth George gelesen, mit einigen Regeln und Tipps konnte ich auch was anfangen. Aber wenn ich mich stur daran gehalten habe, hatten mir die Texte nicht gefallen, oder ich hatte schon beim Plotten die Lust verloren. Bis ich rausgefunden haben, woran das liegt: Sie gehen planerisch vor und das ist genau das, womit ich am wenigsten anfangen kann. Schreibe ich eher aus dem Bauch heraus und sehe mir hinterher an, wo noch Plotlöcher gestopft werden müssen, wo ein Fehler steckt oder etwas umgeändert werden muss, weil es sich beim Schreiben doch anders ergeben hat, komme ich viel besser damit klar und bleibe auch am Ball.

Außerdem ist es mir viel zu anstrengend, mich an jede Regel halten zu 'müssen'. Und vertrete sowieso die Meinung: Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden. Habe ich solche Massen an Regeln werde ich regelrecht dazu getrieben, sie zu brechen. Auch wenn das nicht unbedingt heißt, dass die Geschichte/das Buch dadurch besser wird.  ::)

Das heißt aber auch nicht, dass ich prinzipiell was gegen diese Regeln habe. Nur sortiere ich mir aus, welche passen und mit welchen ich gar nichts anfangen kann. Und da bin ich momentan noch dabei.

Janika

"Ausnahmen bestätigen die Regel", oder wie war das? ;D

Mein erstes Buch habe ich runtergeschrieben, vollkommen ohne irgendwelche Regeln zum Schreiben zu kennen, außer vielleicht "Alle Hauptfiguren im zweiten Kapitel umbringen ist unpraktisch". :hmhm?: An den Mann gebracht habe ich das Manuskript trotzdem, von der Leserschaft bekomme ich positives Feedback.
Mit dem genauen Plotten, wie Sin es sagte, komme ich auch nicht zurecht. Ich mache mir mittlerweile grobe Wegpunkte, um nicht zu schnell in ein Plotloch zu rutschen, aber das war es dann auch schon.

Bei "sho, don't tell" weiß ich trotz des Threads hier im TiZi irgendwie nie genau, wie ich das nun umsetzen soll, also versuche ich es aus dem Bauch heraus zu lösen.

Ich habe einmal versucht, eine Kurzgeschichte nach allen Regeln zu schreiben, die ich in einem Schreiratgeber finden konnte. Ich habe die Geschichte dann abgebrochen, weil sie furchtbar kantig und stelzig wurde. Vielleicht habe ich es auch einfach falsch umgesetzt, aber auch dann bringen manche Regeln mir nichts.

Zitat von: SinTheFox am 02. Juni 2013, 10:32:19
Das heißt aber auch nicht, dass ich prinzipiell was gegen diese Regeln habe. Nur sortiere ich mir aus, welche passen und mit welchen ich gar nichts anfangen kann. Und da bin ich momentan noch dabei.
Da gehe ich ganz mit dir, Sin! :jau:
Immer eine Handbreit Plot unter dem Federkiel haben.

Minhael

ZitatTrotzdem macht man keinen Fehler, sich an sie zu halten, wenn man plant, einen Roman zu verkaufen. 

Genau das ist für mich der Knackpunkt. Bei meinen anfänglichen Schreibversuchen, wusste ich noch relativ wenig über derartige Regeln, heute da ich sie (zum Teil) kenne, hat sich so ein bisschen der Gedanke verfestigt, dass eine Veröffentlichung ohne Einhaltung kaum möglich ist. Das wiederum passt aber eben leider nicht zu dem, was zahlreiche Romane hergeben.

Abgesehen davon muss ich zugeben, gerade was die Perspektive angeht, finde ich "Regelverstöße" hin und wieder doch recht sinnvoll und praktisch. Traue mich aber nicht wirklich, sie auch bewusst umzusetzen. Das liegt vermutlich mit an der noch geringen Erfahrung in diesem Bereich, ärgert mich aber doch hin und wieder.  ;) Aus diesem Grund, danke für diesen und auch deinen Beitrag im Perspektiven-Theard Coppelia. Eines der dort genannten Bücher ist direkt im Einkaufswagen gelandet, interessant ist das Thema allemal und vielleicht bringt es zusätzlich die Erleuchtung oder so. ;)

HauntingWitch

Wow, spannend, eure Meinungen zu lesen. Am Ausprobieren bin ich auch, deshalb beschäftigt es mich zurzeit so. Interessant finde ich, wie sehr die Anischten auseinander gehen.

