Hallo liebe Tintenzirkler.
*räusper*
Ich würde euch heute gerne um Rat bei einer meiner größten Sorgen auf dem Weg zu einer Veröffentlichung eines Romans bitten.
"Shinyas Charaktere und die Homosexualität."
So sehr ich sie auch ermahne und pfanne und es bei der guten Freundschaft belassen will, irgendwann kommt der Punkt, an dem ein Trinkspiel einlädt, eine Freundin für Eifersucht sorgt, einer der Beiden vor einem pöhsen Fremden beschützt werden muss oder es einfach gerade so gut passt. Und dann folgt ein Kuss. Oder mehr.
Ist ja noch schön "awwwwr" und "Nur Mut, ihr schaffst das!", so lange das Ding nur auf meinem Rechner liegt. Aber wie würde eine Agentur oder ein Verlag auf solch eine... Eigenschaft meiner Charaktere reagieren?
Ich schreibe Fantasy und meine Kerle haben sich nun mal lieb.
Aber ich will als Autor doch nicht darauf beschränkt werden, was für eine Neigung meine Protagonisten haben.
"Guter Einfall, der Schreibstil ist ganz passabel, hin und wieder zu großer Spannungsabfall, aber könnte man dran arbeiten. Oh? Schwul? Vergessen sie's."
So oder so ähnlich lauten Absagen in meinem Kopf.
Es geht darum ja auch gar nicht, ob es die Agentur stört, was meine Charaktere miteinander haben, es geht ja darum, ob eine Agentur meine Idee für vermarktungsfähig hält. Die wollen schließlich etwas damit verdienen.
Und ich wäre erbost, wenn mein ausgeklügeltes Fantasy-Projekt irgendwo in der Spalte 'Liebe' -> 'Homosexualtität' landet.
Was meint ihr?
Hat man unter diesen Bedingungen die Chance auf eine 'normale' Fantasy-Veröffentlichung?
lg Shinya
Das Thema hatten wir schon mehrfach, u.a. hier:http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,7420.msg224281.html#msg224281 (http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,7420.msg224281.html#msg224281)
über Bisexualität, aber die Fragen dürften die gleichen sein. Ich kann nur immer wieder auf das Nautilusheft verweisen, wo Darkstar diese Fragen an Verlage und Agenturen gestellt hat, und an sein Blog fantasynews.com, wo er letztens noch mal was dazu schrieb und auch eine Liste mit Fantasy-Büchern, die Homosexualität beinhalten schreiben wollte.
Ich muss sagen, auch nach dem, was da in den USA passiert ist, wo Autoren homosexuelle Charas aus ihren Texten streichen sollten, werde ich immer skeptischer. Einerseits gibt es Ausnahmen, es gibt Torchwood, es gibt zahlreiche Beispiele solcher Bücher. Aber die Frage ist: ist das jetzt im Moment erwünscht? Auch, wenn es nicht schon woanders ein Bestseller war? Wer wäre die Zielgruppe der Texte? Wie wichtig ist es im Buch? Hauptpersonen, Nebenpersonen? Bestimmt es ihre H andlungen, ihren Charakter? Ich glaube, es ist schwer damit ein Mainstream-Publikum zu erreichen, und das suchen Agenturen. Es gibt Leserinnen dafür, aber will man in einem semiprofessionellen Winzverlag veröffentlichen? Letztlich wird dir niemand vorher sagen können, ob es mit deinem Text klappt oder nicht, versuchen kann man es immer, aber ich denke nicht, dass es allzu vielversprechend ist, vor allem nicht, wenn das Thema viel Raum einnimmt. Es scheint etliche vor allem junge Autrorinnen zu geben (wie ich hier schon mal zu lesen gehabt meine), die anscheinend Lektoren damit überschwemmen, und wenn die meisten Texte davon Fanfition-Qualität haben, werden sie wahrscheinlich immer skeptischer.
Trudi Canavan hat in ihrer Sonea-Trilogie auch einen Schwulen drin. Muß also gehen ;)
Anderes Beispiel: Lynn Flewellings Nightrunner-Serie. Da haben die beiden männlichen Hauptfiguren was miteinander. Es geht also. Es kommt immer drauf an, wie Du die Homosexualität einflechtest, wie explizit Du wirst und wie Du mit dem Thema arbeitest. :) Ich denke, wenn man wirklich Homoerotik-Fantasy schreibt, hat man nur bei entsprechenden Nischenverlagen eine Chance, und das sind nun mal alles kleine Verlage. Für einen großen Publikumsverlag würde ich die Homosexualität nicht in den Vordergrund stellen. (und das von mir...)
