Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Allgemeines => Tintenzirkel => Thema gestartet von: Maria am 25. März 2010, 21:01:31

Titel: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Maria am 25. März 2010, 21:01:31
Hier sieht jemand die Entwicklung der Fantasy All Ager sehr kritisch und vergleicht sie mit Groschenromanen.
http://www.wz-newsline.de/?redid=790986

Ist es wirklich so schlimm um die Lesefertigkeit der Erwachsenen bestellt, dass das als Hauptargument für die Anziehungskraft der All Ager herhalten kann?
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Kati am 25. März 2010, 21:19:15
Ich finde nicht. Ich finde sogar, dass dieser Vergleich ziemlich an den Haaren herbeigezogen ist. Der Artikel setzt vorraus, dass "Fantasy" und "Anspruch" einander ausschließen, was doch nicht unbedingt sein muss. Außerdem lässt er vermuten, dass All-Age und Jugendromane auf alle Fälle einfacher zu verstehen und nicht so kompliziert sind wie Erwachsenenliteratur. Auch damit kann ich mich nicht anfreunden...

ZitatAber warum liest ein Erwachsener Bücher, die in erster Linie märchenhafte Geschichten für ein jüngeres Publikum bieten?

Vielleicht, weil sie Fantasie haben? Mir ist aufgefallen, dass Jugendbücher meist fantasievoller und "bunter" sind als Fantasyromane "für Erwachsene". Wenn ich vor dem Urbanfantasy-Regal bei uns in der Buchhandlung stehe, sehe ich fast nur Bücher nach dem Konzept "Menschliche Frau verliebt sich in nicht menschliches Wesen." Bei den Jugendbüchern gibt es da auch mal andere Arten von Geschichten und obwohl ich noch zu den Jugendlichen gehöre, glaube ich, dass ich auch später noch Jugendbücher lesen werde. Nicht, weil ich sie leichter verstehen kann, sondern, weil sie einfach fantasievoller sind. (Letzteres gilt übrigens auch für andere Romane, nicht nur Fantasy.)

ZitatAKJ-Vorsitzende Pantos hält viele der «All-Age»-Fantasyromane für veritable Nachfolger der früher beliebten Heftchen-Romane. «Wenn man die 'Bis(s)'-Bücher anschaut - das ist Schmonzette pur», sagt sie.

Ich will jetzt nicht behaupten, dass Twilight irgendwie niveauvoll wäre oder Tiefgang hätte, aber den Vergleich finde ich doch ein bisschen übertrieben. Twilight ist ein Liebesroman, aber, wie ich finde, noch lange kein Groschenroman...

Ich finde die Aussage, Fantasy und besonders All-Age-Fantasy würde keine Themen behandeln, die die Menschen auch in ihrem richtigen Leben beschäftigen, ein wenig fadenscheinig. Es gibt schließlich auch in der Fantasy solche und solche Bücher.

So, dazu musste ich jetzt einfach mal meine Meinung niederschreiben.  ;)

LG,

Kati
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Zonka am 25. März 2010, 21:44:57
Warum muss Literatur in Deutschland immer schwere Kost sein?
Hat ein Buch, das mich gut unterhält nicht genug Daseinsberechtigung?

Sprachlich und inhaltlich empfinde ich einige Kinder und Jugendbücher als gehaltvoller und pfiffiger, als viele der gelobten Kritikerbücher. Zu den "guten" zähle ich nicht die Biss-Reihe, aber doch beispielsweise "die unendliche Geschichte".

Ich möchte unterhalten werden, in eine Welt eintauchen können, die mich in ihren Bann zieht. Fabulierkunst und das Geschichten erzählen ist im angelsächsichen Raum weitaus weniger verpönt, als hier.
Trends gibt es immer wieder, jetzt sind halt Vampire dran, oder "Fantasy All Ager", das ändert sich auch wieder.

Aber ehe ich einem Kritikerbuch wie "Axolotl Roadkill" auch nur einen Euro hinterherwerfe (ja, ich habe es in der Buchhandlung angelesen...) lese ich völlig ohne schlechtes Gewissen lieber den kleinen Hobbit, oder Tintenherz.
Ich lese auch lieber Steinbecks "Cannery Row",   als Hesses "Glasperlenspiel" :gähn:,  ich bin halt ein Simpel ;D.
Spass beiseite, ich besitze die Lesefertigkeit für die "anspruchsvollen" Bücher, ich verstehe sie auch, aber die meisten machen mir keine Freude.
Warum sollte ich dann meine knappe Freizeit ausgerechnet damit vergeuden?

Liebe Grüsse
Zonka
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Grey am 25. März 2010, 21:52:36
Hm, mir scheint, die Dame hat jenseits von Bis(s) noch nicht viele AllAger gelesen. Stephenie Meyer ist in meinen Augen ein populäres, aber sehr abschreckendes Beispiel für einen AllAger mit wenig Anspruch. Aber man muss sich nur mal Broms "Kinderdieb" durchlesen, dann sieht man sofort, dass AllAger sicherlich kein Label der Literatur für schlichte Gemüter sind. Gerade in diesem Bereich gibt es unglaublich viele interessante und spannende Konzepte, da finde ich es unfair, alles auf die Bis(s)-Reihe runterzubrechen. Geht ja auch irgendwie gegen die Autorenehre. ;)

Davon mal abgesehen ... na ja, letztendlich läuft es wohl wieder auf den Konflikt zwischen "literarischem Anspruch" und reiner Unterhaltungsliteratur hinaus. Was mich betrifft: Ich schreibe Unterhaltungsliteratur, und ich stehe dazu. Klar versuche ich, intelligente und irgendwie originelle Geschichten zu erzählen, aber letztendlich steht das Erzählen, das Unterhalten im Vordergrund. Und ob das jetzt Jugendliche oder Erwachsene mögen - ich freu mich über jeden, der meine Geschichten mag. Also infantilisiert nur weiter. ;)
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Linda am 25. März 2010, 22:08:00
... warum sollte ich die Meinung von jemandem ernst nehmen, der noch nicht mal einen Genrebegriff richtig anwenden kann?

Gruß,
Linda (die einen echten Fantasy-All-Ager geschrieben hat)
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Rika am 25. März 2010, 22:12:47
Huh. Ich habe mich noch nie darum geschert, für welche Altergruppe ein Buch gedacht war. Das fing damit an, daß ich schon als Kind/Jugendliche fröhlich Bücher aus den Erwachsenen- und Sachliteratur Abteilungen gelesen habe (gab keine SF/F Abteilung für Kinder in unserer Bücherei damals, und dann waren da noch Neuseelandgeschichten, bei denen ich den Liebesromananteil einfach ignoriert habe, und... ), zusätzlich zu denen aus der Kinder-/Jungendabteilung. Und auch jetzt lasse ich mich nicht in eine Altersgruppe zwängen, was das Lesen betrifft.

Mich reizen Dinge, die bunt sind, interessant sind, und bei denen es nicht immer nur um eine Liebesgeschichte geht. Mich reizen Dinge, die nicht strikt nach Hollzwood-movie-Schema laufen. Geschichten, die nicht immer nur junge, erwachsene, schlanke, huebsche, single Frauen haben, die am Ende nicht mehr single, sondern mit jungem/gutaussehenden/anderrassigen/mysteriösem/reichen Partner plötzlich ohne alle Probleme, weil die mit Auftauchen des Partners, bzw erreichen der Partnerschaft ja alle gelöst sind, dastehen.

Ich überlege gerade, wie ich überhaupt einen "all-ager" von einem nicht-all-ager Buch Unterscheiden sollte. Ich kaufe viel bei Amazon ein, da achte ich nie auf solche Einteilungen, falls sie denn Vorkommen, und in Buchhandlungen ist mir nur die separierung von Kinder/Jugendbüchern aufgefallen, wo ich aber auch manchmal durchwandere.

Ich achte auch z.B. bei DVDs beim Kaufen nicht darauf, welche Einteilung die haben, bis hin dazu, daß ich nachgucken müßte, wenn mich jemand fragen würde.

ZitatDenn schon Leseanfängern werden Geschichten mit pinkfarben gewandeten Prinzessinnen und Elfen, tapferen Rittern und Piraten aufgetischt.
Na, da zeigt sich doch schon deutlich mangelnde Ahnung von Fantasyliteratur. Ich erinnere mich an nichts davon aus Momo oder der Unendlichen Geschichte. Ok, eine Prinzessin, ja, aber keine pinken Gewänder.
Wenn es so zuckersüß-klischiert, dann stößt mich das ab, hat as auch damals schon. (Ok, Piraten ohne Pink habe ich schon gern gelesen, aber generell wird z.B. R.L.Stevenson's Schatzinsel doch auch mit Respekt betrachtet, oder? Viele traditionelle "Elfenmaerchen" sind allerdings überhaupt nicht zuckersüß. Überhaupt sind Märchen und Fantasy durchaus nicht dasselbe.)

ZitatDie Infantilisierung zeige sich zum Beispiel auch an der Tatsache, dass viele Erwachsene mit kleinen Teddybärchen und anderen Maskottchen an ihren Rucksäcken herumlaufen - «da denkt man dann schon: Noch nicht so ganz erwachsen!»
Oder eben Erwachsen genug, um zu sich selbst zu stehen.

Über den Twilight Vergleich kann ich mich nicht äußern, da ich es nicht gelesen habe - der anderweitig empfohlenen Frau Katz Besprechung nach allerdings scheint mir der Vergleicht vielleicht nicht fehl am Platze zu sein. Andererseits ist das auch nicht gerade das Paradebeispile für ein gutes Fantasybuch.

ZitatDas Motiv einer Flucht in fantastische Parallelwelten sieht auch sie: «Man kann dort die großen Themen der Menschheit abhandeln, aber für das eigene Leben bleibt es völlig folgenlos...»
Na, abhängend davon, wie mensch "folgenlos" definiert, bzw wo mensch die Schwelle anlegt, ist das bei jeder Literatur oder Film so. Und wenn ich mir aus dem Inhalt etwas mitnehmen kann, kann ich das genausogut bei Avatar wie bei Shakespeare, Austen oder Thomas Mann. Oder was auch immer an "zeitgenössischer Literatur für Erwachsene" sie mir da unterschieben will.
Dazu muß mensch allerdings 1) genug Fantasie haben, um sich hineinversetzen zu können, und 2) genug Übertragungsfähigkeit, um aus den Erfahrungen anderer Lernen zu können.

