Hallo liebe Leute!
Lang, lang ist's her nach meinem letzten lang, lang ist's her Post :pfanne: .
Ich hoffe euch ist es gut ergangen. Mir jedenfalls ja.
Meine Frage bezieht sich auf meinen Urban Fantasy Roman, den ich mal angefangen habe, gescrapped habe und nun von neuem angefangen habe.
Es geht um Lisbeth (Mutter, Hexenmutter) und eine ihrer Tochter Christina, die Hauptprotagonistin meines Romans.
Kontext: Lisbeth ist hunderte Jahre alt. Sie hat die Hexenverfolgung(en) erlebt und überlebt, unzählige Schwestern und Töchter durch die Inquisition verloren. Sie hat ihre Zirkel geopfert in einem Ritual um ihr Leben zu verlängern und Magie zurückzubringen (alles von den Zirkel unterstützt, ein willentliches Opfer, das von allen mitgetragen wurde). Kurz darauf versiegelt die Kirche das Hexenherz (physische, sphärische, unzerstörbare Manifestation von Magie) und jegliche Beweise für die Existenz von Magie und magischen Wesen (Nachtkrapp, Klagmuhme, Nixen, etc) wird vernichtet, versteckt und vertuscht. Dies fand weltweit so oder so ähnlich über die Jahrhunderte bis 2025 statt. Dann hat Lisbeth das Siegel gefunden, zerstört und Magie zurückgebracht. 30 bis 35 Jahre vorher hat Lisbeth 4 Töchter bekommen, alle von verschiedenen Vätern, alle zur Adoption freigegeben, damit Lisbeth sich auf ihre Suche konzentrieren konnte, bis sie soweit war, ihre Kinder wieder "einzusammeln". Soweit zu Lisbeth und ihrer Geschichte.
Christina ist die Jüngste ihrer Schwestern und hatte eine schwere Kindheit. Nie adoptiert, das Gefühl des Ungewolltseins ist sehr präsent in ihr, was sie zu einer zynischen, rebellischen und direkten Person macht. Es gibt nur vier Dinge auf der Welt, die ihr etwas bedeuten: Tattoos, Piercings, Zigaretten und ihre beste Freundin Jenny. Nachdem Lisbeth das Siegel zerstört und das "Hexenherz" befreit, erwacht eine Zeit später die Magie in Christina. Dinge passieren und ihre Mutter liest sie auf.
Soweit zu Christina und sorry für den sehr, sehr langen Kontext.
Die Frage ist eine, die eigentlich noch Zeit hat beantwortet zu werden, aber es lässt mich nicht los. Wie soll am Ende die Beziehung zwischen Lisbeth und Christina aussehen?
Beides sind Charaktere mit unendlich viel Wut und Zorn im Bauch. Lisbeth ist deutlich kalkulierender in all dem, was auch der Umgang mit ihren Töchtern angeht. Sie wurden vorbereitend geboren um später der neue Hexenzirkel der "neuen Welt" zu werden. Bis es aber soweit war, waren sie eine Last, also Adoption und viel Glück.
Christina, unter ihrer harten, stacheligen Schale ist ein verletztes, frustriertes, trauriges Kind, dass sich selbst schützt indem es sich isoliert. Sie ist nur sie selbst mit Jenny und nur Jenny kommt mit ihrer rauen, zynischen und schmerzhaft direkten Art klar.
Ich schwanke zwischen...versucht es Christina? Überwiegt ihre Sehnsucht für's Gewolltsein ihren Zorn? Kann zwischen Lisbeth und Christina eine fast warme und wertschätzende Beziehung existieren, wenn auch nur temporär? Oder ist zu viel explosives Potential zwischen beiden Charakteren, dass es schlicht unmöglich wäre, das mit ihren Historien zu vereinbaren?
Vielen Dank im Voraus für jegliches Feedback :)
Danke für die herausfordernde Frage!
Ich habe den Eindruck, dass du gerne ein JA auf deine Frage hören würdest. Sonst hätte es keinen Sinn, die Frage zu stellen. Du könntest entscheiden, dass die beiden nix miteinander anfangen können und Punkt. Aber du fragst, also möchte ich gerne das JA unterstützen:
Wahrscheinlich hilft dir eine konkrete Antwort aus dem echten Leben mehr als Ideen, also gebe ich dir, was ich habe:
Ich bin nicht bei meinem Vater aufgewachsen, aber ich wusste immer, dass es einen gibt. Irgendwo. Den Gedanken fand ich wundervoll und da ich ja mit Fantasie gesegnet bin, konnte ich mir gut vorstellen, dass man sich irgendwann sieht und dann alles ganz klasse ist.
