Hallöchen erstmal. Ich weiß nicht, ob ich hier richtig bin, aber der Workshop schien mir dann doch naheliegender als Autoren helfen Autoren. Tur mir Leid, sollte ich mich verschätzt haben.
Ich hadere zur Zeit etwas mit meinem Protagonisten. Ich habe von Anfang an geplant, dass Valnyr sehr verschwiegen und in sich gekehrt sein sollte, aber schweigsam oder nicht, ab und zu musste er eben doch reden. Nur fehlen mir die Worte für ihn. Ich hatte eigentlich nie Probleme damit, meine Figuren in Dialogen zu charakterisieren, aber für diesen einen Protagonisten finde ich keine passenden Worte. Entweder er wirkt zu geschwätzig, oder -wenn ich kürzere Sätze versuche- dümmlich.
Schließlich ist mir dann die Idee gekommen, ihn einfach verstummen zu lassen. Ich meine nicht physisch stumm, sonder mehr... mental. Im Falle Valnyrs gäbe es schließlich genug Ursachen für Mutismus.
Allerdings wirft Stummheit wieder mehrere Problematiken auf: Zerstören Kommunikationsprobleme die Atmosphäre, wirkt die Verständigung durch Handzeichen ungewollt komisch, oder stört es euch allgemein, wenn der Protagonist nicht fähig ist, sich auszudrücken?
Wenn dein Protagonist eine Nebenrolle spielt, könnte ich es mir gut vorstellen, wenn er nicht sprechen kann. Wäre mal was anderes. Als Hauptdarsteller jedoch, weiß ich nicht ob Valnyr auf dauer nicht langweilen oder zu anstrengend werden könnte.
Ich erinnere mich an einen Roman, der Name des Buches fällt mir gerade nicht ein - Alzheimer läßt grüßen - dessen Hautprotagonist ein Autist war. Die Gesichte, obwohl gut geschrieben, tat man sich dennoch schwer sie zu lesen. Da der Autist, wenn er mal was sagte, nur orakelhafte Sätze in den Raum warf. Dessen Sinn man erst zwei, drei Absätze später verstanden hat.
Was soll ich sagen? Es muss halt zur Figur passen. Conans Einsilbigkeit ist legendär. Aber jemanden gar nicht reden zu lassen, erfordert grundsätzlich einen gewissen Begründungsaufwand. Einen solchen kann man am Charakter der Figur festmachen - oder aber an literarischen Gründen. Im Forum lässt sich schlecht eine Ferndiagnose stellen. Meine Erfahrung sagt mir aber: Wenn du als Autor ein komisches Gefühl hast, dann solltest du dieses Gefühl ernst nehmen...
Probleme hätte ich kaum mit einem stummen Protagonisten, ABER - und das ist wichtig - es muss zum einen zum Charakter passen (und im besten Fall auch eine Bedeutung für die Geschichte selbst haben) und zum anderen gut und abwechslungsreich beschrieben werden. Kommunikationsprobleme können faszinieren, wenn sie gut geschrieben sind, aber auch unheimlich langweilen und dem Leser nur auf die Nerven gehen.
Abgesehen vom Sprechen gibt es schließlich auch andere Wege, zu kommunizieren: Körperhaltung, Gestik und zur Not auch noch die Schrift. Wenn du dich auf diese Kommunikationswege fixierst und darauf achtest, Verständnisprobleme nur im Notfall bis zur Spitze zu treiben, wäre das in meinen Augen eher ein Bonus denn ein Grund, mich von dem Buch abzuwenden.
Ich stimme meinen Vorrednern zu, dass es zum Charakter passen muss. Ein entsprechender Hintergrund sollte dabei sein, denn Patienten die mutistisch sind, leiden sehr häufig unter Depressionen, Angststörungen oder anderen psychiatrischen Krankheitsbildern. Außerdem fehlt oft der Antrieb mit anderen verständlich zu kommunizieren, weswegen ich Handzeichen unpassend finde. Das würde eher zu sowas passen wie ein Schweigegelübde.
