Ich habe hier mal eine etwas ungewöhnliche Frage und hoffe, ich darf sie an dieser Stelle stellen, denn sie gehört nicht in ein aktuelles Projekt, sondern in meine Masterarbeit.
Ich schreibe über einen peruanischen Tanz namens Wititi, dessen Besonderheit darin liegt, dass die Männer in Röcken tanzen.
Sie sind nicht wirklich als Frauen verkleidet, aber als populäre Erklärung dafür werden gerne Geschichten erzählt, deren Grundmotiv darin besteht, dass der Mann sich als Frau verkleidet hat, um auf diese Weise seine Geliebte zu entführen, deren Eltern mit der Verbindung nicht einverstanden waren und die mit dieser Verkleidung getäuscht werden mussten.
Nun meinte ein Informant während meiner Forschung, dass es sich (seiner Meinung nach) hierbei um ein ungedeutetes Motiv aus der europäischen Literatur handele, das übernommen und umgedeutet worden sei. Nur woher, das wusste er auch nicht mehr.
Es ist jetzt nicht so, dass ich mir einbilde, wirklich den Ursprung dieser Erzählung klären zu können, aber ich möchte diese Position in der Arbeit gerne erwähnen und zerbreche mir seither den Kopf darüber, wo es dieses Motiv geben könnte. Und leider ist mir (auch im Austausch mit Kommilitonen und Freunden) bislang nichts eingefallen, obwohl ich das Gefühl habe, dass bei mir was klingelt und dass es das entweder in der bekannten Mythologie oder in irgendeinem literarischen Klassiker wirklich gibt.
Männer in Frauenkleidung sind mir beim Überlegen jede Menge eingefallen, zumindest an mythologischen Beispielen. Aber keiner davon zieht los, um in dieser Verkleidung seine Geliebte zu entführen.
Und da hier ja nun wirklich einige Leseratten herumspringen und ich wirklich nicht weiß, wie ich noch danach suchen soll, hier meine Frage:
Kennt ihr irgendwo in der bekannteren, klassischen Literatur oder auch Mythologie ein solches Motiv?
Loki!
Nordische Mythologie. Ein Riese sollte einen Palast bauen, hatte dafür X Tage Zeit. Schafft er es, bekommt er eine der jungen Göttinnen. Schafft er es nicht, wird Thor ihn erschlagen. Der Riese war siegesgewißt, hatte er doch seinen starken Hengst zur Unterstützung. Loki "verkleidete" sich als Stute, lockte den Hengst weg, der Riese schaffte die Arbeit nicht und wurde erschlagen. Loki gebahr Sleipnir, Odins achtbeiniges Roß.
Bei Georgette Heyer kommt es vor, zwei Romane "Maskerade" und "Talismanring". Fällt leider nicht unter klass. Literatur.
Cool. Ich notier mir das mal (mir ist nur Thor als Riesenbraut eingefallen und das "passt" ja vom Grundmotiv nicht ganz).
Wobei es bestimmt irgendwo noch sowas mit Klamotten gibt ... :hmmm:
Danke auf jeden Fall.
In der arabischen Literatur ist das ein Topos, dass man(n) sich als Frau verkleidet (verschleiert) und den Harem aufmischt.
Don Juan de Marco (Film), und garantiert findet sich bei den alten Büchern in der Richtung auch was. Aber ich steh auf dem Schlauch.
Sitz gerade in Deutschdidaktik und hab jetzt einfach mal rumgefragt. Und eine Kommolitionin meinte Aeneas wäre in Frauenkleider gesteckt worden um ihn vor dem trojanischen Krieg zu schützen, als List damit er überlebte, nachzulesen wäre es bei: Rainer Abenstein - Titel wusste sie nicht mehr, irgendwas mit Mythologie (UTB Verlag)
Hilft dir das?
Ich werd mir aber auch nochmal mein Hirn zermartern :)
Danke, ihr seid klasse!
@Churke: Das wäre schon genau die Richtung! Ich gehe noch mal Tausendundeine Nacht durchforsten.
@Sprotte: Es gibt eine Szene mit Don Juan in Frauenkleidung? Ich werd mal die alten Vorlagen abklopfen, wenn es da sowas gäbe, würde das echt passen wie die Faust aufs Auge.