Christina könnte, wenn sie ein paar gute Erfahrungen mit Bezugspersonen gemacht hat, vielleicht einfach träumen, sie wüsste, dass sie eine Mutter hat. Eine imaginäre Mutter. Eine Art Platzhalter, bis die echte auftaucht.
In meinem Fall habe ich meinen Vater getroffen und kenne ihn inzwischen recht gut. Das Problem war dann, diesen imaginären Elternteil loszulassen und den echten Menschen zu nehmen, wie er eben ist. Mein Vater kam belastet mit früheren Beziehungen, einem krassen Dickschädel und natürlich Schuldgefühlen, die noch immer zwischen uns stehen.
Zwischen Lisbeth und Christina muss die Vergangenheit natürlich zu Spannungen führen, das ist klar. Besonders, wenn Lisbeth schon ihre Päckchen mitbringt, in ihrem Fall sind das ja Lastwagen voller Umzugskartons. Aber der Wunsch könnte ja da sein, nochmal was Neues anzufangen.
Mein Vater hat einen wundervollen Humor, und wir haben einen ähnlichen Geschmack. Vieles scheint ganz leicht, wenn ich mit ihm zusammen bin (wir haben natürlich auch Probleme, klar). Ich mag seine Art, Dinge anzugehen. Er riecht vertraut.
Christinas raue Art könnte natürlich in Lisbeth ihren Spiegel finden. Lisbeth hat ja viel durchgemacht und ihre Art gefunden, mit sich selbst zu leben. Eventuell könnte Christina da viel von ihrer Mutter lernen. Es könnte witzig für sie sein. Vielleicht haben sie beide eine ähnliche Art Humor, der sie durch Krisen trägt. Vielleicht ist da Vertrautheit. Ein hexischer Duft. Eine Wahrnehmung der Welt. Man ist unter normalen Leuten.
Abschließend denke ich, dass Lisbeth und Christina durchaus die Möglichkeit haben, positive Erfahrungen miteinander zu machen. Nach dem, was du geschrieben hast, steht die Welt quasi zwischen ihnen und es gibt mehr Gründe dagegen als dafür. Sieht den beiden ähnlich, das Unmögliche zu versuchen. Rational betrachtet muss Christina auf ihre Mutter wütend sein, sie muss sich wünschen, sie zur Verantwortung zu ziehen. Möglicherweise ist Lisbeth aber gar nicht dagegen. Sie könnte es als reinigend empfinden, wenn ihre Tochter ihr das Ausmaß ihrer Frustration zeigt. Vielleicht könnte da auch Magie eine Rolle spielen?
Was noch helfen könnte, wäre, wenn beide eine gemeinsame Mission hätten. Und wenn es nur das beiderseitige Wohlergehen ist.
In der Hoffnung, dass dir das weiterhilft wünsche ich dir gutes Gelingen mit deinem Roman!
Zitat von: novembercat am 02. März 2025, 15:24:03Danke für die herausfordernde Frage!
Ich habe den Eindruck, dass du gerne ein JA auf deine Frage hören würdest. Sonst hätte es keinen Sinn, die Frage zu stellen. Du könntest entscheiden, dass die beiden nix miteinander anfangen können und Punkt. Aber du fragst, also möchte ich gerne das JA unterstützen:
Wahrscheinlich hilft dir eine konkrete Antwort aus dem echten Leben mehr als Ideen, also gebe ich dir, was ich habe:
Ich bin nicht bei meinem Vater aufgewachsen, aber ich wusste immer, dass es einen gibt. Irgendwo. Den Gedanken fand ich wundervoll und da ich ja mit Fantasie gesegnet bin, konnte ich mir gut vorstellen, dass man sich irgendwann sieht und dann alles ganz klasse ist.
Christina könnte, wenn sie ein paar gute Erfahrungen mit Bezugspersonen gemacht hat, vielleicht einfach träumen, sie wüsste, dass sie eine Mutter hat. Eine imaginäre Mutter. Eine Art Platzhalter, bis die echte auftaucht.
