So ... ich schlag mich schon ein paar Wochen mit dem Problem rum, bin manchmal nicht sicher, ob es sich überhaupt stellt, aber wenn doch, bin ich mir nicht sicher, ob es lösbar ist. *mysteriös daherred*
Das Problem: In vielen "klassischen" Fantasyromanen (sowas, wie ich im Moment schreib) wird fleißig getötet: Perspektiventräger töten Orks, andere, "böse" Menschen und anderes Lebendes, was ihnen gerade so über den Weg läuft. Das machen die Guten ebenso wie die Bösen - die vielleicht sogar noch mehr, wenn keine Notwendigkeit besteht. Aber der Handlanger des Dunklen Imperators hat sicher nicht weniger Blut an den Händen kleben als ein rechtschaffener Paladin.
Nun ist Mord ja ein abscheuliches Verbrechen, und eigentlich scheuen sich Menschen, einander zu töten (wie es mit Orks usw. aussieht, weiß ich nicht, aber ich mache da jetzt mal keinen Unterschied).
Wie macht ihr es, falls ihr so einen Kämpfer als Perspektiventräger habt, "gut" oder "böse", es zu vertreten, dass der Leser Sympathie mit ihm aufbaut? Soll er bereuen, dass er ja ständig zum Töten gezwungen ist? Soll er die Morde, die er begangen hat, ewig bereuen? Sagt ihr, "es ist Krieg", und dann ist es ok zu töten? Oder "der war böse, der hat den Tod verdient, deswegen muss man sich keinen Kopf machen"? Oder wird das Rummorden als Bestandteil der Fantasy einfach akzeptiert? So wie in einem Computerspiel, wo es ja irgendwie auch "dazugehört"?
Ich könnte mir vorstellen, dass eine Figur, die oft getötet hat, abstumpft und sich keine Gedanken mehr macht, wenn sie einmal mehr tötet. Damit hätte man das Problem wahrscheinlich aus der Perspektive raus - aber ob das eher vertretbar ist? Es ist ja eigentlich noch gruseliger ...
Tja, ihr könnt euch schon denken, ich komme konkret drauf wegen einer meiner neuen Figuren. Aber beschäftigen tut mich das Problem schon länger.
Galotta lass ich da jetzt mal raus - das empfinde ich irgendwie nicht als mein Problem. ;D
Das kommt wahrscheinlich auch auf die Gesellschaft an, in der der Roman angesiedelt ist. In manchen Kulturen war das Töten eines Feindes ja auch eine Leistung und Anerkennung wert - und je mächtiger dieser Feind war, desto besser.
Ich nehme mal an, ob ein Charakter trotz Schlächterei sympathisch ist, hängt nicht unbedingt von seiner moralisch korrekten Einstellung zum Töten ab. Wenn auf der Moral herumreitet, dann sollte das meiner Meinung nach entweder sehr kurz geschehen oder einen wesentlichen Beitrag zum Plot oder zur Charakterentwicklung beitragen. Sonst ist man als Leser wahrscheinlich genervt von zu viel Reflektiererei. Ein sinnloses Gemetzel an wehrlosen Kinder ist da wahrscheinlich noch was anderes, als das 'tägliche Kriegshandwerk'.
Ich bin zwar keine Expertin für historische Kriege, aber vor den 'modernen' Kriegen gab es sowas wie Kriegsgefangenschaft von einfachen Soldaten wohl eher nicht. Da musste man schon wichtig sein, um als Geisel zu taugen und nicht gleich abgemurkst zu werden, wenn man in Feindeshand geriet. Da war das Töten dann tägliches Geschäft, und alles was zur Normalität wird, reflektiert man auch nicht mehr so stark.
Es kommt auch darauf an, wie der Charakter gestrickt ist. Wenn ein zartes Seelchen plötzlich mit Mord und Todschlag konfrontiert wird, ist das sicher ein Schock. Andere Charaktere gehen vielleicht eher cool mit solchen Situationen um.
Ob die 'Bösen' unbedingt mehr töten, als die 'Guten' sei mal dahingestellt. Das kommt wahrscheinlich darauf an, was die Bösis so vorhaben. ;)
Wird jemand zu Bösewicht, dann muss eben nachvollziehbar sein, warum er diesen Weg einschlägt. Das Töten wird wahrscheinlich auch mit jedem Mal leichter. Bei Serienkillern soll es ja geradezu zur Sucht werden.
Also kurz - es ist eine Frage der Darstellung, ob es gelingt, den Leser/innen die Motive des Charakters glaubwürdig und nachvollziehbar nahe zu bringen. Dabei darf die entsprechende Figur natürlich durch Konflikte gehen - und muss es auch, um Sympathisanten zu finden. Wenn die Konflikte allerdings auf einer persönlichen Ebene stattfinden, anstatt auf der übergeordneten moralischen, dann ist das wahrscheinlich überzeugender.
Ein böses ethisches Thema ...
Wie soll man wissen, wie das Töten ist, wenn man selber noch keinen auf dem Gewissen hat? Da kann man sich ja nur in Mutmaßungen wälzen. Aber ich versuchs trotzdem mal :)
ZitatSoll er bereuen, dass er ja ständig zum Töten gezwungen ist? Soll er die Morde, die er begangen hat, ewig bereuen?
Ewig bereuen? Und den Leser dann mit ständigem Selbstmitleid quälen? Bwah, ich weiß nicht. Ich denke, es kommt immer darauf an, wen und aus welchem Grund man tötet. Kommt ein Feind auf mich zu, der mir definitiv nicht lieb um den Hals fallen will, sondern eher den selbigen abschlagen, dann ist es Selbstschutz, ihn zu töten. Reiner Selbsterhaltungstrieb. Nicht nett, aber immerhin besser, als selbst dabei zu sterben.