Einer meiner Protagonisten ist vorübergehend mutistisch als es ihm seelisch sehr schlecht ging. Kommunikation ist in der Zeit mit ihm nicht möglich. Er zeigt nur nonverbal, dass er ängstlich und misstrauisch ist und nun wirklich keine Lust hat mit dir zu reden. Wenn er mal doch mit jemanden reden will, schiebt sich die Angst dazwischen, er könnte vom Gesprächspartner abgelehnt werden, also hält er doch lieber seinen Mund. Nach außen hin ist er stumm, aber innerlich türmt sich ein Schwall von Gedanken und Gefühlen auf, völlig eingeengt, kreisend und inkohärent. Also durchaus anstrengend. Das als Dauerzustand kann ich mir nicht vorstellen. So jemand kann seine Aufgabe als Protagonist nicht erfüllen. Die Unfähigkeit mit anderen zu kommunizieren wirft einen im Handeln ständig zurück.
Totaler Mutismus das ganze Buch durch ist meiner Meinung nach eine ganz schlechte Eigenschaft für einen Protagonisten, wenn du da keine weiteren Protagonisten hast, die die Handlung vorantreiben. Elektiver Mutismus (nur bestimmten Leuten gegenüber stumm) würd vielleicht noch gehen, wenn die anderen psychischen Probleme, die dabei sind einem nicht im Weg stehen, z.B. in der Schule mutistisch wegen Lehrerangst, aber außerhalb der Schule ganz normal. Zu coolen, arroganten Charakteren könnte Wortkargheit passen, im Sinne von "Mit all dem Abschaum braucht man nicht groß diskutieren" und sagt nur "Jaja" "Tu dies" "Lass das!" "Pah!" "Red nicht, mach einfach". Oder Wortkargheit bei Schüchternheit, wenn der Charakter nur kleinlaut, kleine Halbsätze spricht, wobei da die Frage wieder ist, ob er für einen Protagonisten genug Mut hat zu handeln. Oder der Charakter hat sich aus welchen Gründen auch immer ein Schweigegelübde auferlegt oder ist wirklich stumm. Dann wär das sicher sehr interessant wie dieser mit Händen und Füßen und Worttäfelchen kommuniziert ;D
Vorab vielen Dank euch allen.
Valnyr war von meiner Seite nie dazu ausersehen die Handlung voranzutreiben... sondern sie zu tragen. Gerade das Schweigen macht ihn für die Rolle als 'Werkzeug der Obrigkeit' eigentlich perfekt. Psychische Defizite hatte er schon bevor mir die Idee mit der Stummheit gekommen ist. Er hat mit 8 Jahren seine Eltern und damit seine einzigen Bezugspersonen verloren und landete im Waisenhaus einer Stadt, deren Bewohner ihm aufgrund seiner Herkunft ablehnend bis feinselig gegenüberstanden. Das wäre für mich der ungefähre Punkt, an dem er zu sprechen aufgehört hat. Vorerst nur aus Trotz, später dann eher unfreiwillig.
Mit elektivem Mutismus kann ich mich leider kaum anfreunden, da sich seine Probleme nicht auf bestimmte Personengruppen beschränken und wortkarg war er in meinem ersten Anlauf, aber selbst das war irgendwie noch zu viel. Ich würde es gerne so händeln, dass er zum Zeitpunkt der Handlung manchmal gerne sprechen würde, es aber auf Grund einer inneren Barriere nicht kann. Für mich als Psychologie-DAU macht es sogar Sinn, dass er nach dreizehnjährigem Schweigen nicht einfach mir nichts, dir nichts wieder spricht.
Willst du aus der Ich-Perspektive in seinem Fall schreiben? Andernfalls kann ich mir einfach nicht vorstellen, wie ein einzelner, stummer Charakter eine Handlung tragen soll. Da hast du dir einiges vorgenommen. Wenn ich mir überlege, welche psychiche Analyse des gesamten Charakters dahinterstecke und wie du den Protagonisten auflaufen lassen willst... Ne, mir wäre das ehrlich gesagt zu umständlich, aber Hut ab, dass du dich daran wagst.