Porno"literatur" ist nicht "all ages", das macht sie für mich trotzdem weder interessant, noch gut.
"Anspruch" hat wenig mit dem Alter zu tun, finde ich.
Und "schwer zu lesen" !=  besser, oder anspruchsvoller, oder komplexer. Genau wie "komplexer, anspruchsvoller" != keine Fantasy.

(!= steht für "ist nicht dasselbe wie...")

Grrr. Sorry. Ich komme schon wieder runter.

Zitat von: Linda am 25. März 2010, 22:08:00
... warum sollte ich die Meinung von jemandem ernst nehmen, der noch nicht mal einen Genrebegriff richtig anwenden kann?
Oh, GUT gesagt! :pompom:
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Nashi am 25. März 2010, 22:37:04
ZitatDie Infantilisierung zeige sich zum Beispiel auch an der Tatsache, dass viele Erwachsene mit kleinen Teddybärchen und anderen Maskottchen an ihren Rucksäcken herumlaufen - «da denkt man dann schon: Noch nicht so ganz erwachsen!»
Bei dem Satz stellt sich mir auch die Frage, ob der werte Verfasser des Textes nicht vielleicht ein bisschen zu spießig/verklemmt/erwachsen/o.ä. ist. Was ist denn bitte daran schlimm, sich ein bisschen wie ein Kind zu geben. Mein Vater ist das beste Beispiel. Er hat seinen alten Teddybären, der schon halb kapputt ist, neben seinem Bett stehen und nimmt ihn deswegen jemand weniger Ernst? Nein.
Wenn mehr Leute ein bisschen mehr ihr Kind raushängen lassen würden, wäre die Welt auch sicher ein besserer Ort. Tsss.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Lomax am 25. März 2010, 23:04:51
Zitat von: Nashi am 25. März 2010, 22:37:04Bei dem Satz stellt sich mir auch die Frage, ob der werte Verfasser des Textes nicht vielleicht ein bisschen zu spießig/verklemmt/erwachsen/o.ä. ist.
Nun ja, entwicklungspsychologisch ist es ja ganz normal, dass man in ein Alter kommt, wo man sich ganz besonders von der Kindheit abgrenzen möchte und "erwachsen" erscheinen will. Das geschieht irgendwann von Pubertät bis "jungem Erwachsenen".
  Wenn man dann wirklich erwachsen ist, ist einem so was recht egal und man kokettiert auch ganz gern wieder mit dem, was man in der eigenen Kindheit und Jugend gemocht hat. Wenn man ab einem bestimmten Alter sich immer noch Gedanken darüber macht, ob man mit einem Teddy am Rucksack auch wirklich "erwachsen" wirkt, dann hat man vermutlich ein Problem - oder ist wirklich "verklemmt".

Was die Autorin aber wohl anspricht, ist das Problem der "verlängerten Adoleszenz". Das kann man wohl wirklich beobachten und es betrifft vor allem die Heranwachsenden, die sich nicht von den typischen Aspekten ihrer Kindheit trennen, sondern dauerhaft daran festhalten. Aber solange sich das auf einen Teddy am Rucksack beschränkt, kann unsere Gesellschaft wohl mit dem Phänomen leben. ;)
  Mir für meinen Teil ist das erst mal relativ egal. Meine Belege für die zunehmende Verdummung der Gesellschaft finde ich vor allem in der gegenwärtigen Hochliteratur - also da, wo Dummheit und Kulturverfall wirklich wehtut. Verglichen damit kann man über eine "Verseichterung" oder "Infantilisierung" der Unterhaltungsliteratur, so sie denn stattfindet, durchaus lächeln, denn solange die Bücher unterhalten, erfüllen sie ja immer noch ihren Zweck.
  Und wer etwas anderes sucht, also "gehobene Unterhaltung", "realitätsnahe Unterhaltung" etc. der findet ja immer noch genug Titel. Was allerdings an der Spitze der deutschen Hochliteratur abbricht, das lässt sich nicht substituieren. Da ist es also wirklich ein Verlust an Substanz, wenn im Feuilleton sich die "Popart-Ereignisse" ablösen und die literarische Substanz auf der Strecke bleibt.
  Da hab ich also immer das Gefühl, dass vor allem diejenigen gern auf die Fantasy zeigen, die sich zuallererst an die eigene Nase fassen sollten ...
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Marek am 26. März 2010, 00:01:27
Ich habe mich etwas gewundert, als ich gesehen habe, daß meine Agentur die Elomaran als AllAger ab vierzehn anbietet. Ich meine, ich behandle Themen wie sexuellen Mißbrauch und selbstverletzendes Verhalten und ähnliches, aber nicht thematisierend, sondern mehr nebenbei und weiß nicht, inwieweit Jugendliche das erfassen können - letztlich habe ich aber gesehen, wo diese Aussage und diese Alterseinschätzung herkam. Nämlich aus meinen eigenen FAQ. Und ich habe eine Menge an positiven Rückmeldungen gerade von dieser Altersgruppe bekommen und hatte durchaus das Gefühl, daß sie es auch verstanden haben. Und als mich auf der Buchmesse in Frankfurt die jugendlichen Cosplayer fast über den Haufen gerannt haben, dachte ich nur "Sei nett zu ihnen, das ist deine Zielgruppe".

Ich denke nicht, daß literarische Qualität, Fantasy und AllAger einander ausschließen. Nicht, solange ich überzeugt bin, daß das, was ich da zu Papier bringe, anspruchsvolle Literatur ist und nicht nur "ein gewisses literarisches Niveau hat". Dabei wird aber auch nicht ein Kinderbuch zum AllAger, nur weil es von Erwachsenen gelesen wird - auch wenn z.B. bei Harry Potter die Entwicklung vom Kinderbuch zu etwas, das nur noch äußerst begrenzt für Zehnjährige geeignet war, sicherlich symptomatisch für dieses Genre ist. Ich stimme dem Artikel in Maßen zu, daß bei der Ausweitung der Zielgruppe um junge Erwachsene das eigentliche Kinderzielpublikum auf der Strecke bleiben kann. Aber es gibt immer noch genug Kinderbücher, die auch für Kinder geeignet sind.

Auf das Thema "gefährliche Realitätsflucht durch Fantasy" mag ich nicht mehr eingehen, nach der Kordon-Diskussion ringt mir das nur noch ein müdes Gähnen ab. Und das liegt nicht nur daran, daß es gerade auf Mitternacht zugeht.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Lavendel am 26. März 2010, 00:40:26
Zitat von: Nashi am 25. März 2010, 22:37:04
Bei dem Satz stellt sich mir auch die Frage, ob der werte Verfasser des Textes nicht vielleicht ein bisschen zu spießig/verklemmt/erwachsen/o.ä. ist. Was ist denn bitte daran schlimm, sich ein bisschen wie ein Kind zu geben. Mein Vater ist das beste Beispiel. Er hat seinen alten Teddybären, der schon halb kapputt ist, neben seinem Bett stehen und nimmt ihn deswegen jemand weniger Ernst? Nein.
Wenn mehr Leute ein bisschen mehr ihr Kind raushängen lassen würden, wäre die Welt auch sicher ein besserer Ort. Tsss.

Naja, verklemmt ist jetzt eine Wertung, die ich mir über einen völlig fremden Menschen nicht erlauben würde. Das Argument mit den Plüschmaskottchen ist jedenfalls nicht wissenschaftlich begründet, wenn ich mich nicht sehr täusche.

Eigentlich, und das ist vorweg schonmal jetzt mein Resumé, ist der Artikel ja völlig uninteressant, weil wir die alte Leier doch zur Genüge kennen, nicht? Ich meine, wie oft habe ich solchen Kram schon gelesen. Und trotzdem muss man sich immer noch mal fünf Minuten drüber aufregen ::).

Jetzt mal meine nicht-wissenschaftlich begründete Meinung zu dern Sache: Meiner Erfahrung nach herrscht unter Literaturwissenscahftlern vor allem der 'mittleren' bis älteren Generation überwiegend Abneigung oder zumindest Skepsis gegenüber Fantasy (während, und das jetzt nur am Rande, weil es mich perönlich nervt, Popliteratur immer schön hochgelobt wird - egal wie sehr ihre Themen in den letzten dreißig Jahren durchgekaut wurden. Das mag unter Umständen daran liegen, dass diese Literatur eher eine Rolle in der Erinnerungswelt der 'literaturwissenschaftlichen Elite' (;)) spielt - denn als junge Erwachsene waren sie vielleicht furchtbar beeindruckt von Rolf Dieter Brinkmann und seinen ziemlich neuen Ideen).

Wenn man sich dann überlegt, welches Image Fantasy zum Beispiel in den 80ern hatte (und das durchaus nicht zu unrecht), kann man eine gewisse grundlegende Ablehnung auch ein wenig nachvollziehen.

Beim Beispiel 'Bis(s)' kann man den Vergleich zum Groschenroman vielleicht ziehen - aber kann man das verurteilen? Teenager und Hausfrauen (und andere Personengruppen ;) ) stehen schon seit bestimmt über 200 Jahren auf Romanschnulzen. Auch eine weitgreifende Begeisterung für gewisse Geschichten ist nicht neu (bekanntestes Beispeil natürlich 'Die Leiden des jungen Werther' - oh Zufall, eine tragische Liebesgeschichte, aber nicht das ihr denkt, ich stelle Stephenie Meyer mit Goethe auf ein Niveau ::)).
Über einen Kamm scheren kann man deswegen alle All-Ager natürlich noch lange nicht. Und zu unterstellen, dass das Lesen von Fantasy reine Realitätsflucht ist, ist genauso eine unbegründete These.
Mag sein, dass viele Fantasyromane nach Schema-F ablaufen. Hier im Forum haben wir uns nicht erst einmal genau darüber beschwert. Trotzdem, es gibt sie eben doch, die anspruchsvolle Fantasy, und das wird gern ignoriert.
Dass Prinzessinen in pinken Kleidern, Piraten, Elfen oder tapferen Ritten keinen Bezug zur Lebenswelt von 6-11 jährigen haben könnten, ist noch so eine Pauschalisierung. Erstens existieren solche Figuren nicht erst seit gestern (aus mir ist trotz Barbie und Regina Regenbogen ein ganz ordentlicher Mensch geworden), zweitens kann man mit diesem Argument genauso Bücher von Ottfried Preußler, Michael Ende, Roald Dahl etc. abqualifizieren.