Bekomme ich hingegen von meinem Vorgesetzen den Befehl, ein Dorf auszuräuchern und alles zu töten, sei es Frau, Kind oder Greis, dann ist das etwas, das man hätte vermeiden können. Blindlings einem Befehl zu folgen entschuldigt keine Verbrechen.
Würde der Prota es trotzdem tun, ob aus Angst oder aus Ehrgeiz, dann würde ich ihn zumindest in den Träumen mächtig leiden lassen :darth: Sofern man sich nicht zu sehr in Tragik wälzt, könnte das ein interessanter Motivationsgrund sein, dass er sich ändert (als schnelles Beispiel nenne ich mal die Figur des Nathan Algren aus "Last Samurai")
ZitatSagt ihr, "es ist Krieg", und dann ist es ok zu töten?
Ok ist es nie, das Leben eines anderen zu nehmen. Aber trotz allem gehört das Töten zum Leben dazu. Ohne Töten gibt es kein Überleben. Die Starken haben schon seit jeher über die Schwachen dominiert. Das fängt bei der Katze an, die die Maus fängt und frisst, und hört bei den Diktatoren auf, die die Pranke auf den roten Knopf hauen und eine Atombombe aufs Nachbarland schießen. Selbst Affenfamilien überfallen benachbarte Gruppen und verjagen oder töten diese, um deren Revier für sich zu beanspruchen.
ZitatIch könnte mir vorstellen, dass eine Figur, die oft getötet hat, abstumpft und sich keine Gedanken mehr macht, wenn sie einmal mehr tötet. Damit hätte man das Problem wahrscheinlich aus der Perspektive raus - aber ob das eher vertretbar ist? Es ist ja eigentlich noch gruseliger ...
Ich weiß nicht, ob es so einen Punkt gibt, an dem man abstumpft. Vielleicht innerhalb des Zeitraums, in dem man so viele Morde begeht (Krieg, zum Bleistift). Aber auch aus unseren Weltkriegen weiß man, dass die Veteranen früher oder später von ihren Taten eingeholt wurden. Viele trugen ihre seelischen Wunden davon, auch wenn sie im hitzigen Gefecht wahllos auf alles schossen, was sich bewegte, und mit Sicherheit am Tod zahlloser Menschen schuldig waren. Aber irgendwann holte auch sie das Erlebte ein, und mit ihm das Gewissen.
Worüber ich nicht schreiben wollte, wäre jemand, dem das Töten wirklich Freude bereitet. Ich will mir nicht anmaßen, in den Kopf eines psychisch Kranken schauen zu können und seine Beweggründe zu kennen. Außerdem könnte ich zu einer solchen Figur wohl nie eine positive Beziehung aufbauen. Vielleicht als Fiesling, der wirklich eine Antiperson sein soll, aber nie als Protagonist. Der Prota soll trotz allem eine "reine" Seele haben und unterscheiden können, was richtig ist und was nicht, ganz egal, wie brutal und grobschlächtig er auch erscheinen mag.
Wie ist die Kultur deines Helden aufgebaut?
Ob er Probleme mit dem Töten hat, wird zu einem nicht unerheblichen Teil davon abhängen, wie seine Kultur die Aufgabe eines Kriegers sieht und wie er erzogen wurde. Wie empfindet er den Tod? Ist der Tod eines Kriegers etwas Ehrenvolles auch für den, der getötet wird?
Ist in seiner Gesellschaft der Tod gegenwärtiger und rascher als in der unseren, z.B. bei öffentlichen Hinrichtungen bereits wegen relativ kleiner Vergehen?
Und nicht zuletzt: Gibt es einen Jenseitsglauben, der den Tod nur als Übergang in eine schöne andere Welt versteht?
Alle diese Punkte können dazu beitragen daß dein Held seine Tätigkeit des Tötens relativ gelassen nimmt...
Dass ein Mord per se ein abscheuliches Verbrechen ist, ist die Wertung der Gesellschaft. In einer anderen Gesellschaft kann das ganz anders sein. In den nordischen Sagas wird gemeuchelt - auch von Frauen - bis der Arzt kommt. Die germanischen Helden der Völkerwanderung sind für unsere Maßstäbe alle Schwerverbrecher. Da tötet Alboin, der König der Langobarden, den gepidischen König Kunimund, "heiratet" (?) dessen Tochter Rosamunde und zwingt sie dazu, aus der Hirnschale ihres ermordeten Vaters zu trinken. Rosamunde revanchiert sich, indem sie die Ermordung Alboins einfädelt - und der Mönch und Chronist Paulus Diaconus bejammert, dass der große König durch die Ränke eines Weibes gefallen ist.
Es gibt viele Gründe zu töten und Gewissensbisse sind historisch gesehen eher selten. Man kann jemanden nicht leiden, man will ihn beseitigen, man will selbst Karriere machen, hat Angsat um sein eigenes Leben oder will vielleicht einfach nur das Richtige tun.
Die in "Alatriste" beschriebenen Duellhansel sind, nach der Quellenlage, absolut realistisch.
Danke für eure Antworten. Dabei sind viele interessante Gedanken. Vor allem die Rolle, die eine Idee vom Leben nach dem Tod dabei spielt, muss ich noch für meinen persönlichen Kämpfer ausknobeln.
Die Frage war eher - das kam wohl nicht rüber - ob der Autor eine solche Figur als (mehr oder weniger) sympathischen Perspektiventräger vertreten kann. Das hat mit der Wertung des Mordens innerhalb der dargestellten Welt nichts zu tun. Aber da hab ich mich wohl nicht klar ausgedrückt. :hmmm:
Aber als Antwort scheint sich wohl sowas wie ein ja abzuzeichnen. Ich weiß ja auch, dass es gemacht wird ...
