Vorab: Ich weiß, dass schon ein Thread zur Wahl der Erzählperspektive existiert, allerdings möchte ich hier nicht über die handwerklichen Unterscheide sprechen. Ich hoffe daher, dass es in Ordnung ist, wenn ich hier im Verlagsbereich einen neuen Thread erstelle.
So, worum geht es konkret? Ich schreibe normalerweise aus der Er/Sie-Perspektive. Auktoriale Erzähler mag ich auch als Leser nicht sonderlich gerne und die Ich-Perspektive ist zwar ganz reizvoll, in den meisten Fällen aber nicht wirklich praktikabel. Ich schreibe plot-driven und mag die Freiheit, in den Kopf einer jeden beliebigen Figur springen zu können.
Nun ist es aber so, dass ich eine kleine, schnuckelige Geschichte für eine Ausschreibung geplottet habe. Der Plot dreht sich sehr stark um die Protagonistin und es gibt in meinen Augen keine Szene, die von einer anderen Perspektive profitieren würde.
Ich überlege nun also, ob ich nicht doch mal die Ich-Perspektive ausprobieren soll. Die Geschichte würde sich dafür anbieten, aber da ich ja für eine Ausschreibung, demnach also für einen Verlag schreibe, stellt sich mir die Frage, welche Signale ich mit der Ich-Perspektive eigentlich aussende. Denn, lasst mich ehrlich sein: Eine weibliche Ich-Perspektive schreit für mich nach (Paranormal) Romance. Das mag Klischeedenken sein, aber es ist nunmal das, was ich als erstes assoziiere und ich frage mich, ob es den potentiellen Lesern nicht genauso gehen würde.
Mich würden daher eure Meinung, aber auch eure Erfahrungen interessieren. Macht es aus Marketingsicht einen Unterschied welche Erzählperspektive man wählt? Signalisiert eine bestimmte Art Erzähler auch eine bestimmte Art Geschichte? Oder denke ich einfach zu viel nach? ;D
Da es, auch unter Marketingtechnischen Gesichtspunkten, um eine technischen Aspekt des Schreibens geht, verschiebe ich das Thema trotzdem in den Workshop. Im Board zum Buch- und Verlagswesen sehe ich zu großes Verwechslungspotenzial mit der Erzähl:perspektive, nämlich der gleichnamigen Literaturagentur.
Ich persönlich mag die Ich-Perspektive überhaupt nicht, weder als Leser noch als Autor. Aber das ist erstmal nur meine Meinung. Deine Angst, dass du mit einer weiblichen Ich-Perspektive Erwartungen an die Handlung ("es wird Romance geben!") weckst, kann ich nicht nachvollziehen. Ich denke vielmehr, dass du mit der Perspektive Erwartungen an eine gewisse Intimität weckst, weil man eben ganz nah an die Figur ran muss. Und hier stellt sich dann die Frage, was der Verlag sucht (eher Plot oder eher Figureninnenleben).
Aber pauschal würde ich an deiner Stelle nicht von der Ich-Perspektive abrücken, sondern einfach mal ins kalte Wasser springen und es ausprobieren!
Auch ich denke nicht, dass die Gefahr besteht, dass man bei einer weiblichen Ich-Erzählerin direkt an Romance denkt. Bei meinen Kurzgeschichten bevorzuge ich beispielsweise die Ich-Perspektive, weil ich gerade für Horrorgeschichten mit cthuloiden Themen dies sehr angenehm empfinde und denke, dass man damit teilweise mehr machen kann. Ich bezweifle, dass da jemand das "Ich" im Text liest und direkt denkt: "Oha! Eine Horror-Romance!" ;)
An sich überlege ich nie aus Marketing-Sicht, welche Perspektive ich wähle, sondern wonach sich die Geschichte eher anfühlt. Bekomme ich für meine Geschichte einen Mehrwert, wenn ich die Ich-Perspektive gegenüber einem personalen Erzähler verwende? Welche Möglichkeiten eröffnet die Ich-Perspektive, die ich mit einem personalen Erzähler nicht hätte? Im Falle meiner cthuloiden Kurzgeschichten beispielsweise setze ich ein wenig darauf, dass der Leser sich in Sicherheit wiegt, weil er denkt, der Erzählstimme kann schließlich nichts passieren - um dann den Boden unter den Füßen weggezogen zu bekommen. Aber es gibt sicherlich auch andere Möglichkeiten, um den Ich-Erzähler gut und effektvoll einzusetzen.
Daher würde ich an deiner Stelle es vielleicht einfach einmal versuchen. Vielleicht entdeckst du ja ein paar Dinge daran, die dir gefallen oder die der Geschichte einen gewissen Pepp geben. Was ich beispielsweise besonders an der Ich-Perspektive mag ist, dass man eben auch in der Stimme der Figur schreiben kann. Gerade bei schlagfertigen oder flappsigen Charakteren kann das eine Geschichte stark beleben und interessanter machen.
Bestimmte Arten von Geschichten würde ich jedenfalls nicht aus einer Erzählperspektive erwarten. Sie liest und schreibt sich schlicht anders, aber dennoch kann man so ziemlich jede Geschichte in allen Erzählperspektiven schreiben. Die Frage ist nur, welche der beste "Nährboden" für das ist, was du erzählen willst. Daran würde ich auch die letztendliche Wahl festmachen.
Übrigens, falls du Sorgen hast, dass die Ich-Perspektive bei Verlagen nicht gerne gesehen ist: Zumindest was Kurzgeschichten-Ausschreibungen betrifft kann ich deine Bedenken da zerstreuen. Alle meine angenommenen Kurzgeschichten hatten Ich-Erzähler und die Verlage schienen damit nie ein Problem zu haben. Aber ich bin mir nicht sicher, ob du mit deiner Geschichte nicht etwas Längeres meintest. Da kann ich (bisher) noch auf keine Erfahrungswerte zurückgreifen.