@Grey: Das ist eine sehr kluge Sichtweise, denke ich. Ich habe das bisher gar nie so betrachtet.

@Feuertraum: Auch eine Lösung.  ;D

@Minhael: Ist das denn eine Frage? Mir scheint, es ist völlig egal, ob sie es absichtlich tun oder es sie einfach nicht interessiert. Um beim Beispiel von Markus Heitz zu bleiben: Die Bücher sind gut und verkaufen sich. ;) Und das ist doch letztlich das Ziel, oder?

Churke

Zitat von: Janika am 02. Juni 2013, 10:46:54
Ich habe einmal versucht, eine Kurzgeschichte nach allen Regeln zu schreiben, die ich in einem Schreiratgeber finden konnte.

Ich denke, dass bei Kurzgeschichten Regeln von untergeordneter Bedeutung sind. Ein Gutteil dieser Regeln handelt von der äußeren Form und dem strukturellen Aufbau. Da stellt ein Roman von sagen wir 500 Seiten eine ganz andere Herausforderung dar als eine KG von 20 Seiten. Bei einem Roman halte ich es für sehr wichtig, dass man dazu in der Lage ist, Idee, Plot und Handlungsfaden zu gliedern, denn die Ordnung im Manuskript erzwingt Ordnung im Plot. Bei einer KG kann man damit viel freier umgehen und wahrscheinlich merkt man auch eher, dass man auf dem Holzweg ist.

Ary

Ich habe einige Schreibratgeber gelesen, aber ich halte mich lange nicht sklavisch an alles, was ich davon so mitgenommen habe. Vor allem Schreibratgeber, die original aus den USA oder GB stammen, genieße ich persönlich auch eher mit Vorsicht, denn was im Englischen guter Stil ist, ist im Deutschen vielleicht gar nicht so gut. Ein Beispiel ist das von Dani erwähnte:
ZitatViele Autoren sagen ja z.B., das einzig zu nutzende Wort im Dialogwechsel ist "sagte". Aha, und warum wurden dann schrie, rief, flüsterte und Freunde erfunden? Damit ich sie in die Tonne kloppe?
So weit ich weiß, ist es im Englischen durchaus üblich, immer nur "says" oder "said" zu schreiben, im Deutschen aber eher nicht.
Und genauso (auch von Dani):
ZitatUnd show, don't tell geht auch nicht immer. Wenn man wirklich jeden Pups hinschreibt, langweilt das irgendwann eher. Ich bin ein großer Freund davon, handlungstechnisch wichtige, aber erzählerisch langweilige Dinge schon mal eben zu raffen. Dann stehen sie immerhin da, öden aber niemanden an.
Show don't tell ist mein persönliches rotes Tuch und mein persönliches "Ich kann's nicht mehr sehen". Natürlich sollte man nicht alles erzählend runterschreiben, natürlich ist das öde. Aber zu viel "show" kann auch ganz schnell ins unfreiwillig komische abgleiten, wenn man versucht, für "er war stinksauer" die blumigsten Darstellungen zu finden.
Oder auch die Adjektive. Gar keine? Wie trocken ist das denn? Zu viele? Ja, schrecklich. Aber in gesundem Maß verwendet, sind sie für mich einfach wie ein Gewürz, das den Text rund macht.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

FeeamPC

@Feuertraum:

Zitat3. Wage es ja nicht, den Leser zu langweilen.
4. Untersteh Dich, den Leser zu langweilen.
5. Komm nicht mal ansatzweise auf die Idee, den Leser zu langweilen.

Das unterschreibe ich. Das sind in der Tat die wichtigsten Regeln überhaupt.

Kati

#22
Seit ich aufgehört habe, mich um diese Schreibregeln zu kümmern, läuft es bei mir wieder richtig gut. Ich habe mich lange Zeit ausgebremst, weil ich dachte, ich könnte etwas so nicht schreiben, weil es nicht so gern gesehen wird. Zum Beispiel Show, don´t tell. Aber seit ich einfach wieder schreibe, ohne über jeden Satz nachzudenken, läuft es einfach. Von daher: Ich halte mich nicht an irgendwelche Regeln, jedenfalls nicht bewusst. Unterbewusst habe ich bestimmt das ein oder andere übernommen, was ich so gelesen und gehört habe. Mir ist am Ende wichtig, dass den Lesern das Gesamtbild gefällt, was man meiner Meinung nach nicht durch solche Schreibregeln garantieren kann.