Ich glaube, dass man auch über Mord und Totschlag und niedere Beweggründe hinweg sehen kann, wenn man die Figur mit entsprechender Ehrenhaftigkeit ausstattet.
Ansonsten ist wie bei jeder realistischen Figur, dass man als Leser nicht alles gutheißen kann, was sie so treibt und denkt.
Ich habe das Gefühl, ob die Leser noch mit einer Figur sympathisieren können, hat nur sehr bedingt damit zu tun, ob diese Figur ein "Mörder" ist bzw. wie diese Figur damit umgeht - wichtiger ist letztlich, was genau die Figur tut bzw. wie sie und ihre Taten dargestellt werden. Da sind Sympathien nicht unbedingt angemessen zu den objektiv betrachteten Verbrechen verteilt. Im meinem zweiten Teil hab ich mir zum Beispiel mehr Sorgen gemacht, ob eine Hauptfigur noch sympathisch genug rüberkommt, obwohl sie zickig ist und fies zu kleinen Tieren ist, als um die Wirkung reiner Mordtaten ;)
Ich denke, da sind es oft mehr Nuancen als Moral, die über Sympathien entscheiden. Ist der "Mörder" nervig oder kleinlich böse, verzeiht man ihm seine Taten weniger leicht, als wenn er ein wenig dummdreist und lustig rüberkommt ... so unlogisch das bei genauerer Betrachtung auch sein mag. Umgekehrt wirkt eine Figur mit vielen Skrupeln auch nicht unbedingt sympathischer, vor allem dann nicht, wenn sie die Taten trotzdem begeht und Sympathieträger darunter leiden. Entscheidend für die Lesersympathien sind eher die Details des Drumherums als die groben Züge von Taten und Moral der Figur.
Ich persönlich halte es eigentlich bei jeder Figur anders, wie es halt dieser Figur und ihrer Kultur entspricht. Und das Töten stellt da in der Regel auch kein anderes Problem dar als viele andere Stärken und Schwächen einer Figur und deren Umgang damit, die man irgendwo zwischen Glaubwürdigkeit und intendierter Wirkung austarieren muss.
Also, wenn's ein Fantasy-Roman sein soll - da ist das ganz normal, sich durch die Feinde zu metzeln, in einigen Romanen mehr, in anderen weniger. Aber Tote gibt's immer. Der Unterschied, den ich da zwischen gut und böse feststellen kann: Im Gegensatz zu den Bösen metzeln die Guten nicht grundlos. Ein Kerl, der einen Räuber erschlägt, um ein Kind zu retten, kann und darf durchaus sympathisch sein. Ein Räuber, der ein Kind ershclägt, dagegen weniger (außer das Kind war die Wiedergeburt Satans und wollte eine Hölle auf Erden - ähm, "Das Omen" lässt grüßen ...). Es kommt nicht drauf an, ob der Gute tötet, sondern wen und warum. Mal abgesehen davon, dass auch der Gute nicht immer perfekt ist, sonst wär's ja langweilig, sondern auch so seine Schattenseiten hat.
Hallo Coppelia! :winke:
Also ich denke auch, dass die Sympathie des Leser ganz davon abhängig ist aus welcher Situation und mit welchen Motiven ein Mord begangen wird. Notwehr versteht zum Beispiel fast jeder, auch Rache ist ein gängiges Motiv, dass oft "gedulded" wird.
Ich glaube, was wirklich wichtig ist, ist wie du deine Person ansonsten aufbaust. Welche Charakterzüge und positive Seiten sie alles hat, die das Morden "ausgleichen".
Ich würde sie auf jeden Fall nicht vollkommen skrupellos und gefühlskalt ausstatten und auf jeden Fall begründen, warum sie tötet.
LG,
Anamalya
ZitatDie Frage war eher - das kam wohl nicht rüber - ob der Autor eine solche Figur als (mehr oder weniger) sympathischen Perspektiventräger vertreten kann.
Ja, ich glaube schon, dass das geht. Es kommt darauf an, warum er zum Mörder geworden ist und es ist ganz wichtig wie du die Person darstellst. (Eigentlich plapper ich hier nur nach, was die anderen schon geschrieben haben...) ;D
Aber ich glaube fast es ist auch möglich einen Menschen, der ohne eins der entschuldigenden Motive wie "Rache" oder "Notwehr" gemordet hat, fast symphatisch darzustellen. Allerdings finde ich es, wenn so etwas gelingt, immer recht gruselig... :-\
LG,
Kati
Meiner Meinung nach ist es sehr wohl möglich, eine Figur als Sympathieträger zu verwenden, selbst wenn sie Menschen tötet. Was ich allerdings wenig mag, ist die klischeebeladene (und unrealistische) Methode, dass eine Figur Gewissensbisse hat, zu töten, es aber aus Not heraus doch tut, wobei der Autor keinen Zweifel daran lässt, dass die Figur vollkommen im Recht ist und dies am besten noch mehrfach unterstreicht, indem sie sich gegenüber dem Bösen als Lichtbild der Gerechtigkeit und der Güte präsentiert.
Eine ganz andere Frage, die sich mir aufdrängt: Muss der Leser denn Sympathie mit der Hauptfigur empfinden? Ob nun gut oder böse, mit Gewissensbissen oder nicht - kann nicht auch der Antrieb zum Weiterlesen sein, dass man wissen will, ob der vermeindliche Held nun am Ende doch für seine Taten zur Rechenschaft gezogen wird und seine "gerechte" Strafe bekommt?