Bis eben kannte ich den Begriff Mutismus nicht, aber die wiki hat mir mal kurz weitergeholfen. Ist schon ein hartes Stück, was du dir rausgesucht hast. Für eine Kurzgeschichte sicher machbar, aber glaubst du nicht, dass die Story auf Dauer langweilig wird, wenn keine Kommunikation stattfindet?
Liebe Grüße,
Kuddel
Zitat von: Stjersang am 06. Februar 2010, 19:08:20
Er hat mit 8 Jahren seine Eltern und damit seine einzigen Bezugspersonen verloren und landete im Waisenhaus einer Stadt, deren Bewohner ihm aufgrund seiner Herkunft ablehnend bis feinselig gegenüberstanden. Das wäre für mich der ungefähre Punkt, an dem er zu sprechen aufgehört hat. Vorerst nur aus Trotz, später dann eher unfreiwillig.
Ja, das kann schon eine Ursache für Mutismus sein, für den totalen Mutismus aber eher unwahrscheinlich. Es sei denn er hat eine Sozialphobie entwickelt, aber da musst du auch wissen, dass jemand mit Sozialphobie sich gar nicht aus seinem Haus trauen würde, weil er in Situationen geraten kann in denen er mit Mitmenschen interagieren muss. Aber weil es ja eh Fiktion ist, darf er auch ruhig einer der seltenen Fälle sein. Allerdings müssen dann auch die Konsequenzen bedacht werden. Mutismus ist sehr sehr einschränkend für den Betroffenen.
Zitat von: Stjersang am 06. Februar 2010, 19:08:20
Mit elektivem Mutismus kann ich mich leider kaum anfreunden, da sich seine Probleme nicht auf bestimmte Personengruppen beschränken und wortkarg war er in meinem ersten Anlauf, aber selbst das war irgendwie noch zu viel. Ich würde es gerne so händeln, dass er zum Zeitpunkt der Handlung manchmal gerne sprechen würde, es aber auf Grund einer inneren Barriere nicht kann.
Beim elektivem Mutismus ist es meistens doch andersrum, dass eher die ausgewählt werden mit denen der Betroffene sprechen kann. Also z.B. nur mit Familienangehörigen und engen Freunden und sonst niemandem. Das mit der inneren Barriere passt und würde auf eine Angststörung hinweisen. Aber würde sich so jemand herumkommandieren lassen (was ich unter "Werkzeug der Obrigkeit" verstehe)? Wenn zum Charakter so ein großes Mißtrauen oder Angst gehört, dass er sich nicht mal zu reden traut, dann glaube ich das nicht. Klingt nicht plausibel. Mutistische Leute sind häufig doch eher eigenbrötlerisch.
Zitat von: Stjersang am 06. Februar 2010, 19:08:20
Für mich als Psychologie-DAU macht es sogar Sinn, dass er nach dreizehnjährigem Schweigen nicht einfach mir nichts, dir nichts wieder spricht.
Das stimmt nicht so ganz. Der Mutismus besteht meist nur wenige Monate bis Jahre (in der Kindheit oder Jugend, deswegen die Einteilung in Jugendpsychiatrie). Kann natürlich chronifizieren, aber meistens kommt es doch zur Spontanremission oder zumindest zu einer Besserung (dass sich der Betroffene in einigen Situationen doch wieder traut und spricht).
Naja, ich stelle mir das sehr sehr schwierig vor. Aber Respekt, dass du dir das zutraust. Ich selbst tue mich, obwohl ich mich mit Psychiatrie auskenne, schwer. Ich habe für meine "Verrückten" Bögen, die ich aus der Psychiatrie bekommen habe, passend zur Krankheit gekreuzt und es fällt mir manchmal schwer mich daran und am Verlauf zu halten. Ganz besonders schwierig sind die Gedanken. Und dann darf es gleichzeitig auch nicht zu anstrengend und nervig zu lesen sein. Ein Drahtseilakt. Zum Glück sind bei mir alle "normal" und wenn dann nur vorübergehend komisch *puh* ;D Aber der einzige Protagonist, der die ganze Zeit seltsam ist, das wäre mir ähnlich wie Kuddel, zu umständlich. :o
Oh je, das wird komplizierter, als ich dachte. :gähn:
Ich nehme an, wenn ich auch nur ein bisschen semirealistisch bleiben -und meinen Protagonisten nicht in den Selbstmord treiben- will, fällt Mutismus wohl raus. (Vielen Dank für die fachmännische Beurteilung, Vali :) )
Angeborene Stummheit wäre allerdings eine Möglichkeit, die ebenfalls seine Zurückgezogenheit erklären würde. Ich denke, darüber muss ich erstmal ein bisschen nach...denken.