Für den Fall, dass Vaporea sich hier noch einmal blicken lässt, kann ich nur raten, die Ich-Perspektive auszuprobieren. Sie ist schwer zu schreiben, denn sie verzeiht wenig Fehler, aber gerade in der Kombination mit einer Kurzgeschichte, kann man seine Erfahrungen sammeln. Ich kenne übrigens keinen mittelmäßigen Roman in dieser Perspektive (oder habe alles vergessen), ich erinnere mich nur an Schrott oder große Würfe. Viele von den Romanen und auch Autoren, die mich am meisten beeindruckt haben, schreiben in dieser Perspektive.
Nur zu
Trippelschritt
Zitat von: Trippelschritt am 18. August 2018, 09:24:36
Für den Fall, dass Vaporea sich hier noch einmal blicken lässt[...]
Wieso sollte ich das nicht tun? ;)
Ich habe ein wenig überlegt, wieso meine Einschätzung so viel anders ist als eure geschilderten Eindrücke und befürchte, dass ich bitterböse in ein Klischeedenken gerutscht bin, das mich eigentlich sogar selbst ärgert.
Ich bin weiblich und werde regelmäßig mit Aussagen, wie beispielsweise "Du schreibst doch Romance" oder auch "Ihr Frauen schreibt immer nur diesen Romantik-Kram" konfrontiert. Und während ich es absolut befürworte, dass Frauen, die romantische Geschichten mögen, diese auch schreiben dürfen/können/sollen - ich selbst gehöre nicht dazu. Ich schreibe Fantasy. Und ich möchte, dass meine Geschichten genau das ausstrahlen.
Das führt dann eben dazu, dass ich Dinge vermeiden will, die andere als "typisch weiblich" empfinden oder viel mehr: Von denen ich
glaube, dass andere sie als "typisch weiblich" empfinden
könnten. Dazu gehört auch die weibliche Ich-Perspektive, weil sie mir in den letzten Jahren ausschließlich in Liebesromanen untergekommen ist.
Ich wollte aber nicht nur über die Ich-Perspektive sprechen, sondern generell in die Runde fragen, welche Erfahrungen ihr mit verschiedenen Erzählern gesammelt habt. Wenn ihr also auch etwas zur Er/Sie-Perspektive oder gar zum auktorialen Erzähler zu sagen habt oder Erfahrungen mit der Ich-Perspektive in einem eindeutig nicht romantischen Genre habt (so, wie
@Holger es schon geschildert hat), dann immer her damit. Ich finde das Thema nämlich spannend. :winke:
Ich schreibe nur äußerst ungern der in Ich-Perspektive. Zum einen verzeiht sie - wie Trippelschritt schon schrieb - wenig Fehler, aber der wichtigste Punkt ist: Sie ist nicht für meine Geschichten geeignet.
Ich schreibe am liebsten Geschichten mit Plots, die von verschiedenen Seiten und aus mehreren Perspektiven beleuchtet werden. Die Ich-Perspektive funktioniert für mich da einfach nicht. Und genau davon, glaube ich, solltest du deine Entscheidung abhängig machen. Ist die Ich-Perspektive die beste Art, deine Geschichte zu erzählen, und fühlst du dich damit wohl?
Verwendest du nur deshalb eine andere Perspektive, weil du sie vermeiden willst, kann es deine Geschichte schwächen. Und von mir weiß ich: Schreibe ich in einer Perspektive, die mir nicht liegt, merkt man es meinen Texten deutlich an.
Außerdem lese ich beim Kauf von Büchern den Klappentext und verlasse mich darauf. Solange das Buch das enthält, was ich durch den Klappentext erwarte, werde ich unabhängig von der Perspektive zufrieden sein. Aber die Erzählperspektive entscheidet nicht, was ich vom Inhalt einer Geschichte erwarte.
Zur Zeit läuft eine Modewelle - Hype wäre zu viel gesagt - für die Ich-Perspektive und dann auch noch in Kombination mit dem Erzählstrang im Präsenz. Ein Schreiber, der sein Handwerk verstehen will, sollte wissen, was genau passiert, wenn er das Präsenz als Erzählzeit wählt (Ich weiß es nicht genau, ich hasse Präsenz) und erst recht, welche Vorteile, welche Nachteile und welche Schwierigkeiten ihm die unterschiedlichen Perspektiven bieten.
Die Ich-Perspektive erlaubt eine Nähe und daher auch Intensität, die man sich in er/sie-Perspektive erst ganz hart erarbeiten muss. Andererseits ist das Verflechten von Handlungssträngennur mit multiplen Ichs oder einem Ich.gekoppelt mit er/sie Teilen möglich.
Die größte Schwierigkeit in der Ich-Perspektive ist für mich die Erzählerstimme, die konsequent durchgehalten werden muss. Bei er/sie verzeiht der Leser auch eine weitgehend neutral klingende Stimme, aber nicht bei einem Ich. Der Autor muss seine Erzählfigur also sehr gut kennen und wissen, wie er sich in welcher Situation ausdrücken würde, und nachdem die Stimme erst einmal etabliert wurde, gibt es keine Veränderung mehr. Das durchzuhalten ist nicht immer einfach und bedarf einer guten Vorbereitung. Anererseits, ich habe nur einen Roman in Ich-Perspektive geschrieben und es hat ungaublich viel Spaß gemacht. Seitdem habe ich mich aber nicht mehr getraut. Ich hatte noch keine passende Figur.
Trotzdem: Immer wieder ausprobieren
Trippelschritt
Nur kurz zu der Idee weibliche Ich-Perspektive = Romanze
Unsere (Valkyrie) Tina hat in ihren Valkyrie-Romanen auch die Ich-Perspektive einer weiblichen Hauptfigur. Und da kommt so ein bißchen Romantik-Geplänkel nur am Rande vor. Ansonsten ist, wie ich finde, die Ich-Perspektive ganz besonders passend für Selbstironie und Sarkasmus. Was Tina auch ausgiebig praktiziert. :)
(ähnlich übrigens auch die Bobby-Dollar-Reihe von Tad Williams, wenn auch mit männlichem Prota)
Bei KGs funktioniert das gut. So kann ich eine Geschichte erzählen, die in der Wahrheit vielleicht noch anders war, aber mein Prota erlebt es durch seine spezielle Sicht der Welt eben so. Das finde ich schon reizvoll.