Ich stelle es mir gerade recht reizvoll vor, den Werdegang eines solchen Mörders beim Leser zu lenken: Der erste Eindruck lässt ihn vielleicht als simplen Mörder, Meuchelmörder, Gesetzeslosen etc. dastehen. Als schlichtweg "böse". Und im Laufe des Romans erfährt man mehr von seinen Motiven, warum er mordet. Das heißt nicht, dass seine Taten deswegen gut sind oder er sie ewig bereut, er wird nur leichter zu verstehen, es ist nachvollziehbar, warum er dies tut.
In meinem neuen Projekt gibt es zwei Völker: Die Eri und die Andraner. Für die Eri sind die Andraner alles, was sie verabscheuen und hassen, das schlichtweg "böse", der Inbegriff der Umweltzerstörung. Und dann taucht "plötzlich" ein Andraner in ihren Reihen auf und sie begegnen ihm ganz natürlich mit Abneigung, Vorsicht, vielleicht sogar ein wenig Hass. Aber das gemeinsame Überleben zeigt einen Weg des Verstehens, der gegenseitigen Achtung usw. Dabei muss sich keiner ewig in Gram verhüllen. Und so unsympathisch die Andraner zu Beginn des Romans auch sein mögen, man lernt doch, sie zu verstehen - wenn auch nicht zwingend, sie gut zu finden [so zumindest die Vorstellung, wie es werden soll.].
Daher die Frage: Ist es nötig, einen Hauptcharakter zum Sympathieträger zu machen? Muss er zwingend als "gut" angesehen werden. Kann er nicht auch ein sehr charmanter, äußerst intelligenter, gewiefert Meuchelmörder sein, dem man sich mit gespaltenen Gefühlen gegenüber sieht. Einerseits sind da die "guten" Eigenschaften, die ihn z.B. bei Frauen ankommen lassen, die ihn vielleicht zu iener Art Heiratsschwindler oder Mitgiftstehler machen, andererseits weiß der Leser ja auch um seine andere Tätigkeit, seine Gesetzeslosigkeit. So ein Zwist ist doch viel interessanter, als einen Charakter zu haben, der mordert, weil er muss, aber sich ständig dafür selbst scheltet oder einer der mordert, weil er will, aber auch an und für sich schlecht ist und das so richtig raushängen lässt.
Je vielschichtiger ein Charakter ist, desto eher findet ein Leser etwas an ihm, das er mag. Auch wenn er den Rest verabscheut.
So zumindest meine Meinung.
Genau das meinte ich. Aber nur weil eine Person nicht gut ist, schließt das ja nicht aus, dass sie kein Sympathieträger ist. ;) Einen Roman über einen solchen Meuchelmörder würde ich in der Tat sehr gerne lesen und ihn vermutlich sympathischer finden, als einen "guten" Helden, oder zumindest interessanter - es würde mich bei der Stange halten.
Hallo!
Ich stimme Joscha und Beate zu. Ich schreibe selbst auch aus der Sicht einiger Personen, die man wohl kaum als gut bezeichnen würde, aber die - wie ich hoffe - trotzdem sympatisch erscheinen, zumindest manchmal ;D und deren Motive man nachvollziehen kann.
Ich denke es kommt einfach darauf an, welche Wirkung man erzielen möchte. Wenn mit der Person nicht das "absolute Gute" verkörpert werden muss, sind es für mich besonders auch die dunklen Seiten, die eine Person interessant machen.
LG
Anamalya
Zitat von: Beate am 30. September 2009, 18:49:06Eine ganz andere Frage, die sich mir aufdrängt: Muss der Leser denn Sympathie mit der Hauptfigur empfinden?
Das ist eine gute Frage. Sympathie muss es vielleicht nicht sein, aber es muss wohl möglich sein, mit den Hauptfiguren "mitzufiebern" - wobei die Frage ist, auf welche Weise man das alles erreichen kann, ob womöglich ein "negatives Mitfiebern" ausreicht. Aber vermutlich hängt das immer auch vom Leser ab, worauf er sich einlassen kann.
Für mich ist die Frage derzeit besonders interessant, weil ich ja selbst eine Art Experiment in dieser Richtung am laufen habe. Im Tag der Messer habe ich ja eine Hauptfigur, die als Meuchelmörder anfängt - und dann noch mal ordentlich einen drauflegt. Ich glaube nicht, dass sie als Sympathieträger taugt, und ich hoffe mal, dass sich keiner der Leser damit identifiziert. Einige meiner Testleser haben sie regelrecht gehasst - und doch meinten selbst Testleser, die nur auf den Sturz dieser Figur gewartet haben, an manchen Stellen, dass sie ihnen leid tut. Was durchaus daran liegt, dass die Figur trotz ihrer Skrupellosigkeit als Held angelegt ist, dass sie Großes vollbringt - und dann und wann durchschimmert, dass sie vielleicht nur zur falschen Zeit am falschen Ort war und unter anderen Umständen, in einer anderen Umfeld und/oder unter der richtigen Führung ihre Talente vielleicht auch sinnvoll hätte einsetzen können.
Ob so was reicht, um den Leser mitzunehmen? Zunächst mal verleiht es dem Text auf jeden Fall einen bitteren Zug und etwas Tragik, und ob man bereit ist, sich von so was durch einen Text "ziehen" zu lassen, müssen wohl die Leser entscheiden. Wenn ich die Reaktionen da absehen kann, weiß ich vielleicht selbst was Genaueres zu dem Thema ... Aber vorsichtshalber habe ich noch ein paar weitere Figuren ins Ensemble gefügt und mich nicht auf das Charisma eines Mörders verlassen ;)
Aber, andererseits: Wenn ich mir die Reaktionen der Testleser im Detail anschaue, ist das Thema mit "Mörder/nicht Mörder" vielleicht nicht ausreichend behandelt. Von den Testlesern, die diese Figur nämlich erbittert gehasst haben, schimmerte zwischen den Zeilen durch, dass eine andere Eigenschaft dieser Figur dafür eine viel größere Rolle spielt: Dass sie alles und jeden vergiftet und korrumpiert, mit dem sie in Berührung kommt - gerade weil sie als "Held" Einfluss und Strahlkraft ausübt und dieses Charisma eigentlich nur dazu gebraucht, um schwächere, aber sympathische Figuren ins Unglück zu führen. Bei gezieltem Nachfragen konnte man eigentlich bei den Testlesern heraushören, dass
diese Eigenschaft eigentlich eine viel größere Wirkung auf die Leser hatte als die bloßen Morde.
