Tja, Wissenslücken sind dafür da, um geschlossen zu werden.
Ich bilde mir ein zu wissen, was ein personaler Erzähler ist.
In Kurzform: Dritte Person Singular, der Leser erlebt das Geschehen ausschließlich aus Sicht dieser einen Person. Er hat kein Wissen, dass diese Person nicht zu diesem Zeitpunkt hat.
Ich weiß folgendes über auktoriale Erzähler:
Allwissend. Der A.Erzähler kennt die gesamte Handlung, die gesamte Welt, er weiß einfach alles über die Geschichte, die er gerade erzählt. Mehr oder minder ausgeprägt zeigt er eine eigene Persönlichkeit, in dem er Wertungen des Geschehenen vornimmt z.B. Es ist ihm auch möglich, Dinge zu erwähnen, die den handelnden Personen zu dem Zeitpunkt unbekannt sind. Hinweise auf zukünftige Entwicklungen, oder was sich zeitgleich außerhalb der Wahrnehmung der Figuren abspielt.
Gut.
Jetzt drängt sich mir eine Frage auf.
Kann sich ein auktorialer Erzähler nicht genausogut entscheiden, eine personale Haltung einzunehmen, also, gewisse Informationen nicht zu geben? Kann er nicht aber zu jedem Zeitpunkt mit dieser Haltung brechen und Infos rausgeben?
Ich meine, ist ein auktorialer Erzähler verpflichtet, sich selbst auf jeder Seite deutlich zu zeigen?
Es sieht für mich so aus:
Auktorial: Unbegrenzte Menge an Informationen mit unbegrenzter Freiheit im Umgang mit ihr.
Personal: Begrenzte Menge an Informationen mit begrenzter Freiheit im Umgang mit ihr.
Man kann also sagen, dass jedem auktorialen Erzähler die Möglichkeit einer personalen Erzählweise innewohnt. (umgekehrt allerdings nicht)
Demnach wäre jede erzählte Geschichte auktorial ???
Seht ihr, ich weiß, dass ich da irgendwo einen Denkfehler drin habe.
Ich schlage mit diesem Problem natürlich aus aktuellem Anlass rum:
In meinem fertigen Roman bin ich fast immer personal, habe aber Abschnitte, die auktorial sind. (böse, ich weiß )
Der häretische Teil in mir meint: Naja, dann ist halt das ganze Ding auktorial, und der Erzähler hält sich in den anderen Abschnitten zurück.
Auch hier weiß ich, dass ich da eigentlich nur nach einer Rechtfertigung suche, mich ums Umschreiben zu drücken. 8) ;D
Aber ich kriege mich gerade nicht selbst ausdiskutiert.
Außerdem plane ich gerade mein nächstes Buch. Ich vermute zur Zeit, dass es wohl auktorial werden sollte.
Um mich vor weiteren Schnitzern zu schützen, würde ich also gern so viel möglich über diese Perspektive lernen, bevor ich mich ins tippen stürze.
Was macht auktorial jetzt also genau aus? Was ist es und was nicht?
Liebe Grüße,
KaPunkt
Huhu.
Also zuallererst muss ich einmal eins klären: Die verschiedenen Unterscheidungen der Erzähltheorie (da gibt es noch vieeeel mehr als nur die Frage des Erzählverhaltens, von der wir hier sprechen) sind eingeführt worden, damit man bestimmte auffallende Merkmale einer Erzählweise benennen und über sie diskutieren kann. Sie sind nicht dafür eingeführt worden, dass man sich am Anfang bevor man etwas schreibt aus einer Schublade von Erzählern einen rauspickt und sich dann schnurstracks an diese Vorlagen hält. Die wenigsten Bücher/Erzählungen halten die gesamte Erzählweise über das ganze Buch durch, die meisten wechseln hier und da. Dann kann man nur noch sagen der Erzähler verhält sich überwiegend personal, an manchen stellen aber auktorial.
Wir sprechen hier über das Erzählverhalten. Ein und derselbe Erzähler, vollkommen unabhängig davon was er weiß oder auch nicht weiß, kann sich an einer Stelle des Buches auktorial verhalten, an einer anderen aber personal. Du wechselst dabei nicht den Erzähler, sondern der Erzähler wechselt sein Verhalten. Er wird von einem auktorialen Erzähler zur einem personalen, indem er sich eben auf diese Figur konzentriert und andere Informationen ausblendet/nicht erwähnt. Er bleibt aber derselbe Erzähler.
Es GIBT folglich keinen personalen/auktorialen oder neutralen Erzähler. Ein Erzähler kann sich lediglich auktorial, neutral oder personal VERHALTEN. Dieses Verhalten kann er aber natürlich während des Buches an manchen Stellen wechseln (wobei hierbei aber natürlich darauf zu achten ist, ob der Erzähler selbst in der Geschichte vorkommt und ob er folglich überhaupt auktorial erzählen kann, also ob er die ganze Geschichte und jede Begebenheit genau kennt).
Es ist also in deinem Fall überhaupt kein Problem, wenn sich der Erzähler an manchen Stellen auktorial verhält, solange du nicht allzuoft wechselst und den Leser damit verwirrst. Ein Erzähler muss sein Verhalten nicht ein ganzes Buch hindurch durchhalten.
Auch musst du dich für ein neues Buch nicht für einen auktorialen oder personalen Erzähler entscheiden. Achte lediglich darauf dass du, wenn du eine Figur deiner Geschichte als Erzähler nimmst, dass du darauf achtest, diese Figur nur in dem einen Einzelfall eine auktoriale Erzählweise einnehmen zu lassen, wenn sie wirklich alle Einzelheiten der eigenen Geschichte bis ins kleinste Detail kennt. Das ist meistens nämlich nicht der Fall.
Ist es aber ein Erzähler, der nicht in der Geschichte vorkommt, so kann er durchaus zwischen einer personalen Erzählweise und einer auktorialen wechseln.
Hoffe, ich konnte dir helfen^^.
Ich persönlich seh das auch nicht so eng. Wenn ich nicht in der Ich-Perspektive erzähle, vermischt sich das bei mir meistens. Um bestimmte Effekte zu erzielen, werd ich gern mal bei der Person personal und erzähl was über ihre Gedanken, dann bei einer anderen und manchmal verschweige ich auch was...
Ich find den Gedanken, daß man das nicht durchhalten muß, gut und richtig. Aus der Schule kenne ich es anders, aber wem tut's weh, wenn man es anders macht?
Als eine Klasse aus meiner alten Schule meinen ersten Fantasyroman gelesen hat, ist den Kids das aufgefallen. Da war dann auch der Tenor: Oh, Erzähler nicht durchgehalten. Aber das ist echt ein Ding, das seh ich nicht so eng. Weiß nicht, ob's falsch ist, fühlt sich aber nicht falsch an ;)
Hallo,
was mir bei deinem Beitrag eingefallen ist, ist, dass es auch noch ein unzuverlässiges Erzählverhalten. Wir haben das in Deutsch nur kurz angeschnitten und ich habe nciht mehr die Konzentration, um den Wikipedia-Artikel (hier (http://de.wikipedia.org/wiki/Unzuverl%C3%A4ssiges_Erz%C3%A4hlen)) zu lesen, aber vielleicht hilft das ja.
Ansonsten sehe ich das wie Valaé: Es mag diese Theorie zwar geben und sie erleichtert die Kategorisierung, aber ich denke beim Schreiben nicht darüber nach bzw. gehe nicht danach (gut, ich fange nicht in der 3. Pers. an, um in der 1. zu landen...).
Das ist mir dann schon zu analytisch und ich will meinen eigenen Roman doch nicht analysieren :P
LG, Rosentinte
Edit: hat sich mit Dani überschnitten, ich bin ganz ihrer Meinung.
