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Handwerkliches => Das Sprachbastelboard => Thema gestartet von: Feuertraum am 22. Februar 2012, 13:13:55

Titel: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Feuertraum am 22. Februar 2012, 13:13:55
Ein herzliches Hallo an alle!

Wir alle kennen es: normalerweise sprechen wir vollkommen anders als wir schreiben, zumal uns die Stimme erlaubt, das Sprechtempo zu bestimmen, die Modulation zu verändern, Pausenakzente zu setzen, um bestimmte Effekte zu erzielen.
Das lässt sich natürlich beim geschriebenen Wort nicht so wirklich umsetzen, ausser, dass man vielleicht dazu schreibt, wie die Person gerade "spricht".
Nun ist mir aber aufgefallen, dass man in manchen Situationen tatsächlich einen anderen "Spracheffekt" (ich nenne es jetzt einfach einmal so) erzielen kann, wenn man bewusst Satzzeichen wegläßt, um damit anzudeuten, dass hier eine Veränderung des Sprechtempos forciert wird.

Leider fällt mir jetzt so spontan kein vernünftiges Beispiel ein, dennoch hoffe ich, dass Sie verstehen was ich meine.
Darum meine Frage: Darf man Satzzeichen bewusst weglassen, um einen speziellen "Sprech"-effekt zu erzielen? Oder müssen Satzzeichen grammatikalisch korrekt angewendet werden, selbst wenn das eben diesen Effekt nicht zulässt?

Lieben Gruß und schon einmal Dankeschön im Voraus
Feuertraum
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Nycra am 22. Februar 2012, 13:36:51
Hallo Feuertraum,

abgesehen von der von dir bereits erwähnten Methode, einen Teil des Satzes als "betont" zu kennzeichnen, arbeite ich in diesen Fällen gerne mit Kursivschrift. Das verdeutlicht, dass die Betonung anders ist, ohne dass man geltende Grammtikregeln außer Kraft setzen muss. Das würde ich auch schon deshalb nicht tun, weil bestimmt ein pfiffiger Lektor diese als Fehler interpretiert.

Manchmal hilft auch einfach eine Pause in den Satz einzubauen, eine Gestik oder Mimik, um eine Betonung zu unterstreichen.
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Dogtales am 22. Februar 2012, 13:39:09
Hallo,

ich würde sagen, so als Schriftsteller hat man recht viele Möglichkeiten, wie man seinen Text gestalten möchte und Weglassen von Satzzeichen, um damit zu verdeutlichen, dass sich das Sprechtempo ändert, halte ich für durchaus legitim. Da so ziemlich alles Schriftsteller, die berühmt geworden sind, sich irgendwelcher Stilmittel bedient haben, die dann brave Deutschschüler analysieren und interpretieren müssen, schließt das nicht aus, dass wir Schriftsteller das nicht auch tuen sollten, auch wenn wir noch nicht so berühmt sind  ;) Schließlich darf man Satzteile umbauen, Sätze verkürzen, Metaphern nutzen und so weiter wie und wo man will, das läuft ja auch unter rhetorische Stilmittel.

Persönlich zeige ich sogar sehr gern an, wie sich das Sprachtempo verändert, bis jetzt aber noch nicht unter diesem Gesichtspunkt, sondern eher die Verlangsamung, wobei ich dann einfach noch mehr Punkte setze und. jedes. Wort. mit. einem. Punkt. versehe. Was wiederum mehr Betonung auf die einzelnen Worte lenkt und einen langsameren Effekt erzielt. Ich bin sowieso großer Fan von Ellipsen. Grammatikalische Korrektheit lasse ich in dem Fall gern außen vor  ;D

Soweit meine persönliche Meinung und "Gefallensgefühl", inwiefern das jetzt bei anderen auf Missfallen stößt oder stoßen kann, kann ich aus mangelnder Erfahrung leider nicht sagen.
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Sprotte am 22. Februar 2012, 13:42:26
Ich bin dagegen. Mir würden sich die Zehennägel aufrollen, ehrlich.

