Hatte vor kurzem eine sehr interessante Diskussion mit meiner Mutter (die voll und ganz hinter meinem zeitraubenden Hobby steht :jau:)
Ich erzählte ihr, dass ich ein Buch mit einem Hauptcharakter plane, der ein Antiheld ist und aus unserer Sicht verwerfliche Dinge tut, also ein Verbrecher ist. Da hat meine Mutter wie verrückt angefangen zu krakeelen, dass ich doch bloß schauen soll, dass der Kerl am Ende gut wird - sonst hätte das Buch keine Moral.
Wie denkt ihr darüber? Ich persönlich finde ja, dass man damit die ganze Story inklusive Stimmung kaputt macht. Ich meine, man kann doch nicht einen Menschen, der über Jahre seine Skrupellosigkeit mit "schlechten" Taten genährt hat, binnen kurzer Zeit zu einem total lieben Kerl machen???? Das ist ja so was von bescheuert und unrealistisch! :nöö:
Aber fangen da nicht die Kritiker an zu plärren? So was wie Gewaltverherrlichung usw.? Und fühlen sich die Leser dann um ein Happy End betrogen?
Bin gespannt, wie eure Meinung dazu ist ;D
Liebe Grüße
Artemis
Schwierig zu beantworten. Ich denke, als Leser würde mich stören, wenn ein grausamer Mörder am Ende ungeschoren davon kommt. Er sollte schon seine Strafe erhalten, selbst wenn er nicht bereut. Eine Moral in dem Sinne, dass selbst der Böseste am Ende zum Guten konvertiert (um es mal zu übertreiben ;)) muss ich nicht unbedingt haben. Wenn es passend ist - ja. Aber ncihts erzwingen.
Wenn du unter Moral verstehst, dass das Buch eine Aussage hat, dann würde ich sagen, jedes Buch hat seine Moral, sonst ist es nicht lesenswert. ;) Aber so richtig das, was man unter Moral versteht ... nein, das ist nicht unbedingt notwendig.
Ob es nachher Gewaltverherrlichung ist kommt immer darauf an, wie du es darstellst. Selbst wenn du aus seiner Perspektive schreibst und er nichts Verwerfliches an seinen Taten findet, kannst du es immer noch so machen, dass es nicht gewaltverherrlichend ist.
Nein.
Ich bin ein persönlicher Fan von Happy Ends, bitte mit Sahne und einer Kirsche obendrauf. Aber einerseits ist das nicht jeder, und zum anderen kommt das auch immer darauf an, wie du das präsentierst.
"Ronja Räubertochter" von Astrid Lindgren zum Beispiel: Ronjas Vater als Räuberhauptmann und seine Mannen sind gewiss keine "guten" Menschen im landläufigen Sinne. Und jeder, den sie überfallen, wird dir gewiss bestätigen, dass dieses böse Räuberpack gehängt gehört. Aber Matthis kümmert sich um die Seinen, er liebt seine Frau, er ist menschlich und ein warmer, liebevoller Vater. Man LEIDET mit ihm, als er und Ronja sich verwerfen. Und sie räubern am Ende des Buches noch immer, auch wenn Ronja und ihr Freund das nie wollen.
Robin Hood - auch ein Diebesbruder, wenn man es genau nimmt. ^_~ Trotzdem ist man auf seiner Seite.
7 bis 8 Milliarden Piratenschinken - man steht auf der Seite des Piraten.
Es kommt darauf an, ob du deinen Charakter verständlich rüberbringst, ob du ihm gute Seiten gibst. Wenn man mit ihm mitfühlen und mitleiden kann, verzeiht man einem Charakter sehr viel.
Ach ja, die wenigsten Leser stellen es in Frage, wenn die Helden schwertschwingend und metzelnd durch eine Orkenherde rennen. Ob die armen Orkkinder und Orkinnen daheim vergeblich auf den Orkpapa warten, da fragt niemand nach. ^_~ Denn die Helden metzeln zumeist für "das Gute" (tm).
Hallo Artemis,
ehrlich gesagt, es gibt schon genügend Bücher mit Happy End und Moral oÄ. Bisher habe ich nur wenige Bücher gelesen, in denen der Protagonist auf der bösen Seite steht und gegen einen typischen Helden antritt.
Und das finde ich gerade interessant.
Mit einer Moral kann ich nicht so viel anfangen, denn - wie du gesagt hast - würde man da die Stimmung des Buches zerstören.
Und die Kritiker... "Eine fantastisch erzählte Geschichte aus dem Reich des Bösen" - "Schwarze Spannung pur" - "Der Leser wird hineingezogen und lernt die Seite jedes Menschen kennen, die dunkel und geheimnisvoll ist"
Solche Kommentare kann ich mir dazu gut vorstellen.
Also wegen den Kritikern und Lesern mach dir keine Sorgen, es gibt genug Leute, die sehr gerne sehr dürstere und böse Geschichten lesen.
Und Gewalt verherrlichst du da nicht. Du behauptest ja nicht, dass es deiner Meinung entspricht, dass Gewalt die einzig richtige Lösung sei. Wenn überhaupt meint das dein Protagonist.
Dann kommt es natürlich auch noch darauf an, für welche Altersgruppe du das schreiben willst.
Duana
Hallo Artemis,
Zitat von: Artemis am 27. März 2007, 20:02:19
Ich meine, man kann doch nicht einen Menschen, der über Jahre seine Skrupellosigkeit mit "schlechten" Taten genährt hat, binnen kurzer Zeit zu einem total lieben Kerl machen????
Aber du kannst ihn am Ende sterben lassen. Oder ihn einsehen lassen, dass das, was er macht, schlecht ist. Das ist kein Sprung zum Heilsbringer, aber es ist eine Erkenntnis, die für ihn von großer Bedeutung ist.
Liebe Grüße: Kalderon
Die Moral muss ja nicht rüberkommen, dadurch das er "gut" wird. Man könnte ihn z.B., wie schon gesagt sterben lassen, oder ganz kurz aus der Sicht eines Opfers oder anderen Person schreiben.
Ein kurzer, ganz kurzer Moment der Einsicht reicht dabei ja auch schon. Er muss ja nicht seine Meinung ändern und plötzlich Mutter Theresa werden, aber er könnte sich sagen, dass war er tat war nicht das Beste, aber er konnte nun mal nichts anderes.
Zitat von: Chuck am 28. März 2007, 06:46:55
Ein kurzer, ganz kurzer Moment der Einsicht reicht dabei ja auch schon. Er muss ja nicht seine Meinung ändern und plötzlich Mutter Theresa werden, aber er könnte sich sagen, dass war er tat war nicht das Beste, aber er konnte nun mal nichts anderes.
Das unterschreibe ich doch glatt. *unterschreib*
Ich bin ja kein Freund von Happy Ends, aber dennoch sollte es ein Kleines geben. Denn als Leser würde ich mich genauso veräppelt vorkommen, wenn zum Schluss auf einmal alles gut ist und jeder hat auf einmal alle lieb, als wenn auf einmal alles schlecht ist.
Dei Protagonist muss ja nicht gut werden, aber vielleicht hat er am Ende sein Rache bekommen, oder er hat sich mit seiner sterbenden Mutter versöhnt, etc.
Zitat von: Pandorah am 27. März 2007, 20:10:16
7 bis 8 Milliarden Piratenschinken - man steht auf der Seite des Piraten.
Schätzungsweise kommt bei mehr als die Hälfe zum Schluss raus, dass sie Freibeuter oder Geheimagenten bei der Armee sind und Happy End.
Die Sache ist ja die... je tiefgründiger eine Geschichte geht, desto mehr weiß man über den Charakter. Und so muss sich irgendwann auch herausstellen, warum der Charakter so handelt. Keiner wird als Arsch der Ärsche geboren.
Dann kommt die Moral von ganz alleine. Wenn jedoch die Geschichte sich etwas oberflächig über die Protas hinwegzieht, dann kann auch die Message, ob beabsichtigt oder nicht, schlecht rüberkommen.
Also das eine zieht das andere ja durchaus automatisch mit.
Hallo Artemis,
ich sehe das genau wie Chuck:
Gib dem Kerl einen Grund so zu handeln wie er handelt und du hast deine Moral.
Damit muss er am Ende nicht einmal geschnappt und bestraft werden, sondern kann sogar wegkommen.
Allerdings könnte er schon etwas wie Reue zeigen, du könntest ihn Einblicke in das Leben der Opfer haben lassen, das es ihm schwerer macht o.ä.