Oh, Erzähltheorie, schönes Thema *froi*
Hatte letztes Semester ein Seminar dazu an der Uni, einfach weil es mich interessiert hat. Was ich aus dem Seminar mitgenommen habe, habe deswegen auch mit einer der Dozentinnen gesprochen, ist dass man als Autor ziemlich viele Freiheiten hat. Obwohl ich dadurch mehr in die Theorie eingetaucht bin die dahinter steht, macht es das einem nur um so leichter mit den "festgesetzten" Regeln zu spielen und sich neue Wege zu überlegen. Es ist so ziemlich alles möglich so lange es noch verständlich und nachvollziehbar ist. Egal ob man dann zwei Erzählinstanzen hat von denen eine akutorial, eine personal erzählt, egal ob man springt. Es geht, man muss es nur dem Leser so verkaufen dass er versteht warum es so ist und darf nicht zu sehr über die Stränge schlagen :)
Ein Buch das ich während des Seminars wirklich schätzen lernte und das einem die verschiedenen Erzähltheorien näher bringt, begonnen bei Stanzel, über Genette und das sind nicht die einzigen dort angesprochenen Erzähltheorien, ist das nachfolgende:
Einführung in die Erzähltheorie von Matias Martinez und Michael Scheffel, erschienen beim C.H. Beck Verlag.
Wenn man sich mal damit auseinandersetzen will um die Grenzen der Regeln kennen zu lernen und bewusst zu überschreiten ist es wirklich klasse.
Habe festgestellt das es relativ simpel die einzelnen Punkte der Erzähltheorie zusammenfasst, dazu ist es noch nicht einmal besonders lang.
Wenn du also den Wissenslücken, die ich nicht als besonder schlimm erachte, den Kampf ansagen möchtest, KaPunkt, vielleicht wäre das etwas das dir weiterhilft?
Und wie ein Lehrer von mir so schön formulierte: Künstler kennen die Regeln und brechen sie trotzdem - oder gerade deshalb.
Also gerade weil Mika es anspricht und weil hier mehrmals die Frage aufkommt ob es "richtig" ist und dass es in der Schule strenger gehandhabt wurde:
Ich studiere Germanistik und musste/durfte letztes Semester die Vorlesung "Einführung in die neuere deutsche Literaturwissenschaft" besuchen. Dort wurde uns das so erklärt, also da sind die Schulen strenger als die Universitäten, wahrscheinlich weil sie es den Schülern noch nicht zutrauen, gemäßigt und sinnvoll mit den Freiheiten und Abstufungen die es da sonst noch so gibt, umzugehen. "Richtig" im Sinne von: Von der Wissenschaft anerkannt und nciht als "schlechter Stil/Fehler" sofort abgestempelt ist es also auf jeden Fall. Wir haben auch entsprechende Lektüren dahingehend untersucht und kaum ein klassisches Werk hält eine ganz bestimmte Erzählweise (samt Haltung) die ganze Zeit durch^^.
Übrigens haben wir auch mit Martinez/Scheffel gearbeitet, wirklich ein tolles Buch gerade für die gesamten Facetten der Erzählweise.
@mika: Da muss ich kurz was anmerken: Gérard Genette ist so viel ich weiß männlich gewesen und die Theorie, die wir hier gerade diskutieren stammt weitestgehend von ihm. Ich bin mir nicht sicher was du mit deinem Satz hast sagen wollen, aber das 3-gestufte Erzählmodell mit auktorialem, personalen und Ich-Erzähler kommt von Stanzel, nicht von Genette. Verbesser mich, wenn ich dich falsch verstanden habe^^. Interessiert mich nur, worauf du dich genau beziehst.
@ Rosentinte: Künstler brechen bewusst Regeln, weil man sonst nicht voran kommen würde. Nur wenn man Regeln und Grenzen (durch-)bricht kann man innovativ sein. (Wichtige Regel beim Designstudium)
Ich selbst mische (bis auf die Ich-Perspektive) auch. Warum denn nicht das Beste raussuchen?
Beim Lesen achte ich nicht Mal genau auf die Erzählperspektive. Wüsste auch kein Beispiel, wo mir ein Wechsel richtig (negativ) aufgefallen wäre.
Zitat von: Valaé am 01. Juni 2011, 21:37:19
Übrigens haben wir auch mit Martinez/Scheffel gearbeitet, wirklich ein tolles Buch gerade für die gesamten Facetten der Erzählweise.
@mika: Da muss ich kurz was anmerken: Gérard Genette ist so viel ich weiß männlich gewesen und die Theorie, die wir hier gerade diskutieren stammt weitestgehend von ihm. Ich bin mir nicht sicher was du mit deinem Satz hast sagen wollen, aber das 3-gestufte Erzählmodell mit auktorialem, personalen und Ich-Erzähler kommt von Stanzel, nicht von Genette. Verbesser mich, wenn ich dich falsch verstanden habe^^. Interessiert mich nur, worauf du dich genau beziehst.
Ich denke ich werde den Satz noch einmal überarbeiten. Ich wollte eigentlich damit sagen dass in dem Buch die verschiedenen Erzähltheorien, sowohl von Stanzel als auch von Genette, als auch diverse andere Einflüsse bearbeitet werden, irgendwie ist der Satz allerdings etwas schräg geraten, mein Fehler.
Nein, du hast vollkommen recht was das dreigeteilte System von Stanzel betrifft, wenn mich nicht alles täuscht wird allerdings mittlerweile mehr von den verschiedenen Fokalistationen von Genette gesprochen, zumindest war es in unserem Seminar so, was aber wohl von Forschungsstandpunkt zu Forschungsstandpunkt anders ist. Ich finde Genette's System der verschiedenen Fokalisierungen eingebettet in den Modus etwas übersichtlicher und detailierter als das System von Stanzel. Aber für den Hausgebrauch ist das immer noch ausgezeichnet zu verwenden, weil man sich die Begriffe von Genette auch erstmal erarbeiten muss. Persönlich greife ich beim Schreiben rein aus Gewohnheit noch auf die von Stanzel geprägten begriffe zurück, wenn sie auch, wenn mich nicht alles täuscht - korrier mich bitte - mittlerweile teilweise überholt, bzw. teilweise von Genetts Theorie ersetzt werden, was die Forschung betrifft.
War das bei euch in der Einführung auch so? Bzw. wurde da auch mehr von Genette als von Stanzel gesprochen?
Mischen macht doch am meisten Spass, oder? 8) Ich handhabe das am liebsten so, dass ich einen auktorialen Erzähler habe, der alles weiss, aber kaum etwas preis gibt. Ich switche von Figur zu Figur, lasse mal aus ihrer Sicht, mal aus der der anderen erzählen, manchmal sogar in der gleichen Szene.
In der Schule hab ich auch gelernt, dass, wenn man sich einmal für eine Perspektive entschieden hat, die auch bitte brav beibehalten soll. Mittlerweile, und nachdem ich hunderte von Büchern gelesen und selber angefangen habe zu schreiben, weiss ich, dass sich kaum jemand daran hält.
Ist es nicht spannender, als Leser mehr zu wissen als die fokussierte Figur, und sie dann ins Verderben laufen zu sehen (wobei man sie am liebsten anschreien würde)?
@ Valaé + mika: Danke für die vielen Infos zur Theorie. :D
@mika: Ok, ja da gabs jetzt ein paar Missverständnisse^^. Zum Buch: Stimmt natürlich, was du sagst. Auch wenn die ausführlichste Behandlung sicher auch hier wieder Genette gilt. Ist, meiner Meinung nach, auch richtig so.