Ein Zitat hat es mir übrigens besonders angetan: "Man kann dort die großen Themen der Menschheit abhandeln, aber für das eigene Leben bleibt es völlig folgenlos - dafür ist auch der Kinofilm 'Avatar' ein Muster-Beispiel."
Einerseits kann man dieser Aussage einen gewissen Wahrheitsgehalt nicht absprechen. Gerade Filme, und natürlich besonders das Hollywood-Kino, sind einfach Konsumgut. Sie sind nicht mal mehr trashig-kultig, sondern oft ein paar übereinandergeklatschte Standartfolien. Für Bücher trifft das in gewissem Maße natürlich mittlerweile auch zu. Verstärkt natürlich seit den ungekannten Ausmaßen des Harry-Potter-Booms. Allerdings wäre es fair - oder vielmehr reflektiert - zu sagen, dass das nicht nur auf Fantasy zutrifft, sondern auf alle Genres.

Noch was Schönes: "Es sei allerdings bedenklich, wenn die Welt vielen Erwachsenen so schwierig erscheine, dass sie sich mit ihrer Lektüre in eine Fantasiewelt flüchten."
Ich würde jetzt gern wissen, ob man die Schuld dafür bei den Erwachsenen suchen soll, die nicht genug Mumm haben, sich der ach so komplizierten Realität zu stellen, oder ob man vielleicht eher die Komplexität unserer Zeit beklagen sollte. Wahrscheinlich sind es eher die Erwachsenen, die Plüschtiere an ihren Rucksäcken tragen. ::)


Zitat von: Lomax am 25. März 2010, 23:04:51
Was die Autorin aber wohl anspricht, ist das Problem der "verlängerten Adoleszenz". Das kann man wohl wirklich beobachten und es betrifft vor allem die Heranwachsenden, die sich nicht von den typischen Aspekten ihrer Kindheit trennen, sondern dauerhaft daran festhalten. Aber solange sich das auf einen Teddy am Rucksack beschränkt, kann unsere Gesellschaft wohl mit dem Phänomen leben. ;)

Ja, darüber habe ich letztens auch was gelesen. Da ging es in dem Zusammenhang aber um eine 'No-Future' Generation, die die Zukunft nur noch schwer erfassen kann, weil die Welt so komplex geworden ist, und sich deshalb mehr und mehr in der Gegenwart haftet.

Ich jedenfalls lese aus dem Artikel eine allgemeine Unverständnis für die Lebenswelten des 21. Jahrhunderts heraus. Nur zwei Aspekte, die mir jetzt dazu einfallen.
Plüschtiere und andere Fanartikel (denn ich nehme stark an, um nichts anderes handelt es sich bei den beklagten Exemplaren) sind heute kein Zeichen von Infantilität, sondern u.a. modische Acessoires. Sie heißen Merchandise und können eine identitätsstiftende Wirkung haben, was in unserer anonymisierten Welt durchaus eine große Rolle spielt.
Konsum ist eins der Hauptthemen unseres gesellschaftlichen Diskurses. Die Problematik der Konsumgesellschaft auf die Fantasyliteratur einzuengen geht am Thema vorbei - denn das Phänomen betriff alle Bereich der Gesellschaft, und Fantasy kann davon natürlich nicht ausgeschlossen bleiben.


Zitat von: Lomax am 25. März 2010, 23:04:51
Mir für meinen Teil ist das erst mal relativ egal. Meine Belege für die zunehmende Verdummung der Gesellschaft finde ich vor allem in der gegenwärtigen Hochliteratur - also da, wo Dummheit und Kulturverfall wirklich wehtut. Verglichen damit kann man über eine "Verseichterung" oder "Infantilisierung" der Unterhaltungsliteratur, so sie denn stattfindet, durchaus lächeln, denn solange die Bücher unterhalten, erfüllen sie ja immer noch ihren Zweck.
  Und wer etwas anderes sucht, also "gehobene Unterhaltung", "realitätsnahe Unterhaltung" etc. der findet ja immer noch genug Titel. Was allerdings an der Spitze der deutschen Hochliteratur abbricht, das lässt sich nicht substituieren. Da ist es also wirklich ein Verlust an Substanz, wenn im Feuilleton sich die "Popart-Ereignisse" ablösen und die literarische Substanz auf der Strecke bleibt.
  Da hab ich also immer das Gefühl, dass vor allem diejenigen gern auf die Fantasy zeigen, die sich zuallererst an die eigene Nase fassen sollten ...

Das stimmt allerdings. Ich finde es besonders traurig, dass gerade die Intellektuellen immer mit solchen Pauschalisierungen um die Ecke kommen müssen. Mittlerweile gibt es zum Glück auch bei den Literaturwissenschaftlern eine gewisse Öffnung zu den Themen Schrott und Schmutz in der Literatur - oder wie man es auch immer sonst nennen mag. Wenigstens wird mal die Literatur erforscht, die vor 100-150 Jahren Massenware war.

Ach, jetzt habe ich mich doch mehr, als fünf Minuten mit dem Thema beschäftigt ...

Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Maran am 26. März 2010, 01:44:11
ZitatDie Infantilisierung zeige sich zum Beispiel auch an der Tatsache, dass viele Erwachsene mit kleinen Teddybärchen und anderen Maskottchen an ihren Rucksäcken herumlaufen - «da denkt man dann schon: Noch nicht so ganz erwachsen!»

:hand: Diese Denkweise ist nicht erwachsen, sie ist infantil - ähm, nein, sie ist pubertär ... so ganz nebenbei gesagt. Meines Erachtens nach zeichnet sich eine erwachsene Denkweise (auch) durch Toleranz aus. Und überhaupt: Was ist gegen eine Infantilisierung, wie sie hier angesprochen wird, eigentlich einzuwenden?

All-Age-Literatur hat es immer gegeben (in allen Genres) und wird es hoffentlich auch weiterhin, denn es sorgt in den Familien auch für generationsübergreifende Gesprächsstoffe. Es ist doch toll, wenn Großeltern, Eltern und Kinder sich für dasselbe begeistern können. Das Genre, in dem die Geschichte spielt, ist doch wesentlich unwichtig. Ein gut geschriebenes Buch ist unabhängig von Genre und Alterseinschätzungen (behaupte ich jetzt einfach mal pauschal). Es soll vor allem unterhalten. Wenn man als Leser nebenbei die eine oder andere Weisheit bzw. Erkenntnis für das eigene Leben mitnimmt, umso besser.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Hr. Kürbis am 26. März 2010, 08:10:45
All-Age-Literatur ist doch eh nur eine Wortschöpfung des Marketings um den Kundenkreis zu erweitern. Das heißt ja nicht, dass das jetzt nur für Jugendliche gedacht ist, denn die sind ja nicht All-Age. Aber die Themen und die Schreibweise sind eben so gewählt, dass eben Jugendliche und Erwachsenen gleichermaßen angesprochen werden ... und dann auch kaufen können.
Das hat weder mit Stumpfsinn noch Simpel-Literatur zu tun, eher mit der "Durchführung" der Handlung. Bei einem All-Ager weiß ich zum Beispiel, dass die Titelheldin sich nicht durch alle Betten vögelt, Schimpfwörter benutzt und Gegnern mit Genuss den Kopf abschlägt, nur so als Beispiel.  ;D

Ich denke, da fühlen sich nur wieder Menschen bedroht, die mit 18 schlagartig jedes Comic aus der Hand legten weil das ja Kinderkram ist. Dabei haben sie die jahrelang verschlungen und heiß geliebt. Deswegen gibt es ja heute auch die Graphic-Novel! :pompom:
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Luna am 26. März 2010, 09:31:39
Zitat von: Lavendel am 26. März 2010, 00:40:26
Ein Zitat hat es mir übrigens besonders angetan: "Man kann dort die großen Themen der Menschheit abhandeln, aber für das eigene Leben bleibt es völlig folgenlos - dafür ist auch der Kinofilm 'Avatar' ein Muster-Beispiel."
Einerseits kann man dieser Aussage einen gewissen Wahrheitsgehalt nicht absprechen. Gerade Filme, und natürlich besonders das Hollywood-Kino, sind einfach Konsumgut. Sie sind nicht mal mehr trashig-kultig, sondern oft ein paar übereinandergeklatschte Standartfolien. Für Bücher trifft das in gewissem Maße natürlich mittlerweile auch zu. Verstärkt natürlich seit den ungekannten Ausmaßen des Harry-Potter-Booms. Allerdings wäre es fair - oder vielmehr reflektiert - zu sagen, dass das nicht nur auf Fantasy zutrifft, sondern auf alle Genres.

Dass auch solche Blockbuster, dass Unterhaltung nicht absolut spurenlos an den Menschen vorbeigeht bzw. vorbeigehen kann, sieht man eigentlich in China.
Aus irgendeinem Grund war es dem Regime nicht egal, was in diesem Film gezeigt wurde. Nach und nach wurde er in diesem Land aus den Kinos genommen, weil es die Bevölkerung an die eigene Vertreibung in ihrem eigenen Land erinnere.

Im Grunde genommen regen wir uns über diese immer wieder kehrenden Artikel genau deshalb auf, weil sie immer wieder kehren. Immer dieselbe Perspektive, immer wird auf die Bücher eingedroschen. Nirgendwo findet sich jemand in der Presse, der die Fahne für die Bücher hochhält oder das ganze Objektiv betrachtet, pro und contra abwägt und zu seinem eigenen Schluss gelangt.