Ein derzeit sehr angesagtes Beispiel: Alec Lightwood und Magnus Bane aus Cassandra Clares "Chroniken der Unterwelt". Ich glaube also, dass man so eine Paarung sehr gut einbauen kann, vor allem als Nebenhandlung.
Eure Beispiele in allen Ehren, aber das sind ja nun bereits bekannte und etablierte Autoren. Eine Lynn Flewelling oder Alec ightwood kann sich sowas unterdessen auch leisten... aber um ehrlich zu sein, würde ich als No-Name Autor wirklich darauf verzichten. Es ist leider wirklich so, dass das ein Absagegrund sein kann (ich spreche aus Erfahrung). Von daher würde ich wirklich anraten, auf solche Szenen zu verzichten, denn leider ist Deutschland längst nicht so offen und frei, wie immer gesagt wird.
Hm Also ich würde auch sagen, dass es ganz darauf ankommt, wie ausgeprägt das ganze geschildert wird und wie... intensiv die Liebe der beiden im Endeffekt wirklich ausgelebt wird. Wie gesagt, wenn das ganze wirklich in heftige Erotik übergeht, wird man sicherlich niemanden vom Mainstreampublikum erreichen (ich denke, das wird jeder Verlag realisiert haben). Wenn man die Romanze allerdings eher so darstellt, dass die Menschen auch das Gefühl bekommen, dass es ja in gewisser Hinsicht niedlich ist und unterstützt werden sollte, dann kann es auch sehr großen Erfolg haben, denke ich. Das hängt halt absolut davon ab, inwiefern das Geschehen in gesellschaftlich noch akzeptierten Bereichen bleibt. Also mit der Obergrenze eines heimlichen Kusses... ich denke das setzt die Intoleranz der breiten Masse heutzutage voraus. Es geht ja die ständige Angst um, des Schwulseins angeklagt zu werden. ::)
Hmm man muss es halt nur sehr gut verkaufen und auch ja immer den Ton beibehalten, dass das Ganze auch ja nur eine Ausnahme ist, die man auch großzügig tolerieren kann (jaja da fühlen sich gewisse Leute besser mit. Dann kriegt man Kommentare à la "Ich bin so furchtbar großzügig, denn ich toleriere diese vollkommen unnormale und eigentlich widerliche Neigung schließlich!") Das scheint sehr groß in Mode gekommen zu sein. Also hängt es davon ab, ob du diesem platten Trend folgen willst und dann bei einem Großverlag landen möchtest oder einen krassen Aussteiger schreiben möchtest, der im Endeffekt von vielen Leuten verteufelt wird... :seufz:
Ich entschuldige mich jetzt schon für meinen depressiv-agressiven Beitrag, aber ich hab mich gerade erst zu dem Thema gründlich aufgeregt... Ich hoffe ich konnte trotzdem etwas nützliches beitragen...
euer aufgebrachter Redwood :d'oh:
Ich persönlich glaube auch, dass es eher schwierig wird, wenn heftige Liebesszenen vorkommen. In House of Night z.B. gibt es ein Pärchen. Die beiden halten aber nur Händchen und geben sich ab und an mal ein Küsschen. Mehr aber auch nicht. Ich glaube dafür sind wir leider noch nicht offen genug. Ich stelle öfter mit Schrecken fest wie angewidert Menschen sein können, wenn jemand homosexuel ist. Vorallem wenn es sich um Männer handelt. Erstaunlicherweise nicht so oft mit Frauen. Seltsamerweise ist solch eine Meinung nicht selten in meinem Alterskreis vertreten. Es heißt oft "Solange es mich nicht betrifft und ich das nicht sehen muss, ist es mir egal". Ich habe leider schon die schlimmsten Dinge gehört wie z.B., dass es gegen die Natur sei und falsch und gegen hier und gegen das. Ist doch alles Schwachsinn. Aber wenn man in einem Publikumsverlag veröffentlicht werden möchte, wird es leider sehr schwer.
Ich habe auch das Gefühl, dass wir Frauen da viel offener sind .