Zitat von: Kuddel am 06. Februar 2010, 19:58:43
Für eine Kurzgeschichte sicher machbar, aber glaubst du nicht, dass die Story auf Dauer langweilig wird, wenn keine Kommunikation stattfindet?
Hm, ich denke nicht, dass überhaupt keine Kommunikation vorhanden sein wird. Wozu gibt es Nebenfiguren und gedankenlesende magische Wesenheiten,die ich zum Glück sowieso eingeplant hatte (pyramidenförmige Aluminiumhüte gibt es in meiner Geschichte leider noch nicht). Außerdem habe ich vor, die Gedanken Valnyrs in wörtlicher... Gedankenrede miteinfließen zu lassen, um ihn dem Leser wenigsten ein bisschen näher zu bringen.
Der Protagonist ist zwar eine ziemlich hohe Messlatte für einen Anfänger wie mich, aber er war von Anfang an nicht als bad ass geplant und kann unter Berücksichtigung der Situation also nicht ganz ohne mentale Wunden davonkommen.
Also ich finde die Idee mit einem stummen Protagonisten wirklich gut, gerade weil es so etwas nur sehr selten gibt. Allerdings glaube ich auch, dass das nicht leicht zu schreiben sein wird.
Ein "Dialog", in dem einer der Gesprächspartner nicht spricht, kann auch sehr interessant zu lesen sein. Du musst nur wissen, wie sich Valnyr ohne Worte ausdrücken kann, da bestimmt nicht alle Menschen einer Art Zeichensprache mächtig sind. Aber damit könntest du bestimmt auch sehr gut Spannung aufbauen, wenn Valnyr jemandem etwas sehr Wichtiges mitzuteilen hat, er oder sie ihn aber nicht verstehen kann.
Das mit der Gedankenrede klingt interessant. Kennst du "Lieutnant Gustl" von Schnitzler? Das Buch ist durchgehend im inneren Monolog geschrieben, es kommen auch nur sehr wenige Dialoge vor, was aber vor allem an der Handlung liegt, nicht weil Gustl wenig spricht.
Ich denke, dass ein stummer Protagonist durchaus machbar ist, aber du musst dir über einige Dinge klar werden. Aber wenn du das machen willst, schaffst du das! *aufmunternd auf die Schulter klopf* :) Ich finde die Idee auf jeden Fall gut.
Ich habe noch eine andere Idee, warum Valnyr nicht spricht. Vielleicht wurde er im Waisenhaus wegen seiner Stimme gehänselt (er könnte zum Beispiel immer heiser gewesen oder eine piepsige Stimme gehabt haben) und weil er den Eindruck gehabt hat, dass jedes Mal wenn er was sagt mit den Leuten Ärger hat, bekommt er Angst und vielleicht Hass auf seine Stimme. Weil er stumm Mitleid bekommt, glaubt er, dass man ihn nur mag, wenn niemand seine gräßliche Stimme hört. Das macht er eine ganze Weile so bis er mal in eine Situation kommt, bei der er seine Stimme benutzen muss. z.B. jemandem eine Warnung zurufen. Dabei erklingt seine unbenutzte und heisere Stimme, der Person, die er warnen wollte, stößt trotzdem was zu (vielleicht weil sie es nicht gehört hat oder sich bei dem Krächzen erschreckt hat ;D) und Valnyr glaubt schon wieder, dass seine Stimme daran Schuld ist, sie immer noch gräßlich klingt und bleibt seitdem für immer bei der Gebärdensprache, mit der er bisher immer gut gefahren ist. So bleibt das Problem isoliert bei der Stimme und er ist ansonsten weniger beeinträchtigt.