Das ist ein Punkt, auf den ich eine meiner derzeitigen Theorieb stütze: Dass der literarische Mord an sich zunächst mal längst nicht den Unsympathiewert hat, den man in der Realität findet. Dass im Gegenteil der Leser nur darauf wartet, sich emotional an die Figuren zu hängen, die er gut kennen lernt - und dass nichts so sehr über die Sympathiewerte einer Figur entscheidet wie die Rolle, die sie innerhalb des präsentierten Figurengeflechts im Roman einnehmen, und weniger ihre objektiven Taten, wie man sie von außen womöglich beurteilen würde. Ich denke also erst mal nicht, dass es sich lohnt, "den Mord" gesondert und für sich auf seine Sympathiewirkung für die Figur zu betrachten. Für Romanfiguren ist es auch nur eine Tat unter vielen, die je nach Inszenierung und Leser eine unterschiedliche Wirkung haben können.
Zitat von: Beate am 30. September 2009, 18:49:06
Daher die Frage: Ist es nötig, einen Hauptcharakter zum Sympathieträger zu machen? Muss er zwingend als "gut" angesehen werden. Kann er nicht auch ein sehr charmanter, äußerst intelligenter, gewiefert Meuchelmörder sein, dem man sich mit gespaltenen Gefühlen gegenüber sieht.
Es gibt durchaus Beispiel für diese Art von Hauptfigur. Nehmen wir mal 'Das Parfüm', um ein populäres Beispiel zu zitieren. Grenouille ist ohne Zweifel ein Massenmörder und ob er nun uneingeschränkt sympathisch ist, wage ich auch zu bezweifeln. Und trotzdem - wir haben ja alle eine ungefähre Vorstellung davon, wie viele Exemplare Patrick Süskind verkauft hat.
Zitat von: Lomax am 30. September 2009, 21:30:44
Im Tag der Messer habe ich ja eine Hauptfigur, die als Meuchelmörder anfängt - und dann noch mal ordentlich einen drauflegt.
Oh, dieser ver:hand:! In Band 1 fand ich ihn schon nur teilzeitsympatisch und jetzt könnte ich ihm an die Gurgel gehen! Allerdings ist mir das Gutgnomgerede über W. zu süßlich, dann lieber sowas wie dieser ver:hand:, auch wenn es schon fast körperlich weh tut, wenn man sieht, wie er immer tiefer in den Strudel gerät, den er selbst angestoßen hat.
Dein verfluchtes, blödes Buch muss ich so schnell wie möglich zu Ende lesen, damit ich mit DEM nichts mehr zu tun habe und vielleicht der eine oder die andere noch ein bisschen was Angenehmes machen!
Für mich zeigt das vor allem: Ein Protagonist muss Emotionen auslösen. Ob er das durch poloitisch korrektes Handeln tut oder durch Mord aus purer Lust am Morden ist für mich nicht wichtig. Ein Gegengewicht sollte da sein, jemand, mit dem man viel Positives assoziiert (obwohl in besagtem Roman dieser Jemand teilweise nur durch Glück, Zufälle und eine besondere Tasche gerettet werden kann. Ein makelloser "Guter" kommt aus vielen Situationen nicht so einfach und plausibel heraus wie ein Charakter, der auch mal zuhaut). Eine Erklärung, warum er so handelt ist für mich ein absolutes Muss. Vielleicht kannst du, Coppi, in einigen Szenen die Perspektive zu jemandem wechseln, der mit deinem Protagonisten eng verbunden ist, ihn schon lange kennt, und der die Veränderung bemerkt. Es gibt ja einige Reaktionen auf das "ewige" Rumschnetzeln in Fantasyromanen. Vielleicht lässt der Prota niemanden mehr an sich heran, obwohl man merkt, dass er sich gerne aussprechen würde. Vielleicht wird er immer aggressiver, weil er mit diesem Wesenszug an sich nicht zurecht kommt. Oder er stumpft ab, wird gefühlskalt, oder er lebt jeden Tag wie seinen letzten ... oder, oder, oder ...
Wichtig ist, dass er den Leser nicht kalt lässt und ihn mitnimmt.
Zitat von: Lavendel am 30. September 2009, 22:24:18Nehmen wir mal 'Das Parfüm', um ein populäres Beispiel zu zitieren. Grenouille ist ohne Zweifel ein Massenmörder und ob er nun uneingeschränkt sympathisch ist, wage ich auch zu bezweifeln.
Stimmt, das Parfüm ist ein perfektes Beispiel. Ein skrupelloser Mörder ohne Rechtfertigung als einzige Hauptfigur, keine anderen Identifikationsfiguren in Sicht. Das taugt wohl als Beweis, das man nichts dergleichen braucht, um die Leser mitzuziehen.
Ich fand das Parfüm auch genial und muss sagen, es hat perfekt funktioniert ;D
Danke für eure Antworten. :)
Mein Gehirn ist heute so breiig, ich kann mich grad nicht dazu angemessen äußern.