Was du halt auf jeden Fall brauchst sind Antriebe und Hindernisse.
Dann kannst du selbst mit einem Charakter, der wider der Moral handelt, ein moralisch gutes Buch erzeugen. Wenn du als Autor zeigst, das das Verhalten falsch ist, das es ihn sogar selbst quält - das muss nicht einmal eine Strafe von außen sein. Da würde ich sogar dagegen stimmen, aber der Leser muss es spüren, das das ganze auch Probleme mit sich bringt.
Bye
caity
Hallo Artemis,
tja, also den Bösen Buben plötzlich zum Samariter aufsteigen zu lassen, ist so ne Sache. Ich las vor kurzem mal ein Buch, in dem es um einen richtig fiesen Antihelden ging. Ich war fasziniert, wie der Autor es schaffte, diesen Typen seine Mitmenschen unterdrücken, ausrauben und ermorden zu lassen, ohne das der Leser je seine Sympathie für ihn verloren hätte. Das Buch hätte also richtig gut werden können. Richtig, hätte. Denn was passierte? Der Kerl verliebte sich in ein Mädchen und von diesem Augenblick an verweichlichte er immer mehr, ohne dass der Autor dies offensichtlich beabsichtig hatte. Der ganze Charme der Geschichte ging verloren.
Dennoch finde ich, dass ein Quentchen "Moral" nicht schlecht ist. Ein Antiheld kann doch durchaus seine positiven Züge haben und trotzdem hundsgemein sein. ;D
Liebe Grüße,
Dreami
Uuuuh, gute Frage.
Ich denke, es ist weniger wichtig, ob die Geschichte eine Moral hat, sondern ob das Handeln mehr oder minder nachvollziehbar ist. Und dass eine Frage aufgeworfen wird(ohne, dass unbedingt eine Antwort geliefert wird)
Ich habe da eine interessnte Geschichte. Diese Geschichte kann ich jetzt so formulieren, dass der Leser liest: "Und die Moral von der Geschicht: Verbissen auf Ziele fixiert sein lohnt sich nicht". Da das aber alle Charas meiner Gruppe mehr oder minder von selbst merken(oder auch nicht und dafür den Preis zahlen), muss ich nciht noch einen draufsetzen.
Also formuliere ich das so, dass der Leser sich die Frage stellt: "Wie weit würde ich für meine Wünsche und Ziele gehen?"
Das ist mir immer um einiges lieber als der moralische Zeigefinger und deswegen mag ich auch gemeine Antihelden.
Antihelden dürfen ruhig ihre netten und auch ihre schwachen Momente haben. Wenn sie die nicht hätten, wären sie einseitig und langweilig. Wichtig ist, dass sie in sich schlüssig sind und dann kann es sogar passieren, dass ich es ihnen gönne, wenn sie der "Moral" entkommen. ^^ Ich bin zwar der Meinung, dass Mörder lebenslang hinter Gitter gehören(Todesstrafe ist noch zu gut!), aber es kommt hier wohl drauf an, wie schlüssig er ist.
Zitat von: Rumpelstilzchen am 28. März 2007, 09:33:17
Schätzungsweise kommt bei mehr als die Hälfe zum Schluss raus, dass sie Freibeuter oder Geheimagenten bei der Armee sind und Happy End.
Das ändert nichts an der Tatsache, dass der Pirat Menschen überfallen und ermordet hat. Dennoch verzeiht man es ihm - sozusagen der Zweck heiligt die Mittel. Deswegen haben sie dennoch Menschen getötet.
Da habe ich neulich einen ganz interessanten Artikel dazu gelesen, dass Menschen sehr viel bereiter zur Gewalt sind, wenn diese von einer höheren Autorität (Regierung oder Gott) legitimiert ist. Genauso toleriert Mensch in diesen Fällen Gewalt bei anderen eher.
Man braucht keine Moral. Ich für meinen Teil, bin dafür, dass Harry stirbt und Voldemort die Weltherrschaft an sich reißt, aber leider wird niemand auf mich hören. :omn:
Wirklich durch und durch böse Charaktere sind genauso sterbenslangweilig, wie durch und durch gute. Auf seine Art und Weise, ist das nur eine andere Art von rosaroter Brille. Er kann gutes zwischendrin tun, eine 180 Gradwendung kann genauso gut nervig und ungewollt komisch sein, wie einleuchtend und sinnvoll, je nachdem, was geschieht und wie es ausgebaut ist. Für eine Moral sollte man nicht den Plot opfern, aber es ist immer gut, wenn man am Ende etwas zum Nachdenken hat. Graue Charaktere und 'graue Geschichten' sind meiner Meinung nach immer das Beste. Keine Moral alla Wilhelm Busch, aber eben auch nichts á la 'und er meuchelte bis zu seinem bitteren Ende'.
Hi!
Dem Begriff "Moral" stehe ich sehr zwiespältig gegenüber. ich mag Bücher überhauptnicht, die mir mit erhobenem Zeigefunger erklären wollen, was richtig und was falsch ist. Diese sogenannten pädagogisch wertvollen Kinderbücher zum Beispiel. *schüttel*
So lange das Verhalten des Protagonisten erklärbar und nachvollziehbar bleibt, ist für mich die Sache in Ordnung. So lange keine Gewaltverherrlichung auftritt, ist alles im grünen Bereich.
Bücher, die vor "Moralinsäure" scon ganz zerfressen sind, fasse ich gar nicht erst an.
Zitat von: Aryana am 28. März 2007, 21:43:31
Hi!
Dem Begriff "Moral" stehe ich sehr zwiespältig gegenüber. ich mag Bücher überhauptnicht, die mir mit erhobenem Zeigefunger erklären wollen, was richtig und was falsch ist. Diese sogenannten pädagogisch wertvollen Kinderbücher zum Beispiel. *schüttel*
So lange das Verhalten des Protagonisten erklärbar und nachvollziehbar bleibt, ist für mich die Sache in Ordnung. So lange keine Gewaltverherrlichung auftritt, ist alles im grünen Bereich.
Bücher, die vor "Moralinsäure" scon ganz zerfressen sind, fasse ich gar nicht erst an.
Du sprichst mir aus der Seele (oh, welche Überraschung, wir sind einer Meinung... ::) )
Bücher, in denen mir die Moral mit dem Trichter serviert wird, kann ich auch überhaupt nicht haben, da ersticke ich an einer Überdosis.
Das Ganze sollte in sich schlüssig sein, und vor allem, wie auch schon von mehreren erwähnt wurde, sollte Dein Antiheld seine Gründe haben. Er wird nicht einfach eines Morgens aufgewacht sein und entschieden haben, jetzt mal wild metzelnd durch die Gegend zu ziehen (oder was auch immer es ist, was er tut), sondern da steckt was hinter. Jeder hat eine Vergangenheit, die ihn in seiner Handlung bestimmt.
Und selbst wenn der am Ende immer noch der Meinung ist, sein Handeln wäre schon okay so (warum auch immer er dieser Meinung ist) - so lange beim Leser ankommt, dass das nicht Deine Meinung ist, ist das in Ordnung. Auch im wahren Leben bekommt nicht jeder sein Fett weg, das Leben ist alles, bloß nicht gerecht - und das darf sich auch gerne in Geschichten widerspiegeln.
Also es gibt so manche standard Moral, die ich aufjedenfall immer in einem Buch begrüße. Also ich für meinen Teil... Und zwar, dass man erreichen kann, was man will, wenn man es nur macht. Ob nun böse oder gut sei dahin gestellt.
Nein, Gott sei Dank muss nicht jedes Buch eine gute Moral haben, und Gott sei Dank hat das auch nicht jedes Buch. Ich finde nichts schlimmer als diese Bücher, wo sich auf den letzten 5 Seiten noch mal alles zum Guten wendet. Und am allerschlimmsten sind die, wo sich alles nur als böser Traum/Zauber etc... herausgestellt hat und alle so liebevoll Dahingemetzelten fröhliche Wiederauferstehung feiern.
Bei mir gibts nie ein vollkommenes Happy-End, irgendwer stirbt immer, und meistens wachsen mir die Bösewichte ganz besonders ans Herz und werden immer sympathischer.
Lg, A.
Naja, aber Moral muss sich ja nicht in einem Happy-End wiederspiegeln.
Ich glaube, wir verstehen gerade alle was anderes unter Moral, kann das sein?