Ich habe das Gefühl, dass diese Leute den Umstoß in der Gesellschaft nicht verkraften, dass es Veränderungen gibt und nicht mehr stets den selben trott.

So und ich hör jetzt auf, bevor die fünf Minuten rum sind  ;)
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Ary am 26. März 2010, 09:36:05
Eigentlich wollte ich den Artikel ja gar nicht mehr lesen, weil ich von dieser Diskussion "Unterhaltungs-vs. Hochliteratur" bzw. "Fantasy = Eskapismus" die Nase ehrlich gesagt gestrichen voll habe.

Anscheinend gehöre ich auch zu dieser infantilen Gruppe von Erwachsenen, denn an meiner Fahrradtasche baumelt ein "Nessie" (hat mir eine Bekannte direkt vom Loch Nes mitgebracht, jawohl), auf meinem Regal sitzen noch Steiff-Tiere von Früher und natürlich habe ich auch irgendwo noch meinen blauen HAJ. In meinem Bücherregal tummeln sich neben Klassikern (oh, Schande, es sind Abenteuerklassiker, "Der Graf von Montechristo", "Das Phantom der Oper", "Die drei Musketiere" udn eine Sherlock-Holmes-Gesamtausgabe) auch Harry Potter (alle sieben), Tintenherz (alle drei), Momo, die Unendliche Geschichte und noch so einiges andere - tatsächlich ist mein Bcherregal ausgesprochen fantasy-history-und thrillerlastig.
Ich bin bekennende Unterhaltungsleserin,  die die Grenze zwischen Hoch-und Unterhaltungsliteratur nicht ziehen mag, weil sie findet, dass diese Grenze fließend ist. Im besagten Artikel wurde Zusaks "Bücherdiebin" erwähnt, ein Buch, das ich verschlungen habe, das ich anspruchsvoll finde, bei dem ich überrascht war, dass es im Buchladen bei den Jugendbüchern lag und das mich trotz des "schwierigen" Themas und wegen der hochinteressanten Aufarbeitung sehr interessiert hat. Ich hoffe, dises Buch landet irgendwann mal auf der Liste der möglichen Bücher, die in der Schule gelesen werden.

Natürlich gibt es solche und solche Bücher - ich halte die Twilightsaga nicht für einen Ausbund an Anspruch, und ich selbst mag sie nicht, aber jedem das seine, wer sie mag, soll sie lesen, wer sich von ihr unterhalten fühlt, soll sich unterhalten fühlen, solange er bei aller Glitzervampirschwärmerei nicht den Boden unter den Füßen verliert.
Dass es da so viel Hype gibt, ist letztendlich in meinen Augen auch Schuld der Werbung und der Vermarktung. Da wird ganz gezielt auf diesen "wunden Punkt" gedrückt, da werden junge Mädchen an ihrer Sehnsicht nach der perfekten Liebe und ein bisschen Mystery gepackt und schon ist der Hype da.

Die erwähnten Merchandiseartikel sind für die Verlage und die Filmindustrie schlichtweg die Lizenz zum Gelddrucken. Viele Leute, die ich kenne, genauso alt wie ich, jünger oder ölter, das ist vollkommen gleich, sammeln irgendwas, und darauf zielt Merchandise ja auch ab - Sammelleidenschaft. Und wie Lavendel schon schrieb, der Besitz von "Fanartikeln" zeigt die Zugehörigkeit zu einer GRuppe in einer Welt, wo doch eigentlich eher Ellbogenmentalität herrscht und jeder zum Einzelkämpfe mutiert. Da inde ich es dann immer ganz nett, jemanden zu sehen der in einem Herr der Ringe-T-Shirt rumrennt, einen Avatar-Kalender in seinem Zimmer hängen hat oder seinen Kaffee aus einer Babylon5-Tasse schlürft. Schön zu wissen, dass ich nicht die einzige Verrücke auf dieser Welt bin. *meinen Avatar-Desktophintergrund angrins*

Und ich schließe mich Stefan an - es lebe die Graphic Novel. Dazu noch -Ray Bradbury beschreibt in seinem Buch "Zen in der Kunst des Schreibens" wie er an der Schwelle zum Erwachsenwerden seine ganzen geliebten Comics wegschmeißt, weil das ja Kinderkram sei und er nun zu alt dafür. Der junge Bradbury merkte aber schnell, dass er seine Comics vermisste, er litt wohl regelrecht unter dem Verlust, war unkreativ, unzufrieden und fühlte sich schlecht. Erst, als er sich bewusst zur Neuanschaffung der Comics entschloss, kam er wider so richtig in Schwung, der gute Bradbury. Ich glaube, wir müssen einen ganz großen Unterschied machen zwischen einem "kindlichen" und einem "kindischen" verhalten. Viele, was so gern als Infantilität abgetan wird, ist doch eigentlich eher eine Zuwendung zu dem Kind in uns, das auch seine Daseinsberechtigung haben will. Klingt jetzt doof, aber ich weiß nicht, wie ich das anders ausdrücken soll. ich wäre manchmal gern wieder so simpel und unbeschwert sorglos, wie ich es als Kind sein konnte. Und wenn mir ein Buch ein bisschen von diesem guten Gefühl wiedergibt, wenigstens für einen Moment - warum sollte ich dann diese Tür zuknallen und den Schlüssel wegschmeißen, wenn ich doch nur ab und zu mal durchgucken möchte? dass es kein Zurück gibtm ist klar. Aber erinnern darf man sich doch.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Lomax am 26. März 2010, 11:23:23
Zitat von: Aryana am 26. März 2010, 09:36:05..., denn an meiner Fahrradtasche baumelt ein "Nessie"
Waaas? Nessie? Also, das ist wirklich infantil und keinesfalls gutzuheißen. Das ist ja ein Fabelwesen und gibt es gar nicht. Wenn man als Erwachsener schon Plüschies zur Schau stellt, sollte man schon drauf achten, dass da auch ein Bezug zur realen Umwelt vorhanden ist. Wie wäre es beispielsweise mit einer Spinne? Das gibt es wirklich, und durch die Zurschaustellung kann man den real existierenden Missstand gedankenloser Spinnen-Vorurteile anprangern und bekämpfen.
  Grenzwertig sind wohl Dinosaurier-Figuren. Einerseits kann man damit einen Kampf gegen die Vergänglichkeit symbolisieren, einen Protest der sterblichen Kreatur wider die real stattgefundene Auslöschung der Dinosaurier und gegen das moderne Artensterben an sich; andererseits hätte so ein Plüschie auch etwas rückwärtsgewandtes, etwas kitschig-nostalgisches ...
  Aber, wie auch immer: Nessie ist reine Realitätsflucht. Was sollen da die Leute denken?

Hm, gibt es eigentlich so knatschblaue Haie? Ich war ja schon immer der Ansicht, dass der Oktopus ein würdevolleres und erwachseneres Maskottchen abgegeben hätte.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Rika am 26. März 2010, 11:40:36
@Lomax - :rofl: Dankeschön, die Aufheiterung kann ich grade gut gebrauchen!

Zitat von: Aryana am 26. März 2010, 09:36:05
Viele, was so gern als Infantilität abgetan wird, ist doch eigentlich eher eine Zuwendung zu dem Kind in uns, das auch seine Daseinsberechtigung haben will. Klingt jetzt doof, aber ich weiß nicht, wie ich das anders ausdrücken soll. ich wäre manchmal gern wieder so simpel und unbeschwert sorglos, wie ich es als Kind sein konnte. Und wenn mir ein Buch ein bisschen von diesem guten Gefühl wiedergibt, wenigstens für einen Moment - warum sollte ich dann diese Tür zuknallen und den Schlüssel wegschmeißen, wenn ich doch nur ab und zu mal durchgucken möchte? dass es kein Zurück gibtm ist klar. Aber erinnern darf man sich doch.
:pompom:
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Kuddel am 26. März 2010, 11:58:24
Und das Kind in uns ist gut. Stellt euch mal vor, wir wären alles in der Realität verankerte Erwachsene. Wo blieben dann die Elfen, die uns nachts im dunklen Wald beschützen? Jeder von uns lebt sein Kind in den Geschichten aus. Wer von uns hat sich nicht schon köstlich über eine Szene in einem Buch amüsiert und das mitten in der Bahn? Oder wenn wir sie geschrieben haben? Die kindliche Freude, wenn wir endlich wissen, wie wir unseren Helden ausbrechen lassen.

Sollen die restlichen Erwachsenen doch denken, dass das Kinderkram ist, was wir machen. Wir haben Spaß daran, diesen "Kinderkram" zu schreiben und auch zu lesen. ;D
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Ary am 26. März 2010, 12:03:06
@Lomax:  :rofl: *gröhl*
Natürlich gibt es so blaue Haje. Das ist eine Unterart von Prionace glauca, dem gemeinen Blauhai: Prionace glauca spec. ikeaa.
Lebensraum: Filialen eines speziellen schwedischen Möbelhauses. Geht gern eine Symbiose mit Autoren ein. Frisst zuweilen Hamster. Auf artgerechte Haltung in Atorenwohnzimmern und auf Autorenschreibtischen ist zu achten.
;D
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Leon am 26. März 2010, 12:05:06
Nur weil man »Erwachsen« ist hat man nicht mehr - und sei es nur für ein paar Stunden - abzutauchen in andere Welten. So zu sagen, flucht vor der Realität.  :(

Ein Erwachsener darf auch nicht mehr, nur des unbeschwerten Lesevergnügens willen, lesen. Auch nicht um sich zu entspannen. Nein, ein Erwachsener hat zu lesen, um sich mit Gehirnakrobatik fit zu halten.  :(

Ich glaube, wenn dem so ist, dann bleibe ich lieber ein Kind, und habe Spaß und Freude am lesen.  ::)
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Gargoyle am 26. März 2010, 16:45:33
Meiner Meinung nach schwingt bei solchen Kommentaren eine gewisse Portion Neid mit. Einige Literaturwissenschaftler können es wohl nicht verstehen, dass ihre ach so hoch gelobte deutsche Gegenwartsliteratur in den Regalen der Buchläden vergammelt. Wie kann das nur sein? Die Erklärung: die meisten Menschen sind einfach nicht ,,reif" dafür, zu infantil. Doch diese Damen und Herren unterliegen einem großen Irrtum. Diese Literatur ist in der Regel nicht ,,zu hoch" für die Leute, sie ist in fünfundneunzig Prozent aller Fälle schlichtweg zu langweilig. Hier mal mein Lieblingszitat von Herrn Reich-Ranicki:

Kein Zweifel, ein hochinteressantes, ein brillantes Buch. Ich habe es nach dreißig Seiten weggelegt, weil es unaussprechlich langweilig war.