Hach ja, das gute alte Thema... Ich fürchte mich ja diesbezüglich auch schon vor Bewerbungen bei den Agenturen. Bei mir sind es ja immer die lesbischen bzw. bisexuellen Frauenfiguren, an denen alles scheitern könnte. Und ich will aber auch keine faulen Kompromisse eingehen, nur damit ich eventuell besser in den Mainstream passe. Meine Figuren sind eben so. Und wenn ich das Buch dann deswegen nicht verkaufen kann, dann ist das eben auch so. Sollte das passieren, wird es mich wahrscheinlich furchtbar treffen und wütend machen und alles- aber ich werde mich nicht verbiegen und meinen Figuren diese zentrale Eigenschaft nehmen. Vor allem, da dann das ganze Buch nicht mehr funktioniert...
Generell hat die breite Masse der Menschen noch eine Menge an Toleranz aufzuholen, was Homosexualität angeht. Und ich betrachte Literatur immer auch als Sprachrohr, als Anschubser. Wo könnte man besser Normalität jenseits der Normen zeigen, als ganz selbstverständlich in der Literatur?
Zitat von: Aquamarin am 25. November 2011, 09:09:46
Generell hat die breite Masse der Menschen noch eine Menge an Toleranz aufzuholen, was Homosexualität angeht. Und ich betrachte Literatur immer auch als Sprachrohr, als Anschubser. Wo könnte man besser Normalität jenseits der Normen zeigen, als ganz selbstverständlich in der Literatur?
Danke. Ich finde gerade diesen Punkt sehr wichtig.
Un,d Koriko - auch die genannten jetzt Großen haben mal klein angefangen. Soweit ich weiß war Luck in the Shadows Lynns erster Roman, und da klingt schon Segerils Schwulsein an. Also muss auch sie irgendwann mal diese Hürde genommen haben udn hat es geschafft - nicht mit Explizit-Erotik, sondern mit den feinen, leisen Tönen, mit denen wir es auch schaffen werden.
Zitat von: Aquamarin am 25. November 2011, 09:09:46
Hach ja, das gute alte Thema... Ich fürchte mich ja diesbezüglich auch schon vor Bewerbungen bei den Agenturen.
Fürchten brauchst du dich nicht. Mehr als absagen können auch die nicht tun. Und dann kannst du dir immer noch überlegen, ob die deine Figuren umbauen möchtest oder nicht.
Ich hab mit meiner Agentur mal über ein Jugendbuchprojekt gesprochen, da waren zwar ein Mädchen und ein Junge die Hauptpersonen, aber er war schwul, und natürlich sind sie zum Schluss NICHT zusammengekommen. Die Betreuerin war zwar anfangs auch skeptisch ob der Homosexualität, aber meinte dann durchaus, es wäre einen Versuch wert.
Geworden ist dann zwar trotzdem nichts daraus, aber das hatte andere Gründe (ich sollte es von Fantasy in Realwelt verlegen, und irgendwie klappte das nie...) Was ich damit sagen möchte: vlt. unterschätzen wir die Agenten? Vlt. sollte man es einfach ausprobieren?
lg, A.
Ich denke nicht, dass Homosexualität eine zusätzliche Hürde bei der Veröffentlichung bedeutet. Ich les gerade noch "The Stone Dance of the Chameleon" von Ricardo Pinto, das war auch sein Debütwerk (Trilogie, alle 3 Teile wurden veröffentlicht) und da sind gleich mehrere Figuren schwul, inklusive die zwei wichtigsten der ganzen Geschichte.
Vermutlich hängt das ganze - wie sowieso alles - vom Lektor und dessen Einstellung ab. Aber im Großen und Ganzen glaube ich nicht, dass das ein Problem gibt.
Ich unterschreibe mal Aquamarins Beitrag voll und ganz bis zum letzten Wort. :)
Bei den hier genannten Titeln muss ja aber vor allen bedacht werden, dass es auf dem englischen Markt schon aufgrund der Größe einfacher ist, Nischentitel zu veröffentlichen bzw. Experimente einzugehen. Ist dann die Frage, inwieweit Romane mit queeren (Haupt-)Charakteren noch als Experiment gesehen werden.
Zitat von: Franziska am 24. November 2011, 18:28:19
Ich kann nur immer wieder auf das Nautilusheft verweisen, wo Darkstar diese Fragen an Verlage und Agenturen gestellt hat,
Ja, das ist wirklich interessant, hab es gerade nochmal rausgekramt. Es ist das Heft 01/2011, falls sich jemand dafür interessiert.