Auch der Rest stimmt. Stanzel ist ziemlich überholt mittlerweile und wird weitestgehend von Genette abgelöst. Genette ist im Moment so das Modell, nach dem meistens gearbeitet wird, wenn analysiert wird. Im Seminar haben wir Stanzel vielleicht 10 Minuten behandelt, danach war Genette dran, für den Rest der eineinhalb Stunden. Also deutliche Gewichtung^^.
Mir persönlich geht es da übrigens auch sehr ähnlich wie dir: So wenn ich mir selsbt Gedanken über meine Erzähler mache, falle ich aus Gewohnheit noch gerne in das System von Stanzel zurück, zumindest so ganz am Anfang. Auch die Begriffe verwende ich noch häufig und weil du die Begriffe von Genette gerade ansprichst: Ist ein übler Wulst, sich da durchzukämpfen und ich haue sie noch gerne durcheinander. Ich weiß, was es alles gibt und wie man es verwenden kann, aber frag mich nicht genau, wie es genannt wird XD.
Trotzdem mag ich Genettes System an sich lieber. Es bietet viel mehr Facetten und zeigt besser auf, was eigentlich alles möglich ist. Das System von Stanzel fühlt sich irgendwie an wie ein zu enges Kleidungsstück.
Soso. Lernt man also bloß wieder Unfug in der Schule ;D
Selbst beim Ich-Erzähler kann man sich ja gewisse Freiheiten rausnehmen. Ich hab's mich auch erst nicht getraut, aber als mir jemand sagte, daß in anderen Büchern in gewissen Szenen einfach geswitcht wird, wenn der Ich-Erzähler nicht da ist und der Leser trotzdem wissen soll, was passiert... da hab ich das dann auch gemacht. So komm ich dann auch manchmal auf deutlich sichtbare zwei Perspektiven in einem Buch.
Aber wir sind eben Künstler. Wir dürfen das! :engel:
Hmmpf. Bin ich eher OldSchool. Für einen Perspektivwechsel muss es einen guten dramaturgischen Grund geben. Die Bücher in denen frei hin- und hergeswitcht wird sind meistens auch sonst von minderer Qualität. Mir erscheint es immer wie billige Mogelei, wenn ein bis dahin personaler Erzähler auf einmal einen auktorialen Schwerpunkt einnimmt, nur um etwas zu zeigen, was er personal nicht zeigen könnte. Nur meine Meinung.
@Schommenes: Ich kann dir nicht ganz zustimmen, aber da scheiden sich eben die Geister.
Ich finde es durchaus interessant die Grenzen der Narativität kennen zu lernen um sie dann bewusst zu überschreiten. Ich würde so etwas nicht unbedingt als geringere Qualität oder billige Mogelei bezeichnen, sondern eher als Experiment, aber da eben jedem seine Meinung.
In meinem Kind der Veränderung habe ich zum Beispiel eine doppelte Erzählinstanz eingeführt, ein Ich-Erzähler und diverse (um bei Stanzel zu bleiben) personale Erzähler. Doppelt, theoretisch gemogelt, aber ich bleibe konsequent innerhalb der Geschichte und wechsel lediglich zwischen den beiden Erzählinstanzen. Da ist gar nichts dabei und es macht sogar ziemliches Spaß. Ob allerdings Leser damit klarkommen ist bis jetzt unerprobt. Aber würdest du so etwas auch schon als billige Mogelei betrachten? Nur aus Neugierde :)
@Romy: Hurra, ich bin nicht die Einzige *froi*
@Valaé: Bei mir hat es ziemlich lange gedauert bis ich mit Genette wirklich etwas anfangen konnte, sein System ist doch ziemlich komplex, aber es geht mir genau so wie dir, Stanzel ist einfach viel zu eng.
Habe die Erzähltheorie sowohl schon in der Einführung in die neue deutsche Literaturwissenschaft (sowas gibts ja auch hier an der Uni) als auch in meinem Seminar das sich nur damit befasste durchgenommen, aber so ganz habe ich noch immer nicht alles auf dem Schirm, muss ich zu meiner Schande gestehen. Vor allem bei intra- und extradiegetisch tu ich mir gelegentlich noch etwas schwer, aber je häufiger man die Begriffe verwendet desto mehr gesehen sie einem in Fleisch und Blut über.
Ich bin gerade dabei, mich mit nur einer Perspektive "anzufreunden". Mein NaNo-Roman hat(te) noch unglaubliche Perspektivwackler. Von einer zur nächsten, wieder zurück und noch jemand anderes. Gruselig zu lesen, aber vom Schreiben her natürlich arg einfach.
Bei meinem aktuellen Projekt bemühe ich mich deshalb sehr, nur bei einer Perspektive zu bleiben und bemerke glücklicherweise auch flott, wenn ich auf einen Wackler zusteuere.
Ich bin begeistert von der personalen Erzählsweise.
Aber ich schreibe auch Auktorial. Aber das eher unabsichtlich. Ich bemerke das leider immer erst dann, wenn es mir jemand sagt. *g*
Zitat von: mika am 01. Juni 2011, 22:40:28
@Schommenes: Ich kann dir nicht ganz zustimmen, aber da scheiden sich eben die Geister.
Ich finde es durchaus interessant die Grenzen der Narativität kennen zu lernen um sie dann bewusst zu überschreiten. Ich würde so etwas nicht unbedingt als geringere Qualität oder billige Mogelei bezeichnen, sondern eher als Experiment, aber da eben jedem seine Meinung.
In meinem Kind der Veränderung habe ich zum Beispiel eine doppelte Erzählinstanz eingeführt, ein Ich-Erzähler und diverse (um bei Stanzel zu bleiben) personale Erzähler. Doppelt, theoretisch gemogelt, aber ich bleibe konsequent innerhalb der Geschichte und wechsel lediglich zwischen den beiden Erzählinstanzen. Da ist gar nichts dabei und es macht sogar ziemliches Spaß. Ob allerdings Leser damit klarkommen ist bis jetzt unerprobt. Aber würdest du so etwas auch schon als billige Mogelei betrachten? Nur aus Neugierde :)
Was Du beschreibst klingt eher nach einer strengen Systematik mit Experimentalcharakter und damit bestimmt keine Mogelei (da musst Du dann allerdings auch experimentierfreudige Leser finden).
Ich hab ja versucht zu beschreiben, wo ich Mogelei sehe, nämlich wenn der Perspektivenwechsel benutzt wird, um ansonsten unmögliche Informationsflüsse zu bewirken.
Und womit ich ehrlich gesagt überhaupt nichts anfangen kann, ist diese ewig wiederkehrende Aussage: Ich bin Künstler und darf sowieso alles. Erstens, weil ich sowieso alles darf und zwar auch ohne Künstler zu sein und zweitens, weil die Aussage am Thema vorbeigeht. Wer seine Geschichte verkaufen will, muss sich an ein Mindestmaß von Konventionen halten. Ob da Perspektivwechsel dazugehören oder nicht, darüber kann man sicherlich lange diskutieren.
Wie gesagt: Meiner Meinung nach sind sie erlaubt, wenn sie einen dramaturgisch nachvollziehbaren Effekt erfüllen, d.h. weder willkürlich noch reine Eitelkeit des Autors sind. Kannst Du das nachvollziehen?