Das taten sie auch hierbei:
Zitatund. jedes. Wort. mit. einem. Punkt. versehe
Das geht für mich überhaupt nicht. Das ist so ähnlich wie in Großbuchstaben schreiben, um Lautstärke zu verdeutlichen. (Nur Pratchetts Tod darf in Großbuchstaben sprechen, wirklich). Oder Satzzeichen wie ! und ? im Rudel auftreten lassen. Fehlt noch, daß wir Smileys in den Text setzen oder *er grinste* verwenden.

Das sind für mich keine Stilmittel, sondern Verbrechen.
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Rynn am 22. Februar 2012, 13:44:41
Prinzipiell würde ich sagen, in der wörtlichen Rede ist (theoretisch) alles erlaubt. Und Regeln sind da, um gebrochen zu werden. ;D
Aber ich wüsste ehrlich gesagt nicht, wie das Weglassen von Kommata einen Satz anders wirken lassen kann. Was ändert sich für einen Leser, wenn ich ein Komma weglasse? Wenn da eine Wirkung eintritt, dann fände ich das völlig legitim, aber ich frage mich, ob damit etwas bewirkt werden kann oder ob der Leser nur denkt: "Huch, schlampiger Lektor!". Da würde mich ein Beispiel doch sehr interessieren.

Und: Übertreiben sollte man es auch nicht. Oft strengt es den Leser an, solche Sachen zu lesen. Außerdem ist es meiner Meinung nach deutlich eleganter, den gewünschten Effekt direkt durch die treffende Wortwahl zu erzeugen, den Charakter etwas in genau der richtigen Formulierung sagen lassen, bei der der Leser ohne "Spielereien" weiß, dass die Figur brüllt/flüstert/was auch immer. :)
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Nycra am 22. Februar 2012, 13:52:34
Zitat von: Dogtales am 22. Februar 2012, 13:39:09
..., sondern eher die Verlangsamung, wobei ich dann einfach noch mehr Punkte setze und. jedes. Wort. mit. einem. Punkt. versehe. Was wiederum mehr Betonung auf die einzelnen Worte lenkt und einen langsameren Effekt erzielt. Ich bin sowieso großer Fan von Ellipsen. Grammatikalische Korrektheit lasse ich in dem Fall gern außen vor...

Stimmt, die Variante Worte mit Punkten abzutrennen verwende ich auch. Allerdings sehr sparsam, weil dies meines Erachtens schon ein starker Eingriff in das Lesebild darstellt. Ich weiß aber auch von einigen Betalesern, dass sie dies nicht sehr gerne lesen, weil es den Fluss stört.
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Valaé am 22. Februar 2012, 14:06:18
Ich bin ebenfalls dagegen, aber nicht aus Sprottes Gründen, sondern weil es hier definitiv um gültige Grammatikregeln geht und die nicht richtig zu verwenden, werden sowohl die meisten Lektoren als auch die meisten Leser höchstwahrscheinlich als Fehler/Unwissenheit des Autors interpretieren. Zumal solche Dinge immer so offen in der Interpretation sind, dass Sie damit mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Leser nicht das gewünschte Ergebnis erzielen, Feuertraum.

Über dieses Argument
ZitatDa so ziemlich alles Schriftsteller, die berühmt geworden sind, sich irgendwelcher Stilmittel bedient haben, die dann brave Deutschschüler analysieren und interpretieren müssen, schließt das nicht aus, dass wir Schriftsteller das nicht auch tuen sollten, auch wenn wir noch nicht so berühmt sind 
musste ich ehrlich gesagt etwas schmunzeln. Warum? Weil es mir im Studium schon so oft untergekommen ist. Und ich stimme da meinen Dozenten zu: Die wenigsten Stilmittel, die von berühmten Autoren benutzt werden setzen wirklich Regeln außer Kraft. Das einzige Beispiel, dass mir in diese Richtung einfällt ist Kleist, der wirklich durch die Bank eine etwas eigenwillige Interpunktion benutzt. Aber ansonsten? Ellipsen führen nicht zwangsläufig zum unvollständigen Satz, wenn sie es doch tun, wird der Abbruch verdeutlicht oder mit den bekannten  ... angedeutet. Damit ist klar, dass es kein vollständiger Satz mehr ist und damit ist es auch kein Regelbruch. Die meisten Stilmittel bewegen sich im Rahmen der geltenden Grammatik - einmal abgesehen vom Bewusstseinsstrom, der ist ja absichtlich teilweise fern dieser Regeln,  weil kein normaler Mensch in grammatikalisch korrekten Regeln denkt. Da muss man aber extreeeem vorsichtig mit sein, denn man sollte diese Technik auch nur da anwenden, wo man wirklich Bewusstseinsstrom schreibt und das ist nicht so einfach.