Witzig, ich habe vorgestern erst einen interessanten Podcast zu dem Thema gehört: Variations on First Person Perspective (https://writingexcuses.com/2017/01/01/12-1-variations-on-first-person/)
Achtung, Englisch.
Persönlich habe ich die Ich-Perspektive lange Zeit gehasst, hauptsächlich wegen der nun schon einige Jahre andauernden Modewelle der YA-Romane. Bei meinem aktuellen Projekt bin ich aber dahin gekommen, sie erstaunlich oft zu verwenden. Bestimmte Dinge lassen sich durch die erste Person besser akzentuieren, finde ich - unzuverlässige Erzähler zum Beispiel. Und ich mag den Stil von Geständnissen oder Beichten eines Charakters, direkt als einzelner Monolog abgeliefert.
Persönlich denke ich bei der Ich-Perspektive auch weniger an Romance und mehr an Young Adult Romane wie Hunger Games, Fault In Our Stars und Percy Jackson oder Lovecraft, der eine Variante davon in vielen Geschichten benutzt. Romance kommt für mich da nur am Rande vor über eine Reihe an YA Romane, die halt auch Romance waren, aber da bin ich wohl einfach auf eine bestimmte Art beeinflusst.
Der deutsche Markt mag da auch noch einmal anders aussehen. Ich würde mir da aber keine großen Sorgen machen. Mein aktuelles Romanprojekt wird vermutlich einen weiblichen Hauptcharakter und eine Ich-Perspektive oder eine sehr intime dritte Person-Perspektive haben - und ein Horrorroman über Depression und Kannibalismus sein. Ganz ohne Romance oder höchstens sehr pervertiert. Das hat sich aus anderen Gründen ergeben, aber ich denke nicht, dass die Perspektive dem Marketing sonderlich hinderlich wäre. Wie Trippelschritt ja schon sagte baut man dadurch eine große Intimität zur Figur auf, was seine Vorteile und Nachteile hat, aber je nach Fall auch Emotionen reinbringen kann, die ansonsten vielleicht fehlen würden.
@Trippelschritt: Es ist etwas kleinlich von mir, aber es heißt Präsens. Bitte. Präsenz ist eine Gegenwart, Präsens die Zeitform.
Ich hatte für mich immer die Ich-Form abgelehnt. Bei der letzten Kurzgeschichte hatte es sich dann aber doch angeboten. Sie wurde auch vom Verlag genommen. Es war die Geschichte eines gefangen genommenen Phönix. Also nicht wirklich Romance, hat aber gut funktioniert.
Wie schon andere geschrieben haben, gerade bei Kurzgeschichten kann das mit der Ich-Form sehr gut passen und wird auch von Verlagen genommen.
Weil Du das Marketing angesprochen hast. Ich würde das eher anders herum sehen: (Gay-)Romance funktionert oft in der Ich-Form besser und verkauft sich wahrscheinlich auch besser. Bei anderen Genren kann alles funktionieren.
ZitatAndererseits ist das Verflechten von Handlungssträngennur mit multiplen Ichs oder einem Ich.gekoppelt mit er/sie Teilen möglich.
Ich bin nicht ganz sicher, was du hier meinst, aber man kann problemlos mehrere Ich-Perspektiven haben. Natürlich braucht man dann eine gute Textstimme, aber ich finde, eine gute Textstimme sollte man sowieso immer anstreben. Außerdem muss der Unterschied gar nicht so groß sein, wie man vielleicht denkt. Jedenfalls habe ich noch nie Klagen gehabt, dass jemand meine Figuren nicht unterscheiden kann. Ich denke sogar, dass es in der Ich-Perspektive vielleicht leichter fällt, eine gute Textstimme zu entwickeln.
@Vaporea: Ich würde sagen: probier es doch einfach aus. Gerade, wenn es ein kurzer Text ist.
ZitatDenn, lasst mich ehrlich sein: Eine weibliche Ich-Perspektive schreit für mich nach (Paranormal) Romance. Das mag Klischeedenken sein, aber es ist nunmal das, was ich als erstes assoziiere und ich frage mich, ob es den potentiellen Lesern nicht genauso gehen würde.
Dazu möchte ich auch ehrlich sein: was bitte ist denn so schlimm an Romance, dass du auf gar keinen Fall auch nur Berührungspunkte damit haben möchtest? Ich fände echt schön, wenn wir mal von diesem "Romance igitt" Denken weg könnten. Ich sage ja auch nicht: Ich möchte gern was mit Elfen schreiben, aber dann denken alle, dass ich High Fantasy schreibe und das will ich auf keinen Fall. Auch dass du keine weiblichen Anklänge in der Geschichte willst, um Ähnlichkeiten mit Romance zu vermeiden, finde ich befremdlich. Wenn es dem Charakter deiner Figur entspricht, dass sie weiblich ist und nicht nur einen weiblichen Körper hat, dann solltest du nicht krampfhaft alles weibliche vermeiden, finde ich.
Abgesehen davon finde ich, wenn du ein Stilmittel verwenden möchtest, weil du denkst, dass es perfekt zu deinem Text passt, solltest du dich von sowas nicht abhalten lassen. Wenn es für den Text egal ist, kann man meiner Meinung nach darüber nachdenken, es aufgrund bekannter Leserpräferenzen auf eine bestimmte Art zu machen, aber du schreibst, dass du es für deine Geschichte gut und wichtig fändest. Also mach es.
Außerdem ist die Ich-Perspektive absolut nicht auf Romance festgelegt. Es gibt genug andere Beispiele und bei Kurzgeschichten gelten sowieso noch mal andere Regeln.