In meinem Fall habe ich meinen Vater getroffen und kenne ihn inzwischen recht gut. Das Problem war dann, diesen imaginären Elternteil loszulassen und den echten Menschen zu nehmen, wie er eben ist. Mein Vater kam belastet mit früheren Beziehungen, einem krassen Dickschädel und natürlich Schuldgefühlen, die noch immer zwischen uns stehen.
Zwischen Lisbeth und Christina muss die Vergangenheit natürlich zu Spannungen führen, das ist klar. Besonders, wenn Lisbeth schon ihre Päckchen mitbringt, in ihrem Fall sind das ja Lastwagen voller Umzugskartons. Aber der Wunsch könnte ja da sein, nochmal was Neues anzufangen.
Mein Vater hat einen wundervollen Humor, und wir haben einen ähnlichen Geschmack. Vieles scheint ganz leicht, wenn ich mit ihm zusammen bin (wir haben natürlich auch Probleme, klar). Ich mag seine Art, Dinge anzugehen. Er riecht vertraut.
Christinas raue Art könnte natürlich in Lisbeth ihren Spiegel finden. Lisbeth hat ja viel durchgemacht und ihre Art gefunden, mit sich selbst zu leben. Eventuell könnte Christina da viel von ihrer Mutter lernen. Es könnte witzig für sie sein. Vielleicht haben sie beide eine ähnliche Art Humor, der sie durch Krisen trägt. Vielleicht ist da Vertrautheit. Ein hexischer Duft. Eine Wahrnehmung der Welt. Man ist unter normalen Leuten.
Abschließend denke ich, dass Lisbeth und Christina durchaus die Möglichkeit haben, positive Erfahrungen miteinander zu machen. Nach dem, was du geschrieben hast, steht die Welt quasi zwischen ihnen und es gibt mehr Gründe dagegen als dafür. Sieht den beiden ähnlich, das Unmögliche zu versuchen. Rational betrachtet muss Christina auf ihre Mutter wütend sein, sie muss sich wünschen, sie zur Verantwortung zu ziehen. Möglicherweise ist Lisbeth aber gar nicht dagegen. Sie könnte es als reinigend empfinden, wenn ihre Tochter ihr das Ausmaß ihrer Frustration zeigt. Vielleicht könnte da auch Magie eine Rolle spielen?
Was noch helfen könnte, wäre, wenn beide eine gemeinsame Mission hätten. Und wenn es nur das beiderseitige Wohlergehen ist.
In der Hoffnung, dass dir das weiterhilft wünsche ich dir gutes Gelingen mit deinem Roman!
Vielen Dank für diesen sehr privaten Einblick!
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mich nicht für ein zumindest bittersüßes Ende für beide Charaktere sehnen würde, während ich das erste Treffen mit beiden schreibe :P . Allerdings versuche ich natürlich auch, die Beziehungen so glaubwürdig wie möglich zu gestalten. Rein von dem, was ich mir so als Ende vorstelle und wie der moralische Kompass von Christina so ausgerichtet ist, ist ein endgültiges Happy End zwischen beiden schlicht nicht vereinbar. Falls allerdings, irgendwo zwischendrin, eine Phase zwischen beiden existieren kann, in der man sich fragt "ist das, was sie hätten haben können, in einer idealen Welt?", dann kann das Ende umso wundervoller Schmerzhaft sein. :d'oh:
Ich habe lange über deinen Post nachgedacht und habe eine Frage an dich: Ist Lisbeth eigentlich an einer ernsthaften Mutter-Tochter Beziehung interessiert? Und dies bezieht sich nicht nur auf Christina, sondern auch auf ihre Schwestern.
Mein Eindruck ist nämlich, dass die Töchter überhaupt nur als Mittel zum Zweck geboren wurden, um Lisbeths Agenda voranzutreiben. Unter solchen Umständen kann meiner Meinung nach keine dauerhaft wertschätzende Beziehung entstehen. Ich möchte Lisbeth hier nicht verdammen, ihre Vergangenheit ist schließlich traumatisch genug, aber ohne ganz viel Reflexion, Charakterentwicklung und Heilung fände ich ein Happy End nicht glaubwürdig, egal ob Christina sich auf einen Versuch einlassen würde oder nicht.