In Ländern oder Regionen, wo diese strikte Trennung zwischen U- und E-Literatur nicht gezogen wird, sieht man die Sache viel entspannter. In den USA zum Beispiel verstehen es Gegenwartsliteraten wie Paul Auster und Cormac McCarthy (um nur zwei Beispiele zu nennen, ich liebe ihre Bücher) ein sprachlich hohes Niveau mit spannenden Plots zu verbinden. Das ist für diese Schriftsteller kein Widerspruch, im Gegenteil. Nur in Deutschland hat anspruchsvolle Literatur erst einmal langweilig zu sein, weil sie sonst womöglich unterhält und dann wäre sie ja nicht mehr anspruchsvoll. Alles klar?!  ??? ;D
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Ary am 26. März 2010, 16:53:18
Ich glaube, da hat Gargoyle ein typisches Problem eingekreist - was unterhält, kann ja nicht anspruchsvoll sein. Ich könnte gegen die Wand rennen, wirklich.  :wums: Und ich kann es nicht nachvollziehen, weil es wirklich viele gute Bücher gibt, die anspruchsvoll sind und mich trotzdem - oder gerade deswegen (?) unterhalten.
Vielleicht brauchen wir auch eine neue Definition des Wortes "Unterhaltung" beim Lesen. Wann unterhält ein Buch einen Leser?
Für mich ist ein Buch ein "gutes" Buch, wenn es sprachlich anspruchsvoll ist, ohne vor Wortakrobatik zu verschwurbeln, wenn der Plot interessant ist und die Charaktere Tiefgang haben.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Maran am 26. März 2010, 17:06:30
In ca. 100 Jahren gehören die in der heutigen Zeit geschriebenen Bücher zu den Klassikern. Dann sind werden sie bestimmt mit anderen Augen gesehen werden. Und dann ist es wohl auch völlig unerheblich, ob die Romane "gut" oder "schlecht geschrieben" sind, oder in welchem Genre sie spielen. Es sind Klassiker und somit von vornherein anspruchsvoll ...  :darth:
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Lomax am 26. März 2010, 23:47:26
Zitat von: Gargoyle am 26. März 2010, 16:45:33In Ländern oder Regionen, wo diese strikte Trennung zwischen U- und E-Literatur nicht gezogen wird, sieht man die Sache viel entspannter. In den USA zum Beispiel ...
Nun ja, dass es diese Trennung in den USA nicht gäbe, ist wohl ein typisches deutsches Vorurteil. Aber auch dort hat Genre-Literatur einen Ruf, der sie von höheren Weihen ausschließt - King beispielsweise hat sich daran ja gerne abgekämpft ;)
  Wahr ist allerdings, dass dort Phantastik nicht per se von der Literaturfähigkeit ausgenommen ist, dass kommerziell erfolgreiche Literatur zumindest einen eigenen, bedeutsamen Stellenwert hat - und dass da auch die "Hochliteratur" oft etwas flotter und unterhaltsamer daherkommt und sich nicht an immer denselben Bauchnabel-Themen abarbeitet wie hier in Deutschland.
Zitat von: Maran am 26. März 2010, 17:06:30In ca. 100 Jahren gehören die in der heutigen Zeit geschriebenen Bücher zu den Klassikern. Dann sind werden sie bestimmt mit anderen Augen gesehen werden. Und dann ist es wohl auch völlig unerheblich, ob die Romane "gut" oder "schlecht geschrieben" sind, oder in welchem Genre sie spielen. Es sind Klassiker und somit von vornherein anspruchsvoll ...
Kann man so auch nicht sagen. Die populären und als trivial geltenden Romane von vor hundert Jahren oder zu Goethes Zeiten gelten ja heute auch nicht als Klassiker - sie sind schlichtweg vergessen. Was in hundert Jahren als Klassiker gilt, sind also vermutlich auch nicht alle dann "alten" Bücher, sondern nur diejenigen, die es schon in unserer Zeit in den Kanon des Schulbetriebs und des Lehrbetriebs der Universitäten geschafft haben. Und ein paar wenige, besonders erfolgreiche "schlechte" Bücher, die sich aus eigener Kraft einen dauerhaften Platz in den Herzen der Leser erkämpfen.
  Mitunter passiert allerdings auch das Umgekehrte, dass zu Lebzeiten als "Klassiker" verehrte Romane in späteren Zeiten als trivial eingestuft werden, sich die literarische Welt ihrer eigenen Geschmacksverirrung schämt und diese Bücher am liebsten vergessen möchte - Raabe sei hier mal als Beispiel genannt. Ich denke mal, die Tiefen der kultusministeriellen Vorgaben fürs bayrische Abi sind der letzte Ort, wo dieser Autor heute noch als wertige "Literatur" gilt ;D Und dann und wann erfahren auch "verkannte" Autoren eine spätere Würdigung ... aber alles in allem ändert sich auch in hundert Jahren nicht so viel an der Einstufung zwischen U und E. Zumindest wenn man betrachtet, wie es sich in den letzten Jahrhunderten so entwickelt hat.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Judith am 27. März 2010, 10:25:08
Zitat von: Gargoyle am 26. März 2010, 16:45:33
Meiner Meinung nach schwingt bei solchen Kommentaren eine gewisse Portion Neid mit. Einige Literaturwissenschaftler können es wohl nicht verstehen, dass ihre ach so hoch gelobte deutsche Gegenwartsliteratur in den Regalen der Buchläden vergammelt.

ZitatNur in Deutschland hat anspruchsvolle Literatur erst einmal langweilig zu sein, weil sie sonst womöglich unterhält und dann wäre sie ja nicht mehr anspruchsvoll.

Ehrlich gesagt könnte ich aber hier gegen die Wände rennen. Es gibt so einiges an deutscher Gegenwartsliteratur, die mitnichten in den Buchläden vergammelt, sondern ganz oben auf den Bestsellerlisten zu finden ist. Genauso, wie sie nicht grundsätzlich langweilig ist. (ich werf hier nur mal Thomas Glavinic oder Daniel Kehlmann in die Runde) Da gibt es halt solche und solche - aber das ist ja bei "U"-Literatur nicht anders. Es ist ja nicht so, dass sich da sämtliche Bücher toll verkaufen und an spannender Handlung nicht zu überbieten sind ...
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Gargoyle am 29. März 2010, 10:38:59
Natürlich habe ich meinen Beitrag bewusst etwas provokativ verfasst, natürlich ist nicht alles so schwarz oder weiß, wie ich es dargestellt habe  ;). Aber so wie Lomax es ebenfalls sieht, muss man feststellen, dass die Überschneidung zwischen E und U in Deutschland immer noch ziemlich klein ist. Mittlerweile wird es auch hier etwas lockerer gesehen, bis vor kurzem hatte man als Deutscher Hochliterat die Gegenwart und die Geschichte dieses Landes abzuarbeiten, sonst landete man gleich in der ,,Krimiecke" oder auf dem Wühltisch. Man muss auch feststellen, dass den E-Literaten häufig die spannenden Themen fehlen, wenn sie über die Gesellschaft der Gegenwart schreiben wollen. Zumindest tun sie sich damit schwer. Man könnte es auch so formulieren: Sie haben keine Geschichten mehr zu erzählen, jedenfalls keine die (vor allem mich) vom Hocker hauen. Gescheiterte Existenzen, die in Clubs und Kneipen rumhängen, sich ohne Ziel durch den Tag treiben lassen und sich durch die Gemeinde vö...... Toll, da brauche ich nur aus der Wohnung zu gehen und mich in die erste Bar oder Kneipe in Kreuzberg zu setzen. Da brauche ich nur bei meinem Rewe an der Kasse zu stehen. Das habe ich jeden Tag vor Augen, verstehe auch die Zusammenhänge, das brauche ich nicht auch noch in meiner wenigen Freizeit zu lesen. Ja, es gibt, wie ich geschrieben habe, erfreuliche Tendenzen und Ausnahmen, wie Kehlmann, (obwohl sein neues Buch ,,Ruhm" auch wieder nur das übliche Gegenwarts BlaBla geboten hat.)
Ich will doch einfach nur, dass unsere jungen Literaten wieder Geschichten erzählen, echte Geschichten. Bis dahin muss ich mich halt in anderen Ländern umschauen.  :buch:
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Thaliope am 29. März 2010, 10:44:03
@Gargoyle: Ein sehr schönes Statement, der meine Ansicht zur Gegenwartsliteratur bereichert. Dankeschön :)
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Geli am 29. März 2010, 14:23:06
@Gargoyle - junge oder alte Literaten können nur dann Geschichten erzählen, wenn sie selbst welche erleben, oder zumindest jemanden kennen, der welche erlebt (hat).
So - und nun schau Dich mal hierzulande um: Gepflegte Langeweile.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Ary am 29. März 2010, 14:48:16
@Gargoyle:  :pompom:
Genau mein Problem mit vielen Büchern der aktuellen gegenwartsliteratur. Wundert es da denn noch wen, dass viele Leute bei dem Wort "(Hoch)Literatur" die Augen verdrehen? Ich finde immer noch, die größte Kunst ist es, anspruchsvoll zu schreiben (und damit meine ich alles, was "scheiben" umfasst - Charaktere, Sprache, Plot) und dabei eine Geschichte zu erzählen, die neugierig macht. Aber vielleicht stellen wir auch einfach zu große Ansprüche? Ich weiß es nicht. Eine gut erzählte Geschichte muss ja noch nicht mal actionreich sein oder übertrieben spannend. Aber sie muss mich schon interessieren, und das möglichst auf mehr als nur einer Ebene. Sprachlich anspruchsvoll und plotlos reicht mir nicht.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Judith am 29. März 2010, 14:51:01
Nun ja, aber ob jemand über die Gesellschaft der Gegenwart schreibt, sagt noch nichts über die Zuordnung zu "U"- oder "E"-Literatur (die ich übrigens auch unsinnig finde) aus. Viel "Trivial"literatur ist in unserer jetzigen Gesellschaft verankert (und aus meiner persönlichen Sicht gähnen langweilig), während umgekehrt  sogenannte "Hochliteratur" ebenso auch andere Themen und Zeiten behandelt - Kehlmann mit der "Vermessung der Welt" ist da nur ein Beispiel; auch Christoph Ransmayr wäre hier zu nennen oder Thomas Glavinic, dessen "Arbeit der Nacht" beinahe in die Sci-Fi-Richtung geht.
Klar gibt es Tendenzen in eine bestimmte Richtung, aber gerade als Fantasyschreiber ärgern wir uns doch, wenn Fantasy (bzw. in dem Fall speziell "All Ager") nur über einen Kamm geschert wird. Ich finde, gerade wir sollten das dann nicht bei anderen Literatursparten genauso machen.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Ary am 29. März 2010, 15:06:03
Schon klar, sollte man nicht. Ich sage ja auch nicht, dass mich Hochliteratur NUR langweilt und ich NUR Fantasy toll finde. Es gibt in allen Genres gutes und schlechtes, aber ich bin es langsam einfach nur noch leid, dass Fantasy von vielen literarisch gebildeten Menschen (Tintenzirkler ausgeschlossen) grundsätzlich mit Schund gleichgesetzt wird.
Es gibt genug Literatur mit phantastischen Elementen, die ansprchsvoll ist, ja. Es gibt auch vieles an interessanter Gegenwartsliteratur ohne phantastische Elemente, ja. Es gibt auch Schrott in der Phantastik, ja.
Aber eben nicht NUR. Und ich wünschte einfach, diese Groschenromanvergleiche und Eskapismusvowürfe würden endlich mal aufhören.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Judith am 29. März 2010, 15:12:30
Das wünschte ich auch.
Wobei das ja nicht nur eine Sache von literarisch gebildeten Menschen ist. Meine Erfahrung ist leider, dass Fantasy auch von vielen anderen, die in diesem Genre nicht zuhause sind, mit Schund gleichgesetzt wird.  :( Ich hab Bekannte, die würden Hochliteratur nicht mal mit der Kneifzange anfassen (sind eher Pilcher- und Steel-Leser) und die halten Fantasy für Schund, den nur Leute lesen, die mit der wirklichen Welt nicht klarkommen.  :wums:
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: zDatze am 29. März 2010, 16:09:10
Ich stelle mir da immer die Frage: "Haben die sich ihre Meinung selber gebildet, oder quaken die nur die Behauptungen von irgend jemandem nach?"
Sobald jemand behauptet Fantasy sei Mist, frage ich immer nach ob der/diejenige überhaupt schon ein Fantasybuch gelesen hat. Kommt da ein Nein zurück, denk ich mir einfach meinen Teil.