Unter dem Thema hatte ich mir übrigens was ganz anderes vorgestellt. Zum Beispiel eine Diskussion darüber, ob Leser bestimmter Genres und bestimmter Verlage bestimmte Perspektiven bevorzugen, welche das sind und wie man damit umgehen kann / möchte / sollte.
Zitat von: Tintenteufel am 18. August 2018, 16:16:06
Witzig, ich habe vorgestern erst einen interessanten Podcast zu dem Thema gehört: Variations on First Person Perspective (https://writingexcuses.com/2017/01/01/12-1-variations-on-first-person/)
Achtung, Englisch.
Danke für den Link. :jau:
Ich habe mir den Podcast vorhin angehört und fand ihn ebenfalls recht interessant. Mir war nicht bewusst, wie vielschichtig die Ich-Perspektive sein kann.
Zitat von: Alana am 18. August 2018, 18:06:24
Dazu möchte ich auch ehrlich sein: was bitte ist denn so schlimm an Romance, dass du auf gar keinen Fall auch nur Berührungspunkte damit haben möchtest?
An Romance ist überhaupt nichts schlimm. Ich schreibe sie nur nicht und möchte auch keine Erwartungen in diese Richtung wecken.
Gleiches gilt auch für andere Genres. Ich schreibe zum Beispiel auch keine Thriller. Würde ich nun ein Manuskript mit der brutalen Tat eines Mörders beginnen und dieses an Verlage schicken, würde ich ebenfalls hier oder bei anderen nachfragen, ob ich damit nicht eventuell falsche Erwartungen wecken könnte.
Wie schon mehrfach erwähnt, wirkt die Kombination aus "weiblicher Autorenname, weibliche Hauptfigur und Ich-Perspektive"
auf mich erstmal wie Romance. Das heißt nicht, dass andere das genauso sehen müssen und wenn ich mir den Thread so durchlese, zeigt er doch ziemlich deutlich, dass ich mit meiner Einschätzung alleine bin. ;)
Zitat von: Alana am 18. August 2018, 18:06:24Ich fände echt schön, wenn wir mal von diesem "Romance igitt" Denken weg könnten.
Wer ist denn dieses "wir"? Ich bin noch nicht allzu lange hier aktiv, aber bis jetzt ist mir noch niemand aufgefallen, der Romance als "igitt" bezeichnet hätte (mich eingeschlossen). Es gibt einige hier, die betonen, dass sie Romance weder mögen noch schreiben. Aber das heißt doch nicht, dass "wir" Romance als etwas schlechtes ansehen.
Zitat von: Alana am 18. August 2018, 18:06:24Auch dass du keine weiblichen Anklänge in der Geschichte willst, um Ähnlichkeiten mit Romance zu vermeiden, finde ich befremdlich. Wenn es dem Charakter deiner Figur entspricht, dass sie weiblich ist und nicht nur einen weiblichen Körper hat, dann solltest du nicht krampfhaft alles weibliche vermeiden, finde ich.
Aber... das habe ich doch nie gesagt. :hmhm?:
Ich habe geschrieben, das ich nicht möchte, dass Verlage meine Geschichten für "typisch weiblich" halten und deshalb entweder ablehnen oder an die falsche Zielgruppe vermarkten wollen. Deshalb frage ich mich auch, ob eine weibliche Ich-Perspektive dieses falsche Marketing verursachen oder zumindest begünstigen könnte.
Ich habe
nicht geschrieben, dass ich meine weiblichen Figuren zu verkappten Männern machen und jeden Hauch von Romantik im Keim ersticken möchte.
Zitat von: Alana am 18. August 2018, 18:06:24Abgesehen davon finde ich, wenn du ein Stilmittel verwenden möchtest, weil du denkst, dass es perfekt zu deinem Text passt, solltest du dich von sowas nicht abhalten lassen. Wenn es für den Text egal ist, kann man meiner Meinung nach darüber nachdenken, es aufgrund bekannter Leserpräferenzen auf eine bestimmte Art zu machen, aber du schreibst, dass du es für deine Geschichte gut und wichtig fändest.
Wo habe ich das denn geschrieben?
Ich schrieb, dass die Geschichte nicht von einem zweiten Perspektivträger profitieren würde. Das heißt aber im Umkehrschluss weder, dass ein zweiter Perspektivträger schaden würde noch, dass der eine Perspektivträger unbedingt ein Ich-Erzähler sein muss.
Da die Erzählform für meinen Text also keine Rolle spielt, macht es (wie du selbst sagtest) durchaus Sinn, dass ich mir überlege, welche Perspektive welche Zielgruppe anspricht bzw. ob es überhaupt Unterschiede gibt.
Zitat von: Alana am 18. August 2018, 18:06:24Unter dem Thema hatte ich mir übrigens was ganz anderes vorgestellt. Zum Beispiel eine Diskussion darüber, ob Leser bestimmter Genres und bestimmter Verlage bestimmte Perspektiven bevorzugen, welche das sind und wie man damit umgehen kann / möchte / sollte.
Genau das war auch meine Intention, als ich den Thread eröffnet habe. Nicht umsonst habe ich gefragt:
Zitat von: Vaporea am 17. August 2018, 20:04:08
Mich würden daher eure Meinung, aber auch eure Erfahrungen interessieren. Macht es aus Marketingsicht einen Unterschied welche Erzählperspektive man wählt? Signalisiert eine bestimmte Art Erzähler auch eine bestimmte Art Geschichte?
Und:
Zitat von: Vaporea am 18. August 2018, 11:48:57
Ich wollte aber nicht nur über die Ich-Perspektive sprechen, sondern generell in die Runde fragen, welche Erfahrungen ihr mit verschiedenen Erzählern gesammelt habt.
Auch, wenn ich für jedes Mutmachen dankbar bin, wäre es mir mittlerweile lieber, wenn die gestellten Fragen beantwortet werden, damit sich die Diskussion von "Ich-Perspektive und Romance" zu "Erzählperspektive aus Marketingsicht" verschiebt.