Ich denke, wenn man so schreibt, dass man sich selbst damit wohlfühlt, kriegt man am Ehesten ein Buch dabei heraus, mit dem man zufrieden ist und das ist doch am Ende das wichtigste. Was nützt mir eine Veröffentlichung, wenn ich selbst nicht hinter dem Roman stehe? Was nützt es mir, ständig neue Synonyme für "sagte" zu finden, wenn ich mit "sagte" am besten etwas anfangen kann und mir albern vorkomme, ständig "schrie", "meinte" oder "gab er zu Bedenken" zu schreiben? Ich denke, zum Üben sind diese Regeln ganz nett, damit man erstmal einen Überblick bekommt, was es so gibt und was man machen kann, aber ich würde niemals einen Roman an diesen Regeln entlang schreiben. Ich glaube, das Ergebnis wäre lieblos.

Zitat1. Schreibe lebendig.
2. Achte auf die Sprachmelodie (Sch***egal, was andere über das Vermeiden von Wortwiederholungen sagen: wenn die Melodie stimmt, wird ein Wort wiederholt!)
3. Wage es ja nicht, den Leser zu langweilen.
4. Untersteh Dich, den Leser zu langweilen.
5. Komm nicht mal ansatzweise auf die Idee, den Leser zu langweilen.

Yepp! Besonders das mit der Sprachmelodie und den Wortwiederholungen möchte ich unterschreiben. Maureen Johnson, die nach etlichen Romanen sicherlich das ein oder andere gelernt hat, wiederholt oft Wörter. Es ist mir aufgefallen, aber es stört mich kein Stück, weil es sich schön liest. Man sollte wohl auch immer schauen, welche Regeln zum eigenen Stil passen und mit welchen man sich seinen Stil am Ende zerschießt.

Nirahil

Eigentlich hat alles, was ich beisteuern kann, schon Erwähnung gefunden, aber eine Erfahrung von mir noch: Als ich zu Schreiben angefangen habe, hatte ich absolut keine Ahnung. Ich habe mich an Büchern orientiert, weil ich einfach schon immer relativ viel gelesen habe, aber das wars auch schon. Ich muss gestehen, bis heute hat sich daran nicht viel geändert. Show don't tell ist mir inzwischen ein Begriff und auch das ein oder andere "Handwerkzeug" ist mir jetzt bekannt, aber bewusst nutze ich davon fast nichts, wenn ich es nicht als wichtig erachte. Ich wurde erst kürzlich von Cairiel aufgeklärt, dass ich als auktorialer Erzähler schreibe und musste erst mal googlen, was das überhaupt bedeutet, weil mir trotzdem immer noch so wenig geläufig ist (ich lese auch - bisher - keine Schreibratgeber, einfach weil ich dazu schlicht und ergreifend keine Muße habe). Nachdem ich mit seiner Hilfe diese Bildungslücke beilegen konnte, habe ich mir angesehen, was das für meine Geschichte bedeutet. Letztlich würde ich daran aber nicht einmal etwas ändern, wenn ich deshalb von Verlagen abgelehnt werden würde - ob ich es werde, zeigt sich vielleicht irgendwann. Ich mag diesen Stil und ich würde ihn nicht ändern wollen, nur weil Verlage momentan vielleicht mehr auf andere Perspektiven stehen. Es ist gut, um die Regeln zu wissen, da sie ja doch einen Weg vorgeben - aber zu einem Weg gibt es fast immer noch viele andere Wege, die man gehen kann. Es ist also immer die eigene Entscheidung, welcher Regel man folgen möchte und welcher nicht, weil die eine beispielsweise gerade passt, die andere aber nicht. Und damit schließe ich mich vielen anderen hier an: es muss sich gut anfühlen, sonst nutzen einem die besten Regeln nichts. Dass sie eine Leitlinie sein können und den Stil verbessern können, möchte ich damit aber nicht ausschließen.
Ich tanze wie ein Kind im Nebel,
zufrieden, weil ohne Ziel.
Callejon - Kind im Nebel

Minhael

@HauntingWitch
Grundsätzlich ist das sicherlich erst mal egal, interessant finde ich es aber dennoch. :) Das was ich von Heitz kenne, finde ich gut, aber es fällt einem dann eben doch auf. Und aufgrund dessen, dass ich selbst immer so ein bisschen mit dem Perspektiven Thema hadere, interessiert es mich selbst halt noch mal doppelt.