Ganz so streng wie Sprotte sehe ich es allerdings nicht. Satzzeichen als Rudeltiere kommen durchaus auch in klassischen Werken vor und sind ein sehr altes Stilmittel um Aufregung zu signalisieren. Natürlich nicht übertreiben damit. Großbuchstaben zu verwenden, ein einziges Mal im ganzen Dialog, wenn wirklich jemand außer sich schreit und dann auch nur für ein einziges Wort, halte ich auch für legitim. Sätze in Großbuchstaben gehen gar nicht, nicht jedes Mal wenn einer schreit sollte man Großbuchstaben verwenden. Das hier genannte hinter jedem Wort einen Punkt habe ich ein einziges Mal verwendet und da sehr mit Bedacht. Ich halte es für ein nettes Stilmittel wenn man verdeutlichen möchte, dass in einem kurzen (!) Satz jedes Wort besonders betont oder gar geschriehen wird. Solche kleinen Anmerkungen müsste man sonst beschreibend dazwischenlegen, was wiederum die Dynamik zerstört.
Was ich damit sagen will, ist: Gerade so sehr strittige Stilmittel immer nur mit Bedacht setzen und ganz genau wissen, was man damit bezweckt. Wenn sie dann einmal im ganzen Text vorkommen, sind sie in Ordnung. Wenn sie als Rudel auftreten, rollen sich mir genau wie Sprotte die Zehennägel hoch. Denn dann setzen sie keine Akzente mehr. Was jedoch immer gilt: Stilmittel im Rahmen der Regeln verwenden und nur da die Grammatik missachten, wo es gar nicht anders geht (Teile des Bewusstseinsstroms) und dann in dem genauen Wissen, was man tut. Sonst läuft man Gefahr, von Lektoren und Lesern der Nichtkenntnis der deutschen Sprache bezichtigt zu werden.
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Churke am 22. Februar 2012, 14:17:11
Ich tue mir schwer, hier eine abstrakte Aussage zu machen.

Zunächst einmal haben Zeichen einen Grund. Sie sind wichtige Hilfsmittel für den Leser. Außerdem gliedern sie den Text in Sinnabschnitte.
Wenn ich die Interpunktion weg lasse, zerstöre ich das. Es kann dann funktionieren, wenn die Wirkung auf den Leser die selbe ist wie auf die zuhörende Figur. Das geht weit über eine einfache Erhöhung des Sprechtempos hinaus.

Wo ich mir so etwas vielleicht vorstellen könnte, wäre die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten ohne Punkt, Strich und Komma herunter zu schreiben, weil der Bundepräsident sie monton vom Teleprompter abliest und runter leiert.

Mein Fazit: Wenn es funktioniert, kann man es machen. Aber nur dann und auf jede Fall extrem zurückhaltend. Das ist kein Effekt, den man in jedem Roman sehen möchte.
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Kati am 22. Februar 2012, 14:18:50
Zitat von: Sprotte am 22. Februar 2012, 13:42:26
Das ist so ähnlich wie in Großbuchstaben schreiben, um Lautstärke zu verdeutlichen. (Nur Pratchetts Tod darf in Großbuchstaben sprechen, wirklich). Oder Satzzeichen wie ! und ? im Rudel auftreten lassen. Fehlt noch, daß wir Smileys in den Text setzen oder *er grinste* verwenden.

Das sind für mich keine Stilmittel, sondern Verbrechen.

Da habe ich nichts mehr hinzuzufügen.  ;) In diesem Punkt finde ich show, don´t tell keine gute Idee. Ich schreibe lieber ein "sagte er laut" dahinter oder so, als das ich die wörtliche Rede in Großbuchstaben schreibe. Warum? Aus dem einfachen Grund, dass es im Text total daneben aussieht, wenn da lauter Großbuchstaben sind oder in einem Satz nach jedem Wort ein Punkt kommt. Und es hat was von: "Ich wusste leider nicht, wie ich das mit Worten ausdrücken sollte, also zeige ich es euch einfach."