@Schommes: Auch ich muss da ein wenig widersprechen. Es ist für mich eine Sache, ob innerhalb einer Szene munter zwischen einer Figur und der anderen hin- und hergeswitcht wird oder ob es zwei deutlich getrennte Erzähler gibt, die jeweils bei Kapitelwechsel auftauchen. Mein Buch "Schlangenbiss" wäre ohne die beiden Sichtweisen nicht nur kaum darzustellen gewesen, sondern auch verdammt langweilig geworden. Eine gewisse Erzählweise ist einfach ein sehr, sehr starkes Mittel um eine Atmosphäre zu kreiren oder aber einen Charakter darzustellen. Ich finde, da muss man etwas differenzieren. Es gibt Dinge, die ich als schwierig empfinde und selbst nicht schreiben würde. Beispiel: Ein Ich-Erzähler, der innerhalb der wirklichen Geschichte vorkommt und demnach sich personal verhält und der auf einmal auktorial erzählt. Finde ich unlogisch. Auch ein Erzähler der 3. Person, sofern namentlich bekannt ist, wer dort erzählt, sollte meiner Meinung nach Finger weg lassen vom auktorialen Verhalten, da er die Gedanken anderer Figuren nicht kennen kann. Ein Erzähler aber, der eben nur Erzähler ist und keine Figur im Buch. Der kann sich sehr wohl mal auktorial und mal personal verhalten. Das hat auch nicht so unbedingt etwas mit Old School zu tun, da dies schon seit Uhrzeiten gemacht wird und kaum ein Buch ohne diese Wechsel auskommt. Haben uns da mal Kleists "Erdbeben in Chili" vorgenommen. Auch dort konnte man nicht 100%ig sagen, wie das Erzählverhalten ist, da es je nach Szene wechselte. Ich behaupte fast, dass es kein Buch gibt, bei dem es nicht hier und da mal wechselt, das merkt man gar nicht, da ja der Erzähler selbst nicht wechselt.
Aber auch mit deutlich unterschiedlichen Erzählern habe ich persönlich kein Problem, so lange nicht zu viel mit ihnen gespielt wird. Experimente sind in Ordnung und sehr Interessant, wichtig ist nur, dass immer deutlich zu erkennen ist, wer erzählt und dass es für den Leser nicht verwirrend wird. Mit minderer Qualität haben mehrere Erzähler finde ich jetzt nun einmal gar ncihts zu tun. Gerade bei Romanen, die komplizierte und schwierige Charaktere haben und sich hauptsächlich auf psychischer Ebene bewegen, ist es oft zwingend notwendig, mehrere Erzähler einzubauen. Ich denke, es kommt da ganz auf den Roman an. Manche brauchen es, bei anderen ist es machbar und es bereichert sie, bei ganz anderen stört es.
@mika: Bei mir hat es auch eine Weile gedauert, allerdings in ganz anderer Richtung. Ich hatte so meine Probleme mit den verschiedenen Abstufungen in Richtung eben Erzählverhalten, Erzählperspektive, Ort des Erzählens etc. etc. Nicht, dass ich nicht verstehen würde, was gemeint ist. Ich haue nur die Bezeichnungen gerne durcheinander *hehe*.
Mit den ganzen -diegetisch Begriffen hatte unser ganzes Seminar Probleme ^^. Ich lustigerweise nicht wirklich. Weder mit extra-, intra- und metadiegetisch noch mit homo-, hetero-, und autodiegetisch. Das sind lustigerweise sogar Begriffe, die ich nie vergesse und auch nicht durcheinanderhaue. Aber den Rest XDDDD. Ich muss zu mein er Schande zugeben, dass ich vor meiner ersten Antwort hier habe nachlesen müssen, ob das, worüber wir hier sprechen wirklich das ErzählVERHALTEN ist. Gibt ja auch noch Erzählhaltung und alles mögliche. Wie gesagt, damit, dass auseinanderzuhalten hab dann ich Probleme ;).
EDIT: Bin etwas langsam gewesen und hab deinen neusten Beitrag jetzt hier noch net berücksichtigt Schommes, bitte um Entschuldigung.
Bin da ganz bei mika und Valaé. Mein letztes Projekt wäre ohne die Möglichkeit, in einer anderen Szene einen anderen Erzähler einzusetzen, so gar nicht möglich gewesen. Das ist für mich auch keine Frage von schlechter Qualität. In dem Fall war es wirklich wichtig, neben der Haupterzählung meines Ich-Erzählers auch die Gedanken des Antagonisten zu erfahren. Denn der war meiner Prota schon näher gerückt, als sie wußte, und dann kann man als Leser natürlich vor Spannung den Tisch zernagen gehen.
Wichtig ist natürlich, zu wissen, was man da eigentlich will. Aber davon gehe ich bei uns aus ;)
Zitat von: Valaé am 01. Juni 2011, 22:56:15
@Schommes: Auch ich muss da ein wenig widersprechen. Es ist für mich eine Sache, ob innerhalb einer Szene munter zwischen einer Figur und der anderen hin- und hergeswitcht wird oder ob es zwei deutlich getrennte Erzähler gibt, die jeweils bei Kapitelwechsel auftauchen. Mein Buch "Schlangenbiss" wäre ohne die beiden Sichtweisen nicht nur kaum darzustellen gewesen, sondern auch verdammt langweilig geworden. Eine gewisse Erzählweise ist einfach ein sehr, sehr starkes Mittel um eine Atmosphäre zu kreiren oder aber einen Charakter darzustellen. Ich finde, da muss man etwas differenzieren. Es gibt Dinge, die ich als schwierig empfinde und selbst nicht schreiben würde. Beispiel: Ein Ich-Erzähler, der innerhalb der wirklichen Geschichte vorkommt und demnach sich personal verhält und der auf einmal auktorial erzählt. Finde ich unlogisch. Auch ein Erzähler der 3. Person, sofern namentlich bekannt ist, wer dort erzählt, sollte meiner Meinung nach Finger weg lassen vom auktorialen Verhalten, da er die Gedanken anderer Figuren nicht kennen kann. Ein Erzähler aber, der eben nur Erzähler ist und keine Figur im Buch. Der kann sich sehr wohl mal auktorial und mal personal verhalten. Das hat auch nicht so unbedingt etwas mit Old School zu tun, da dies schon seit Uhrzeiten gemacht wird und kaum ein Buch ohne diese Wechsel auskommt. Haben uns da mal Kleists "Erdbeben in Chili" vorgenommen. Auch dort konnte man nicht 100%ig sagen, wie das Erzählverhalten ist, da es je nach Szene wechselte. Ich behaupte fast, dass es kein Buch gibt, bei dem es nicht hier und da mal wechselt, das merkt man gar nicht, da ja der Erzähler selbst nicht wechselt.
Aber auch mit deutlich unterschiedlichen Erzählern habe ich persönlich kein Problem, so lange nicht zu viel mit ihnen gespielt wird. Experimente sind in Ordnung und sehr Interessant, wichtig ist nur, dass immer deutlich zu erkennen ist, wer erzählt und dass es für den Leser nicht verwirrend wird. Mit minderer Qualität haben mehrere Erzähler finde ich jetzt nun einmal gar ncihts zu tun. Gerade bei Romanen, die komplizierte und schwierige Charaktere haben und sich hauptsächlich auf psychischer Ebene bewegen, ist es oft zwingend notwendig, mehrere Erzähler einzubauen. Ich denke, es kommt da ganz auf den Roman an. Manche brauchen es, bei anderen ist es machbar und es bereichert sie, bei ganz anderen stört es.
...
EDIT: Bin etwas langsam gewesen und hab deinen neusten Beitrag jetzt hier noch net berücksichtigt Schommes, bitte um Entschuldigung.
Ich glaube, wir sind da ohnehin völlig d'accord. Ich schreibe nämlich genauso, wie Du es beschreibst. Das ist ja auch der momentan gängigste Stil. Also auktorial mit personalem Einschlag und Wechsel in der personalen Ebene nur bei Szenenwechsel aber niemals in der Szene. Wenn ich also Figur A und B habe. Leuchtet mein auktorialer Erzähler in der ersten Szene z.B. in den Kopf von A. Er weiß dann nicht, was in B vorgeht (ist also ein personal beschränkter auktorialer Erzähler). In der nächsten Szene switche ich dann z.B. zu B. Bin also nie "pur" auktorial, aber auch nicht personal auf eine Figur festgelegt.