Auch wenn ich vorzugsweise Fantasy lese, so greif ich auch ab und zu auf andere Bücher zurück. Nur leider mit der Erfahrung, dass mich die Geschichten nicht fesseln. Möglicherweise habe ich bisher auch Pech gehabt, weil ich "auf gut Glück" einem Buch in der Bibliothek eine Chance gebe. Dass man da Mist erwischt, kann schon sein. Fragt mich nicht nach meinen Auswahlkriterien, aber bisher wars fast immer ein Griff ins Klo.  ::)
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Wuo Long am 29. März 2010, 17:08:04
Zitat von: Judith am 29. März 2010, 15:12:30
Wobei das ja nicht nur eine Sache von literarisch gebildeten Menschen ist. Meine Erfahrung ist leider, dass Fantasy auch von vielen anderen, die in diesem Genre nicht zuhause sind, mit Schund gleichgesetzt wird.  :( Ich hab Bekannte, die würden Hochliteratur nicht mal mit der Kneifzange anfassen (sind eher Pilcher- und Steel-Leser) und die halten Fantasy für Schund, den nur Leute lesen, die mit der wirklichen Welt nicht klarkommen. 

Menschen, die ich näher kennen lerne, unterteile ich gerne in folgende Kategorien:

- Notorische Tagträumer (so wie ich)
- Menschen die hundert Prozent ihrer wachen Zeit in der Realität verbringen, wobei ich Realität nicht mit Gegenwart gleichsetze.
- Ehemalige Tagträumer, die es vergessen oder verlernt haben, oder gar bewusst unterdrücken. (Eigentlich gehören sie effektiv zur zweiten Kategorie)

Normalerweise vermeide ich ja Schubladen, aber mir ist aufgefallen, dass ich mit notorischen Tagträumern am Besten zurecht komme und ich behaupte einfach mal, dass fast alle Mitglieder hier im Tintenzirkel ebenfalls zu der ersten Kategorie gehören.
Natürlich sind die Abstufungen fließend und die Schwere der Tagträumerei von Mensch zu Mensch verschieden, doch ich möchte mit dieser Einteilung auf Folgendes hinaus: Es gibt Menschen, die finden das Tagträumen oder Phantasieren nicht nur infantil oder verwerflich, sondern es ist ihnen praktisch fremd.

Unabhängig davon, welche Gründe es dafür gibt, denke ich, dass Menschen ohne die Gewohnheit oder meinetwegen auch die Disposition des Phantasierens mit dem Genre Fantasy nur sehr schwer etwas anfangen können.
Mir fällt dazu ein Meeresbiologie-Praktikum ein, da haben zwei Mitstudentinnen unseren betreuenden Professor vergeblich zu erklären versucht, was für einen Reiz die Fantasy doch habe. Die beiden Studentinnen waren begeisterte Leserinnen von Lycidas und Tintenherz etc., aber der Professor hat trotz sichtlicher Anstrengung null Verständnis gezeigt und immer wieder das Argument gebracht, wie man eine Geschichte gut finden könnte, deren Setting völlig erfunden war und bei der die Welt nach Regeln funktioniert, die "der Empirik der Naturwissenschaft" nicht standhalten können. 

Mein Betreuer-Prof für die Bachelorarbeit wiederum hat ganz begeistert Bücher wie Harry Potter, Herr der Ringe oder die Dark Material Trilogie von Pullman gelesen. Ich habe ihm sogar Frank Herberts Dune andrehen können.  8)

Deshalb meine ganz persönliche These: Fantasy ist ein Genre für Menschen, die Spaß am phantasieren und tagträumen haben oder es wiederentdecken möchten.

Und die anderen Menschen, die es nicht tun, seien es Hochliteraten oder auch Otto-Normal-Bürger werden Fantasy wohl nicht mal mit der Kneifzange anpacken wollen.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Lomax am 29. März 2010, 17:33:34
Zitat von: zDatze am 29. März 2010, 16:09:10Möglicherweise habe ich bisher auch Pech gehabt, weil ich "auf gut Glück" einem Buch in der Bibliothek eine Chance gebe. Dass man da Mist erwischt, kann schon sein.
Nun ja, zugeben muss man ja, wenn man nach denselben Kriterien mal "auf gut Glück" einem Fantasybuch "eine Chance gibt" und ohne Überblick über das Genre einfach mal das aus dem Laden holt, was einem auffällt, dann bekommt man nicht nur zufällig, sondern sogar mit einiger Wahrscheinlichkeit einen schlechten Eindruck vom Genre. Denn gerade die erfolgreichsten und auffälligsten Titel, die weit vorne liegen, sind in sehr oft nach "Groschenromankriterien" geschrieben. Tut mir leid, wenn ich damit irgendwelchen Fans auf die Füße trete - aber leider muss ich ganz nüchtern feststellen, dass niemand, der Literaturwissenschaft studiert hat oder sonst ein wenig formal-einteilend in der Literatur unterwegs ist, bei Werken wie beispielsweise "Eragon" oder "Biss ..." zu einem anderen Urteil gelangen kann. Streiten kann man da allenfalls noch, ob man das schlimm findet oder nicht  ;)
  Natürlich gibts in Fantasy auch jede Menge andere Bücher, und natürlich sieht es in anderen Genres mit dem "Anspruch" der erfolgreichsten Romane im Durchschnitt wohl nicht anders aus. Trotzdem ist das ein Eindruck, der bei demjenigen hängen bleibt, der sich im Genre nicht auskennt und nur mal kurz "reinschnuppert" und zu diesem Zwecke halt die Bücher anliest, die gerade in aller Munde sind. Um die Spannweite des Genres abzuschätzen, müsste man schon genauer hinschauen und sich vor allem auch mit den Unterschieden auseinandersetzen, die es auf dem Fantasy-Markt, in seinen Subgenres, seiner historischen Entwicklung und den literarischen Ausprägungen dort gibt.
  Aber gerade beim "ahnungslosen" Reinschnuppern landet man halt besonders schnell bei den Werken, die jeden außer einem geborenen Hardcore-Genrefan abschrecken würden ... Nicht dass man dann gleich Zeitungsartikel darüber schreiben sollte, wenn man irgendwo mal ahnungslos reingeschnuppert hat  ;D
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Mrs.Finster am 29. März 2010, 21:39:15
Schade, der Link scheint nicht mehr aktuell zu sein. Oder habe ich wieder etwas übersehen  :embarassed:
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Maria am 30. März 2010, 04:36:00
http://www.wz-newsline.de/sro.php?redid=794857

Hier sollte er noch zu lesen sein.