Das mit der Gebärdensprache wird nur wahrscheinlich nicht funktionieren, da Valnyrs soziales Umfeld auf einen heiligen Orden beschränkt ist, der sich herzlich wenig um einen einzelnen Paladin kümmert. Soll heißen, er hat keine Möglichkeit die Gesten zu lernen und könnte sie auch nicht einsetzen. Ich fände es außerdem etwas interessanter, ihm nur Möglichkeiten zu oberflächlicher Kommunikation wie Abwinken, Nicken, Kopfschütteln und so weiter zu lassen.
Vali, deine Idee kann ich zwar so nicht ganz umsetzten, weil Valnyr eigentlich gar keine Anerkennung oder Zugehörigkeit wünscht, aber sie hat mich auf eine andere Idee gebracht... könnte nicht auch eine Kehlkopfquetschung Heiserkeit verursachen? Was wenn die heisere Stimme ihn an ein unschönes Ereignis erinnert und er es verdrängt, indem er nichtmehr spricht?
Ich erinnere mich an eine Serie, die bei SuperRTL ausgestrahlt wurde: Lizzie McGuire (ich hoffe, sie wird so geschrieben). Lizzie hat einen Bruder, der einen nicht sprechenden Freund (Lennie?) hat. Obwohl besagter Freund kein Wort versteht, weiß Lizzies Bruder immer, was Lennie denkt.
Klar, Lizzie McGuire ist nun eine Sitcom, aber vielleicht bietet sich ja die Möglichkeit jemanden an die Hand zu geben, der Valyr trotzdem versteht, unter Umständen dessen Gedanken lesen kann.
Zitat von: Feuertraum am 07. Februar 2010, 14:36:12
Klar, Lizzie McGuire ist nun eine Sitcom, aber vielleicht bietet sich ja die Möglichkeit jemanden an die Hand zu geben, der Valyr trotzdem versteht, unter Umständen dessen Gedanken lesen kann.
Ah, du meinst so eine 'Was sagst du, Lassie? Timmy ist in einen Brunnen gefallen?'-Sache? Wäre vorstellbar. Eigentlich habe ich auch schon eine Magierasse an der Hand, der ich sowieso Telepathie zugedacht hatte. Nur habe ich Angst, dass das ganze ins Lächerliche abdriftet, wenn ich dem Prota einen gedankenlesenden Elfling anhänge.
Ja, eine Kehlkopfquetschung kann Dauerheiserkeit verursachen. Das allein würde schon reichen, dass man nicht gerne spricht. Ich war mal eine Woche lang dauerheiser und das ist echt ein besch...eidenes Gefühl. Da hört man automatisch auf seine Stimme zu benutzen. Man erschreckt sich ja selbst dabei, was da für ein heiseres Krächzen rauskommt, er ist anstrengend und es tut manchmal auch weh (hatte eine Kehlkopfentzündung). Ausgerechnet, wenn man gerade nicht sprechen kann, wird man ständig angelabert und im Seminar immer drangenommen. >:( ;D Also jede mögliche heiser oder stumm machende Krankheit oder Kehlkopftrauma würde reichen deinem Prota das Maul zu stopfen ;) Ist sogar einfacher als wenn er aus psychischen Gründen nicht mehr sprechen würde.
Hossa, stummer Prota ... das ist ja mal was.
Ich könnte es mir nur sehr schwer vorstellen so eine Geschichte zu schreiben oder auch zu lesen.
Eine Möglichkeit wäre natürlich alles aus Valnyrs Perspektive zu erzählen, so dass man als Leser seine Gedanken kennt und weiß, was er gesagt hätte.
Das einziges, was ich mir sonst noch vorstellen könnte wäre einen zweiten Prota, zu dem Valnyr eine besonders tiefe Beziehung hat, so das diese Person immer weiß, was er denkt. Das meine ich nicht im Sinne von Gedankenlesen o.ä., eher eine enge Freundschaft seit Kindestagen an, so dass sie die beiden inn- und auswendig kennen. Diese Person könnte dann für Valnyr sprechen und den anderen mitteilen, was er denkt.