Zitat von: Schommes am 01. Juni 2011, 22:55:17
Was Du beschreibst klingt eher nach einer strengen Systematik mit Experimentalcharakter und damit bestimmt keine Mogelei (da musst Du dann allerdings auch experimentierfreudige Leser finden).
Ich hab ja versucht zu beschreiben, wo ich Mogelei sehe, nämlich wenn der Perspektivenwechsel benutzt wird, um ansonsten unmögliche Informationsflüsse zu bewirken.
Und womit ich ehrlich gesagt überhaupt nichts anfangen kann, ist diese ewig wiederkehrende Aussage: Ich bin Künstler und darf sowieso alles. Erstens, weil ich sowieso alles darf und zwar auch ohne Künstler zu sein und zweitens, weil die Aussage am Thema vorbeigeht. Wer seine Geschichte verkaufen will, muss sich an ein Mindestmaß von Konventionen halten. Ob da Perspektivwechsel dazugehören oder nicht, darüber kann man sicherlich lange diskutieren.
Wie gesagt: Meiner Meinung nach sind sie erlaubt, wenn sie einen dramaturgisch nachvollziehbaren Effekt erfüllen, d.h. weder willkürlich noch reine Eitelkeit des Autors sind. Kannst Du das nachvollziehen?
Oh, die Formulierung mit dem Experimentalcharakter gefällt mir ausgezeichnet. Erlaubst du mir vielleicht sie zu verwenden wenn ich mich auf die Suche nach eben jenen experimentierfreudigen Lesern mache? Das wäre wirklich klasse.
Natürlich, wenn du es so formulierst kann ich wirklich nachvollziehen was du meinst. Wenn es lediglich um das Springen zwischen den Perspektiven, meistens noch innerhalb einer Perspektive geht um den Leser mit den entsprechenden Informationen zu versorgen bin ich definitiv deiner Meinung. So etwas finde ich ehrlich gesagt auch nicht sooo toll und ich kann auch nachvollziehen wie du da auf mindere Qualität gekommen bist. Vor allen in meinen ersten Geschichten fiel es mir wirklich schwer konsequent bei einer Perspektive zu bleiben (das war so mit 13/14) und im Nachhinein finde ich es wirklich schrecklich. (Damals traute ich mich noch nicht an korrekte szenengebundene Perspektivenwechsel die mir heute das Leben so viel leichter machen) Wenn ich so etwas gelegentlich bei mir noch entdecke wird es augenblicklich gelöscht, neugeschrieben und ich versuche mich konsequent wieder an eine Perspektive pro Szene zu halten, alles andere ist wirklich nichts.
@Valaé: Dreimal darfst du raten was für ein Buch ich in der Hand hatte als ich meinen ersten und den zweiten Beitrag hier schrieb ;D Wo ich immer noch so meine Probleme habe ist der Begriff Autor und die Differenzierung vom Erzähler und vor allem was eine Erzählung ist, wann man etwas als wirklich narativ bezeichnen kann, daran haben wir uns im Seminar schier totdiskutiert und sind nur teilweise auf einen grünen Zweig gekommen. Denn gerade das ist schwer: Wann ist eine Erzählung eine Erzählung? Wann kann man einen Text als narrativ betrachten? Aber das würde hier wohl zu weit gehen und sich zu weit vom eigentlichen Thema entfernen. ;)
Zitat von: Schommes am 01. Juni 2011, 23:05:38
Ich glaube, wir sind da ohnehin völlig d'accord. Ich schreibe nämlich genauso, wie Du es beschreibst. Das ist ja auch der momentan gängigste Stil. Also auktorial mit personalem Einschlag und Wechsel in der personalen Ebene nur bei Szenenwechsel aber niemals in der Szene. Wenn ich also Figur A und B habe. Leuchtet mein auktorialer Erzähler in der ersten Szene z.B. in den Kopf von A. Er weiß dann nicht, was in B vorgeht (ist also ein personal beschränkter auktorialer Erzähler). In der nächsten Szene switche ich dann z.B. zu B. Bin also nie "pur" auktorial, aber auch nicht personal auf eine Figur festgelegt.
Genauso mache ich es eigentlich auch. Das seltene Switchen innerhalb einer Szene muss ich mir noch abgewöhnen, da mir das auch schon mal unter die Nase gehalten wurde und offenbar verwirrt.
Ich notier mir das mal, bevor ich mit meinem aktuellen Projekt ans Tippen gehe... :hmmm:
@Schommes: Gut, dann lag da ein Missverständnis vor^^. Ich hatte angenommen, du wärest ganz gegen Erzählerwechsel. Also dass du sozusagen für den "puren" einzigen Erzähler dich aussprechen würdest.
@mika: Hehe, ja manche Dinge hat man eben nicht im Kopf. Also Differenzierung Autor-Erzähler fand ich jetzt nicht so schwer, vor allem weil mir auch immer klar war, was meine Dozenten verhindern wollten, wenn sie immer wieder betont haben, dass Autor und Erzähler nun mal absolut drei paar Stiefel sind^^. Es gibt zu viele Assoziationen, die von Erzählerbewertungen auf Autorintensionen schließen wollen.
Ansonsten bin ich mir nicht ganz sicher, ob ihr eine Diskussion mehr gemacht habt als wir oder ob du das meinst, worüber wir uns auch um Kopf und Kragen diskutiert haben. Eine besondere Diskussion, was eine Erzählung ist, hatten wir nicht. Aber eine Diskussion, was Literatur ist. Ich weiß jetzt nicht, ob du das Gleiche meinst oder ob ihr eben beschränkt auf Prosa das nochmal diskutiert habt. Wir haben eben diese Diskussion für Literatur allgemein, also Lyrik, Dramatik, Prosa geführt. So viel ich weiß gab es keine nur für Prosa *grübel* oder ich hab sie wieder vergessen ...
Aber das geht jetzt gerade wirklich ein wenig ins Off-Topic *pfeif*
@ Schommes: Ich glaube du stellst dir einen Perspektivwechsel wie eine bunte unkontrollierte Mischung vor. Aber - da kann ich nur von mir sprechen - so ist das nicht. Normal bleibe ich auch bei einer Perspektive. Dennoch kann man sich gelegentlich den Perspektivwechsel auch zu Nutze machen(Kapitel, betonte Stelle, besondere Wirkung).
Muss aber jeder für sich herausfinden, wie er es mag.
(Und ich denke spätestens beim Betaleser bekommt man gesagt, wie gut das dann tatsächlich funktioniert. ^^)
Zitat von: Fizz am 01. Juni 2011, 23:40:28
@ Schommes: Ich glaube du stellst dir einen Perspektivwechsel wie eine bunte unkontrollierte Mischung vor. )
Stimmt in manchen Beiträgen klang das so.
Zitat von: Fizz am 01. Juni 2011, 23:40:28
Aber - da kann ich nur von mir sprechen - so ist das nicht. Normal bleibe ich auch bei einer Perspektive. Dennoch kann man sich gelegentlich den Perspektivwechsel auch zu Nutze machen(Kapitel, betonte Stelle, besondere Wirkung).
Klaro, kontrollierter Einsatz ist doch bestens. Wie gesagt, die Gründe müssen meines Erachtens dramaturgisch sein.