Was ich in Ordnung finde ist, in der wörtlichen Rede den Soziolekt oder Dialekt von jemandem darzustellen, solang man nicht total übertreibt. Und durch die ... kann man auch schon eine Menge bewirken ... solang man nicht übertreibt.  ;)
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Snöblumma am 22. Februar 2012, 14:31:19
Zitat von: Kati am 22. Februar 2012, 14:18:50
Da habe ich nichts mehr hinzuzufügen.  ;) In diesem Punkt finde ich show, don´t tell keine gute Idee. Ich schreibe lieber ein "sagte er laut" dahinter oder so, als das ich die wörtliche Rede in Großbuchstaben schreibe. Warum? Aus dem einfachen Grund, dass es im Text total daneben aussieht, wenn da lauter Großbuchstaben sind oder in einem Satz nach jedem Wort ein Punkt kommt. Und es hat was von: "Ich wusste leider nicht, wie ich das mit Worten ausdrücken sollte, also zeige ich es euch einfach."

Ich bin, was Satzzeichen und andere Verdeutlichungselemente angeht, auch eher auf der puristisch-klassischen Seite. Ich muss mich schon zu jedem ... oder - Einschub - durchringen, weil ich beides ästhetisch nicht gerade ansprechend finde. In diesem Fall finde ich einen Satz wie "Er brach mitten im Satz ab" oder ähnliches viel angenehmer zu lesen, auch wenn es nur beschreibend ist.

Feuertraum, vielleicht fällt Ihnen wirklich noch ein Beispiel ein? Abgesehen von ... und vielleicht. Diesem. Stilmittel. fällt mir nämlich gerade nichts ein, was Sie meinen könnten?
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Valaé am 22. Februar 2012, 14:38:25
Zitat von: Kati am 22. Februar 2012, 14:18:50
Und es hat was von: "Ich wusste leider nicht, wie ich das mit Worten ausdrücken sollte, also zeige ich es euch einfach."

Da muss ich jetzt aber doch einmal dagegen halten, denn das ist oft wirklich nicht wahr. Ich beispielsweise wüsste wenn ich solche Stilmittel verwende, viele Möglichkeiten, das mit Worten darzustellen und zu beschreiben- aber dauernd ein "brüllte er.", "Sagte sie bestimmt", "schrie er außer sich" dahinter zu kleistern ist auch nicht unbedingt schön und zerstört sehr viel Dialogdynamik. Zumal ein einmal richtig eingesetztes Stilmittel dieser Art einfach heraussticht und dem Leser durchaus ins Auge springt, zumal er dann beim Lesen bereits allein durch das Schriftbild weiß, wie das betont wird und es nicht hinterher im Beisatz erfährt. Natürlich kann man das auch anders machen als in so einem Beisatz und wenn man gute Dialoge entwickelt, dann wird der Leser vollkommen ohne solche Hinweise wissen, wie etwas gesprochen wird, einfach aus der Situation heraus. Trotzdem kann ein wirklich sehr spärlich eingesetztes Stilmittel dieser Art (ich rede hier von einem einzigen Mal im Text) das auch sehr gut unterstreichen und die Aufmerksamkeit des Lesers dorthin lenken, wo du sie haben willst. In diesem Fall ergänzen sich Inhalt und Form.
Leider gibt es beide Extreme: Dauernd überstrapazierte Stilmittel genauso wie viele Beschreibungen, wie genau etwas jetzt gesagt wird, die vollkommen aus dem Dialog herausreißen. Beides ist nicht schön. Und ich glaube, beide gemäßig eingesetzten Wege sind legitim. Es gilt wie so oft: Nicht übertreiben.
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Dämmerungshexe am 22. Februar 2012, 14:44:25
Ich denke dass solche Stilmittel durchaus passend sind - aber nur wenn das Gesamtbild stimmig bleibt.