Und ich merke mir derweil: Beim nächsten Thread stelle ich nur die Fragen und verzichte darauf zu erklären, wie ich überhaupt auf das Thema gekommen bin. ;)
Es ist schon so, dass eine Ich-Perspektive im Präsens derzeit sehr häufig in Romantic Fantasy und New Adult zu finden ist. Das geht wohl auf Twilight (wobei "Twilight" Ich-Perspektive im Präteritum nutzt) und "Fifty Shades" (Ich-Perspektive im Präsens) zurück.
@Vaporea: Tut mir leid, wenn ich etwas in deinen Post interpretiert habe, was du nicht schreiben wolltest. Ich habe deinen Startpost auch noch mal gelesen, aber für mich liest es sich immer noch so.
ZitatDer Plot dreht sich sehr stark um die Protagonistin und es gibt in meinen Augen keine Szene, die von einer anderen Perspektive profitieren würde.
Daraus lese ich, dass du nur die Ich-Perspektive für deine Geschichte passend findest, und habe darauf meine Antwort aufgebaut. Wenn du das gar nicht sagen wolltest, dann müsstest du mir bitte noch mal erklären, was mit diesem Satz gemeint war.
ZitatDenn, lasst mich ehrlich sein: Eine weibliche Ich-Perspektive schreit für mich nach (Paranormal) Romance. Das mag Klischeedenken sein, aber es ist nunmal das, was ich als erstes assoziiere und ich frage mich, ob es den potentiellen Lesern nicht genauso gehen würde.
Dieser ganze Abasatz (vor allem die fett markierten Teile) sagt mir, dass du Romance doof findest (was natürlich okay ist, Geschmäcker sind verschieden), evtl. sogar minderwertig (wobei ich zugebe, dass ich da empfindlich bin) und auf gar keinen Fall Berührungspunkte damit haben möchtest.
Dazu kommt, dass es nur wenige Möglichkeiten der Perspektivenwahl gibt und du hier in deinem Post in meinen Augen schreibst, dass du eine davon, noch dazu die, die dir richtig scheint, komplett ausschließen möchtest, damit niemand denkt, dein Buch könnte evtl. Romance sein. Das verstärkt bei mir den Eindruck, dass du Romance für minderwertig hältst.
Natürlich ist das meine, sicherlich subjektive Lesart, und ich möchte auch nicht darauf herumreiten, ich wollte dir nur deutlich machen, warum ich deinen Post so gelesen und entsprechend geantwortet habe.
Eine neutrale Fragestellung wäre für mich zum Beispiel gewesen:
Gibt es euerer Meinung nach Perspektiven, die sofort ein bestimmtes Genre vermuten lassen? Oder: Meine Geschichte ist High Fantasy (nur als Beispiel), findet ihr, dass die Ich-Perspektive dazu nicht passt? Glaubt ihr, dass High Fantasy-Leser eine Geschichte in der Ich-Perspektive nicht kaufen / Lektoren eine Geschichte in der Ich-Perspektive nicht auswählen werden? Findet ihr, dass die Ich-Perspektive sofort vermuten lässt, dass meine Geschichte romantische Fantasy ist? Denn meine Geschichte ist High Fantasy und ich möchte eine Perspektive wählen, die dazu passt. Oder: Was glaubt ihr, welchen Einfluss die Wahl der Perspektive auf die Verkaufbarkeit einer Geschichte hat und wie wird sich das in den verschiedenen Genres auswirken?
ZitatAuch, wenn ich für jedes Mutmachen dankbar bin, wäre es mir mittlerweile lieber, wenn die gestellten Fragen beantwortet werden,
Soweit ich das sehe, haben alle, die hier gepostet haben, deine Fragen beantwortet. Wenn du das nicht so siehst, müsstest du vielleicht noch mal genauer beschreiben, was du eigentlich wissen möchtest. :)
Zitat von: Alana am 21. August 2018, 10:23:41
@Vaporea: Tut mir leid, wenn ich etwas in deinen Post interpretiert habe, was du nicht schreiben wolltest. Ich habe deinen Startpost auch noch mal gelesen, aber für mich liest es sich immer noch so.
ZitatDer Plot dreht sich sehr stark um die Protagonistin und es gibt in meinen Augen keine Szene, die von einer anderen Perspektive profitieren würde.
Daraus lese ich, dass du nur die Ich-Perspektive für deine Geschichte passend findest, und habe darauf meine Antwort aufgebaut. Wenn du das gar nicht sagen wolltest, dann müsstest du mir bitte noch mal erklären, was mit diesem Satz gemeint war.
Ah!
Stimmt, diesen Satz habe ich missverständlich formuliert. Gemeint war eigentlich: "Es gibt keine Szene, die von einem anderen Perspektivträger profitieren würde". Ich bezog mich also nicht auf die Wahl zwischen "Ich" oder "Er/Sie", sondern auf die Wahl zwischen Protagonistin oder anderer Figur als PoV.
Zitat von: Alana am 21. August 2018, 10:23:41ZitatDenn, lasst mich ehrlich sein: Eine weibliche Ich-Perspektive schreit für mich nach (Paranormal) Romance. Das mag Klischeedenken sein, aber es ist nunmal das, was ich als erstes assoziiere und ich frage mich, ob es den potentiellen Lesern nicht genauso gehen würde.
Dieser ganze Abasatz (vor allem die fett markierten Teile) sagt mir, dass du Romance doof findest (was natürlich okay ist, Geschmäcker sind verschieden), evtl. sogar minderwertig (wobei ich zugebe, dass ich da empfindlich bin) und auf gar keinen Fall Berührungspunkte damit haben möchtest.
Dazu kommt, dass es nur wenige Möglichkeiten der Perspektivenwahl gibt und du hier in deinem Post in meinen Augen schreibst, dass du eine davon, noch dazu die, die dir richtig scheint, komplett ausschließen möchtest, damit niemand denkt, dein Buch könnte evtl. Romance sein. Das verstärkt bei mir den Eindruck, dass du Romance für minderwertig hältst.