Wenn ich das Wort Moral höre, denke ich an erhobene Zeigefinger, "Das darfst du aber nicht" und seltsame Kinderliteratur mit noch seltsamerem pädagogisch wertvollem Ansatz.
Wenn es um "den Bösewicht als Protagonisten" geht, dann denke ich eher an den Begriff "Ehre". Piraten ware sicherlich keine netten Menschen, aber sie hatten, genauso wie Straßenräuber und Vogelfreie nach dem Robin Hood-Prinzip ihre eigene Auffassung von Ehre. Oder ein anderes Beispiel: Die Mafia. Deren Philosophie strotzt von Mird und Totschlag, Vendetta und Ehre.
Es gibt doch zwei Formen der Moral.
Die eine sagt aus, welche Ansichten eine Gesellschaft hat, also was sie als "gut" oder "schlecht" betrachtet. In unserer Gesellschaft wird Mord meistens als schlecht betrachtet. ;)
Die andere Moral, ist die Moral von der Geschicht. Dass heißt nichts anderes, dass man eine Lehre aus einem Text ziehen kann. Ob sie nun auf die gesellschaftliche Moral anwenbar ist, tut nichts zur Sache.
Wenn also in einem Buch der Prota einen reichen Menschen in einen Brunnen schubst und am Ende des Buches seine Reichtümer bekommt, dann ist die Moral von der Geschicht: Was du möchtest, das musst du dir nehmen, auch wenn andere dabei zu schaden kommen.
Für mich keine wirklich schöne gesellschaftliche Moral, aber dennoch eine Moral.
Liebe Grüße: Kalderon
@Kalderon: Du hast es mal wieder schön auf den Punkt gebracht! :)
Gesellschaftliche Moral sollte ein Buch für mich schon rüberbringen - also sollte erklärt werden, warum ein Protagonist in dem gesellschaftsmoralischen Gefüge, in dem er lebt, so und nicht anders handelt, vor allem, wenn er gegen die geltenden Gesellschaftsmoralvorstellungen verstößt.
Was ein Buch für mich nicht haben muss, ist diese sogenannte Moral von der Geschichte. Die wirkt nämlich oft sehr belehrend, und sowas mag ich ja gar nicht!
*lach*
Dein Beispiel Kalderon erinnert mich an eine schöne Fabel, die wir mal zu einem Theaterstück umgeschrieben haben.
Der Wolf und der Hase.
ich weiß nicht mehr genau, worum es ging, vermutlich um etwas wie: Wer andern eine Grube gräbt fällt selbst hinein,
jedenfalls haben wir dann am Ende daraus gemacht:
Und die Moral von der Geschichten: Fressen hat man, oder nicht!
Ersteres hat der Hase und letzteres der Wolf gesagt. Eine herrliche Kindheitserinnerung ;)
Hihi...
Bei "moral von der Geschicht" sehe ich die ganze sache wieder ein bisschen lockerer, weil das einfach auch nur Verulkungen sein können(wenn ich zum beispiel eine Geschichte über drei Rotschöpfe schreibe, die sich in der prallen Sonne streiten - welche "Moral von der Geschicht" gibt es da wohl?) Diese Art von Moral ist eher eine ansammlung von Überlebenstipps. Und eignen sich herrlich zum schreiben von Comedy.
"Die Moral von der Geschicht" kann aber auch gerade die Message sein, die Kernaussage. Und solange man die nicht grade mit dem zeigefinger serviert, ist das was sehr Feines.
Eine allgemeine Aussage zu dem Thema lässt sich ohne den eigentlichen text nicht treffen. Man kann nur sagen, dass es sehr wohl möglich ist und ausgesprochen reizvoll sein kann, kein Friedefreudeeierkuche-Happyend zu haben. Böse Charaktere können Spaß machen, solange sie nicht einfach nur platt böse-weil-ich-das-sage sind. Motivation und Hintergrund ist alles.
Ich hab da erst neulich ein Buch über das Phantom der Oper gelesen ("Das Phantom" von Susan Kay). Erik ist nun wirklich kein "guter Mensch", je älter desto weniger. Er ist grausam und ein Leben ist ihm oft nicht viel wert. Aber er ist verständlich, sympathisch und ein wundervoller Charakter. Und er macht Spaß, gerade weil er nicht einfach die 180 grad-Wende kriegt und nicht aus seiner Haut kann, selbst wenn er wöllte.
Eben. Schaut euch doch nur "Das Parfum" an - grandioses Buch trotz Antihelds und bittersüßem Ende :)
Soweit ich weiß kommen bei Barbara/ Ingrid Noll auch immer die Mörderinnen durch, und man kann es gut nachvollziehen.
Neulich las ich einen Roman, da war der Held auch etwas unsympatisch, da SEHR egoistisch. Ich hatte da schon so meine Probleme damit.
Aber " gute Moral" nach dem Motto, die Guten siegen, die Bösen verlieren, ist nicht das was wir im täglichen Leben so mitbekommen.Ich denke wenn es gut geschrieben ist , kann der Held auch mal " böse " sein und es gibt kein Happy End oder der Böse siegt.
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An Jules: Voldemort for President !
Snape and Malfoy for me!
Also, meiner Meinung nach, muss ein Buch nicht zwingend "Moral verkörpern".
Die Hauptfigur kann ruhig in diesem Sinne ein Bösewicht oder dergleichen sein. Es würde seinen Charakter, ich nenne es mal verpfuschen, ihn am Ende "gut" werden zu lassen. Nur weil die Person, auf die du den Schwerpunkt legst, nicht gerade heutigen moralischen Standarten entspricht, heißt das ja nicht, dass das Buch keine positiven Seiten zeigt. Man sieht die Sache nur aus einem anderen Blickwinkel. Außerdem muss ja nicht zwingend die Hauptfigur auch gewinnen. Das wäre dann wohl aus dem Blickwinkel des Protagonisten ein "Sad-End", aus Sicht des DFeindes, der dann ja wohl ein guter wäre, und der Moral wäre es ein "Happy- End".
Das kann man sehen, wie man will. Ich denke, es ist nicht wichtig, dass die Person ehrlich oder freundlich (o.ä.) ist, sondern , dass sie dem Leser nahe gebracht wird und er sich hineinversetzen kann, denn das ist es was ein gutes Buch ausmacht! Nicht die Moral der Hauptfigur.
Also ob jedes Buch einen positiven moralischen Anspruch haben muss, kann ich kaum beurteilen. Allerdings mag ich Geschichten mit Happy End und sympathischen Hauptcharas. Gut müssen sie ja dabei nun nicht zwangsläufig sein.
Glaub mir würde übel, wenn meine Meisterdiebin "Rouhan" plötzlich nur noch des guten Zweckes a' la Robin Hood wegen stehlen würde. Nee danke. Sie stiehlt mit Bedacht, sie tötet hinterrücks, und dennoch ist sie ein sympathischer Charakter...
LG MarkOh
Also meine Meinung ist auch, dass das Buch keine zwingende Moral braucht.
Wenn ich an meine Trilogie denke ist da zwar am Anfang noch die Freundschaft, die die Guten einfach besser macht, doch diese verliert sich dann im zweiten Band und der dritte wird nur noch von Rache und Mordlust beherrscht. Allerdings kann das ja auch lehrreich sein, auch wenn es keine gute Moral hat: solange sie gute Freunde waren haben sie gesiegt, doch als se anfingen zu morden aus Rache verloren sie.
Daraus kann der Leser ja auch etwas lernen. Nebenbei: ich hasse Bücher mit Happy Ends. Bei mir ist das immer so, dass ich in jedem Buch auf SEite der Bösen stehe. Je mehr die tolle, super Seite der Guten geschildert wird, desto mehr zieht es mich in die andere Richtung.
Für Kurzgeschichten ist das charakteristisch, aber in einem Roman? Ich würde sagen:
kann, aber muss nicht.
Hi,
ich denke, deine Mutter hat neben der Grundbedeutung von "Moral" vielleicht auch Logik gemeint. Ein wild Axt schwingender Charakter, der ohne Sinn und Verstand Untaten verübt, hat keine Moral und widert den Leser an. Der Leser kann nämlich nicht nachvollziehen, warum der Böse böse ist.
Aber ein charismatischer Bösewicht a là Dracula, der bezaubert den Leser. Daher darf ein Buch ruhig einen Antihelden als Protag haben :)
Viele Grüße
Cookie
also ich persönlich sage: möglich, aber schwierig.