Ich persönlich würde nur dann mit Interpunktion und Typografie spielen, wenn ich mich mit einem experimentellen Werk beschäftige - nicht aber bei einem Roman der auch als solcher verstanden und gelesen werden sollte.
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Maran am 22. Februar 2012, 15:04:35
Satzzeichen dienen auch der phonetischen Umsetzung des geschriebenen Wortes (bzw. umgekehrt). Sry, Feuertraum, ich habe im Deutschunterricht noch gelernt, mit Punkt und Komma zu sprechen.  ;) Das ist wohl einer der Hauptgründe, Ihre Frage mit "Nein" zu beantworten. Weiterhin besteht die Gefahr, daß die Aussage eines Satzes verfälscht wird. Es gibt so nette Beispiele, wie: "Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt" vs "Der brave Mann denkt an sich, selbst zuletzt.", die das verdeutlichen.

Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Sven am 22. Februar 2012, 15:29:58
Erst einmal sollte die Wirkung aus dem Text heraus kommen. Wirkt der Text nicht, wird er auch nicht durch ein anderes Schriftbild, oder einer anderen Zeichensetzung wirken. Dadurch sagt man dem Leser lediglich: "Schau her, so sollte der Text eigentlich wirken!"

Darüber hinaus gibt es genug legitime Mittel, Betonungen oder Pausen zu vermitteln. Das Semikolon, drei Punkte, der Gedankenstrich, die Kursivschrift. Das sollte ausreichen.

Da die Frage aber war, ob man das darf, muss die Antwort lauten: Ja! Man darf alles. Es gibt keine Zeichensetzungspolizei, die einen verhaftet, wenn man ein Komma weglässt. Solange der Text funktioniert, darf man das.
Ob man das dem Lektor und dem Leser verkaufen kann, steht auf einem anderen Blatt  ;)
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Feuertraum am 22. Februar 2012, 15:37:29
Hallo nochmal!

Ersteinmal recht vielen lieben Dank für die vielen Antworten, aus dessen Tenor ich lese, dass ich die Grammatikregeln nicht brechen darf.
Da ich jedoch sehr gerne mit dem Sprechtempo spiele, bin ich eben auf den Gedanken gekommen, dass man es auch beim Schreiben machen darf.

Eine sehr große "Problematik" sehe ich in der von Nycra und Sven angesprochenen Kursivschrift. Dazu muss ich jetzt ein Argument auffahren, dass ich zwar nicht in der Schule, aber während meines Fernkursus bei der Axel Anderson Akademie (so hieß sie damals noch) gelernt habe. Dort wurde mir eingetrichtert, dass das Verändern des Schriftbildes als Mittel, etwas darzustellen, ganz schlechter Stil sei und unbedingt vermieden werden sollte. Notfalls - so die Aussage meines damaligen Korrektors - muss der Satz so umgeschrieben werden, dass derselbe Effekt erzielt wird, ohne dass das Schriftbild verändert wird.
Allerdings ist das schon 21 Jahre her - vielleicht ist es inzwischen legetim.

Lieben Gruß und nochmal ein ganz dickes Dankeschön Ihnen allen
Feuertraum
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: gbwolf am 22. Februar 2012, 15:41:39
Meines Erachtens sollte das Stilmittel konstant durch den Roman hindurch angewendet werden, wenn man sich für einen Bruch entschieden hat. Sonst wird es nicht als Stilmittel erkannt, sondern nur als störend empfunden. Wie Valaé kenne ich - zwar nicht aus dem Studium, sondern aus dem Bibliotheksalltag - verschiedene stilistische Elemente, mit denen gerade in der Hochliteratur gearbeitet wird. Das funktioniert mal mehr, mal weniger gut.
Bei vielen literarisch "anspruchsvollen" Texten ist mir in den letzten Jahren aufgefallen, dass die Gänsefüßchen ganz weggelassen werden. Beispielsweise bei der Vermessung der Welt oder bei Horror Vacui. Den Kehlmann habe ich selbst nicht gelesen, Tina Uebel erzeugt in Horror Vacui dadurch eine Einheit von Denken, Erzählen und Sprechen, auch durch die wilden Wechsel durch die Personen - ich fand den Roman wahnsinnig dicht und intensiv geschrieben. Aber das hat nur funktioniert, weil der Bruch mit den Regeln einer Logik folgte und perfekt zur Atmosphäre passte.
Andere Beispiele, mit denen ich als Leserin nicht zurande komme sind die Werke von Arno Schmidt. Beispielswiese Die Gelehrtenrepublik oder Zettels Traum (Letzteres ignoriert eh alles). Oder viele Literaten wiederholen Dinge gerne hunderttausendfach. Mein Alptraum von einer Lesung des Deutschen Literaturinstituts auf der Messe in Leipzig war ein Text, bei dem ständig alles dreitausendmal auf den Tisch kam: "Als meine Mutter in den Raum kam, sagte sie. Sie sagte, sie wäre jetzt im Raum." oder so ähnlich  :gähn:

Das von Srpotte kritisierte Beispiel mit den Punkten nach jedem Wort ist übrigens etwas, das ich gerne in Kurzgeschichten anwende, vor allem, wenn der ganze Text oder bestimmte Passagen in einen schnellen Stil wechseln (Ebenso mal ein Gedankenstgrich, um eine Pause, ein Zögern anzudeuten oder ich verkürze Sätze ganz bewusst). Mir persönlich gefällt es gut und man kann es für Atemlosigkeit, harte Betonung, etc. verwenden, den Leser an dieser Stelle bremsen oder mitreißen. Aber wie gesagt: Das kommt dann mehr als einmal im Text vor. Bei Romanen bevorzge ich die Betonung auch durch Kursivschreibung oder besser: Dadurch, dass ich versuche, die wörtliche Rede so stark es geht auf die Person und ihre Stimmung anzupassen. Der eine spricht kurz und abgehakt, die andere lang und reich an Adjektiven. Wenn die Figuren auf der Flucht sind, stellt sich der Leser dann meistens auch ein Brüllen von selbst vor, wenn jemand nur kurze Kommandos gibt und klar ist, dass die Figuren nicht nebeneinander stehen. Auch wird man für ein Flüstern im Angesicht des Feindes Worte wählen, die sich wispern lassen.

Insofern sehe ich für Feuertraum keinen nur einen Grund, nicht mal mit den Satzzeichen zu spielen, wenn die innere Logik erhalten bleibt und wenn der Leser dem Inhalt deshalb weiter folgen kann. Und letztendlich muss man sich auch entscheiden: Arbeitet man an einem leichten, unterhaltsamen Text oder ist es ein sperriger Text, der auch einmal unbequem sein darf, weil er genau wegen dieser Anstrengung für den Leser etwas besonderes ist (Als Inhalt sollte man dann natürlich etwas Spektakuläres anbieten, damit sich niemand verschaukelt vorkommt).

Edit:
Zitat von: Feuertraum am 22. Februar 2012, 15:37:29Eine sehr große "Problematik" sehe ich in der von Nycra und Sven angesprochenen Kursivschrift. Dazu muss ich jetzt ein Argument auffahren, dass ich zwar nicht in der Schule, aber während meines Fernkursus bei der Axel Anderson Akademie (so hieß sie damals noch) gelernt habe. Dort wurde mir eingetrichtert, dass das Verändern des Schriftbildes als Mittel, etwas darzustellen, ganz schlechter Stil sei und unbedingt vermieden werden sollte. Notfalls - so die Aussage meines damaligen Korrektors - muss der Satz so umgeschrieben werden, dass derselbe Effekt erzielt wird, ohne dass das Schriftbild verändert wird.
Allerdings ist das schon 21 Jahre her - vielleicht ist es inzwischen legetim.
Bei einem Basisschreibkurs würde ich auch absoluten Wert darauf legen, dass die Absolventen zunächst das saubere Handwerk lernen, bevor sie mit dem Brechen der Regeln beginnen. Für den Fortgeschrittenen ist es meines Erachtens sinnvoll, nach allen Möglichkeiten zu suchen, die er hat, um auszudrücken, was er ausdrücken möchte. Natürlich nicht in einem Heftroman oder für einen monumentalen Fantasywälzer oder für eine schmalzige Liebesgeschichte oder für einen Jugendkrimi, aber Sprache ist ja keine festgemeißelte Konstante. Gerade für Experimente sind ja Kurzgeschichten sehr gut und man kann sich gut in die Bibliothek setzen und einfach mal querlesen, mit welchen Mitteln andere arbeiten. Funktionieren sie? Wie und für welche Art von Text? Welche Zielgruppe habe ich für mein Werk?
Als Beispiel aus dem Fantasy-/SF-Bereich übrigens noch "Blumen für Algernon" (Erstveröffentlichung unter dem Titel "Charly") und einige weiter Werke, die bei Klett-Cotta erschienen sind. Auch phantastische Werke müssen nicht 100% nach Grammatikregeln aufgebaut werden.
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Sven am 22. Februar 2012, 15:43:24
Zitat von: Feuertraum am 22. Februar 2012, 15:37:29
Dort wurde mir eingetrichtert, dass das Verändern des Schriftbildes als Mittel, etwas darzustellen, ganz schlechter Stil sei und unbedingt vermieden werden sollte. Notfalls - so die Aussage meines damaligen Korrektors - muss der Satz so umgeschrieben werden, dass derselbe Effekt erzielt wird, ohne dass das Schriftbild verändert wird.