Ich denke, das Problem ist nicht was die Agenturen oder auch die Verlage mögen, sondern was sich schlicht und einfach verkaufen lässt. Der Großteil der lesenden Masse möchte nun mal über klassische Hetero-Pärchen lesen. Das Interesse an homosexuellen Figuren ist etwas, das vornehmlich aus Fankreisen stammt und "in der Szene" bei Lesern beliebter ist als sonstwo, und folglich nicht den tatsächlichen Geschmack der breiten Masse widerspiegelt.
Ich würde auch behaupten, dass sich die meisten Menschen an ihrer eigenen sexuellen Neigung orientieren, wenn es ums Lesen geht, und alleine deswegen schon Bücher mit heterosexuellen Pärchen bevorzugen. Da kann man Homosexualität noch so offen gegenüber stehen, wenn man selber hetero ist und gerne über klassische Pärchen liest, verkauft sich der andere Kram eben nicht.
In diesem Zuge möchte ich aber auch noch mal auf den Lektor von PAN verweisen, der in einem Interview mal sagte, mit homosexuellen Figuren hätte er an sich nicht das Problem sondern eher damit, dass so viele schwule Figuren einfach nur um des Schwulseins in Romanen schwul sind (oder halt um des Lesbischseins lesbisch etc. ;-) ). Ich denke, Homosexualität ist weniger ein Problem wenn es sich um eine starke Figur handelt, die in erster Linie Krieger/Fee/klug/auserwählt/verdammt oder anderweitig plottragend und eben erst in zweiter Instanz, sozusagen "auch" homosexuell ist.
Zitat von: Steffi am 25. November 2011, 11:46:32
Ich würde auch behaupten, dass sich die meisten Menschen an ihrer eigenen sexuellen Neigung orientieren, wenn es ums Lesen geht, und alleine deswegen schon Bücher mit heterosexuellen Pärchen bevorzugen. Da kann man Homosexualität noch so offen gegenüber stehen, wenn man selber hetero ist und gerne über klassische Pärchen liest, verkauft sich der andere Kram eben nicht.
Das muss aber nicht zwangsläufig sein. Ich kenne jetzt zum Beispiel noch zwei andere Frauen, die total hetero sind und sich trotzdem gerne mal das eine oder andere Buch mit Homo-Pärchen zu Gemüte führen.
Man sehe sich zum Beispiel auch Anne Rice an, sie hat jede Menge Homo-Erotik in ihren Büchern und ist trotzdem weithin bekannt und beliebt. Ich denke, es kommt auch darauf an, wie man so etwas anbringt. Geht ein bisschen in das hinein, was Redwood schon gesagt hat, ob es sehr - ich sag jetzt mal ganz plakativ - penetrant rüberkommt oder ob es mehr so ein Nebeneffekt der Geschichte ist. Denn letztlich ist es die Gewichtung der Geschichte, die den Käufer anzieht. Ich glaube auch nicht, dass das von der Zeitstimmung abhängt, denn ein grosses Thema ist das ja schon lange.
Abgesehen davon würde ich, auch allgemein, grundsätzlich das schreiben, was ich gerne schreiben will. Wenn ich damit Erfolg habe, bin ich glücklich, wenn nicht... naja, dann ist Pech. Ich würde aber auf keinen Fall eine Geschichte komplett umkrempeln oder gewisse Thematiken gleich ganz weglassen, weil ich befürchte, dass das niemand will. Vielleicht will jemand das Nächste. Wenn man (noch) keinen Lieferungsdruck auf einen bestimmten Termin hat, kann man das ja auch. ;) Ist aber nur (m)eine Meinung. ;)
Zitat von: Steffi am 25. November 2011, 11:46:32
In diesem Zuge möchte ich aber auch noch mal auf den Lektor von PAN verweisen, der in einem Interview mal sagte, mit homosexuellen Figuren hätte er an sich nicht das Problem sondern eher damit, dass so viele schwule Figuren einfach nur um des Schwulseins in Romanen schwul sind (oder halt um des Lesbischseins lesbisch etc. ;-) ). Ich denke, Homosexualität ist weniger ein Problem wenn es sich um eine starke Figur handelt, die in erster Linie Krieger/Fee/klug/auserwählt/verdammt oder anderweitig plottragend und eben erst in zweiter Instanz, sozusagen "auch" homosexuell ist.
Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, denke ich. Die sexuelle Ausrichtung eines Helden oder einer Heldin spielt doch im Grunde nur dann eine tragende Rolle, wenn der ganze Plot an Beziehungskungeleien aufgehängt wird. Ansonsten würde ich behaupten, kann eine starke Geschichte mit starken Figuren immer überzeugen, ob homosexuell oder nicht.
Zitat von: Aquamarin am 25. November 2011, 09:09:46Generell hat die breite Masse der Menschen noch eine Menge an Toleranz aufzuholen, was Homosexualität angeht. Und ich betrachte Literatur immer auch als Sprachrohr, als Anschubser.
Ich frage mich, warum so Diskussionen um die Homosexualität in Romanen immer auf die Frage der Toleranz zugespitzt wird. Der letzte Roman mit homosexuellen Helden, den ich gelesen habe, war Morgans "Glühender Stahl", das ich damals im Forum auch angesprochen hatte. Das war sehr explizit mit den schwulen Szenen, die Homosexualität war letztlich sogar handlungsrelevant - und auch, wenn mich das Thema nicht besonders interessiert, hat es mich nicht gestört, weil der Roman drumherum einfach funktionierte. Das Buch war schlicht beeindruckend.
Ich halte mich da also für durchaus tolerant, weil mir das Thema nicht unangenehm auffällt, wenn es einfach so selbstverständlich in ein Buch eingebaut ist, wie es nun mal vorkommen kann.
Aber, wie oben gesagt: Es interessiert mich auch nicht. Und das ist das Problem mit der Art, wie man Homosexualität in vielen Texten gerade von dahingehend ambitionierten Autorinnen präsentiert bekommt. Es sind nicht einfach nur schwule Prota- oder Antagonisten zu finden, sondern diese sexuelle Orientierung wird als zentrales Thema präsentiert. Sie wird an eine Stelle gesetzt, wo der Leser mitfiebern soll, und der Autor verlässt sich dann so sehr auf das dramaturgische Potenzial dieses Themes, das sonst auch nicht viel passiert, oder zumindest große Lücken im dramaturgischen Konzept entstehen, wenn man dazu neigt, Herz-Schmerz mit homosexuellem Hintergrund eher gelangweilt zu überblättern.
Das halte ich dann auch nicht mehr für eine Frage der Toleranz, sondern einfach für legitimes Interesse. In Sachen Toleranz kann man fordern, dass Homosexualität so akzeptiert wird, wie sie nun mal ganz normal vorkommt. Aber so manches Buch mit homosexuellem Hintergrund
funktioniert nur dann, wenn der Leser homosexuelle Verhältnisse nicht nur akzeptiert, sondern wenn er sich selbst schon besonders dafür interessiert und per se schon super-spannend findet - und das kann man wohl kaum verlangen. Ansonsten wäre es ja auch intolerant, wenn der Leser sich nicht mit der Liebesgeschichte eines Fetischisten identifizieren kann, der seitenlang über die Empfindungen seines Huts sinniert; oder über die moralisch bewegte Geschichte eines Wassertropfens, der aus dem Meer vertrieben wird und auf seinem Weg durch den Wasserkreislauf von den Emissionen eines bösen Industriewerks bedroht wird ...
Womit wir dann allmählich zu den Arten von Geschichten kommen, zu denen diese Zuspitzung auf "Toleranz" und "die Gesellschaft muss noch viel lernen" letztendlich führt. Ich denke mal, jeder kennt sie, all die moralisch bewegten Bücher, die irgendeine Lehre vermitteln sollen, die zeigen, wie wichtig die Umwelt ist, wie schlecht es den armen Tieren geht, wie böse der Mensch ist ... und ich denke, jeder hat schon mal die Erfahrung gemacht, wie sehr solche Geschichten, denen man ihr Thema und vor allem ihren moralischen Zeigefinger allzu sehr ansieht, die Toleranz selbst des geduldigsten Lesers überfordern können - selbst dann, wenn man die vermittelte Botschaft eigentlich teilen würde. Ganz im Gegenteil haben solche "Bücher mit vor sich hergetragener Moral" eher den Effekt, zum Widerspruch zu provozieren.