Der Absatz (auch das Fettgedruckte) ist in meinen Augen völlig wertungsfrei formuliert, was ja auch meine Absicht war. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass ich ein Stilmittel (weibliche Ich-Perspektive) als sehr starkes Indiz für ein bestimmtes Genre (Romance) halte.
Dieser Eindruck kommt ja nicht aus dem Bauch heraus, sondern entstand durch diverse Romantasy-Bücher, die bei mir im Regal stehen, die ich gerne gelesen habe und die allesamt eben aus der weiblichen Ich-Perspektive geschrieben wurden. Würde ich Romance nicht mögen, würde ich wohl kaum genug Leseerfahrung darin haben, um ein bestimmtes Stilmittel damit zu assoziieren.
Zitat von: Alana am 21. August 2018, 10:23:41Eine neutrale Fragestellung wäre für mich zum Beispiel gewesen:
Gibt es euerer Meinung nach Perspektiven, die sofort ein bestimmtes Genre vermuten lassen? Oder: Meine Geschichte ist High Fantasy (nur als Beispiel), findet ihr, dass die Ich-Perspektive dazu nicht passt? Glaubt ihr, dass High Fantasy-Leser eine Geschichte in der Ich-Perspektive nicht kaufen / Lektoren eine Geschichte in der Ich-Perspektive nicht auswählen werden? Findet ihr, dass die Ich-Perspektive sofort vermuten lässt, dass meine Geschichte romantische Fantasy ist? Denn meine Geschichte ist High Fantasy und ich möchte eine Perspektive wählen, die dazu passt. Oder: Was glaubt ihr, welchen Einfluss die Wahl der Perspektive auf die Verkaufbarkeit einer Geschichte hat und wie wird sich das in den verschiedenen Genres auswirken?
Soweit ich das sehe, haben alle, die hier gepostet haben, deine Fragen beantwortet. Wenn du das nicht so siehst, müsstest du vielleicht noch mal genauer beschreiben, was du eigentlich wissen möchtest. :)
Ich habe, wortwörtlich, gefragt:
1. Macht es aus Marketingsicht einen Unterschied welche Erzählperspektive man wählt?
2. Signalisiert eine bestimmte Art Erzähler auch eine bestimmte Art Geschichte?
Meiner Ansicht nach sind beide Fragen sogar noch neutraler formuliert als deine Beispiele, weil ich mich auf gar kein Genre beziehe. Ich habe aber den Fehler gemacht, sie ans Ende einer Einleitung zu setzen, die dem Thread eine Richtung gegeben hat, die ich eigentlich gar nicht beabsichtigt hatte. Oder glaubst du, dass in den Antwortposts auch dann der Schwerpunkt auf Ich-Perspektive und Romance gelegt worden wäre, wenn ich nur die beiden Fragen gestellt hätte?
Wie schon in meinem vorherigen Beitrag gesagt: Bei der nächsten Threaderstellung achte ich darauf, meine Fragen unmissverständlich in den Vordergrund zu rücken.
Um aufzudröseln, was ich wissen möchte bzw. worüber ich eigentlich diskutieren wollte:
1. Weckt die Ich-Perspektive bei Verlagen und/oder Lesern Erwartungen an ein bestimmtes Genre?
2. Weckt die Er/Sie-Perspektive bei Verlagen und/oder Lesern Erwartungen an ein bestimmtes Genre?
3. Wenn ja, welche Genre sind das?
4. Ist es sinnvoll, die gewählte Erzählperspektive an den Markt anzupassen, wenn man eine Veröffentlichung anstrebt?
5. Habt ihr bereits konkrete Erfahrungen gemacht? Musstet ihr zum Beispiel mal die Erzählperspektive ändern, weil eurer Verlag oder eure Agentur der Meinung waren, dass ein anderer Erzähler sich besser vermarkten lässt?
Zitat von: Vaporea am 21. August 2018, 11:42:48
Um aufzudröseln, was ich wissen möchte bzw. worüber ich eigentlich diskutieren wollte:
1. Weckt die Ich-Perspektive bei Verlagen und/oder Lesern Erwartungen an ein bestimmtes Genre?
2. Weckt die Er/Sie-Perspektive bei Verlagen und/oder Lesern Erwartungen an ein bestimmtes Genre?
3. Wenn ja, welche Genre sind das?
4. Ist es sinnvoll, die gewählte Erzählperspektive an den Markt anzupassen, wenn man eine Veröffentlichung anstrebt?
5. Habt ihr bereits konkrete Erfahrungen gemacht? Musstet ihr zum Beispiel mal die Erzählperspektive ändern, weil eurer Verlag oder eure Agentur der Meinung waren, dass ein anderer Erzähler sich besser vermarkten lässt?
Ich will mal versuchen eine vorsichtige Antwort zu geben.
1. Bei mir ganz bestimmt nicht. Bei Verlagen generell auch nicht. Ich kann aber nicht ausschließen, dass in einer Zeit, wo man jedem kurzzeitigen Trend hinterherzulaufen versucht, das vorübergehend einmal anders ist. Für die Leser kann ich als Einzelperson nicht sprechen. Ich kenne auch keine entsprechende Erhebung, kann mir aber vorstellen, dass es in bestmmten Altersgruppen und Genrevorlieben sein könnte.
2. Klares Nein, weil das Standard ist.
3. Entfällt wegen 2.
4. Niemals. Viel wichtiger ist es, eine Erzählperspektive zu beherrschen. Gerade die Ich-Perspektive hat ein paar Tücken. Sie verzeiht keine Fehler, aber kann eine ungeheure Kraft entwickeln. Solange ein Autor nicht von sich behaupten kann, dass er alle Perspektiven ausreichend beherrscht, sollte er damit herumexperimentieren - vieleicht in Kurzgeschichtenausschreibungen oder so - und nicht versuchen die Marketingchancen eines Romans zu erhöhen.