Im Prinzip ist das auch immer noch so. Manche Lektoren mögen die Kursivschrift nicht besonders. Allerdings hat sich dieser (ich glaube, vorwiegend amerikanische "Brauch") inzwischen eingebürgert. Gedanken werden schneller und einfacher in kursiv gesetzt, statt sie auch in Anführungsstriche, mit einem "dachte er" dahinter, zu versehen (so wie ich es gelernt habe).
Auch Betonungen in kursiv setzen ist okay. Im schlimmsten Fall muss man mit dem Lektor diskutieren  ;)
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Maja am 22. Februar 2012, 16:00:08
Ich denke, bei Stilmitteln ist alles erlaubt, womit man durchkommt - beim Agenten, beim Lektor und am Ende beim Leser. Genauso, wie man die Rechtschreibung in den Wind schießen kann, wenn man bei wörtlicher Rede einen heftigen Akzent kennzeichnen will (»Ihrrr Hunntt musss aber drrraussen bleiben!«), kann man bei Punkt- und Kommasetzung mit den Mitteln spielen, um seine Stimme hörbar zu machen.

Auch ich habe schon - wenn auch sparsam, man  will das ja nicht abnutzen - mit den Ein-Satz-Wörtern gearbeitet: »Verlass. Sofort. Mein. Zimmer.« klingt eben anders als »Verlass sofort mein Zimmer.« Ich verwende auch gerne das Komma-vor-dem-Und, wiewohl den Regeln nach nicht zulässig, weil es einen Unterschied in der Sprachmelodie macht - und durchaus auch im Inhalt, siehe dazu diese hübsche Erklärung des sog. "Oxford-Kommas" (http://behlerblog.files.wordpress.com/2012/01/oxford-comma-jfk-stalin-435x570.jpg) - ist zwar auf Englisch, funktioniert aber auf Deutsch genauso.

Grundsätzlich denke ich, jeder Autor sollte so mit der Sprache umgehen, wie er sich damit wohlfühlt. Ein Malen kann figürlich malen, abstrahiert oder abstrakt. Er kann einen dicken Pinsel, dünnen Pinsel, Borstenpinsel, Spachtel benutzen. Er kann pointillistisch malen, er kann Farbe Kiloweise auf die Leinwand klatschen oder als Aquarell einmal an ihr vorbeitragen. Unsere Farbe als Autor ist die Sprache. Und da lasse ich mir nicht reinreden von irgendwelchen Stilfibeln, die sagen, ein Satz mit mehr als dreißig Wörtern ist ein schlechter Satz. Er ist vielleicht ein langer Satz, aber der Rest hängt von dem ab, der ihn schreibt.

Genauso ist das mit Satzzeichen. Sie sollen einen Satz strukturieren, um dem Leser das Verstehen zu erleichtern, was der Autor sagen will. Und weil der Autor am besten weiß, was er sagen will und welche Melodie im Kopf des Lesers entstehen soll, dürfen wir meiner Achtung nach mit Sprache freier umgehen als in einer Deutschklausur.
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Aphelion am 23. Februar 2012, 11:46:27
Zitat von: Die Wölfin am 22. Februar 2012, 15:41:39
Meines Erachtens sollte das Stilmittel konstant durch den Roman hindurch angewendet werden, wenn man sich für einen Bruch entschieden hat. Sonst wird es nicht als Stilmittel erkannt, sondern nur als störend empfunden.
Das sehe ich ähnlich: Wenn, dann dürfte nicht nur ein (kleiner?) Teil in dieser ungewöhnlichen Form geschrieben werden.