Was mich an der Einteilung der Literatur so stört ist, dass die gehobene Literatur teils auch deshalb gehoben ist, weil sie sich manches davon als für die Elite der Gesellschaft geschrieben versteht.
Wenn ich meine Sätze so drechsle, dass es mindestens eine Matura / ein Abitur braucht, um sie zu verstehen (am besten ein Uniabschluss) und die Nase rümpfe über eine Leserschaft, die grad mal einen Hauptschulabschluss hat, muss ich mich nicht wundern, dass ich nicht so viele Leser haben.

Kennt jemand ein "literarisch anspruchsvolles" Werk, das packende Story, interessante Charaktere, einfache Sprache und kein deprimierendes Ende in sich vereint?

Den Leuten vorwerfen, sie würden aus der Realtität flüchten finde ich das schlimmste überhaupt. Die Realität ist nicht für alle so lustig und befriedigend wie für die Schreiber des Artikels. Die ist oft sehr frustrierend, unbefriedigend, traurig, depremierend. Da kann ich entweder zur Flasche greifen, mir etwas einwerfen oder ich lese ein Buch, spiele ein Spiel oder schau mir was an, was mir Abwechslung verschafft.  Da ist ein Buch noch die beste Lösung. Menschen das nehmen zu wollen, nur um den elitären Langweilschreibern mehr Leser zu verfassen, finde ich übel.

Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Ary am 30. März 2010, 07:39:14
@Maria: Markus Zusak, "Die Bücherdiebin", Khaled Hosseini, "Drachenläufer", Aliza Olmert, "Ein Stück vom Meer" - nach einem kurzen Blick in den eigenen Schrank. :) Ich finde diese Bücher schon "literarisch", sie behandeln anspruchsvolle Themen und erzählen packende Gschichten.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Geli am 30. März 2010, 08:26:13
Das Problem der deutschen Literatur überhaupt ist, so scheint es mir zumindest, dass es hierzulande nahezu verboten ist, sich beim Lesen einfach nur zu amüsieren. Ich weiß nicht, ob wir das immer noch dem Bildungsbürgertumsanspruch seit der Weimarer Klassik verdanken, der Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg, als vermutlich jeder Deutsche (Schriftsteller) beweisen musste, dass er auf jeden Fall ein guter Mensch ist - oder der Großwetterlage.

Fakt ist, dass ich immer wieder feststelle, sogar in wissenschaftlichen Werken, dass Sprache gefälligst staubtrocken daherzukommen hat, möglichst auch noch moral-angesäuert, um als ernsthaft wahrgenommen zu werden. Im Angloamerikanischen Sprachraum ist das vollkommen anders. Da findet man überall ein gewisses Augenzwinkern, die Fähigkeit des Autors, sich notfalls auch mal selbst auf die Schippe zu nehmen. Aber solche Kumpanei mit dem Leser ist auf deutsch geschrieben fast unmöglich - und noch unmöglicher ist es, als Kritiker in Deutschland selbst Literatur locker zu sehen.

Wer für irgend ein Format Buchkritiken schreibt, geht (vielleicht unbewusst) immer noch davon aus, dass der Leser gebildet werden muss. Dabei merkt Der schon ganz von selbst, was Mist ist, und was gut. Außerdem ist das, Gut oder Mist, immer persönliche Geschmackssache. Was gerade Kritiker gern vergessen.

Ich für meinen Teil würde lieber einen guten Fantasy All Ager-Groschenroman unters Volk bringen und damit mindestens die Startauflage verkaufen, als von einem Kritiker den literarischen Ritterschlag bekommen - und außer Ruhm nichts verdienen. Wobei mit klar ist, dass man vom Schreiben höchstens ab einer Startauflage von einer halben Million pro Buch halbwegs leben kann.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Lomax am 30. März 2010, 10:11:46
Zitat von: Maria am 30. März 2010, 04:36:00Die Realität ist nicht für alle so lustig und befriedigend wie für die Schreiber des Artikels. Die ist oft sehr frustrierend, unbefriedigend, traurig, depremierend.
Nun ja, genau das wird von den Leuten, die Realitätsflucht verurteilen, meist ja nicht geleugnet. Im Gegenteil sind das vom intellektuellen Flügel her meist ganz besonders "angsty people", die die Wirklichkeit in den düstersten Farben sehen - und Realitätsflucht deswegen verurteilen, weil man seine Zeit ja stattdessen lieber dafür nutzen sollte, die Wirklichkeit zu verbessern.
  Da dürfte dein Einwand also nicht als Gegenargument gelten.
Zitat von: Geli am 30. März 2010, 08:26:13Wobei mit klar ist, dass man vom Schreiben höchstens ab einer Startauflage von einer halben Million pro Buch halbwegs leben kann.
Och nö, so schlimm ist es ja eigentlich auch nicht. Ich wäre schon mit Auflagen im nicht allzu niedrigen 5stelligen Bereich zufrieden - davon sollte man gut leben können. Wenn man zwei Bücher pro Jahr und mehr schafft, reichen wohl auch schon niedrige 5stellige Auflagenzahlen zum leben. Zumindest wenn man sich mit "halbwegs leben" zufrieden gibt  ;D
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Judith am 30. März 2010, 10:35:29
Zitat von: Maria am 30. März 2010, 04:36:00
Kennt jemand ein "literarisch anspruchsvolles" Werk, das packende Story, interessante Charaktere, einfache Sprache und kein deprimierendes Ende in sich vereint?
Das ist insofern eine fast nicht zu beantwortende Frage, weil da die Geschmäcker deutlich auseinander gehen. Ich etwa konnte Kehlmanns "Die Vermessung der Welt" gar nicht mehr aus der Hand legen, während andere sie schnarchlangweilig fanden.  :hmmm: Aber für mich ist dieser Roman ein Paradebeispiel für packende Literatur.
Sehr spannend finde ich auch die Romane von Christoph Ransmayr. Mein Liebling ist "Die letzte Welt", aber einfacher zu lesen ist vermutlich "Morbus Kitahara". Aber es ist halt auch schwierig, was jemand als "einfache Sprache" definiert. Mein Problem mit vielen Fantasyromanen ist ja gerade, dass sie mir sprachlich nicht gefallen - ist mir da die Sprache zu "einfach" oder liegt es an einer gewissen 08/15-Schreibweise, die sich nicht von anderen Romanen abhebt (und die manchmal so klingt, als würde sich da jemand sklavisch an "Regeln" in Schreibratgebern halten)? Ich weiß es nicht genau.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Maria am 30. März 2010, 20:42:21
Mit "einfacher Sprache" meine ich kurze Sätze. Hauptsätze, maximal ein, seltener zwei Nebensätze. Keine verschachtelten Konstruktionen, keinen schwer verständlichen Wortschöpfungen, nicht episch, szenisch und bildhaft genug, dass sich auch jemand, der keinen Göthe oder Schiller hinunter bekäme, in die Geschichte ziehen lässt.

Und als "literarisch wertvoll" werden Bücher dann ja vor allem erachtet, wenn das die Kritiker in den Zeitungen schreiben, wenn es Preise gibt für das Buch und sich jeder verhält wie ein Bürger aus "Des Kaisers neue Kleider", alle verstehen es, alle finden es super, auch wenn sie in Wahrheit darüber gähnen.

"angsty people"? Statt sich an den wenigen schönen Dingen im Leben  zu erfreuen, seine Energie darauf verwenden, das Leben zu verbessern? -  klingt ja schön in der Theorie. Aber wenn man sich jede freie Minute nur mit seinen familiären/Bezihungs-Katastrophen, der Unfähgikeit der Politik, dem Schrecken des Terrors und dem Ende der Welt befasst und wie man es als einzelner verhindern könnte, ist man vielleicht bald reif für die ersten Antidepressiva.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Steffi am 03. April 2010, 08:05:04
Zitat von: Lomax am 25. März 2010, 23:04:51
Was allerdings an der Spitze der deutschen Hochliteratur abbricht, das lässt sich nicht substituieren. Da ist es also wirklich ein Verlust an Substanz, wenn im Feuilleton sich die "Popart-Ereignisse" ablösen und die literarische Substanz auf der Strecke bleibt.


Auch das lässt sich pauschalisierend nicht so sagen. Es mag heute weniger akute "Problembücher" geben, die sich gezielt gegen die Gesellschaft wenden, das ist aber eher dadurch begründet, dass das "Bürgertum" nach 1945 völlig zerfallen ist und sich nun in viele Schichten und Subkulturen aufgedröselt hat. Die aus "dem" Bürgertum stammende Hochliteratur gibt es einfach nicht mehr, eben weil es das klassische Bürgertum nicht mehr gibt. Was im Moment in der Literaturszene passiert ist die Archivierung des Zustandes der Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit in Form, deshalb ist "Popart" mit ihren expliziten Referenzen zu Bands, Filmen etc. gar nicht mal soho unwichtig oder nicht lesenswert. Davon ab gibt es aber noch jede Menge hervorragende Autoren der Gegenwartsliteratur, die zwar nicht einen so großen Bekanntheitsgrad haben mögen wie Heinrich Böll oder Nelly Sachs, die aber trotzdem großartige Literatur produzieren, z.B. Judith Hermann, Daniel Kehlmann oder Feridun Zaimoglu.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Lomax am 03. April 2010, 19:45:10
Zitat von: Steffi am 03. April 2010, 08:05:04..., das ist aber eher dadurch begründet, dass das "Bürgertum" nach 1945 völlig zerfallen ist ... ist die Archivierung des Zustandes der Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit in Form,
Dazu von mir kein Widerspruch.
Zitat von: Steffi am 03. April 2010, 08:05:04deshalb ist "Popart" mit ihren expliziten Referenzen zu Bands, Filmen etc. gar nicht mal soho unwichtig oder nicht lesenswert. Davon ab gibt es aber noch jede Menge hervorragende Autoren der Gegenwartsliteratur, die zwar nicht einen so großen Bekanntheitsgrad haben mögen wie Heinrich Böll oder Nelly Sachs, die aber trotzdem großartige Literatur produzieren, z.B. Judith Hermann, Daniel Kehlmann oder Feridun Zaimoglu.
Mag sich im Einzelfall erweisen - im Augenblick sehe ich da jedenfalls keine Literatur von Bedeutung. Und Bedeutung mache ich vor allem an langfristiger Wirkung fest - sozusagen Literatur, die treibt, nicht solche, die getrieben wird. Bei den sichbaren Größen der Vergangenheit war das, wenn auch mit gewisser Fehlerquote, durchaus schon zum Zeitpunkt des Schaffens absehbar. Heute ist das zumindest schwieriger, und schon das allein ist ein deutlicher Substanzverlust.
  Wo ist der neue Autor, der langfristig auch international ein Standing entwickeln kann wie beispielsweise Grass? Wo der Autor, der mehr als einen kurzfristigen Hype trägt und dessen Werke Jahrzehntelang wirken können? Wo ist der Literat, der auch auf die U-Literatur "abstrahlen" kann und damit zeigt, dass tatsächlich noch die Hochliteratur die Akzente der literarischen Entwicklung setzt?
  In all diesen drei möglichen Bereichen literarischer Bedeutung - internationales Standing, langfristige Bedeutung der Werke und Einfluss quer durch die literarische Entwicklung des Kulturraums - sehe ich einen ganz signifikanten Bedeutungsverlust zeitgenössischer Hochliteratur. Da sehe ich nicht ein Segment, wo die Größen von heute nicht bedeutungsloser wirken schon verglichen mit der Nachkriegsgeneration.