Ich bin da glaube ich, auch deswegen so vehement, weil ich mit meinem allerersten "künstlerischen" Buchversuch vor zehn Jahren selbst alle Todsünden begangen habe, die sich in diesem Kontext denken lassen. Heute klingt das alles nicht künstlerisch, sondern einfach nur peinlich. Mir fällt dann beim Lesen immer mein Kunstlehrer ein: "Kunst kommt von Können und nicht von wollen, sonst hieße sie Wulst". ;)
Jetzt komme ich hier rein, und es ist im Grunde schon alles gesagt worden. Mir bleibt eigentlich nur, mich Valae anzuschließen, die alles, was ich hätte sagen können, schon besser gesagt hat, als ich es rübergebracht hätte.
Ich beschränke mich also auf die rein empirische Feststellungen, dass man natürlich so ziemlich alles machen kann. Nur kommt nicht alles bei jedem gleichermaßen gut an. Und nicht jeder kann jeden Perspektivwechsel so treffsicher gestalten, dass man nicht darüber stolpert.
Mir ist in den letzten zehn Jahren vor allem aufgefallen, dass die Praxis erheblich lockerer ist als die Theorie in den "Schreibwerkstätten". Mir ist kaum ein erfolgreiches Buch untergekommen ohne perspektivische Brüche auch mitten in Szenen. Dazu zählen absolute Kassenschlager ebenso wie Bücher, die literarische Ankerkennung und Weihen bekommen haben. Mitunter merkt man es kaum beim Lesen, wenn man nicht gezielt darauf achtet. Mitunter aber, wie beispielsweise beim seinerzeit in der Presse recht hoch gelobten "Dante Club", sind die Perspektivwechsel sogar so ausgeprägt, dass ich für meinen Teil dem schon nicht mehr immer folgen konnte. ???
Scheint also irgendwie alles zu funktionieren, sogar bei sehr unterschiedlichen Zielgruppen.
Man muss also wohl nur darauf achten, dass den Freiheiten der Erzählperspektive auch ein erzählerischer Zugewinn entspricht, der dazu führt, dass nicht nur ein paar penible Leser drüber stolpern, sondern noch mehr Leser von dem Buch an sich begeistert sind. Vorzugsweise natürlich ein Zugewinn, den man sich eben durch diesen Gebrauch der Perspektive erwirbt und der den Freiheiten einen Sinn verleiht. ;)
Soo, dann will ich mal sehen, ob ich alles verstanden habe, und ob ihr mir mit meinen weitergehenden Fragen genauso begeistert und fachlich versiert helfen könnt.
Erstmal: Wie jetzt, man darf innerhalb eines Werkes zwischen auktorial und personal springen? Ehrlich?
Weil, also in einem anderen Forum wurde mir von einer veröffentlichten Autorin erklärt, das man so was auf keinen Fall tun darf und die Lektoren da sehr drauf achten. :lehrer:
Weiter im Text:
Grundsätzliches:
Es gibt einen Erzähler.
Dieser Erzähler ist nicht der Autor.
Dieser Erzähler ist nicht an sich personal oder auktorial.
Der Erzähler
verhält sich je nach Intention des Autors (und seiner eigenen) auktorial oder personal.
Ich verstehe das so, dass ich mit meiner Vermutung Recht hatte. Der Erzähler kann, darf und weiß grundsätzlich alles, entscheidet aber (oder wird vom Autor entschieden) sich eher personal oder auktorial zu präsentieren.
Korrekt?
Habe ich jetzt einen auktorialen Erzähler, der selbst in der Handlung seiner Geschichte vorkommt, weiß auch dieser auktoriale Erzähler nur das, was er zum Zeitpunkt des Erzählens über die Geschichte wissen kann. Er ist damit nicht Gottgleich sondern lediglich erfahrener als Leser und handelnde Personen.
In der weiteren Diskussion werde ich für diesen Typus den Begriff '
Beschränkt Auktorial' (ba) verwenden.
Im aktuellen Problemprojekt, in dem ich offenbar unsauber mit den Erzählweisen und Perspektivwechseln gewesen bin (so hat es eine Agentur angemerkt), habe ich grundsätzlich drei Perspektivträger.
Die erzähle ich personal.
Manchmal gibt es Unsauberkeiten, wie z.B. das die Kleidung einer Figur beschrieben wird, die hinter dem Perspektivträger steht.
Die zu bereinigen halte ich für sehr sinnvoll.
Dann gibt es sehr gelegentlich kleine Ausflüge, nenne ich es mal. Eigentlich immer am Ende einer Szene, ein Satz, mit dem man nochmal in den Kopf des Gegenübers des Perspektivträgers schaut.
Ähhh .. Beispiel:
Zitat
Ach ja, da war doch noch etwas, dachte Tresten.
,,Schaff Morak zurück in die Strömung", wandte er sich an Frassak. ,,Ich werde Anweisung für eine Sonderzahlung erteilen."
Frassak lächelte noch breiter, als er den Stein, der Morak bis knapp unter die Wasseroberfläche zog, wieder um dessen Brust band.
Heute Abend würde er einen Trinken - auf Morak.
Sonst erfährt man nichts über das Innenleben der Figur. Vermutlich ist das eine Manieriertheit meinerseits. Aber ich mag sie und bin mir gerade überhaupt nicht mehr sicher, ob so was stört?
Dann gibt es Momente, in denen ich einen Ort beschreibe.
Der Perspektivträger kennt den Ort, bewegt sich gerade auch darin, würde den Ort aber vermutlich nicht so beschreiben, wie der Erzähler es gerade tut, bzw. es werden Dinge beschrieben, die der Perspektivträger zwar weiß, aber gerade nicht unmittelbar erfährt. z.B.
Die Betten werden jeden Morgen frisch bezogen, obwohl der Träger diese Tätigkeit noch nie gesehen hat, nur das Ergebnis, sich aber gerade auch gar nicht im Schlafzimmer aufhält, vom Bett also nicht sieht.
Verstanden? Problem?
Ansonsten:
Ja, ich habe drei Perspektiv Träger. Ich habe eigentlich immer mehrere Perspektivträger.
Ja, ich springe innerhalb von Kapiteln zwischen den P.Trägern. Ein Kapitel hat ca 20 NS, meistens eher mehr. Selten habe ich mehr als zwei P.Träger in einem Kapitel und meistens springe ich einmal hin und zurück, nur sehr selten mehr, und häufig nur einmal zwischen den beiden, ohne Rückkehr. Ist das echt zu schnell?
Verdammt. Manchmal wünsche ich mir mathematische Formeln fürs Schreiben. (aber echt nur manchmal. ;D)
Dann würde ich gerne noch wissen, was mit
dramaturgisch sinnvoll gemeint ist?
Wenn es darum geht, die Spannung zu steigern, kann man mit Perspektivwechseln - aus welchem Kopf wird was erzählt (und verschwiegen) - jede Menge machen.
Aber das ist doch eigentlich nicht dramaturgisch, oder?
Eigentlich ist die Wahl der Perspektive eine Entscheidung zur Informationsvermittlung an den Leser, und weiter nichts. Was für einen Einfluss sollte sie auf die Dramaturgie haben?
Wobei ich D. als Handlung verstehe. Als das, was die Figuren miteinander anstellen.
Wo liegt mein Fehlschluss?
Ich sehe mich übrigens nicht als Künstler. An guten Tagen vielleicht als Kunsthandwerker. ;D
Ich will gutes Handwerk abliefern. Wenn es darüber hinaus einen Mehrwert hat, ist das super. Aber 'Kunst' als Entschuldigung für '
Ich will aber' akzeptiere ich nur in sehr seltenen Fällen.
Für mich ist es wichtig, mir vorher klar zu machen, welche Perspektiven, ob auktorial, personal, oder sonstwas, weil es für mich viel über die Tonlage des Projektes aussagt.
Über die Atmosphäre, die ich vermitteln will.
Sich klarzumachen, wie stark der Erzähler sein soll, ist, wie ich finde, einfach essentiell, weil diese Wahl so ein starkes Werkzeug ist.