@mika: Oh, gleich nachgefragt! Danke dir! Es ist leider nicht so ganz das, was ich brauche, ich kam da auch schon auf Achilles, der ja in Frauenkleidern aufgezogen wurde. Die Geschichten hab ich alle im Hinterkopf, was ich suche, ist eine Verkleidungsgeschichte mit eben diesem Täuschungsmotiv. Ich werd das mit Aeneas trotzdem mal nachlesen.
Vielen Dank auf jeden Fall! Und wenn wem noch was einfällt, immer her damit. :)
Eine Sache wäre mir noch eingefallen: Auch zu Shakespeares Zeiten wurden Frauenrollen im Theater noch von Männern gespielt, weil alle Schauspieler männlich waren. Das Geschlecht der Rolle wurde über die Kleidung definiert. Bringt dich der Ansatz eventuell noch weiter?
Das ist cool, stimmt ja. Erwähnenswert ist es auf alle Fälle. Im antiken Griechenland war das ja nicht anders, soviel ich weiß. Danke dir!
Mir fällt zu diesem Thema Ulrich von Lichtenstein (13. Jh.) mit seiner "Venusfahrt" ein. Da geht es um einen Ritter, der als "Frau Venus" verkleidet von Turnier zu Turnier zieht, um seine Angebetete zu beeindrucken.
Also das im trojanischen Krieg war auf alle Fälle Achilleus mit den Frauenkleidern und dieses Motiv kommt meines Wissens auch nicht parallel bei Aeneas vor. Ich nehme an, dass deine Kommolitonin das verwechselt hat, mika.
In der Musik bzw. Oper glaube ich wurden früher auch Rollen getauscht, wie genau weiss ich aber nicht, da müsstest du vielleicht Opern-Spezialistin Spinnenkind fragen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Travestie#Kirche.2C_Oper.2C_Kastraten_und_Hosenrollen (http://de.wikipedia.org/wiki/Travestie#Kirche.2C_Oper.2C_Kastraten_und_Hosenrollen)
Übrigens trägt mein Charles auch gerade Frauenkleider, aber er befindet sich ja vorübergehend in einem Frauenkörper ...
Und dann gibt es noch Robin Hood - Helden in Strumpfhosen, aber das ist wahrscheinlich nicht das, was du suchst ... :hmmm: Viel Erfolg für deine Arbeit!
"Charleys Tante" würde mir noch einfallen. Da geht es zwar eher um die Rolle einer Anstandsdame, und weniger um eine Entführung, könnte aber trotzdem irgendwie passen. Oder so ... ;D
http://de.wikipedia.org/wiki/Charleys_Tante
Was ist denn mit Cherubino in "Figaros Hochzeit" (Romanvorlage: "Der Tolle Tag"). Der wird als Frau verkleidet, in der Nähe seiner Geliebten zu sein, und versucht AFAIK, mit ihr durchzubrennen. Lustigerweise ist Cherubimo eine Hosenrolle, wird also von einer Frau gespielt - also das genau Gegentei von Shakespeares Viola aus "12th Night", die sich als Frau als Mann verkleidet und traditionell von einem Mann gespielt wurde.
Wow, danke. So viel Input. Jetzt hab ich jede Menge Ansatzpunkte, wo ich noch mal nachlesen kann.
Und: Tanrien (Danke! :knuddel:) war gerade so freundlich, mich noch mal darauf hinzuweisen, dass dieses Phänomen Crossdressing heißt. Was ich eigentlich sogar wusste, aber irgendwie nicht mehr auf dem Schirm hatte. Jetzt hab ich auch ein gutes Schlagwort, mit dem ich noch weiter suchen kann. Und es sieht so aus, als wäre Don Juan mein Mann, denn Wikipedia erwähnt da explizit eine Haremsszene.