Also, es mag sein, dass Toleranz fehlt und manch ein Buch mit schwulem Hintergrund auf Grund von gesellschaftlichen Ressentiments abgelehnt wird. Wenn einem das allerdings selbst passiert, sollte man sich nicht gleich auf einen moralischen Hügel flüchten und über die böse Gesellschaft fluchen, sondern durchaus seinen Text mal ansehen und schauen, ob es nicht doch daran liegt. Mitunter kann man viel erfolgreicher zur Toleranz erziehen, wenn man nicht ganz so dick aufträgt und die Moral nicht mit der Schöpfkelle auftischt, sondern so unauffällig verpackt, dass man sie gar nicht mehr sieht, sondern nur noch fühlt. Und wenn man feststellt, dass man außer dem schwulen Thema in der Geschichte nicht viel zu bieten hat, dann muss man vielleicht einfach akzeptieren, dass es entweder genug Leser gibt, die das interessiert - oder dass man eben schlicht selbst das falsche Thema gewählt hat, um seine Leser zu erreichen.
Und wenn das eigene Buch außer dem homosexuellen Hintergrund noch eine Menge zu bieten hat, dann lohnt es sich vielleicht erst recht, aus dem moralisierenden Trotzwinkel herauszukommen und zu versuchen, ein Buch so nachzubearbeiten, dass all die Dinge, die man sonst noch zu bieten hat, auch beim Leser ankommen, indem man einfach die dann in den Vordergrund stellt.
Ich denke also, auch bei homosexuellen Themen sollte das erste Ziel immer sein, einen spannenden Roman zu schreiben, und nicht, die Welt zu belehren und die Gesellschaft zu verbessern. Und wenn man zuallererst einen spannenden Roman schreiben will, sollte man bei Kritik auch bereit sein, über den Text zu reden, und eben nicht zuvorderst mit seinem Anliegen argumentieren. Denn wenn der Lektor oder Agent eine Umorientierung der Figuren fordert, muss das nicht automatisch an der Intoleranz der Gesellschaft liegen. Es kann auch einfach daran liegen, dass der Roman sonst kaum etwas zu bieten hat und die homosexuelle Liebesgeschichte darin so beliebig ist, dass die Homosexualität eigentlich kaum eine Rolle spielt - dass man den Roman aber gerade noch retten kann, wenn man die zentrale und einzig interessante Interaktion so umschreibt, dass sie wenigstens noch mehr Leser interessiert.
Kritik an Homosexualität muss kein gesellschaftliches Problem sein. Es
kann durchaus eine sehr dezidierte und formal stimmige Kritik am Roman sein und ein Hinweis, dass man etwas versemmelt hat oder besser machen kann.
ZitatIch denke, Homosexualität ist weniger ein Problem wenn es sich um eine starke Figur handelt, die in erster Linie Krieger/Fee/klug/auserwählt/verdammt oder anderweitig plottragend und eben erst in zweiter Instanz, sozusagen "auch" homosexuell ist.
Das ist die Meinung der meisten Leute und auch meine. Man muss halt daran denken, dass es sich vorwiegend um ein Fantasy-Werk handelt und keinen Coming-Of-Age-Roman, der das Thema als Schwerpunkt setzt. Wenn der Prota, oder auch beide, nun homosexuell sind, dann sind sie es halt genauso wie die Heldin in einem Romantasy-Roman einfach so hetero ist. Der Schwerpunkt sollte einfach auf der Geschichte liegen und nicht darauf, dass der Prota zufällig homosexuell ist. Solche Bücher schaffen es öfter mal auch bei großen Verlagen unterzukommen.
"Des Teufels Maskerade" ist ein Debütroman zwar nicht mit homosexueller, sondern mit bisexueller Hauptfigur, aber die Problematik ist da wohl ähnlich. Aber das ist eben auch ein Roman, wo die sexuelle Orientierung der Figur sicher nicht im Mittelpunkt der Handlung steht.
Interessant finde ich ja folgenden Punkt:
Zitat von: Steffi am 25. November 2011, 11:46:32
Ich würde auch behaupten, dass sich die meisten Menschen an ihrer eigenen sexuellen Neigung orientieren, wenn es ums Lesen geht, und alleine deswegen schon Bücher mit heterosexuellen Pärchen bevorzugen. Da kann man Homosexualität noch so offen gegenüber stehen, wenn man selber hetero ist und gerne über klassische Pärchen liest, verkauft sich der andere Kram eben nicht.