Nun, in meinem aktuellen Projekt habe ich als Perspektiventrägerin eine Frau, die allgemein in ihrer Umgebung nur "die Bestie" genannt wird, ich denke, ein Hinweis, auf ihre Taten. Und, um die Wahrheit zu sagen, anfangs hat sie auch absolut keine Gewissenbisse. Später kommt allerdings heraus, dass sie eigentlich ein ganz armes Schwein ist, auch wenn das ihre Taten absolut nicht rechtertigt. Allerdings will ich da zwischendrin noch die Frage aufkommen lassen, wer nun wirklich Schuld an den ganzen Toten trägt. Sie, die sie ja nun effektiv umgebracht hat, oder jene Menschen, die sie so lange gequält haben, bis sie auf die Gewalt, die ihr angetan wurde, mit noch schlimmerer Gewalt antwortet.
Allerdings achte ich darauf, dass sie wenigstens noch ein paar positive Eigenschaften hat, zum Beispiel bricht sie niemals ein einmal gegebenes Wort.
Ich denke einmal, auch nicht Parfüm-Mörder (ich fand das Buch übrigens schrecklich, Gerüche und Mord, wäh) kann man durchaus "sympathisch" finden, wenn sie noch ein wenig menschlich sind. Jene Maschinen-Mörder, die ohne mit der Wimper zu zucken ihren Weg mähen, finde ich jedoch ebenso zum Würgen, wie jene übertriebenen Moralhelden, bei denen ich dann manchmal denke: Dann bleib einfach hinterm Ofen und halt die Klappe!
Zitat von: Rhiannon am 01. Oktober 2009, 21:54:02Ich denke einmal, auch nicht Parfüm-Mörder ... kann man durchaus "sympathisch" finden, wenn sie noch ein wenig menschlich sind.
Ich finde das Parfüm eigentlich gerade darum ein gutes Beispiel, weil ich den "Helden"
nicht sympathisch fand. Gerade das Menschliche fehlte ihm irgendwie. Es war Roman aus der Sicht des Monsters, und ein deutlicher Beweis, dass es auch ganz ohne Sympathie spannend sein kann.
Dazu fällt mir "Les Bienveillantes" von Jonathan Littell ein.
http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Wohlgesinnten
Ist zwar kein *richtiger* Mörder, hängt aber ganz tief bei den Einsatzgruppen der SS mit drin.
Zitat von: Lomax am 01. Oktober 2009, 23:05:59
Ich finde das Parfüm eigentlich gerade darum ein gutes Beispiel, weil ich den "Helden" nicht sympathisch fand. Gerade das Menschliche fehlte ihm irgendwie. Es war Roman aus der Sicht des Monsters, und ein deutlicher Beweis, dass es auch ganz ohne Sympathie spannend sein kann.
Das stimmt, ich habe das Parfum ziemlich schnell gelesen. Allerdings hat hier der Autor ja bewusst versucht, den "Helden" so unsympathisch wie möglich zu machen (z.B. als er ihn immer als Zeck beschrieben hat etc.). Fand ich mal eine echt interassante Art zu schreiben. Was meineserachtens beim Parfüm auch noch so zu dieser Wirkung beigetragen hat, waren die unterschiedlichen, meistens alles nicht besonders sympathischen Charaktere, die Grenuilles verschiedene Charakterzüge immer wieder beschrieben haben, so dass man sehen konnte, welche Wirkung er auf die verschiedenen Menschen hat.
Tolles Buch, aber am Ende schon ziemlich heftig, finde ich.
LG
Anamalya
Ich gebe jetzt auch noch meinen Senf dazu, so :)
Ich fasse mal zusammen, dass es zwei Wege gibt den Leser bei einem eher auf der "dunklen Seite" stehenden Protagonisten bei der Stange halten, sprich ihn zu fesseln.
Zum einen dadurch, dass er für die Person Sympathie empfindet und zum anderen über den Plot.
Was die Sympathie angeht, fallen mir spontan zwei Gefühle ein, die mir eine Figur sympathisch machen:
Mitleid (auch der Hauptfaktor bei FREY) und Bewunderung.
Mitleid entsteht zum Beispiel dann, wenn eine Figur aufgrund einer psychischen Krankheit zum Morden getrieben wird. Oder wenn ihr irgendetwas Schreckliches bevorsteht.
Bewunderung ist auch ein nicht zu unterschätzender Faktor. Beispiele hierfür wären Hannibal Lecter oder Thomas Crown (hier besonders der Film mit Steve McQueen), beides Figuren die sich durch eine hohe Intelligenz, Bildung und eine große Portion Charme auszeichnen. Ein psychopatischer Killer und ein eiskalter Bankräuber und dennoch hat man sie gerne, nein mehr, im Geiste verbündet man sich sogar mit ihnen.
Beim Faktor Plot kommt es darauf an die zentrale Frage richtig zu stellen, nämlich kommt der Protagonist mit seiner Masche durch, oder scheitert er am Ende. Doch auch hier vermute ich, dass sich beim Leser im Laufe der Zeit automatisch Sympathie für die Figur einstellt. Möglicherweise entsteht so eine Art "Stockholm Syndrom". Als Leser hat man das Gefühl mit dem Mörder in einem Boot zu sitzen und fiebert deshalb mit ihm mit.
In jedem Fall aber, sollte der Charakter der Figur vielschichtig angelegt sein, nur dann hat der Autor eine Chance, dass der Leser für seine Figur etwas empfindet.
Allmählich könnt ich ja mal was sagen, aber wie soll ich nach all den tollen Beiträgen anfangen? ;D
Jedenfalls weiß ich nun, dass die Blockade, wenn sie da ist, in meinem Kopf besteht, weil ich wohl fürchte, das Böse zu glorifizieren. Na ja. Ich schreibe ja für Erwachsene. Ich sollte mir auch selbst vertrauen, denke ich.