Man muss sich in eine dunkle Person hineinfühlen. Was sind ihre Ziele? Warum sind sie so böse?
Man muss auch gut den Hass, den eine solche Figur oft oder sogar meist treibt, gut darstellen können.
Ein Problem ist auch das Ende. Das kann ein Untergang der Figur sein. Wenn sie aber gewinnt, was ist dann? In vielen Fällen geht bei einem Sieg des Bösen die Welt unter. Ich denke ein solches Ende kommt nicht gut.
Auch ein Problem ist, dass man auch das klassische Muster- gute Helden bekämpfen eine riesige Übermacht des Bösen- kaum verwenden kann, da ein Buch, in der man stehts die Übermacht hinter sich hat, wohl langweilig ist.
Also ich könnts nicht...
Ich finde nicht, dass es muss.
Meistens hat es das, eigentlich immer. Da es am Leser liegt. Es kann zwar besonders offensichtlich sein, aber wenn es zwischen den Zeilen steht, dann sucht man sich es als LEser auch.
Aber wie sähe denn eine böse Moral aus? ^.^
Es gibt kaum etwas Subjektiveres, als Gut und Böse.
Story>Moral
Magst du das etwas näher erläutern? So klingt es für mich etwas kryptisch und sehr allgemein. Ein Buch mit der Aussage "Morden ist geil" wird glaub ich von den meisten Menschen als schlecht empfunden werden ;)
Moral ist für mich eine Grauzone.
Es wären mehrere DIN A4 Seiten notwendig, um Ihnen meine Einstellung zu Gut und Böse näher zu bringen. Daher verzichte ich besser darauf.
Ein Buch mit der von Ihnen genannten Aussage, würde wohl zu Recht als schlecht empfunden werden.
Wir sind lange Beiträge gewohnt, auch Din A4 Seiten lange ;D
Aber deine Einstellung würde mich auch interessieren.
Ohne jetzt alle Antworten gelesen zu haben, also sorry für etwaige Doppelungen:
Es hat schon immer Antihelden in der Literatur gegeben und wird sie wohl auch immer geben. Die Frage, ob ein Held gut oder böse sein soll, ist irgendwie sinnlos, besonders, sich diese Frage bereits im Vorfeld zu stellen. Wichtig in dieser Hinsicht ist m.E. nach, daß das Verhalten des Protas erklärt wird. Als Leser möchte ich ein solches Verhalten nachvollziehen zu können, auch wenn die Erklärung vielleicht etwas wirr sein mag. Aber ich muß es ja nicht unterschreiben oder mir einverleiben. Antihelden bieten zudem immer guten Diskussionsstoff.
Weiterhin denke ich, daß die Zielgruppe in dieser Hinsicht wichtig ist. Also: Einen solchen Charakter würde ich nicht gerade Kindern zukommen lassen. Das ist eher etwas für ältere Jahrgänge.
Moral ist ein schwieriger Begriff, immerhin ist die Moral an die aktuelle Gesellschaft gebunden. Ein Beispiel wäre das Buch "Der Azteke" bei dem es sich um die Erzählungen eines alten Mannes handelt der den spanischen Eroberern sein Leben erzählt. Diese sind von seinen Erzählungen teilweise schockiert, teilweise angewidert und auch der Leser muß bei einigem ziemlich schlucken - wobei man sagen muß, dass diese Dinge die er erzählt, für seine Gesellschaft normal waren, wie z.B ausufernder Sex, Menschenopfer und das überziehen von Haut von geopferten, eben diese Dinge, die WIR als moralisch verwerflich beurteilen, waren aus der Sicht SEINES Volkes eben gerade NICHT unmoralisch. (Im übrigen kann ich das Buch empfehlen, man kann damit sogar dank der Dicke auch als Zweitverwendung Störenfriede niederschlagen ;) )
In meinem aktuellen Werk z.B wäre der Held bzw. die "Guten" Protagonisten auch nicht unbedingt die strahlenden Helden - aber wieso auch? Wenn es nicht gerade ein Märchen ist oder der Autor auf ziemliche (langweilige) Klischees pocht, wird kein Mensch ausnahmslos gut sein. Meine Helden beklauen durchaus die Bösewichte oder Zwielichtige Gestalten, Plündern Monster aus und auch der Held begeht einige unschöne Dinge - aber eben WEIL er ein Mensch ist, der Gefühle wie Wut, Hass, Rache und ähnliches kennt.
Ich weiß nicht warum, aber mir schießt gerade "Der Graf von Monte Christo" durch den Kopf. Der verändert sich im Laufe der Geschichte total. Aus einem ehrenwerten Charakter wird ein von Rachegelüsten Besessener, der eisern dieses Ziel verfolgt - teilweise mit unschönen Mitteln. Auch wenn er anderen hilft, dient diese Hilfe in erster Linie der Vollendung seiner Rache.
Solange seine Rache nur den eigentlichen Verrätern gilt, mag es noch angehen. Aber Edmond Dantes vergrößert den Radius auch auf die Familien.
Eigentlich wollte ich gerade einen neuen Thread zur Moral in der Fantasy eröffnen, da hab ich diesen Alten hier gefunden. Schön, dann kann ich meinen Gedanken dazu einen etwas unstrukturierteren Lauf lassen, muss aber zugeben, mir nicht alle vorherigen Beiträge durchgelesen zu haben. Außerdem wandel ich es mal leicht ab in Richtung "Kann ein Buch auch antimoralisch sein?"
Also. Muss jedes Buch eine "gute" Moral haben.
Nein.
Mein Exfreund stand total auf so ein Zeug wie "American Psycho" und der Roman ist ein Renner, ohne eine Moral zu haben. (Sage ich jetzt mal; habe in das Buch selbst nur reingelesen, also ein Kenner darf mich ruhig verbessern.) Manchmal ist es gerade das Böse, das fasziniert - und das fern jeder Moral. Ein anderes Beispiel, das ich sogar gelesen habe, ist "Der siebte Tod" von Paul Cleave. Die Hauptperson ist einer der fiesesten Psychopathen überhaupt und einen Hauch von Moral findet man nur in einer Nebenperson. Ansonsten ist es ein Roman, zu dem man "Eisregen" hört.
Warum funktioniert er dennoch? Weil er spannend ist, denke ich. Und weil die Hauptfigur ein §$&"&loch ist, aber ein charismatisches, das irgendwie gleichermaßen fasziniert und abstößt.
Eine andere Frage ist es, wie es um die Moral in der Fantasy steht. Vor einigen Jahren habe ich in einem Fantasyforum mal gefragt, warum nicht mal das Böse siegt, obwohl das doch immer so klug agiert (ich war 13). Die Antwort lautete, dass es pädagogisch nicht wertvoll wäre. Okay, einleuchtend, was aber ist mit der Erwachsenenfantasy?
Hier fällt mir etwas ein, das Bernhard Hennen vor 2 oder 3 Jahren mal auf einer Lesung erzählt hat. Da antwortete er auf irgendeine Zuschauerfrage, dass man als Fantasyautor manche Dinge einfach nicht tun dürfe (außer man hieße George R. R. Martin), etwa Tiere oder Kinder allzu grausam zu töten. Und wenn, dann müsse das doch ein wenigstens ein schlimmer Bösewicht sein, den am Ende die Gerechtigkeit ereilt.
Ein ungeschriebenes Gesetz also, aber würde deshalb "American Psycho" nicht in der Fantasy funktionieren, wo selbst die Assassinnen im Grunde ihres Herzens ehrenhaft sind?
Ich vermute, dass das schon ginge, aber vielleicht die Intention des Lesens im Fantasybereich eine andere ist. Ich bin kein großer Anhänger dieser Man-will-sich-in-alternative-Realitäten-Reindenken-Theorie, da sich damit zu viel zu einfach erklären lässt. Aber im Grund ist es natürlich eine wahre Sache. Mit Fantasy will ich ein Stück weit die Schattenseiten der Realität verlassen (und sie nicht noch übersteigern), auch wenn sie sie kommentieren oder kritisieren kann. Aber will ich sie negativisieren (komisches Wort...)? Wenn, dann in dem Sinne, dass man eine komplett amoralische (und nicht antimoralische!) Gesellschaft aufbaut und um sie eine spannende Geschichte rankt, wie im "Krieg der Spinnenkönigin". Aber ich denke, wenn ein Einzelner hier als Komplettpsychopath auftaucht und man ihm dabei zuliest, wie er weibliche Elfen munter meuchelt... nee, kann ich mir nicht vorstellen, dass das allzu viele Leute anspricht.