Ich weiß nicht, ob ich da so anders bin als die meisten Leser, aber wenn eine Liebesgeschichte gut geschrieben ist, ist mir das völlig schnurzegal, ob das Pärchen nun heterosexuell oder homosexuell ist. Ob ich mitfühlen kann, hat für mich nämlich überhaupt nix mit meiner eigenen sexuellen Neigung zu tun, sondern nur damit, ob die Gefühle zwischen den Figuren glaubhaft rüberkommen. :hmmm:
Zitat von: Lomax am 25. November 2011, 12:29:57
Ich denke also, auch bei homosexuellen Themen sollte das erste Ziel immer sein, einen spannenden Roman zu schreiben, und nicht, die Welt zu belehren und die Gesellschaft zu verbessern. Und wenn man zuallererst einen spannenden Roman schreiben will, sollte man bei Kritik auch bereit sein, über den Text zu reden, und eben nicht zuvorderst mit seinem Anliegen argumentieren. Denn wenn der Lektor oder Agent eine Umorientierung der Figuren fordert, muss das nicht automatisch an der Intoleranz der Gesellschaft liegen. Es kann auch einfach daran liegen, dass der Roman sonst kaum etwas zu bieten hat und die homosexuelle Liebesgeschichte darin so beliebig ist, dass die Homosexualität eigentlich kaum eine Rolle spielt - dass man den Roman aber gerade noch retten kann, wenn man die zentrale und einzig interessante Interaktion so umschreibt, dass sie wenigstens noch mehr Leser interessiert.
Kritik an Homosexualität muss kein gesellschaftliches Problem sein. Es kann durchaus eine sehr dezidierte und formal stimmige Kritik am Roman sein und ein Hinweis, dass man etwas versemmelt hat oder besser machen kann.
Ich finde, damit hat Lomax das Thema eigentlich ziemlich gut zusammengefasst. :jau:
Und persönlich kann ich nur sagen: ob die Personen nun homo- oder heterosexuell sind ist mir eigentlich Wumpe. Was mich interessiert, ist ob Plot und Personen stimmig sind, ob der Roman mehr Handlung als nur die sexuelle Orientierung seiner Protagonisten aufweisen kann und ob mich die Handlung fesselt.
@Judith: genau so sehe ich das auch!
Im Zweifelsfall nehme ich mir aber beim Lesen das Recht heraus, intolerant zu sein und ein Buch auch einmal abzulehnen, wenn klar ist, dass die Autorin oder der Autor meint, mit der Toleranzkelle kommen zu müssen und mir aufzuzwingen, dass ich das Buch lese,
weil eine homosexuelle Paarkonstellation eingebaut ist. Sowas kann ich nämlich gar nicht haben. ;D
Ich danke euch sehr für eure Meinungen bezüglich dieses Themas.
Ein handlungsstarker Plot ist ausschlaggebend, so weit war ich für mich selbst auch, ich war mir allerdings wirklich unsicher, wie das Agenturen und Verlage handhaben.
Ich muss fairerweise aber auch sagen: Die Entwicklung der Charaktere selbst ist bei mir oft so tragend und wichtig für die Geschichte, dass es gar nicht anders geht, als näher auf ihre Gedankenwelt und ihre Gefühle einzugehen.
Mein Mondschatten wird wohl keine guten Chancen haben. Dazu steht während der Geschichte einfach die Verbindung und Beziehung der beiden Protagonisten im Vordergrund. (Die eigentlich auch ihre gegenseitigen Antagonisten sind.) Schwul ist mein Kleiner zwar nicht, das hält andere Männer aber nicht davon ab, sich an ihm zu vergreifen. (Kati, da hast du gleich ein gutes Fallbeispiel mit zu viel 'Schwul-sein'. ::))
Bei den Drachen ist es anders... Da spielen die Amulette die größte Rolle. Aber natürlich kommt man auch hier wieder irgendwann an den Punkt, an dem die Vergangenheit heraus gekramt wird und eben doch erst einmal wieder die zwischenmenschliche Ebene dominiert.
Ich denke, es ist schwer, da wirkliche Linien und Grenzen zu finden...
Nur Kritik an der scheinbaren Intoleranz der Gesellschaft zu üben, halte ich für absolut nicht zweckmäßig. Nicht, wenn man unterhalten und mitreißen will.
Ich glaube schon, dass das möglich ist, allerdings finde ich, dass solche Storylines oft einfach nicht authentisch sind. Viele sind so, wie sich Heteros Schwule oder Lesben vorstellen. Das hat aber oft nichts mit der Realität zu tun. Ich denke zum Beispiel, dass man nicht homosexuell oder heterosexuell werden kann. Man ist es. Die Storyline, dass jemand sich vom anderen Geschlecht enttäuscht fühlt und dann plötzlich homosexuell ist, finde ich daher sehr fragwürdig. Es muss halt einfach passen. Und dafür muss man sich schon mit dem Thema auseinander setzen.