Zitat von: Novae am 02. März 2025, 18:46:12Ich habe lange über deinen Post nachgedacht und habe eine Frage an dich: Ist Lisbeth eigentlich an einer ernsthaften Mutter-Tochter Beziehung interessiert? Und dies bezieht sich nicht nur auf Christina, sondern auch auf ihre Schwestern.
Mein Eindruck ist nämlich, dass die Töchter überhaupt nur als Mittel zum Zweck geboren wurden, um Lisbeths Agenda voranzutreiben. Unter solchen Umständen kann meiner Meinung nach keine dauerhaft wertschätzende Beziehung entstehen. Ich möchte Lisbeth hier nicht verdammen, ihre Vergangenheit ist schließlich traumatisch genug, aber ohne ganz viel Reflexion, Charakterentwicklung und Heilung fände ich ein Happy End nicht glaubwürdig, egal ob Christina sich auf einen Versuch einlassen würde oder nicht.
Ein Happy End ist auch definitiv nicht das, worauf ich hinaus will, weil es nicht möglich wäre. Dafür ist der moralische Kompass von Christina viel zu inkompatibel mit dem von Lisbeth.
Und Lisbeth *ist* egoistisch, manipulativ und nach Jahrhunderten obsessiver Suche viel zu entfremdet von der Menschheit und Gesellschaft als solches. Mir geht es um Momente und Phasen in denen sie in ihren Töchtern was anderes sieht als das, was sie für sie geplant hat, als Mittel zum Zweck für ihre Agenda. Aber, besonders, geht es mir um Momente, in denen Christina sieht, dass Lisbeth nicht immer so war wie sie ist, das auch sie ein Opfer von Unständen ist, und das es anders hätte sein können. Es soll kein kompletter redemption arc werden, beileibe nicht. Momente, in denen Christina (und der Leser) das Gefühl hat von "Wow. So hätte es sein können." Wenn das glaubhaft möglich zu machen ist, dann kann das Ende, das ich im Kopf habe, noch mehr an emotionaler Wucht entfachen.
Zitat von: BUg am 02. März 2025, 20:27:48Ein Happy End ist auch definitiv nicht das, worauf ich hinaus will, weil es nicht möglich wäre. Dafür ist der moralische Kompass von Christina viel zu inkompatibel mit dem von Lisbeth.
Und Lisbeth *ist* egoistisch, manipulativ und nach Jahrhunderten obsessiver Suche viel zu entfremdet von der Menschheit und Gesellschaft als solches. Mir geht es um Momente und Phasen in denen sie in ihren Töchtern was anderes sieht als das, was sie für sie geplant hat, als Mittel zum Zweck für ihre Agenda. Aber, besonders, geht es mir um Momente, in denen Christina sieht, dass Lisbeth nicht immer so war wie sie ist, das auch sie ein Opfer von Unständen ist, und das es anders hätte sein können. Es soll kein kompletter redemption arc werden, beileibe nicht. Momente, in denen Christina (und der Leser) das Gefühl hat von "Wow. So hätte es sein können." Wenn das glaubhaft möglich zu machen ist, dann kann das Ende, das ich im Kopf habe, noch mehr an emotionaler Wucht entfachen.
Ich denke du hast deine Antwort?
Christina kann zb von der seitenlinie sehen, das ihre Mutter sich durchaus kümmert, wenn auch aus den falschen gründen, vielleicht wird es ihr zb auch immer erst danach klar und macht sie wütend, gerade anfangs?
Und ihrer Mutter geht vielleicht auch mal der Mutterinstinkt durch?
Als jemand der entdeckend schreibt, würde ich dir raten zu sehen wie es passt am Ende, wie sie zu einander stehen nachdem was sie miteinander durchgemacht haben. Es ist eine perfekte frage um sich durch den Roman zu schreiben und die Schlussfolgerung am Ende selbst erst zu machen ;D
Wenn die Mutter aber nicht shiftet zu "ich will (irgendeine Art von positiver) Mutter-Tochter-Beziehung", dann wird es bestenfalls auf einem neutralen Status enden. Vielleicht werden sie auch nie wirklich Mutter und Tocher aber zumindest sowas wie Freunde oder verstehen sich in eine Art Arbeitsverhältnis (vielleicht schwer mit starkem moralischen Kompass) Aber je nachdem was bis dahin passiert, kann alles möglich sein.