Aber ganz generell finde ich diese Art des "Bruchs" zu... platt. Oder eindimensional. Ich weiß nicht genau, wie ich es nennen soll. Fehlende Satzzeichen fallen sofort auf, sogar, wenn man nur einen Blick auf die beschriebene Seite wirft.
Neben den anderen Nachteilen, die schon genannt wurden (fehlende Betonung, Gliederung usw.), kommt also dazu: Man rückt dem Leser mit der Brechstange auf die Pelle. Hier ist was anders - oder soll anders sein. (Ich kenne den Text, um den es geht, natürlich nicht und gehe deshalb einfach mal davon aus, ich würde irgendeinen x-beliebigen Text ohne Satzzeichen vor mir haben.)

Um einen stilistischen Bruch zu erreichen, wäre etwas subtileres sinnvoller. :) Oder eben eine andere Formatierung, wie ebenfalls schon mehrfach vorgeschlagen wurde.
Kursiv ist nicht "tabu" in dem Sinne, denke ich. Dafür sieht man es zu oft in gedruckten Büchern. ;) Eine Andere Variante: Ich habe mal eine Ausgabe der unendlichen Geschichte in den Händen gehabt, die in dunkelroter und dunkelgrüner Schrift gedruckt war; ich glaube, abhängig davon, ob die Passage in Phantasien oder in der realen welt spielte. Es muss also (bei einer eventuellen Veröffentlichung) nicht bei kursiv und nicht-kursiv bleiben, sondern auch andere Formatierungsunterschiede sind prinzipiell denkbar. Textfarbe ist sicherlich auch ein Kostenfaktor... Aber unterschiedliche Schriftarten habe ich auch schon gesehen (Arial vs. Times New Roman, z.B. - und ja, der Unterschied war auffällig genug). :)
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: chaosqueen am 20. März 2012, 11:25:10
Ich habe nicht alles gelesen, falls ich nichts Neues liefere, ignoriert mich. ;)

Ich bin Sprottes Meinung: Grammatikregeln haben einen Sinn und sollten benutzt werden. Ich sehe es aber auch so, dass man mit Hilfe dieser Regeln so gut wie alles ausdrücken kann, was man möchte. Jemand, der nachdenkt und daher langsam und abgehackt spricht, kann dies tun, indem man immer mal wieder die wörtliche Rede unterbricht und kurz beschreibt, was er tut oder Punkte, Gedankenstriche und Füllwörter einfügt: "Naja", sagte Johann gedehnt, "ich wollte dir wirklich nicht zu nahe treten", fuhr er dann fort und rieb sich über die Nase, "aber ich hatte nicht gedacht ... dass du es so schwer nimmst." Er schwieg kurz und fügte dann fast trotzig hinzu: "Außerdem bin ich ja nur ein paar Jahre weg!"
Titel: Re: Darf man Zeichensetzung ignorieren, um einen bestimmten Spracheffekt zu erzielen
Beitrag von: Zanoni am 20. März 2012, 16:05:23
Dürfen darf man "in der Kunst" prinzipiell alles. Allerdings geht man mit jeder Übertretung einer Regel, oder einem Bruch mit dem Gewohnten, ein nicht zu unterschätzendes Risiko ein. Die Wahrscheinlichkeit, dass dadurch Nachteile entstehen ist sehr viel größer, als dass sich dieses Vorgehen als Vorteil erweist.

Dazu kommt, dass man erstmal eine Regel - absolut und vollkommen - verstanden und verinnerlicht haben muss, um überhaupt darüber nachdenken zu können, ob und wie eine Missachtung der Regel gewisse Vorzüge mit sich bringen könnte. Und grundsätzlich wird eine solche Missachtung bei bereits etablierten, anerkannten Autoren tendenziell wohlwollender aufgenommen, als bei einem völlig unbekannten Autor.

Insofern wäre ich mit solchen Experimenten extrem vorsichtig.