Für die Phantastik mögen aber nochmal andere Regeln gelten, da hier das Übersteigerte an der Realität wieder ins Spiel kommt.
Abgesehen davon geht es denke ich völlig in Ordnung, wenn phantastische und Fantasygeschichten sich einfach der Moralthematik völlig verwehren und sich diesem Thema nicht oder nur nebensächlich widmen.
Zitat von: Ryadne am 31. Mai 2012, 20:01:40
Hier fällt mir etwas ein, das Bernhard Hennen vor 2 oder 3 Jahren mal auf einer Lesung erzählt hat. Da antwortete er auf irgendeine Zuschauerfrage, dass man als Fantasyautor manche Dinge einfach nicht tun dürfe (außer man hieße George R. R. Martin), etwa Tiere oder Kinder allzu grausam zu töten. Und wenn, dann müsse das doch ein wenigstens ein schlimmer Bösewicht sein, den am Ende die Gerechtigkeit ereilt.
Hat Bernhard Hennen sich mal einen Überblick über die Fantasy verschafft, bevor er diese Behauptung in die Welt gesetzt hat? Es gibt etliche erfolgreiche Gegenbeispiele zu dieser These.
Die Kurzgeschichten in den Diebeswelt-Anthologien etwa wimmeln von Antihelden, die jede Moral mit Füßen treten. Die Trilogie "Der Kreis der Krähen" zelebriert genüßlich, wie jede gutgemeinte Absicht des Protagonisten ins Zerstörerische pervertiert wird, bis sie am Ende den Untergang der Menschheit besiegelt. Manche Werke von Weis/Hickman sowie der Comic-Zyklus "Die Chroniken des Schwarzen Mondes" lassen den Protagonisten immer finsterer werden, während er "die Guten" reihenweise wegmäht (und dabei als ziemliche Volltrottel dastehen läßt).
Abseits des zwangs-tolkienisierten Mainstream gibt es mehr als genug Fantasy, die sich an den Genres Horror und Thriller orientiert oder das Klassisch-Epische zur Demontage "des Guten"
TM bzw. diversen Coolness-Triumphen "des Bösen"
TM nutzt. Ob einem das gefällt, ist Geschmackssache; aber es funktioniert erzählerisch und hat durchaus sein Publikum.
Na, erstmal muss man sich auch fragen, was mit Moral eigentlich gemeint ist. Ist es noch moralisch einwandfrei, wenn der herzensgute Held der Geschichte am Ende den Bösewicht tötet? Oder sollte er nicht eher anders reagieren? Aber wer will es lesen, dass der Held dem Bösewicht verzeiht und ihn laufen lässt? Keiner. Nichtmal ich und ich bin sehr friedliebend. Es ist meiner Meinung nach eigentlich eher unmoralisch, wenn der Held am Ende einem Racherausch erliegt und seinen Kontrahenten tötet. Aber es ist auch für den Leser befriedigender, weil der diesen Rausch ja auch nachvollziehen kann, da er ja mit dem Helden mitgelitten hat. Ein moralisch richtiges Verhalten ist im Roman oft ein richtiger Let-Down, genauso wie die Ausweichlösung, dass der Held sich nicht entscheiden muss, weil der Bösewicht sich mal mehr mal weniger absichtlich selbst entleibt. Das heißt ja nicht, dass man es im wirklichen Leben auch so hält, aber Fiktion und Realität sollte man eh trennen können, wenn man Fantasy liest und schreibt. ;)
Trotzdem finde ich persönlich Hauptfiguren mit Gewissensbissen interessanter, als böse Meuchelmörder die von Anfang an tumb alles töten, was im Weg ist. Das Böse fasziniert die Menschen, aber auch nur, wenn es vielschichtig erzählt wird. Genauso wie ein guter Charakter faszinieren kann, wenn man ihn facettenreich darstellt. "Realistisch" ist also meiner Meinung nach den meisten Lesern wichtiger als "moralisch". Ich denke daher auch, dass man die Moral aus Fantasy rauslassen darf, solang man seine Charaktere glaubhaft gestaltet und nicht zu sehr am Rad dreht, was die Gewaltdarstellung betrifft (das gehört dann eher ins Horror-Genre, finde ich).
Man muss ja auch immer daran denken, dass die meisten Leute Fantasy lesen, um in den Büchern etwas zu erleben, dass sie im wahren Leben nicht erleben können. Man möchte ja als Leser eine spannende Geschichte, vielleicht ein bisschen was heroisches, dramatisches und ein bisschen Humor. Ich denke, die meisten Leser können zwischen fiktiven Handlungen und der Realität unterscheiden und wissen genau, dass etwas, das in Romanen passiert, nicht unbedingt auf die Wirklichkeit übertragen werden sollte. Ich meine, wenn im Buch der Angestellte dem bösen, nervigen Chef eine knallt, findet man das als Leser mutig und vielleicht sogar gut, aber keiner würde in echt auf die Idee kommen, oder?
Zitat von: Farean am 31. Mai 2012, 20:45:02
Abseits des zwangs-tolkienisierten Mainstream gibt es mehr als genug Fantasy, die sich an den Genres Horror und Thriller orientiert oder das Klassisch-Epische zur Demontage "des Guten"TM bzw. diversen Coolness-Triumphen "des Bösen"TM nutzt. Ob einem das gefällt, ist Geschmackssache; aber es funktioniert erzählerisch und hat durchaus sein Publikum.
Höhö, das mit dem hochgestellten TM ist klasse!
Zum Thema: Ich stimme dir vollkommen zu, dass es ein Publikum und die Werke gibt, in denen munter das Dunkle, "Böse" zelebriert wird. Und dass Charaktere ihre Abgründe entdecken, ist sowieso gerade auch im Mainstream in.
Vielleicht habe ich das in meinem vorangegangenem Post auch zu eng gesehen. Jedenfalls ist dieses Finstere für mich etwas anderes als das Böse, Antimoralische, wie es einem in "American Psycho" und Co. begegnet. Wenn du etwa Weis/Hickman nennst... ich weiß nicht, wen du da im Kopf hast, aber mir fallen da Chemosh oder Mina ein, vielleicht auch Raistlin. Klar sind die ein wenig böse. Aber sie werden mit "menschlichen" Wesenszügen dargestellt und sie heben sich ab von dem psychopathischen Alltagsbösen, vor dem wir vielleicht in der Realität Angst haben. Das dominierend Verachtende ohne tragisch-nachvollziehbaren Hintergrund fehlt in der Fantasy. Allgemein. Mir fällt gerade kein Gegenbeispiel ein, irgendein Independent-Werk oder so gibt's sicher auch hier.
Edit: Oh, jetzt erst Katis Antwort gesehen. Das mit dem "vielschichtigen Bösen" ist das, was ich mit den menschlichen Wesenszügen meine. Und mit dem tragisch-nachvollziehbaren Hintergrund als Erklärung für das Verachtende.
"Müssen" muss gar nichts - klar. Aber rein praktisch gesehen gibt es tatsächlich einen sehr wichtigen Grundsatz: Der Leser muss sich mit der Hauptfigur identifizieren können! Wenn das nicht gelingt, verliert er das Interesse an der Geschichte und legt sie weg.
Und das ist der Grund dafür, warum ein Proto etwas "Gutes" ... nein, ich nenne es wohl lieber etwas neutraler: "Positives" haben an sich haben muss. Egal wie klein dieser gute Anteil auch sein mag. Die meisten Menschen könnenn sich nicht mit einem "Bösen" identifizieren, bzw. wollen es überhaupt nicht. Also hat man es mit einem richtig üblen Proto in der Regel sehr schwer die Leser für ihn begeistern zu können. Aber es gibt natürlich auch Menschen, die finden die "Bösen" viel interessanter als die "Guten", und manche können sich sogar mit Protas identifizieren, die abgrundtief schlecht sind. Insofern kommt es natürlich immer darauf an, für was man sich als Autor begeistern kann und für wen man schreibt, bzw. wer und wie groß die Leserschaft werden soll.