Sanjani

Ich muss ehrlich sagen: Bevor ich hier herkam, habe ich mich wenig bis gar nicht mit Schreibregeln beschäftigt. Mein Grundwissen stammte aus der 5. Klasse Deutschunterricht, das ich im Zusammenhang mit Reizwortgeschichten erworben habe. Meine Textesahen aber auch dementsprechend aus. :) Erst seitdem ich hier bin, befasse ich mich mit so etwas. Ich habe aber auch vorher schon bessere Texte zustande gebracht. Ich habe damals wohl eher Lernen am Modell betrieben, indem ich sehr viel gelesen und dann das in meinen Stil nach und nach eingepflegt habe, was mir gut gefallen hat. Außerdem hatte ich später dann auch eine sehr gründliche Betaleserin, die mir v. a. in Bezug auf Perspektive die Augen geöffnet hat.

Ich persönlich finde manche Regeln enorm wichtig, andere nicht, und ich denke, jeder findet andere Regeln wichtig. Das Lustige daran ist, seitdem ich mich bewusster damit beschäftige, fallen mir auch viel mehr No-Goes in veröffentlichten Büchern auf. Ich denke schon, dass es Regeln gibt, die man beachten sollte, aber das, was ich wichtig finde, finden andere vielleicht total unwichtig. Ich persönlich mag z. B. überhaupt nicht, wenn in einer Szene andauernd die Perspektive gewechselt und zwischen allwissendem und persönlichem Erzähler hin- und hergesprungen wird. Aber diese Bücher haben es trotzdem in den Laden geschafft. Für mich sind Regeln deshalb eine Richtschnur und nur mein innerer Kritiker sagt mir, wie sehr ich mich daran zu halten habe. Dabei ist es aber auch nicht so, dass ich eine Liste neben mir liegen habe und dort alles abhake. Es ist viel eher so, dass ich bestimmte Dinge, z. B. flüssige Perspektive, möglichst wenige Wortwiederholungen (es sei denn bewusst aus stilistischen Gründen), nicht zu kurze Szenen für mich integriert habe. Und das führt dann auch dazu, dass mir meine eigenen Regelbrüche bei mir auch auffallen - und bei anderen Büchern fallen sie mir auch auf, wenn ich sie "schlecht gebrochen" finde :)

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Coppelia

Man sollte sich auch vor Augen halten, wie lang es Literatur gibt und wie kurz viele dieser "Regeln". Taugt nun alle Literatur nichts, die vor der "Erfindung" dieser "Regeln" geschrieben wurde? ;) Gerade das zeigt meiner Meinung nach deutlich, dass wir es vor allem mit einer Modeerscheinung zu tun haben. Aber wie ich schon sage: Wer verkaufen will, tut sicher nichts Falsches, wenn er sich nach dem Trend richtet.

Alessa

Für mich sind diese Regeln gleichzusetzen mit Eisenträgern in einem Bauwerk. Sie verleihen der Konstruktion Stabilität, aber was ich drum herum baue, ist allein meiner Fantasy überlassen. Ich denke, es wäre für mich als Autor langweilig, wenn ich mich stur an diese Regeln halten würde, denn die Grenzen wären vorher bereits festgelegt und der Rahmen würde mich zu sehr einengen. In vielen meiner Lieblingsromane tümmeln sich Füllwörter aneinander, ich stolpere von einem Adjektiv zum Nächsten und die innere Perspektive des Erzählers wird auch nicht stur nach 'Handbuch' eingehalten. Aber wichtig ist doch, dass die Geschichte mich von der ersten bis zur letzten Seite fesselt, inklusive 'Schönheitsfehlern'. Perfektionismus ist gut und hat sicher auch seinen Reiz, aber ob das auch fürs Kreative Schreiben zählt, bezweifel ich.