Bei meiner Figur handelt es sich um einen alten Handlanger des Bösen, der schon ziemlich abgestumpft ist. Früher hat er wohl einmal an gewisse Dinge geglaubt und ist aufgrund dessen in die Abhängigkeit geraten. Jetzt hat für ihn kaum noch etwas Bedeutung als die Aufgabe, der er nachkommt, weil er sonst eigentlich nichts mehr hat. Tja. Ich hab ihn ziemlich zynisch geplant, weiß noch nicht, ob mir das gelingt ... und er soll anfangen, seiner Aufgabe zu misstrauen. Ursprünglich hat er sie nämlich nicht aus Bösartigkeit angefangen, sondern aus Glaubensgründen.
Na ja, das kann noch heiter werden mit der Figur. Jedenfalls ist er über die Phase des Selbstvorwürfe-Machens sicher schon lange hinaus. ::)
Diese Idee von Wölfin wollt ich noch mal hervorheben, weil ich sie so schön finde:
ZitatVielleicht kannst du, Coppi, in einigen Szenen die Perspektive zu jemandem wechseln, der mit deinem Protagonisten eng verbunden ist, ihn schon lange kennt, und der die Veränderung bemerkt.
Dummerweise geht es bei dem Typen nicht, weil er schon zu lang ein Mörder ist, als die Perspektive einsetzt.
Abgesehen davon, dass ich das "Parfum" zwar gut fand, konnte ich die Motivation, für Parfum zu töten, nie recht nachvollziehen ... und auch Bewunderung für die Bösen ist mir eher fremd. Mitleid nicht. ;D
Ich glaube, ein weiter wichtiger Punkt, damit man als Leser mit einer Figur "mitfiebert", ist, dass sie sich für ein bestimmtes Ziel einsetzt. Wenn sie nur doof rumhängt, nervt das die Leser. Gerade wenn die Figur in einer mitleiderregenden Situation ist, kostet es sie Sympathien, wenn sie rumsitzt und sich selbst Leid tut, auch wenn es nachvollziehbar ist. Ein Problem bei Lotti 3 ... :seufz:
Jetzt fällt mir erstmal nichts mehr ein ...
das ist wirklich ein komplexes Thema. Ich denke, es kommt wesentlich darauf an, wie das ganze beschrieben wird und wie der Held damit umgeht. Ich mag generell keine Bücher lesen, in denen jeder erstochen wird, der gerade im Weg steht. Und auch wenn der Chara einen Grund hat zu töten, Notwehr könnte man wohl noch am ehesten verzeihen, oder Krieg, dann komt es für mich darauf an, ob der Held einfach alle abschlachtet, die ihm im Weg stehen und nachher auch noch stolz darauf ist, oder ob er auch Mitleid empfindet. Ich würde selbst auf jeden Fall kein Buch schreiben, in denen der Held reihenweise mordet und nicht darüber reflektiert wird. Das ist einfach eine Gewaltverherrlichung, man kann sich das zwar toll vorstellen, aber ich finde es persönlich nicht richtig, so darüber zu schreiben.
Deshalb gefallen mir auch die meisten Fantasybücher, in denen gekämpft wird nicht. Die Beschreibung der Gefühle und die Auswirkungen auf die Psyche der Charaktere kommen mir einfach unrealistisch vor.
Wenn der Held im Plot jemanden ermorden muss, sollte er schon darüber reflektieren, aber gleichzeitig will man auch nicht den Rest des Buches über das Trauma lesen, dass er dadurch erleidet.
Wenn der Held unsympathisch sein soll, dann kann man es als Autor denke ich auch vertreten, die Morde zu beschreiben. Es kommt immer darauf an, wie man es darstellt.
Wenn das Buch eher lustig ist, ist es etwas anderes, dann verzeiht man schon eher ein paar Morde.
Zitat von: Coppelia am 03. Oktober 2009, 06:03:06
Bei meiner Figur handelt es sich um einen alten Handlanger des Bösen, der schon ziemlich abgestumpft ist. Früher hat er wohl einmal an gewisse Dinge geglaubt und ist aufgrund dessen in die Abhängigkeit geraten. Jetzt hat für ihn kaum noch etwas Bedeutung als die Aufgabe, der er nachkommt, weil er sonst eigentlich nichts mehr hat. Tja. Ich hab ihn ziemlich zynisch geplant, weiß noch nicht, ob mir das gelingt ... und er soll anfangen, seiner Aufgabe zu misstrauen. Ursprünglich hat er sie nämlich nicht aus Bösartigkeit angefangen, sondern aus Glaubensgründen.
Na ja, das kann noch heiter werden mit der Figur. Jedenfalls ist er über die Phase des Selbstvorwürfe-Machens sicher schon lange hinaus. ::)
Das klingt jetzt sehr stark nach einer gewisse Figur aus meiner Sessian Trilogie :hmhm?:
Ich habe allerdings das Glück (?), das dieser Mann in Teil 1 nur den Status einer wichtigen Nebenfigur hat und kein Perspektiventräger hat. Es wird lediglich angedeutet, dass er verräterische Gedanken haben könnte, aber so richtig erfährt der Leser das dann erst, als es soweit ist. Ganz am Ende des Romans gibt es dann eine Art "klärendes Gespräch" zwischen ihm und einer Person, die ihm sehr nahe steht, in dem heraus kommt, dass er eigentlich schon lange weg wollte von der "bösen" Seite, aber es gelang ihm nicht, die eingefahrenen Gleise zu verlassen, er war also auch abgestumpft, zugleich aber auch von sich selbst angewidert - trotzdem kam er nicht weg, weil er auch Angst hatte vor der Rache seines bösen Obermotzes und er glaubte, das die "Guten" ihn nicht mehr würden haben wollen ... also blieb er dann halt wo er war und machte einfach weiter ...