Mein persönlicher Eindruck ist, dass das Interesse an tollen Geschichten - egal ob als Buch, Film oder Computerspiel - immer mit dem Interesse verbunden ist, etwas Neues oder Interessantes dazulernen zu können. Nicht im rein im wortwörtlichen Sinn, also wie man Zauberer besiegt oder Psychopathen zur Strecke bringt (was bei den meisten Lesern eher selten nützlich sein dürfte), sondern im übertragenen Sinne, also ganz allgemein gesagt: Wie man Herausforderungen bewältigt bzw. Konflikte löst. In dieser Hinsicht können auch Fantasy-Romane sehr interessante Lösungsansätze liefern - mindestens auf der symbolischen Ebene.
Ach, da fällt mir ein, dass etliche Beispiele für sehr üble Protas gibt, die aber im Laufe der Geschichte aber einen Wandlungsprozess zum Besseren durchmachen, also vom Bösen zum Guten werden. Bekanntestes Beispiel für diese Art von Prota ist vermutlich Scrooge, aus Dickens Weihnachtsgeschichte. Erst ist er "das Böse schlechthin", aber durch die Konfrontation mit den Geistern der drei Weihnachten wird ein Wandlungsprozess vollzogen.
Und zu alledem kommt natürlich noch die jeweilige Intention der Autoren: Was wollen sie mit ihren Geschichten sagen? Soll es eine Geschichte sein, die zeigt, dass nur der Schlechteste gewinnt und die Guten die Dummen sind? Dann wird sicher ein Prota bevorzugt, der kein Gewissen und keine Skrupel kennt, und dessen Handlung bzw. Sichtweise in irgendeiner Form "heroisiert". Und andere Autoren, die eher das Gegenteil davon bevorzugen, für die sind dann "gute" Protas ein "Muss" ... jeder so wie er mag.
Zitat von: Zanoni am 31. Mai 2012, 22:12:29
Mein persönlicher Eindruck ist, dass das Interesse an tollen Geschichten - egal ob als Buch, Film oder Computerspiel - immer mit dem Interesse verbunden ist, etwas Neues oder Interessantes dazulernen zu können.
Hm... ich frage grad mich gerade, was bei GTA Interessantes dazugelernt wird.
Ich würde eher in die Richtung gehen, zu sagen, dass man etwas tun, bzw. erleben kann, das einem in der Realität in dieser Form verwehrt bleibt. Das kann dann auch etwas Verbotenes oder moralisch Verwerfliches sein, unter Umständen.
Zitat von: Ryadne am 31. Mai 2012, 21:39:59
Vielleicht habe ich das in meinem vorangegangenem Post auch zu eng gesehen. Jedenfalls ist dieses Finstere für mich etwas anderes als das Böse, Antimoralische, wie es einem in "American Psycho" und Co. begegnet. Wenn du etwa Weis/Hickman nennst... ich weiß nicht, wen du da im Kopf hast, aber mir fallen da Chemosh oder Mina ein, vielleicht auch Raistlin. Klar sind die ein wenig böse.
An Raistlin hatte ich jetzt nicht gedacht, obwohl auch der sich meiner Ansicht nach schon für mehr als nur "ein wenig böse" qualifiziert. Immerhin läßt er in einer tödlichen Notlage den eigenen Bruder und alle seine Freunde im Stich. Und sein krankhaftes Machtstreben hat für mich durchaus etwas vom Antimoralischen des "Psycho". Aber eigentlich dachte ich eher an solche Figuren wie Prinz Dagnaros aus "Quell der Finsternis" oder die hochmütig-selbstgerechte Führungselite der Sartan aus "Die Vergessenen Reiche".
Zitat von: Ryadne am 31. Mai 2012, 21:39:59
Aber sie werden mit "menschlichen" Wesenszügen dargestellt und sie heben sich ab von dem psychopathischen Alltagsbösen, vor dem wir vielleicht in der Realität Angst haben. Das dominierend Verachtende ohne tragisch-nachvollziehbaren Hintergrund fehlt in der Fantasy. Allgemein. Mir fällt gerade kein Gegenbeispiel ein, irgendein Independent-Werk oder so gibt's sicher auch hier.
Naja, z.B. die Diebeswelt-Reihe würde ich jetzt nicht als "Independent"-Exoten betrachten... ;)
Ich denke mal, es kommt wirklich darauf an, für welche Zielgruppe man das Buch schreibt, und wie man sioch selbst dabei fühlt. Aus Rollenspielerfahrungen habe ich gemerkt, das mir Bösewichte, die ich faszinierend fand nach und nach auch gute Seiten entwickelten oder Sühne leisteten. Und immer hatten sie auch irgend einen freundlichen oder moralisch guten Zug.
Als gutes Beispiel fällt mir auch "Dexter" ein, gut das ist jetzt ein Krimi, aber hier haben wir auch den Serienkiller und Psychopathen auf der einen Seite, auf den anderen aber auch den Mann, der langsam aus diesem Kodex ausbricht und zu lieben lernt. Auch in der Fernsehserie tänzelt er immer auf einem schmalen Grat. Dadurch dass der Zuschauer zum einen Mitleid mit ihm hat (da er ja seelisch verkrüppelt ist und das Trauma am Mord an seiner Mutter mit sich herum schleppt) und eigentlich nur die nioch Böseren killt (mit wenigen Ausnahmen), können sie ihn als Helden akzeptieren.
Auch Raistlin aus Drachenlanze hat ja durchaus seine guten Seiten - von Buch zu Buch gibt ihm Margaret Weis mehr und mehr Facetten, die negativen Charakterzüge haben einen Grund, auf der anderen hat er auch viele gute, wie die doch vorhandene Treue zu seinem Bruder.
Ich denke, viele Leser sind von dem Spiel mit dem Bösen fasziniert, aber sie brauchen auch mindestens eine gute Seite, die Sympathie in ihnen weckt, oder Gründe, die das negative Verhalten nachvollziehbar machen, um einen finsteren Charakter zu akzeptieren.
Für mich als Autor ist es auch wichtig, dass ich alles entsprechend nachempfinden kann und mich dann auch mit dem Verhalten des Charakters wohl fühle. Denn nur dann kann ich auch überzeugend genug schreiben um dem Buch eine nicht ganz so gute Moral zu geben.
Zitat von: Arielen am 01. Juni 2012, 07:57:43
Als gutes Beispiel fällt mir auch "Dexter" ein, gut das ist jetzt ein Krimi, aber hier haben wir auch den Serienkiller und Psychopathen auf der einen Seite, auf den anderen aber auch den Mann, der langsam aus diesem Kodex ausbricht und zu lieben lernt. Auch in der Fernsehserie tänzelt er immer auf einem schmalen Grat. Dadurch dass der Zuschauer zum einen Mitleid mit ihm hat (da er ja seelisch verkrüppelt ist und das Trauma am Mord an seiner Mutter mit sich herum schleppt) und eigentlich nur die nioch Böseren killt (mit wenigen Ausnahmen), können sie ihn als Helden akzeptieren.
Dexter ist für mich einer der großartigsten Charaktere, denen ich in den letzten Jahren begegnet bin :) Es ist manchmal fast schon gruselig, wie sehr es ihm gelingt, dass man Sympathie zu ihm aufbaut, obwohl er im Grunde betrachtet eine ziemlich abartige Natur hat - auch wenn er Bösewichte aus dem Weg räumt, tut er das ja mit einem ziemlich selbstgefälligen und aufwändigen Muster und schreckt auch vor Folter nicht zurück. In den Augen des "Helden" hätte er also sehr schlechte Karten und wäre auch für den Leser/ Zuschauer verachtenswert genug, um ihn in die Ecke des Antagonisten zu drängen. Aber da man die Geschichte aus seinem Blickwinkel sieht, erfährt man mehr. Genug, um ihn trotz seines Handelns zu mögen (manchmal würde man ihn echt gern in den Arm nehmen und trösten).
Ein solcher Antiheld schafft mehr Bezugsfläche als jeder strahlende Protagonist, und gerade die Abgründe und seelischen Wunden rechtfertigen sein Handeln mehr als jedes noch so ehrenvolle Streben eines wunderbaren Helden.
Zitat von: Arielen am 01. Juni 2012, 07:57:43
Dadurch dass der Zuschauer zum einen Mitleid mit ihm hat (da er ja seelisch verkrüppelt ist und das Trauma am Mord an seiner Mutter mit sich herum schleppt) und eigentlich nur die nioch Böseren killt (mit wenigen Ausnahmen), können sie ihn als Helden akzeptieren.