Mag sein, dass ein paar trotzdem übrig bleiben, sich langfristig und aus der Distanz betrachtet als bedeutsame Autoren unserer Zeit herauskristallisieren. Ich würde wohl andere Kandidaten dafür nennen als du - ich würde mich beispielsweise Judith anschließen und Ransmayr dazu zählen. ;)
  Aber da mag der Geschmack das Urteil trüben, und wer recht behält, mag man in 30 Jahren sehen. Tatsache bleibt allerdings, dass man es jetzt nicht sieht, ist für sich genommen schon ein Substanzverlust. Mehr als einen literaturhistorischen Trostpreis sehe ich für die aktuelle deutsche Hochliteratur eigentlich nicht in Aussicht - ich fürchte, Literaturgeschichte wird derzeit anderswo geschrieben.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: FeeamPC am 05. April 2010, 22:39:07
Für mich haben All-Ager und gute Literatur dasselbe subjektive Merkmal: ich mag sie nach einem längeren Zeitraum (Tage, Wochen, sogar Jahre oder Jahrzehnte) noch einmal lesen und finde sie immer noch gut. Manchmal entdecke ich nach langer Zeit völlig neue Perspektiven in einem Text, die mir beim ersten Durchgang entweder nicht auffielen oder nicht wichtig waren. Eine völlig subjektive Wertung, die aber für mich funktioniert.

Da versammeln sich so unterschiedliche Dinge wie die ersten Elfquest-Comic-Bände oder Leutnant Blueberry, Der Schatz im Silbersee (Karl May ist ja soooo trivial  ;D), Der Name der Rose, Heidi (ja, ich stehe eisern zu meinen Kinderbüchern- in der nicht-Disney-verkitschter Form), Die Rättin, Der Medikus, Das Kreuz mit der Kirche, Der Schimmelreiter, Das erste Schiff auf der Newa, Wüstenblume usw, usf, also alles schön bunt durcheinander, sowohl vom Fachgebiet als auch vom Thema oder der Zielgruppe.

Warum auch nicht? Das Wichtigste am Lesen ist, daß es Spaß machen soll und Intellekt plus Fantasie fordert und fördert- Dinge, die sich keineswegs ausschließen.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: gbwolf am 08. Dezember 2011, 10:22:12
Thienemann-Verleger Klaus Willberg stößt die Debatte über diese "Zielgruppe" wieder einmal an: http://www.boersenblatt.net/465855/
Ein wenig mit spitzem Unterton, wie mir scheint, auch wenn es natürlich reizvoll ist, demnächst nicht mehr quasi jedes Buch in der Bibliothek ins All-Age-Regal (Ja, wir haben so etwas und es ist in den letzten Jahren explodiert!) zu stopfen, sondern beispielsweise in "Krimi für Adaptiv-Pragmatische ab 10"  :snicker:
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Sven am 08. Dezember 2011, 10:56:29
"Zielgruppe" scheint ein riesen Thema in den Verlagen zu sein. Meine Erfahrung zeigt bis jetzt, dass man mit "All-Age" nicht weit kommt, weil die Verlage Probleme haben, es einzuordnen. Mit etwas Glück, so wie Klaus Willberg das auch beschreibt, gibt es ein Imprint, wohin das Script dann weitergereicht werden kann.
Schreibt man einen Roman, der mit "von 12 - 99" eingestuft wird, ist es zur Zeit in den Augen der Verlage nichts Halbes und nichts Ganzes und schwierig einzuordnen. Schade!
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Grey am 08. Dezember 2011, 11:22:32
Ich finde es aber auch total schwierig, absichtlich etwas zu schreiben, was "von 12-99" eingestuft werden soll. Ich meine, was haben wir denn davon? Die einzige sinnvolle Altersbeschränkung ist in meinen Augen die nach unten. Denn da muss man sehen, ab wann kann ich jungen Menschen im entsprechenden Alter was zumuten? Natürlich können ältere Leute auch immer Bücher lesen und mögen, die für jüngere geeignet sind, andersrum funktioniert das nicht so problemlos.
Die All-Ager haben die Grenzen zwischen JuBu und Erwachsenenliteratur verwischt, was ich gut finde, da es dadurch jetzt auch für Erwachsene "normal" ist, Jugendbücher zu lesen. Aber ob man die Kategorie "All-Ager" jetzt wirklich noch braucht, das wage ich tatsächlich zu bezweifeln. Da würde ich mir wie gesagt viel eher Gedanken darum machen, *ab* wieviel Jahren ein Buch gelesen werden kann, und nicht, ob es zusätzlich auch noch für Erwachsene geeignet ist.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Judith am 08. Dezember 2011, 11:44:21
Ich finde "All Age" als Kategorie auch eher überflüssig oder zumindest unglücklich benannt.
Grundsätzlich war in meinen Seminaren über Kinder- und Jugendliteratur die Kriterien für Jugendliteratur vor allem, dass die handelnden Personen eben Jugendliche sind und typische Teenager-Probleme oder von mir aus "das Erwachsenwerden" behandelt werden (auch wenn sie nicht im Vordergund stehen müssen).
Auf Harry Potter trifft das hunderprozentig zu, und das einzige, was die Reihe von der Jugendliteratur in die All Age-Kategorie verschiebt ist die Tatsache, dass sie eben auch von Erwachsenen gelesen wird. Und das ist für mich einfach eine seltsame Einstufung, da sie theoretisch doch erst im Nachhinein funktioniert. Und wo ist denn überhaupt das Problem, wenn man als Erwachsener ein Jugendbuch liest?
Da finde ich die englische Kategorie "Young Adult" ja fast griffiger, wobei ich noch nicht ganz durchschaut habe, wie weit sich die mit "All Age" überschneidet/deckt oder davon unterscheidet.

Aber im Grunde sehe ich das so wie Grey: Eine Beschränkung nach unten ist sinnvoll, eine nach oben (im Sinne von "das hier ist ein Jugendbuch und also nicht für Erwachsene geeignet, das hier hingegen All Age, daher kann man das als Erwachsener lesen ohne sich schämen zu müssen"  ::)) sowieso immer problematisch und fragwürdig.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Moni am 08. Dezember 2011, 11:47:59
Zitatein Roman für Hedonis­ten ab 8

:rofl: 

Aber sagen wir so, bei aller Ironie, der Mann hat schon recht. All Age ist schwammig, überflüssig und für Buchhändler ein echter Graus!
Ohne Harry Potter hätte es diesen Begriff nicht gegeben, der trat irgendwie erstmals auf, als die Bücher plötzlich in der Bestsellerliste waren und man den Erwachsenen die Scheu nehmen wollte, ein Kinderbuch zu lesen.
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Jara am 08. Dezember 2011, 13:54:40
Ich finde es ehrlich gesagt ziemlich beruhigend, wenn der Trend in eine andere Richtung als Allage zeigt. Nicht zuletzt weil ich bis vor nicht allzu langer Zeit dachte, dass das der einfachste Weg ist, ein Buch zu schreiben, das gute Veröffentlichungschancen hat.
Aber etwas zu schreiben, dass eine so breite Altersgruppe anspricht, halte ich wie ihr bereits gesagt habt, für schwierig. Und darüber hinaus auch nicht für erstrebenswert. Es ist doch schön, wenn man Ereignisse und Charaktere altersspezifisch ausgestalten kann.
Ich jedenfalls lehne mich mit meinen Projekten, die entweder einem recht jungen oder einem eindeutig erwachsenen Publikum zuzuordnen sind, erst mal entspannt zurück und schreibe weiter ;)
Titel: Re: Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane
Beitrag von: Zanoni am 08. Dezember 2011, 16:00:34
Nur mal kurz angemerkt:

Die ursprünglichen Geschichten um die Artuslegende und den heiligen Gral könnte man durchaus als mittelalterliches Äquivalent zur heutigen Seifenoper bezeichnen. Trotzdem (oder vielleicht sogar gerade deswegen?) haben sie Jahrhunderte überdauert und beflügeln noch heute die Phantasie von Millionen von Menschen. So viel zum Thema "Anspruch".

Ein anderer Aspekt ist der, dass Phantasie in unserer heutigen, westlichen Gesellschaft als etwas Verpöntes gilt. Realismus ist angesagt, Phantasie ist krankhaft. Bei Kindern wird sie noch toleriert, aber irgendwann muss halt Schluss damit sein ...

Das finde ich sehr schade, weil es doch gerade die Phantasie ist - die kreative, schöpferische Vorstellungskraft - mit der wir unsere Welt schöner und angenehmer gestalten können. Ohne sie, wäre die Welt trist, kalt, tot und leer. Mit ihr schöner, lebendiger und bunter.

Menschen, die Kindern (oder Erwachsenen) versuchen, ihre Phantasie "abzugewöhnen", ahnen überhaupt nicht, welchen "Schaden" sie damit anrichten ... meine Meinung.

Viele Grüße