Vergleiche 'Das Parfum', 'Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär' mit 'Schwerttänzer' oder 'Osten Ard'
So, jetzt möchte ich mich noch bei allen für diese unglaublich engagierte und erhellende Diskussion bedanken.
Liebe Grüße,
KaPunkt
Huhu^^.
Also: Was du darfst oder nicht darfst bestimmst schon einmal von Grund auf du selbst. Du bist der Autor, du bestimmst was du darfst. Wenn du meinst, du darfst in vollkommen falscher Rechtschreibung schreiben, dann darfst du das. Aber das würde logischerweise kein Verlag nehmen, deine Leser würde es stören und so gut wie der gesamte Rest der Welt würde dich als schlechten Autor betrachten. Aber du darfst es. Also hören wir auf, von dem zu reden, was man darf oder nicht darf. Denn es ist immer eine Frage dessen, was man tun möchte. Wenn man mit seinem Roman Veröffentlichungsabsichten hat, sollte man sich an dem orientieren, was am Markt ankommt und was Agenturen möchten. Hat man eher den Anspruch, ein Buch zu schreiben, mit dem man zufrieden ist, dann können Marktaspekte vollkommen irrelevant sein.
Wie ich dich verstehe, geht es eben um Marktaspekte. In wie weit ein Wechsel zwischen auktorialer und personaler Erzählweise bei Agenturen ankommt, kann ich dir nicht beantworten, ich habe mich noch nie bei einer beworben.
Es kommt auch auf den Wechsel selbst an. Ich denke, die Autorin von der du sprichst meinte sehr offensichtliche Wechsel. Die werden nicht gerne gesehen, kann ich mir vorstellen. Aber es gibt durchaus wechsel, bei denen man es gar nicht wirklich merkt. Es ist also eine sehr knifflige Frage, bei der man eigentlich bei jedem Wechsel neu entscheiden muss. Pauschalisieren kann man da gar nichts.
Fakt ist: Von der Wissenschaft her ist das Phänomen, dass das Erzählverhalten ganz selten durchgehalten wird, bekannt und akzeptiert.
Zitat von: KaPunkt am 02. Juni 2011, 20:52:20
Weiter im Text:
Grundsätzliches:
Es gibt einen Erzähler.
Dieser Erzähler ist nicht der Autor.
Dieser Erzähler ist nicht an sich personal oder auktorial.
Der Erzähler verhält sich je nach Intention des Autors (und seiner eigenen) auktorial oder personal.
Korrekt.
ZitatIch verstehe das so, dass ich mit meiner Vermutung Recht hatte. Der Erzähler kann, darf und weiß grundsätzlich alles, entscheidet aber (oder wird vom Autor entschieden) sich eher personal oder auktorial zu präsentieren.
Korrekt?
Teilweise Korrekt.
Der Erzähler kann darf und weiß nicht grundsätzlich alles. Es ist abhängig von der Art des Erzählers.
1. Fall: Erzähler ist heterodiegetisch. Das heißt, er ist keine Figur der Geschichte, sondern eine fiktive Instanz, die die Geschichte erzählt. Er ist der einzige Erzähler der sich jemals auktorial verhalten kann. Er weiß alles und ist über sämtliche Gefühle und Gedanken aller Personen unterrichtet. Es ist jedoch Entscheidung des Autors, wie viel er zu welcher Zeit preisgibt. Er kann sich also auch personal verhalten.
2. Fall: Erzähler ist homo-oder autodiegetisch. Das heißt, er ist eine Figur innerhalb der Geschichte oder sogar die Hauptfigur. Dann kann er sich niemals auktorial verhalten. Ganz egal, ob er zu dem was er selbst erlebt hat später noch Ergänzungen von den anderen Personen erhalten hat, er wird niemals alle Gedanken und Gefühle aller beteiligten Personen oder jede kleinste Regung in der Gasse um die Ecke wissen und deswegen kann er so etwas auch nicht erzählen. Er ist weitestgehend beschränkt auf ein personales Erzählverhalten. Streut er Gedanken und Gefühle anderer Personen ein, ist es ratsam, ihn auch erklären zu lassen, woher er das weiß.
ZitatHabe ich jetzt einen auktorialen Erzähler, der selbst in der Handlung seiner Geschichte vorkommt, weiß auch dieser auktoriale Erzähler nur das, was er zum Zeitpunkt des Erzählens über die Geschichte wissen kann. Er ist damit nicht Gottgleich sondern lediglich erfahrener als Leser und handelnde Personen.
Einen solchen Erzähler gibt es nicht. Ein auktorialer Erzähler ist immer *gottgleich* beziehungsweise allwissend. Er ist lediglich eine fiktive Instanz, weder Figur in der Geschichte noch Autor. Lediglich ein fiktiver Erzähler. Jede Figur in der Geschichte, die diese Geschichte erzählt ist automatisch personal. Gründe habe ich oben genannt.
Zitat
Manchmal gibt es Unsauberkeiten, wie z.B. das die Kleidung einer Figur beschrieben wird, die hinter dem Perspektivträger steht.
Die zu bereinigen halte ich für sehr sinnvoll.
Sollte man vermeiden, lässt sich aber auch beseitigen in dem man den Erzähler erklären lässt, woher er diese Information hat oder das ganze zu einer Vermutung werden lässt.
Beispiel: Später erfuhr ich von XYZ (anderer Charakter der Geschichte), dass er damals einen babyblauen Anzu trug. (Stell ich mir grad lustig vor... ;D)
Oder: Ich nehme an, dass er schon zu diesem Zeitpunkt den babyblauen Anzug trug, den ich später so oft an ihm sah.
Ich persönlich bevorzuge bei personalen Erzählern: Information dann einfügen, wenn es logisch ist, dass der Charakter sie auch hat sonst ist es auch für den Leser verwirrend. Beschreibe die Kleidung, wenn dein Charakter sich umdreht.
Zu deinen "kleinen Ausflügen":
Uff, davon würde ich mehr als absehen. Es ist eine Sache, ob man zwischen auktorial und personal Zwecks einer Szene wechselt, aber für so einen kurzen Abschnitt, da merkt der Leser unter Umständen gar nicht, dass ein Wechsel stattgefunden hat und bezieht das "er" auf die falsche Person. Ist mir passiert, würde ich ändern.
ZitatDer Perspektivträger kennt den Ort, bewegt sich gerade auch darin, würde den Ort aber vermutlich nicht so beschreiben, wie der Erzähler es gerade tut, bzw. es werden Dinge beschrieben, die der Perspektivträger zwar weiß, aber gerade nicht unmittelbar erfährt. z.B. Die Betten werden jeden Morgen frisch bezogen, obwohl der Träger diese Tätigkeit noch nie gesehen hat, nur das Ergebnis, sich aber gerade auch gar nicht im Schlafzimmer aufhält, vom Bett also nicht sieht.
Grundsätzlich empfinde ich es gerade wegen der Vertiefung eines CHarakters als besser, wenn Räume so beschrieben werden, wie der Perspektivträger sie empfindet. Ist aber kein Muss. In der Tat ist es so, dass Ortsbeschreibungen ein Beispiel dafür sind, wo gerne zwischen personal und auktorial gewechselt wird, ohne dass der Leser es wirklich merkt. An sich besteht sogar gar kein Bruch der personalen Verhaltensweise, wenn dein Charakter weiß, dass die Betten jeden Morgen frisch bezogen werden. Er muss es in dem Moment nicht sehen, er muss es nur wissen. Auch dann bleibt er Erzähler noch personal.