Auch Raistlin aus Drachenlanze hat ja durchaus seine guten Seiten - von Buch zu Buch gibt ihm Margaret Weis mehr und mehr Facetten, die negativen Charakterzüge haben einen Grund, auf der anderen hat er auch viele gute, wie die doch vorhandene Treue zu seinem Bruder.
Das sind für mich auch die Sachen, die den Unterschied machen.
Ich habe Raistlin vielleicht zeitweise als den "Bösewicht" empfunden, den die Handlung brauchte, aber er war für mich nie die Verkörperung des Bösen. Er zeigt Mitleid mit anderen, er zeigt Reue.
@Farean
Die Diebeswelt-Reihe kenne ich nicht, aber mit dem Independent-Werk, das hab ich jetzt auch nicht so eng gesehen ;)
Ich hätte da auch ein gutes Beispiel: Prinz der Dunkelheit (http://www.amazon.de/gp/product/3453528255/ref=s9_simh_gw_p14_d0_g14_i1?pf_rd_m=A3JWKAKR8XB7XF&pf_rd_s=center-2&pf_rd_r=1RBJNXQ3V5T7G33ZPHSX&pf_rd_t=101&pf_rd_p=463375173&pf_rd_i=301128)
Der deutsche Titel ist leider etwas unpassend. Im englichen Original heißt das Buch Prince of Thorns und das hat auch eine Bewandnis. Besagter Prinz musste als neunjähriger die Ermordung seiner Mutter und seines Bruders mit ansehen. Ihre Kutsche wurde überfallen und der Prinz überlebte nur, weil ihn jemand in eine Dornenhecke warf und von den Angreifern nicht gesehen wurde. Seitdem ist der gute Prinz etwas verkorkst ;D. Im zarten Alter von 13/14 zieht er erbarmungslos und ohne jeden Sinn für Moral mordend, raubend und brandschatzend durch die Gegend. Jegliche Skrupel sind ihm abhanden gekommen. Und, von Rache und Machtgier ist er auch noch getrieben. Er will seine Mutter und seinen Bruder rächen, mit 15 König werden und mit 20 Kaiser sein ;D.
Ich zitiere hier mal aus einer Amazon Rezension, weil sie auf das Thema "Muss jedes Buch eine Moral haben" sehr gut passt.
Zitat
Dieses Buch ist ... anders. Faszinierend, dunkel, bricht es alle Konventionen in Bezug auf Moral und die Beschaffenheit eines Fantasy-Helden. Und kommt damit durch.
Jorg ist zweifellos der amoralischste, bösartigste, skrupelloseste und gemeinste Charakter, dem ich je als Hauptheld in einem Buch begegnet bin.
Trotz seiner Skrupellosigkeit und seiner Abwesenheit jeglicher Moral habe ich mit Prinz Jorg mitgefiebert, ob er mit seinen Plänen Erfolg haben wird, ob er es tatsächlich schafft, Rache zu üben und König zu werden. Das Buch ist in der Ich Form geschrieben, normal ein Grund für mich, es sofort wieder ins Regal zu stellen, aber angetan von den überwiegend positiven Rezensionen für den Debut-Roman des Autors Mark Lawrence und der Neugier auf die Besonderheit des Themas, bzw. des Protas habe ich es mir dennoch gekauft und keinen Meter bereut. Soetwas zynisches habe ich selten gelesen und überaus toll geschrieben noch dazu :vibes:. Innerhalb zwei Tagen habe ich das Buch verschlungen. Das möchte ich jedem ans Herz legen, der auf Moral in einem Fantasy-Roman verzichten kann ;D.
Und die Moral von der Geschicht? Moral brauchen gute Bücher nicht ;).
Zitat von: Ryadne am 31. Mai 2012, 22:47:02
Hm... ich frage grad mich gerade, was bei GTA Interessantes dazugelernt wird.
Dass Gewalt keine Lösung ist ... so verrückt sich das auch anhören mag.
Aber mal ehrlich: Je exzessiver man dieses Spiel spielt, desto mehr ödet einen die viele Gewalt an. Zumindest, wenn es sonst keine andere "Aufgabe" zu bewältigen gilt. Und das kann man durchaus auch als "Lerneffekt" betrachten.
Allerdings glaube ich nicht, dass der Erfolg dieser Spielreihe in der Gewaltverrlichung liegt. Mag sein, dass die - gerade zu Anfang - eine sehr wirksame Werbung für die GTA-Spiele war, aber ich glaube, sie wären auch gut gelaufen, wenn es keine oder nur wenig Gewalt in ihnen gegeben hätte.
Und noch ein anderer Aspekt: Wenn jemand aufgestaute Aggressionen abbauen will, dann ist es doch im Grunde viel besser, wenn das innerhalb von Computerspielen passiert, als wenn er diese an seinen Mitmenschen rauslässt, oder? Aber das ist vermutlich ein Thema, zu dem die Psychologen mehr sagen könnten ...
Zitat von: Zanoni am 01. Juni 2012, 12:08:06
Allerdings glaube ich nicht, dass der Erfolg dieser Spielreihe in der Gewaltverrlichung liegt. Mag sein, dass die - gerade zu Anfang - eine sehr wirksame Werbung für die GTA-Spiele war, aber ich glaube, sie wären auch gut gelaufen, wenn es keine oder nur wenig Gewalt in ihnen gegeben hätte.
Und noch ein anderer Aspekt: Wenn jemand aufgestaute Aggressionen abbauen will, dann ist es doch im Grunde viel besser, wenn das innerhalb von Computerspielen passiert, als wenn er diese an seinen Mitmenschen rauslässt, oder? Aber das ist vermutlich ein Thema, zu dem die Psychologen mehr sagen könnten ...
Auf jeden Fall, mein Kommentar sollte auch keine Kritik daran sein, ich konnte nur deine Einschätzung nicht recht nachvollziehen. Wobei es sicher auch viele Spiele gibt, bei denen der Aspekt des Dazulernens durchaus einen Hauptanreiz ausmacht, ich sehe das nur nicht generell als Hauptanreiz. Ich werfe jetzt auch mal den meisten GTA-Spielern vor, dass sie es nicht deshalb spielen, weil sie herausfinden wollen, dass Gewalt keine Lösung ist.
Dass der Erfolg des Spiels in der Gewaltverherrlichung (oder eher -ausübung) liegt, glaube ich auch nicht, jedenfalls nicht ausschließlich. Ich selbst habe GTA 2 ganz gerne gespielt, weil ich das Ausweichen beim Rumfahren und Flüchten so unterhaltsam fand und ich mich dabei recht frei durch die Spielwelt bewegen konnte. :)
Aber wir kommen gerade ziemlich vom Hauptthema ab.
Zitat von: Luna am 01. Juni 2012, 09:54:48
Ich zitiere hier mal aus einer Amazon Rezession,
Rezension, bitte. Rezession ist was definitiv anderes. 8)
[OT]
:versteck: Ups, da ist mir aber ein blöder Fehler unterlaufen. Wäre ja fast ein Fall für den Tintenklecks Thread. Die Worte klingen aber auch zu ähnlich :seufz:. Habs jetzt geändert ;).
[/OT]
Zitat von: Zanoni am 01. Juni 2012, 12:08:06
Und noch ein anderer Aspekt: Wenn jemand aufgestaute Aggressionen abbauen will, dann ist es doch im Grunde viel besser, wenn das innerhalb von Computerspielen passiert, als wenn er diese an seinen Mitmenschen rauslässt, oder? Aber das ist vermutlich ein Thema, zu dem die Psychologen mehr sagen könnten ...