Zum Thema man liest, was man selbst mag, hab ich auch noch was zu sagen. Ich habe darüber gerade erst mit einer Freundin geredet, die lesbisch ist. Sie meinte, wenn man nicht auf langhaarige Girlies steht, dann muss man sich eben meistens notgedrungen an die Kerle halten, weil die dann als Charakter einfach besser passen. Insofern stimmt es wohl, wenn der Charakter interessant ist, dann ist nicht so wichtig, ob es sich um Mann oder Frau, homosexuell oder heterosexuell handelt. (Obwohl sie sehr gerne Bücher lesen würde, in denen mal eine Frau vorkommt, die sie auch anschmachten kann, das wäre also vielleicht durchaus eine Nische)
Und als ich mir Queer as folk angesehen habe, hab ich gemerkt, dass es nicht auf das Geschlecht der Liebenden ankommt, damit ich mitgerissen werde, sondern auf die romantische, atmosphärische Umsetzung.
Allerdings ist das im Jugendbuchbereich vielleicht wieder ganz anders. Wenn ich daran denke, dass ich als Teenie einen Liebesroman nicht gelesen habe, weil der Typ blond war und nicht schwarzhaarig....nunja. Man wird älter und schlauer. Jetzt stelle ich mir einfach vor, er wäre schwarzhaarig und überlese das blond einfach. :rofl:
@Lomax: Mir wäre es am liebsten, man müsste diese Diskussion gar nicht mehr führen, sondern würde sich nur noch über gut oder eben nicht gut geschriebene Bücher unterhalten. ;) Übrigens finde ich die Bücher mit "Toleranz-Keule" auch ganz fürchterlich, aber das meinte ich gar nicht. Zumindest hoffe ich sehr, dass ich gerade kein solches schreibe... :gähn:
Im Endeffekt geht es darum, eine gute Geschichte zu entwickeln, glaubwürdige Charaktere, Emotionen und Konflikte, die man ihnen abnimmt, und ein stimmiges Tempo in der Handlung. Und das ist ja wirklich schon schwer genug...
ZitatÜbrigens finde ich die Bücher mit "Toleranz-Keule" auch ganz fürchterlich, aber das meinte ich gar nicht. Zumindest hoffe ich sehr, dass ich gerade kein solches schreibe...
Nicht soweit ich weiß. :)
ZitatIm Endeffekt geht es darum, eine gute Geschichte zu entwickeln, glaubwürdige Charaktere, Emotionen und Konflikte, die man ihnen abnimmt, und ein stimmiges Tempo in der Handlung. Und das ist ja wirklich schon schwer genug...
Signed.
Shinya:
ZitatKati, da hast du gleich ein gutes Fallbeispiel mit zu viel 'Schwul-sein'.
Ich weiß ja nicht, Shinya. Ich denke, man muss sich auch immer fragen, wenn man das einbaut, ob man manche Szenen auch mit einem Hetero-Pärchen schreiben würde, oder ob man sie bloß schreibt, weil die Protas eben homosexuell sind und man da was beweisen oder die bereits erwähnte Toleranzkeule schwingen möchte. Ich werd den Teil vom Mondschatten, den du schon geschickt hast, nochmal lesen und darauf achten, ob mir da was auffällt, okay? :) Aber erst, nachdem ich den NaNo
verloren geschafft habe.
Ich kann eigentlich gar nicht mit der Toleranzkeule schwingen, ebenso wenig, wie ich ein Buchkonzept auf der sexuellen Neigung meiner Charaktere aufbauen kann.
Weil es für mich einfach vollkommen normal ist, dass die da alle recht frei und ungebunden sind.
Aber wenn du nach dem NaNo noch einmal drüber siehst, wäre das natürlich schön!
Ich kann mich nur Steffis Äußerung anschließen, und das ist hier ja nun auch bereits mehrfach geschehen.
Solange die Homosexualität nicht die Handlung bestimmt bzw. die Handlung darstellt, gefällt es entweder oder es gefällt nicht.
Und ich persönlich halte diese Thematik auch eher für Mädchen- bzw. Frauensache. :)