In Teil 2 und 3 wird er dann der wichtigste Perspektiventräger und da reflektiert er dann auch öfters mal über seine früheren Gräueltaten. Er gehört mittlerweile wieder auf die Seite der "Guten" und versucht sich dort möglichst gut zu benehmen, kann sich aber nicht mehr so richtig einleben, deshalb geht er schließlich dann auch. - Manchmal nutzt er auch noch seinen "alten Ruf" aus, um Leute in irgendwelchen Diskussionen zu überzeugen, aber insgesamt mutiert er eher zu einem richtigen Moralaposten, über den sogar einige der "Guten" manchmal entnervt die Augen verdrehen ;D
Nun ja, ich find schon, dass er mir bisher irgendwie sympathisch gelungen ist. ;D
Und in meinem NaNo Roman, den ich grad erst plotte, habe ich eine Rebellin als Perpektiventrägerin und Antagonistin. Sie hat natürlich ihre Überzeugungen und ihr Ziel wäre in unseren Augen wohl sogar völlig richtig. Allerdings sind ihre Methoden rabiat, da nutzt es auch nichts, dass sie "nur" Leute umbringt, die es ihrer Meinung nach verdient haben ... ::)
Da wir ja ohnehin schon festgestellt haben, dass in Fantasyromanen nun mal häufig gemordet wird, auch von den "Guten", denke ich, dass ein Leser das soweit aktzeptieren könnte, zumal ich sie davon abgesehen eigentlich ganz nett darstelle und bei ihren ersten paar Auftritten im Roman weiß man auch noch nicht, wozu sie fähig ist und das sie die heimliche Anta ist ... Sie ist eigentlich recht charismatisch, denke ich. Nun ja, mal schauen, ob es mir wirklich gelingen wird, Sympathie für sie zu erwecken, BEVOR sie das erste Mal jemand umbringt ...
Schließlich wird sie aber auch ein einziges Mal absichtlich einen Unschuldigen umbringen, der ihr zuvor vertraut hat. Sie beabsichtigt, die Schuld jemand anderem zuzuschieben und einen Krieg anzuzetteln, der ihrer Meinung nach notwendig ist, um ihre Ziele zu erreichen. Im Prinzip wird sie dann also auch alle Tode in diesem Krieg verschulden und ich denke mal, dass sie sich spätestens dann die Lesersympathien verspielt. Allerdings beabsichtige ich auch, dass sie über diesen Mord und die Folgen stark reflektiert.
Trotzdem gehe ich mal davon aus, dass die Sympathien für sie dann weg sind und sie ab da eher in die Antagonistenrolle kommt.
Über das Romanende habe ich mich ehrlich gesagt noch nicht entschieden, mal schauen, ob meine Rebellin am Ende siegt, oder ob sie überlebt ...
Gewaltverherrlichung will ich natürlich nicht betreiben, aber meine Zielgruppe sind ja doch eher Erwachsene und denen traue ich schon zu, dass sie selbstständig denken können und wissen, was sowohl im Roman als auch im realen Leben moralisch richtig und was falsch ist ;)
Schwarz-Weiß-Malerei finde ich an sich ziemlich öde, insbesondere in meinem NaNo Roman haben die drei verfeindeten Parteien eigentlich alle unterschiedliche helle oder dunkle Graustufen und die Protas unterscheiden sich nur insofern, dass sie unterschiedlich stark reflektieren bzw. sich unterschiedlich stark von ihrem Gewissen beeinflussen lassen, bzw. dieses ausschalten können ...
Kennt hier jemand den Jugendroman "Pirates!" von Celia Rees?
Die Ich-Erzählerin Nancy erschießt zu Anfang erst einen leidenden Mann, dem nicht mehr zu helfen ist, dann recht kaltblütig einen Mann, der sich an einer Sklavin vergehen will. Kurz nach diesem Mord wird sie zur Piratin.
Eigentlich sollte Nancy einem sehr unsymphatisch sein, aber das ist sie nicht. Sie ist eine meiner Lieblingsprotagonistinnen und "Pirates!" ist eines meiner absoluten Lieblingsbücher.
Ich glaube, Celia Rees hat es geschafft Nancy trotzdem sympathisch erscheinen lassen, indem sie ihre guten Seiten und ihre recht traurige Vergangenheit mehr in den Vordergrund gestellt hat, als ihre Verbrechen. Man denkt sich nicht bloß, dass Nancy eine Kriminelle ist, man macht sich auch Gedanken darüber, warum sie es ist und was dahinter steckt. Und was sie nebenbei noch ist.
LG,
Kati
Die Art, wie ein Charakter mit dem Morden umgeht, ist für mich ein sehr interessanter Aspekt an der ganzen Sache. Der echte Sympathieträger wird dafür bestimmt von ziemlichen Gewissenbissen geplagt, der Idealist sieht es als den Preis für die gute Sache. Als Beispielt fällt mir spontan die Serie "Jekyl" ein, die lief mal auf Arte, bestand nur aus 6 Folgen und ich fand sie einfach nur super. Es gab einerseits den sympatischen Dr. Jackman, der seine zweote, brutale Persönlichkeit, die sich nach der Lektüre von Stevensons Roman Hyde nennt, aufgrund seiner schlimmen Taten verabscheut. Trotz all dem mochte ich Hyde eigentlich ganz gerne, auf eine merkwürdige Art und Weise. Er hat Menschen zum Spaß getötet, sie gequält und mit ihnen gespielt, aber all das und auch der gut Schauspieler machten diesen Charakter für mich unheimlich interessant und faszinierend, wenn auch nicht sympathisch. Man kann Charaktere auf verschiedene Arten mögen, ein skrupelloser Mörder als Hauptperson kann durchaus funktionieren.