Ich habe in der "Gauklerinsel" auch das Problem einer sprachlosen Figur und lange vor der Frage gestanden, was ich mit ihr machen soll. Ursprünglich war nicht geplant, daß Maris nicht sprechen kann - sie hat sich in der ersten Szene, in der sie auftrat, nur mit Gesten verständlich gemacht, und danach hatte ich Probleme, sie zu einer normal sprechenden Frau überzuleiten. Schließlich habe ich dann anatomisch begründen können, warum sie nichts sagt:
Maris ist eine halbe Meerfrau, und die Meermenschen haben es nicht nötig, zu sprechen, sie verständigen sich telepatisch. Leider hat Maris diese Fähigkeit nicht geerbt, dafür ist aber auch ihr Kehlkopf nicht so gebildet, daß er für normales Sprechen geeignet ist. Das heißt, Maris kann unter Schmerzen einzelne Wörter hervorbringen, aber nicht so artikulieren, daß die Leute sie auch verstehen.
Wenn Maris in ihrer eigenen Perspektive ist, weiß sie, was sie sagen will, und so schreibe ich das dann auch. Aber wenn jemand anderes sie hört, gebe ich phonetisch wieder, was Maris von sich gibt, mit den entsprechenden Mißverständnissen: So will Roashan wissen, warum sie ihr Kind bei ihm abgelegt hat und es nicht mehr abgeholt. Maris will ihm sagen, daß sie den Weg nicht gefunden hat, also sagt sie »Weeeg« - Vokale dehnt sie immer sehr lang, Konsonaten kann sie dafür nicht besonders gut. Roashan versteht daraufhin, daß sie das Kind weggeben wollte - das Mißverständnis ist vorprogrammiert...
Ich habe mich daran orientiert, wie Taubstumme sprechen. Viele Stumme werden ja nicht stumm geboren, sondern verlieren in ihrer Kindheit durch Krankheit das Gehör und infolgedessen die Stimme, haben aber einmal sprechen gelernt, auch wenn sie sich selbst nicht mehr hören können. Ich hatte verschiedentlich mit sprechenden Tauben zu tun - ein Onkel einer früheren Freundin, eine Teilnehmerin in einem VHS-Kurs, in dem ich assistiert habe, oder eine Bekannte meiner amerikanischen Gastfamilie. Ich habe auch vor wenigen Jahren ein Jugendbuch gelesen, "Der Mädchenturm" vom M.E. Kerr, in dem eine taube Schülerin ein Internat besucht. Bedingt durch die Trennung der Gehörlosen von den Hörenden finde ich, es sollte ruhig thematisiert werden, daß viele Taube sich große Mühe geben, sich mit den Hörenden zu verständigen, während viele Hörende auf dem Standpunkt stehen "Ach, die können doch sowieso alle Lippenlesen".
Ich habe auch erbliche Schwerhörigkeit in der Familie und mußte mich lange mit dem Gedanken auseinandersetzen, das Gehör zu verlieren, und wollte schon einen Kurs in Zeichensprache besuchen - habe aber vom Ohrenarzt Entwarnung bekommen und daraufhin den Kurs auf Ultimo verschoben. Grundsätzlich denke ich aber, es sollten viel mehr Hörende Zeichensprache lernen, damit die Welten nicht so komplett unter sich bleiben, sondern sich auf untereinander verständigen können. 2008 hatte ich in Amerika auch das Glück, eine Taubstummenlehrerin zu treffen und mich lange mit ihr über Zeichensprache zu unterhalten, und ich war fasziniert, daß ich diese Sprache intuitiv verstehen kann - und da ich mein Gehirn wahrnehme, anders als die meisten Leute merke ich, welche Region gerade aktiv ist, weiß ich auch, daß ich Zeichensprache mit dem Sprachzentrum verarbeite und nicht mit dem Bewegungszentrum (was gut ist, denn Bewegungsabläufe kann ich mir nicht einprägen, Zeichensprache hingegen schon).
Ich finde es gut, wenn in Geschichten nicht nur gesunde heile Welt herrscht, sondern auch Behinderungen vorkommen, und nicht nur bei bemitleidenswerten Nebenfiguren, die dann aus großen hilflosen Augen in die Welt gucken, sondern ruhig auch bei Hauptfiguren. Dann muß sich der Leser eben darauf einstellen - na und?