5. Nein. Ich habe einen Roman in der Ich-Perspektive geschrieben, alle anderen nicht. Es juckt mir in den Fingern, einen zweiten Anlauf zu unternehmen, aber mein Verlag redet mir da nicht rein.
Ist vieles Spekulation, von dem was ich sage. Aber über den Erfolg entscheiden andere Dinge als die Perspektive. Viele Bestsellerautoren schreiben in der Ich-Perspektive. Aber es kommt immer drauf an, was der Autor will.
Liebe Grüße
Trippelschritt
1. Ich glaube nicht, dass die Perspektive an Genreerwartungen gekoppelt ist. Die Ich-Perspektive tritt in verschiedenen Genres auf, tatsächlich oder gefühlt etwas gehäufter in derRomance, was ich auch recht natürlich finde. In der Romance geht es um große Emotionen. Was liegt da näher als die emotionalste Perspektive zu wählen?
Die Ich-Perspektive kam mir desweiteren aber auch in Dystopien, Low-Fantasy, Coming of age und Urban-Fantasy (mit und ohne Lovestory)und Krimi/Thriller unter.
Ich persönlich mag Ich-Erzähler im Präsens nicht als Leser. Aber vielleicht hab ich auch einfach noch nicht den Autor gefunden, dr mich damit umhauen konnte ;).
2. Wie
@Trippelschritt sagt.
4. Da bin ich ganz bei Trippelschritt. Wichtiger als hipper Style ist gut beherrschtes Handwerk.
Daher mein allgemeiner Rat: Die Geschichte so erzählen, wie es sich richtig anfühlt und gerne auch rinmal Experimente in Kurzgeschichten wagen, um den Horizont zu erweitern.
Ich kann da nur aus Lesersicht auf die Fragen 1 und 2 nochmal zusammenfassend sagen:
Nein, ich verbinde keine Genre-spezifischen Erwartungen mit der Perspektive. Nur läßt sich gerade so etwas wie Selbstironie in der Ich-Perspektive meines Erachtens besonders gut transportieren, insofern würde ich möglicherweise Erwartungen in dieser Richtung damit verknüpfen. Beispiele wären eben die genannten, Tinas Valkyrie und Tad Williams' Bobby-Dollar-Reihe.
Aber selbst Ungewöhnliches wie auktorialer Erzählstil im Präsens kann toll sein und sehr gute Innenansichten vermitteln, gerade erst in Stephen King's Mind Control erlebt. Insofern sind spezifische Erwartungen aufgrund der Perspektive meiner Erfahrung nach unsinnig. Was nicht heißt, dass manche Leute sie nicht trotzdem haben könnten, aber die kenne ich nicht.
Dann antworte ich mal.
1. Weckt die Ich-Perspektive bei Verlagen und/oder Lesern Erwartungen an ein bestimmtes Genre?
Ich kann nur von mir sprechen, aber ich würde generell sagen, dass die Perspektive allein keine Erwartungen weckt. Andersrum kann es aber sein, dass ein bestimmtes Sub-Genre möglicherweise in mir die Erwartung weckt, in einer bestimmten Perspektive geschrieben zu sein, zum Beispiel Dystopie. Oder dass ich mir wünsche, dass es in dieser Perspektive geschrieben ist. Ich kenne nur tatsächlich einige Lektoren, die von der Zunahme der Ich-Perspektive nicht so begeistert sind und sich über Manuskripte in der 3. Person freuen. Allerdings sind das Liebesromanlektoren, da die Ich-Perspektive da tatsächlich im Moment vorherrschend ist. Ob das auf Lektoren anderer Genres zutrifft, ist fraglich, zudem könnten diese Lektoren auch die Ausnahme sein und die anderen lieben die Ich-Perspektive. Das ist schwer zu sagen.
2. Weckt die Er/Sie-Perspektive bei Verlagen und/oder Lesern Erwartungen an ein bestimmtes Genre?
Kann ich mir nicht vorstellen. Siehe oben.
3. Wenn ja, welche Genre sind das?
Siehe oben. Aber trotzdem, ich denke, dass die Ich-Perspektive mittlerweile in allen Genres gut zu Hause ist, es gibt ja auch schon lange Krimis (von Agatha Christie z.B.) und auch Thriller in der Ich-Perspektive. In der Fantasy ist sie auch im Jugendbuch ganz ohne Romantik stark vertreten (Bartimäus z.B.) und natürlich im Bereich Dystopie.
4. Ist es sinnvoll, die gewählte Erzählperspektive an den Markt anzupassen, wenn man eine Veröffentlichung anstrebt?
Unter Umständen schon. Allerdings ist dazu eine sehr genaue Marktrecherche nötig (bis runter auf die Verlage) und ob das am Ende ein Buch voranbringt oder behindert, ist trotz allem fraglich. Ich weiß aber, dass Leser mancher Verlage, die ein besonders enges Profil und eine sehr treue Käuferschaft haben, mitunter eine bestimmte Perspektive bevorzugen, so wie Leser bestimmter Subgenres. So scheint es, als würden New Adult Leser die Ich-Perspektive deutlich lieber mögen. Ähnliches könnte auch bei Verlagen wie Impress oder Drachenmond möglich sein, dazu weiß ich aber nichts. Im Übrigen denke ich, dass das alles bei einer Kurzgeschichte keine Rolle spielt, sondern vor allem für Romane wichtig ist. Natürlich kann es sein, dass der Herausgeber der Anthologie bestimmte Vorlieben hat. Da könnte man überlegen, ob man vorsichtig unter dem Ausschreibungspost nachfragt (wenn möglich).
5. Habt ihr bereits konkrete Erfahrungen gemacht? Musstet ihr zum Beispiel mal die Erzählperspektive ändern, weil eurer Verlag oder eure Agentur der Meinung waren, dass ein anderer Erzähler sich besser vermarkten lässt?