ZitatJa, ich springe innerhalb von Kapiteln zwischen den P.Trägern. Ein Kapitel hat ca 20 NS, meistens eher mehr. Selten habe ich mehr als zwei P.Träger in einem Kapitel und meistens springe ich einmal hin und zurück, nur sehr selten mehr, und häufig nur einmal zwischen den beiden, ohne Rückkehr. Ist das echt zu schnell?
Geschmacksache. Ich persönlich mag Wechsel innerhalb eines Kapitels überhaupt nicht, gerade weil ich innerhalb eines Kapitels mir selbst und dem Leser meine Atmosphäre aufbaue und eins muss dir klar sein: Ein Perspektivträgerwechsel ist immer ein unglaublicher Atmosphärenbruch. Ich wäre vorsichtig damit und würde es nur gezielt einsetzen, also wenn du ganz genau weißt warum da jetzt ein Perspektivenwechsel kommt. Der Grund sollte nicht einfach nur sein, dass du jetzt gerne in den Kopf des anderen springen würdest. Stell dir die Frage, in wie weit es Spannung aufbaut/nimmt. In wie weit die unterschiedliche Sichtweisen der beiden der Szene Tiefe verleihen können und in wie weit sie verwirren können. Frage dich, ob es wirklich notwendig ist, deine Informationen JETZT zu bringen oder ob du mit ihnen nicht bis zum nächsten Kapitel warten können. Mache dir Gedanken über Atmosphäre und Fluss des Buches.
Ich persönlich warne immer davor, Perspektivwechsel zu leichtsinnig zu setzen. Sei dir bewusst, was für ein unglaublich starkes Werkzeug sie sind und setze sie bewusst ein.
Ich denke, das war von den anderen auch mit der Dramaturgie gemeint. Du solltest dir ganz sicher sein, was du mit dem Perspektivwechsel bewirken willst. Spannung erzeugen? Die Handlung enorm voran bringen? Bewusst einen Bruch erzeugen, also willst du dass die Atmosphäre gestört wird? Manchmal kann ein wahnsinnig plötzlicher Wechsel sehr reizvoll sein. Aber auch hiermit ist Vorsicht geboten! Wenn du dir ganz sicher bist, dass der Perspektivwechsel einen Grund hat, der die Geschichte bereichert. Dann setze ihn ein.
Nützt er nur zum Infodump? Lass es bleiben. Infos kann man ganz oft viel besser an späteren Stellen noch einbauen.
Ich habe übrigens auch 3 Perspektivträger in einem meiner Bücher. Die meisten Kapitel sind zwischen 18 und 30 NS lang. Es gibt keine Perspektivwechsel in ihnen, bis auf einen einzigen, ganz am Ende und der ist bewusst als Bruch gewählt.
Das mal als Beispiel um meine Meinung zu verdeutlichen.
Versteh mich bitte nicht falsch, alles bis zu dem Standpunkt wo du fragst ob es zu schnell/zu viel ist, war weitestgehend Theorie und gründet sich im Großen und Ganzen auf das Wissen aus meinen Seminaren. Der Rest ist persönliche Meinung/Einschätzung und Tipps, wie ich es gut finde/selbst mache. Also selbst gern schreibe und selbst gern lese.
Natürlich ist das auch kein Patentrezept. Ich hab schon Bücher gelesen, die innerhalb eines Kapitels Perspektivwechsel hatten, auch häufiger und die ich gut fand. Aber ich kann eben auch nur sagen was meiner Meinung nach so ein Wechsel bewirkt und wie ich ihn deswegen einsetzen würde. Letztlich ist es deine eigene Entscheidung ;).
Zur Wahl vorher: Ja die ist wichtig. Auch ich hab mir meine Erzähler vorher immer zurechtgelegt. Was ich sagen wollte war lediglich, dass es keine Schublade von Erzählern gibt, aus denen ich mir einen raussuchen kann. Ich sollte mir Gedanken über seine Art, die Geschichte zu erzählen, machen, aber die muss ich nicht in Stein meißeln. Es gibt Dinge an einem Erzähler, die sind wandelbar. Andere nicht.
Übrigens: Warum sprechen wir immer nur von einem Erzähler pro Geschichte? Eine Geschichte kann doch durchaus auch mehrere haben.
Ich bin zum Beispiel ein Vertreter von Perspektivenwechseln innerhalb eines Kapitels. Allerdings nie innerhalb einer Szene. Ich versuche es die Perspektiven wechsel zum einen dramaturgisch zu inszenieren, sprich ich baue Spannung in einer Szene auf, breche dann abrubt ab und springe zu einem anderen Perspektiventräger, aber: das niemals innerhalb eines Handlungsstrangs.
Bei mir sieht es also so aus: Perspektivenwechsel innerhalb eines Kapitels ja, aber niemals innerhalb einer Szene und das folgt dann auch geregelten Abläufen, einem sich ständig wiederholenden Schema aus Haupthandlungsstrang 1 - Haupthandlungsstrang 2 / alternativ Nebenstrang - Haupthandlungsstrang 1
Damit würde ich aber auch nicht brechen wollen.
Wie läuft es denn bei dir ab, KaPunkt? Wie sehen die Szenenwechsel innerhalb eines Kapitels bei dir aus? Springst du dann auch zu anderen Strängen/Orten oder bleibst du in der gleichen Szene, wechselst aber die Figur aus deren Sicht du beschreibst? Wenn ja, machst du das irgendwie kenntlich? Folgst du einem bestimmten geregelten Ablauf oder ist dieses Springen zwischen den Perspektiventrägern willkürlich?
Sonst könnte es für den Leser wirklich schwierig werden den Überblick zu behalten.
Hallo zusammen,
ich wollte noch eine Sache anmerken, die hier noch gar nicht so explizit genannt wurde. Es kann ja auch passieren, dass sich in einer Szene die Aktivitäten verlagern. D. h. ich beginne mit einer Person, die gerade aktiv irgendetwas macht bzw. in der Szene größere Handlungsanteile hat (auch im Kopf), aber diese Handlungen bewirken dann im zweiten Teil der Szene, dass eine andere Person größere handlungsanteile bekommt. In so einem Fall empfinde ich einen perspektivwechsel durchaus als sinnvoll, da es mitunter die Spannung herausnehmen würde, wenn man bei der ersten Person bleibt und sie nur die zweite beobachten lässt.
Umgekehrt hatte ich aber auch den Fall, dass ich angefangen habe, wie eine Person eine andere beobachtet und dann zuletzt in den Kopf der anderen Person gesprungen bin, weil sich da dann sehr viel abgespielt hat, was der andere Prota nicht hätte wissen können. Aufgrund der Handlung hätte ich auch vorher schon in den Kopf der anderen Person springen können, aber ich glaube, das wäre weniger spannend gewesen.
Und in meinem Showdown befinden sich meine drei Perspektivträger und eine vierte Person, bei denen allen etwas passiert und die auch in mancherlei Hinsicht über sich hinauswachsen. Ich wollte dann nicht aus einer Perspektive schreiben und die anderen am Ende alles erklären lassen. Also hab ich geschrieben, dass mehrere Dinge gleichzeitig geschahen (hatte ich mal in nem Buch gelesen und fand ich schön als Vorbereitung) und danach habe ich aus mehreren Perspektiven jeweils einige Absätze geschrieben. Dabei musste ich aber gut aufpassen, dass die Wechsel möglichst fließend, aber gleichzeitig eindeutig rüberkamen und ich glaube, dass mir das relativ gut gelungen ist.
Umgekehrt entdecke ich aber auch immer noch grobe Perspektivschnitzer, die für mich keinen großen Sinn machen und die ich dann auch entsprechend eliminiere.
Ich bin grundsätzlich ein strukturierter Mensch und mag es, wenn man bei einer Perspektive bleibt, aber wenn das der Geschichte aus meiner Sicht abträglich ist, breche ich auch mal damit.
LG Sanjani