Vielen Dank nochmal für die hilf- und zahlreichen Antworten.
Wunderbar, das 'warum' wäre dann schoneinmal geklärt. Beim 'wie' habe ich mittlerweile auch schon konkretere Vorstellungen.
Ich habe in vielen Beiträgen gelesen, dass eine Möglichkeit zur Kommunikation z.B. durch Gebärden oder einen anderen Protagonisten gewünscht wird, aber eigentlich würde ich doch viel lieber den Versuch wagen, Valnyrs Gedanken nur dem Leser mitzuteilen und nicht den anderen Charakteren.
Zitat von: Maja am 07. Februar 2010, 20:59:00
Ich finde es gut, wenn in Geschichten nicht nur gesunde heile Welt herrscht, sondern auch Behinderungen vorkommen, und nicht nur bei bemitleidenswerten Nebenfiguren, die dann aus großen hilflosen Augen in die Welt gucken, sondern ruhig auch bei Hauptfiguren. Dann muß sich der Leser eben darauf einstellen - na und?
Ich muss gestehen, ich arbeite mittlerweile schon fast darauf hin, mit so vielen Klischees wie möglich abzurechnen. Allerdings nicht auf eine satirische oder komödiantische Art und Weise, sondern eher unterschwellig, sodass der Leser immerwieder überrascht wird, wenn nach A kein B folgt.
Zitat von: Maja am 07. Februar 2010, 20:59:00
Ich finde es gut, wenn in Geschichten nicht nur gesunde heile Welt herrscht, sondern auch Behinderungen vorkommen, und nicht nur bei bemitleidenswerten Nebenfiguren, die dann aus großen hilflosen Augen in die Welt gucken, sondern ruhig auch bei Hauptfiguren. Dann muß sich der Leser eben darauf einstellen - na und?
In einem angefangenen/unvollendeten/z.Z. auf Eis gelegten Roman habe ich mir genau das gedacht und eine von Geburt an taubstumme Nebenfigur erschaffen. Okay, eine Hauptfigur ist es nun doch nicht, aber da die Gute zum "Team" um meine Prota gehört und eine gute Freundin wird, ist sie doch relativ wichtig. Sie wurde als Kind zwar von ihren Eltern, wegen ihrer Behinderung ausgesetzt, hat aber mit ihren Zieheltern doch Glück gehabt, Schreiben gelernt und kommuniziert vor allem über ein Schiefertäfelchen und Kreide, die sie immer und überall dabei hat. Ansonsten ist sie eigentlich ein recht lebensfrohes Persönchen und eine Kämpfernatur, große psychische Probleme wollte ich in dem Fall nicht mit rein bringen, wenngleich ihr Lebensweg sicherlich auch viel bitterer hätte ablaufen
können.
Woran man denken muss, wenn man seine stumme Figur über Schrift kommunizieren lassen will: In einer mittelalterlichen Welt herrscht doch überwiegend Analphabetismus. Erst Mal muss man seine Figur in einer Familie o.ä. aufwachsen lassen, wo sie den Umgang mit Schrift lernt. Und dann werden natürlich auch nicht unbedingt
alle Menschen lesen können, denen diese Figur begegnet, was die Kommunikation auch wieder erschwert ...
Spannende Idee, sicherlich schwierig umzusetzen, aber interessant und auf jeden Fall einen Versuch wert, besonders, wenn du darauf Lust hast, bzw dir halt daran liegt! :)
Zitat von: Rika am 16. Februar 2010, 17:43:39
[...] sicherlich schwierig umzusetzen [...]
Jaah, langsam merke ich das auch. Ich gehe im Moment nocheinmal meinen Plot durch und bemerke, dass viele Szene so ein ganz anderes Gesicht bekommen. Wie reagiert z.B. die Heilerin, wenn Val ihr wortlos eine halbtote Ratte vors Gesicht hält, statt zu Erzählen, er hätte einen ganzen Haufen davon am zentralen Brunnen gefunden und würde gerne eine fachliche Meinung zu halbtoten Ratten in der Wasserversorgung einholen.