Nein. Aber ich habe tatsächlich Marktrecherche in meinem Genre betrieben und mir viele der Bestseller angesehen, um mir einen Eindruck zu verschaffen, welche Perspektive vorherrscht. Ich denke, letztendlich ist es der Stoff, der ein Buch erfolgreich macht, auch wenn die Perspektive vielleicht anders ist, als in dem (Sub-) Genre üblich.
Ich würde allerdings meinem Roman niemals aus Marketinggründen eine Perspektive aufzwingen, die für mich nicht passt. Aber wenn ich unentschlossen bin und beides möglich ist, dann kann es sein, dass ich mich danach richte.
Zitat
1. Weckt die Ich-Perspektive bei Verlagen und/oder Lesern Erwartungen an ein bestimmtes Genre?
2. Weckt die Er/Sie-Perspektive bei Verlagen und/oder Lesern Erwartungen an ein bestimmtes Genre?
3. Wenn ja, welche Genre sind das?
4. Ist es sinnvoll, die gewählte Erzählperspektive an den Markt anzupassen, wenn man eine Veröffentlichung anstrebt?
5. Habt ihr bereits konkrete Erfahrungen gemacht? Musstet ihr zum Beispiel mal die Erzählperspektive ändern, weil eurer Verlag oder eure Agentur der Meinung waren, dass ein anderer Erzähler sich besser vermarkten lässt?
Ich habe kein Insiderwissen, bin aber seit der Grundschule ein Vielleser und weiß daher, dass Psychologie wichtiger ist, als sämtliche Analysen oder blau-rosa Segmentierungen in den Buchhandlungen. Mit etwa zehn las ich Sherlock Holmes, da tauchen so kindgerechte Dinge auf wie Opiumkonsum oder eine Illustration eines Mannes, der mit einer Harpune an die Wand gespießt ist. Und weitere liebevolle Dinge. Beim Twilight lesen als Jugendlicher war es dagegen wichtig, es zu Hause zu tun, um in der Öffentlichkeit die Schubladen gar nicht erst klappern zu lassen.
Hier mein Allgemeinwissen: 10-15 Prozent sind Allesleser, die genervt sind von kindlich einfacher Sprache, auch Ich-Perspektive Präsens genannt. Die wollen etwas, das sich flüssig liest, gleichzeitig aber nicht die Intelligenz beleidigt. Manchmal ertappe ich mich selbst dabei, wie ich in einer Buchhandlung zwanzig Bücher anrühre und alle wieder weglege. Geschwafel und schon so oft gelesen und gesehen. Ich bremse mich dann und denke um. Werden die meisten Leser allerdings nicht machen. Übrigens ist mein Eindruck, dass mehr Leute auf den Preis schauen, als auf Schriftart oder das Coverbild. Wobei ich zugeben muss, dass ich bei Thomas Hardy u.a. wegen dieser tollen Blumenschnörkel hängen geblieben bin. Sonst hätte ich das wohl glatt übersehen.
Ansonsten - ignorieren wir mal die Nichtleser und schauen uns die Gelegenheitsleser an. Oft sind das Fans einer Nische, die in ihrer Nische bleiben, die kommen bei allem Marketing und Zureden nicht hinterm Ofen hervor. (Allerdings kaufen die dann fleißig alles aus einer Reihe, selbst wenn die Kritiker schon abwinken. Ist auch bei Musik und Filmen so). Ich hab mal ein Kreativ Schreiben Seminar mitgemacht und einer hat sich sehr böse gegen Fantasy geäußert. Da kann es dir egal sein, ob Ich-Perspektive ja oder nein. Der wird deinen Roman nie lesen, weil er den Inhalt kategorisch ablehnt. Geh auf amazon oder goodreads und lies dir hundert Rezensionen durch. Es ist völlig egal, ob es sich um Klassiker wie "Herz der Finsternis" handelt - am Ende gewinnt die Psyche, der eigene Geschmack. Es soll ja Leute geben, die "Fifty Shades Of Grey" toll finden oder die Groschenromane lesen oder kein Problem mit Szenen der Vergewaltigung in Schmuddelgeschichten aus dem Internet haben. Alles Realität. Was auch Realität ist: Einfacher Satzbau möglichst wenig schwierige Vokabeln und du wirst gelesen. Wäre es anders, wären philosophische Wälzer Bestseller und eben nicht der fünfmillionste Krimi und das sechsmillionste Liebesdreieck mit Sixpack-Werwolf auf dem Cover.
Die meisten Menschen haben Bücher gelesen wie "Der kleine Prinz". Die wenigsten lesen Schopenhauer oder Thomas Mann. Goethe hatte mit Werther einen riesigen Erfolg. Einfach lesbar, Liebe und Tod. Kann jeder Leser verstehen und aufs eigene Leben übertragen. Genauso lieben es Menschen, psychologisch betrachtet, das Unbekannte, Verruchte und Mysteriöse zu erkunden. Batman, der auf einer Insel einen Tempel samt Schatzkarte findet, am besten als Comic, weil es das Lesen einfacher macht, wird ein Bestseller. Die Lebensunlust eines Tuchhändlers im Vietnamkrieg mit vielen Gedankenströmen über blöde Finanzpolitik und Kürzungen in Bildung und Kultur in wirtschaftlich schweren Zeiten, wird, surprise, surprise, mit Garantie kein Bestseller. Es sei denn, es ist leicht verständlich geschrieben, es wird ein Mord aufgeklärt und es gibt Sexszenen à la pulp magazine.
Bevor du an der Perspektive bastelst, solltest du auf Satzbau und Umfang der Vokabeln achten. Und: Kurze Texte werden eher durchgelesen. (Selbst in Fantasykreisen stoße ich immer wieder auf Leute, die den Herrn der Ringe nicht gelesen haben. Wenn nicht mal Fantasyfans das lesen, weil zu viel und zu schwer, wer dann? :D)
Alles ist möglich. Nur einen Fehler darf man nicht machen: Mitten in einer Serie die Perspektive umkrempeln. Das irritiert Leser. Und irritierte Leser sind oft verlorene Leser.