Vielen Dank noch mal an alle. Ich glaube, jetzt kann ich ein eigenes Kapitel über Crossdressing in Literatur und Mythologie einbauen. ;D
Es gibt doch von Loki auch noch die Sage, in der er Thor hilft, seinen Hammer wiederzubekommen, oder? Wenn ich mich richitg erinnere, hat er sich und Thor als Frauen verkleidet und sie beide in die Halle des Diebes geschmuggelt, wo ein Festmahl stattfand... Thor hat sie allerdings verraten, weil er gefressen hat wie ein Schwein... Kann mich nicht mehr ganz genau erinnern, aber Loki hatte offensichtlich eine Vorliebe für diese Art von Verkleidung...
@Ludovica: ja, genau. Da ging es darum, dass Thors Hammer gestohlen wurde und Thor sich als Freya ausgegeben hat. Ich glaube, sein Fressen hat sie gar nicht mal verraten, weil Loki glaubthaft versichern konnte, die Braut esse nur deshalb so viel, weil sie aus Sehnsucht nach dem Bräutigam ganz lange nichts gegessen hätte. ::)
An diese Sage hab ich auch gedacht, aber da Thor sich damit einen Hammer und keine Frau holen will, passte sie nicht so ganz in mein Bild. Aber danke auf jeden Fall für die Meldung! :)
Ist nicht europäisch, da muss ich mal nachsehen, woher die Sage kommt. Aber da gibt es diese schöne Geschichte:
Ein Sultan will seine Tochter verheiraten, die hat aber schon einen Geliebten oder so. Und trotz erstmaliger Zusage wird dem dann die Braut doch wieder 'entsprochen'.
Er lässt sich als Entschädigung einen Elefanten schenken (oder ähnlihc) und sagt ihr, an einem regnerischen Tag solle sie einen Knaben mit schönen Händen zu sich rufen lassen.
Der Sultan versteht nicht, sie dafür schon. Aus Angst sie könne fliehen oder entführt werden, darf sie nämlich nicht mehr raus. An einem regnerischen Tag wünscht sie sich, im Regen zu duschen. Der Vater lässt sie auf das Geländer vor dem Balkon stehen, aber nur, solange er ihre Hand halten kann - obwohl ers ich natürlich brav wegdreht.
Ich weiß nicht mehr genau, wie es wetiergeht. Aber irgendwie bringt sie den Vater dazu, sie kurz loszulassen, streift dem Knaben mit den schönen Händen ihre Armreife und Ringe über und gibt die Hand dann dem Vater. Währenddessen reitet ihr Geliebter mit dem Elefatnen unten vorbei und entführt sie so und der Vater merkt noch ganz lange nicht, dass er nicht mehr seine Tochter an der Hand hält...
Wenn du magst kann ich die Geschichte finden und dir schicken. :) (auch wenn hier schon erledigt steht.)
Es gibt eine recht ausführliche Haremsszene bei Don Juan, aber so weit ich mich erinnern kann, flieht er nicht mit der Braut. Sie soll von einer Klippe geworfen werden, und er wartet unten im Dunkeln um sie aufzufangen. Es kann sogar sein, dass er davor in Frauenkleidern rumläuft, aber es ist wenig spektakulär. Leider finde ich die genaue Stelle gerade nicht.
BEim Rosenkavalier von Strauß gibt es auch eine Hosenrolle: Octavian heißt der Jüngling, der als Mädchen verkleidet wird, weil er die Marschallin liebt und ihr etwas "nachstellt", wenn ich das recht in Erinnerung habe, und der Marschall ist sehr eifersüchtig. Aber die fliehen auch nciht zusammen.
@Krähe: Oh, das wäre echt lieb, wenn du die Geschichte finden könntest. Die klingt wirklich gut.
@Vederfieh: Danke! Don Juan werd ich auf jeden Fall genauestens durchforsten.
Ist notiert :) Ich habe schon ein Büchlein im Verdacht... kann noch nicht so lang her sein.
So. Ich habe das mal abgetippselt, da kein Scanner, und papp es dir mal hin. Ich hoffe, das ist ok.
Das Märchen heißt 'die kluge Prinzessin' und das Büchlein behauptet, es sei ein buddhistisches Märchen. Viel Spaß und viel Nützlichkeit! :)
[Dateianhang durch Administrator gelöscht]
Du bist echt ein Schatz. Tausend Dank! :knuddel: Superlieb von dir.