[Klugscheißermodus an] In gewaltlastigen (oder gewaltverherrlichenden) Spielen werden keine Aggressionen abgebaut sondern die eingebauten oder anerzogenen Beißhemmungen. Die ersten Egoshooter wurde im Auftrag des amerikanischen Militärs entwickelt, um unerfahrene Soldaten für "den Erstfall" zu trainieren." [Klugscheißermodus wieder aus]
In unserer Fantasy-Reihe haben wir uns (und alle anderen Autoren, die mitschreiben wollen) vor die Aufgabe gestellt, spannende Abenteuer zu schreiben, die eine gewaltlose Lösung finden. Am Anfang ist es etwas ungewohnt, alle Protagonisten gnadenlos an das Gute im Menschen glauben zu lassen, aber man kann sich daran gewöhnen und spannende Konflikte gibt es auch, wenn alle Mitspieler (l)awful good sind ... ;)
Zitat von: Tintenweberin am 01. Juni 2012, 18:26:52
In unserer Fantasy-Reihe haben wir uns (und alle anderen Autoren, die mitschreiben wollen) vor die Aufgabe gestellt, spannende Abenteuer zu schreiben, die eine gewaltlose Lösung finden. Am Anfang ist es etwas ungewohnt, alle Protagonisten gnadenlos an das Gute im Menschen glauben zu lassen, aber man kann sich daran gewöhnen und spannende Konflikte gibt es auch, wenn alle Mitspieler (l)awful good sind ... ;)
Ich weiß nicht, das ist nicht das, was ich mir vom Schreiben verspreche. Es kann ja ein spannendes Experiment sein, aber ich bin doch ein lebendiges Wesen und nicht nur eine Tipp-Maschine, d.h. meine eigenen Emotionen gehen doch mit in einen Roman ein. Und wieso sollte ich meinen Protas absprechen, dass sie genau wie ich mal auf den Tisch hauen und eben einfach mal zuschlagen, wenn die Sicherungen durchbrennen? Es sind doch die Emotionen des Autors, die beim Schreiben den Figuren Leben einhauchen, oder nicht?
Ich persönlich bin eine Anhängerin von expliziter Gewalt, ich lese brutale Bücher und ich verehre Autoren wie Carcaterra und Martin und Erikson, die gnadenlos zeigen zu was für abstoßenden Dingen Menschen fähig sind. Denn das ist nun einmal die Wahrheit. Und auch Protas machen nicht immer alles richtig, sie tun nicht immer nur das Gute, sie sind genauso menschlich wie Antas auch.
Für mich sind Romane kindisch und unglaubwürdig, die immer alles auf die ruhige und sanfte Tour versuchen, sofern sie sich dabei nicht wenigstens selbst ein paar Spitzen gegenüber gönnen.
Natürlich verstehe ich Leser, die sagen, ihr Leben ist schon schrecklich genug und sie wollen etwas lesen, wo sie am Ende sicher sein können, dass das Gute irgendwie gewinnt - doch das ändert meines Erachtens nichts daran, dass Antas manchmal gewinnen oder der Zufall einfach allen gleichermaßen in die Weichteile tritt. Das mag vielen zu hart sein, aber es ist ein Schuss Realismus, den ich bewundernswert und pädagogisch für sehr viel wertvoller erachte als Rosa-Alles-Gut.
So, falls das jetzt etwas zu hart ausgedrückt war, entschuldigt bitte. Ich möchte wirklich niemanden persönlich angreifen, denn der Punkt ist ja schließlich doch der: egal was wir denken, die Verlage lieben Moral und vertreiben solche Bücher viel eher als die, die uns am Ende lehren wie grausam die echte Welt sein kann.
Zitat von: Kisara am 01. Juni 2012, 18:43:09
Ich weiß nicht, das ist nicht das, was ich mir vom Schreiben verspreche. Es kann ja ein spannendes Experiment sein, aber ich bin doch ein lebendiges Wesen und nicht nur eine Tipp-Maschine, d.h. meine eigenen Emotionen gehen doch mit in einen Roman ein. Und wieso sollte ich meinen Protas absprechen, dass sie genau wie ich mal auf den Tisch hauen und eben einfach mal zuschlagen, wenn die Sicherungen durchbrennen? Es sind doch die Emotionen des Autors, die beim Schreiben den Figuren Leben einhauchen, oder nicht?
Ich bin auch keine Maschine sondern eine sehr lebendige Menschin und meine Emotionen finden sich selbstverständlich in den Geschichten wieder. Aber ich habe auch im wirklichen Leben noch nie "eben einfach mal zugeschlagen wenn die Sicherungen durchbrennen" und ich würde mich in Grund und Boden schämen, wenn mir das jemals passieren würde. Warum sollte ich von meinen Protagonisten weniger verlangen als von mir ... ;)
Zitat von: Tintenweberin am 01. Juni 2012, 18:55:12
Ich bin auch keine Maschine sondern eine sehr lebendige Menschin und meine Emotionen finden sich selbstverständlich in den Geschichten wieder. Aber ich habe auch im wirklichen Leben noch nie "eben einfach mal zugeschlagen wenn die Sicherungen durchbrennen" und ich würde mich in Grund und Boden schämen, wenn mir das jemals passieren würde. Warum sollte ich von meinen Protagonisten weniger verlangen als von mir ... ;)
Weil Protas uns das ausleben lassen, was wir selbst nicht tun können/wollen - sei es durch Erziehung, Normen oder schlicht Tugenden. Es gibt einfach Situationen, in denen ich Leuten nicht abnehmen würde, dass sie sich ruhig und freundlich miteinander auseinander setzen würden, Beispiel: jemand verfüttert einen Giftköder an meinen Hund und ich und meine Kinder müssen miterleben, wie sich das arme Tier grausamst zu Tode quält. Am nächsten Tag begegne ich dem Täter und der grinst mir hämisch zu: "Na, ist was mit dem Wauwau?"
Da reagiere ich doch nicht ruhig und freundlich und setze mich mit ihm an einen Tisch, oder? Wieso sollte ich meinen Protas ein so unnatürliches Verhalten andichten wollen?
Und das Beispiel ist noch die untere Ebene dessen, was in Romanen passiert. Was, wenn ich Hund durch Kind und Giftköder durch Missbrauch ersetze? Ich kann deutlich sagen, dass sollte sich jemand an meinen Sohn oder meiner Tochter vergreifen keine weltliche oder göttliche Instanz den Täter vor mir schützen könnte. Wieso sollten meine Protas anders handeln?
Und was ist, wenn wir über Selbstverteidigung sprechen? Ist es verwerflich dem Schlägertypen in der U-Bahn Pfefferspray oder eben Deo in die Augen zu sprühen um zu entkommen, unbedacht ob der davon blind werden kann? Oder ist es falsch denselben Schläger selbst anzugreifen, um ihn von dem Renter wegzukriegen, den er grade zusammen tritt?
All diese Situationen lassen sich genauso gut auf Fantasy anwenden - ich frage mich einfach, ob es glaubwürdig ist, wenn man behauptet immer ruhig zu bleiben und an das Gute des Täters zu appellieren.
Dass wir als Autor solche Situationen selten erleben - hoffentlich nie - heißt aber nicht, dass wir uns nicht mit den Konsequenzen auseinander setzen müssen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass ich pädagogisch korrekt die Diskussionsrunde suchen würde (und das dann selbst unbeschadet überstehen würde).
Zitat von: Kisara am 01. Juni 2012, 19:22:22
Und was ist, wenn wir über Selbstverteidigung sprechen? Ist es verwerflich dem Schlägertypen in der U-Bahn Pfefferspray oder eben Deo in die Augen zu sprühen um zu entkommen, unbedacht ob der davon blind werden kann? Oder ist es falsch denselben Schläger selbst anzugreifen, um ihn von dem Renter wegzukriegen, den er grade zusammen tritt?
Das ist vermutlich nicht der richtige Ort um über dieses Thema zu diskutieren, und es geht ja auch nicht darum, was ein Mensch tun könnte oder nicht. Wir sind uns vermutlich darüber einig, dass fast jeder Mensch in der passenden emotionalen "Gemengelage" einen anderen Menschen schwer verletzen oder sogar töten könnte. Was einen emotional und charakterlich hinreichend stabilen Menschen von einem Verbrecher oder einem Psychopaten unterscheidet, ist die Fähigkeit zu Scham und Reue.
Du bist noch sehr jung, Kisara, und ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du niemals in eine Situation gerätst, in der das Adrenalin für dich das Denken übernimmt und du anschließend feststellen musst, dass du im "Vollrausch" ein fühlendes Wesen zu Schaden gebracht hast.
Meine Protagonisten geraten auch gelegentlich in Situationen, in denen ihnen die Gäule durchgehen, aber sie sind darauf nicht stolz. Bis jetzt haben noch alle unsere Geschichten ein versönliches Ende gefunden, das keineswegs gekünstelt oder aufgesetzt wirkt. Auch unsere Heldinnen und Helden sind an diesen unspektakulären, kleinen Siegen noch immer ein Stück gewachsen ... ;)
Vermutlich liegt meine radikale Einstellung an meiner Jugend, das will ich gar nicht leugnen. Aber es stimmt schon, das ist nicht der richtige Ort.
Mein Punkt ist eben einfach der, dass ich mir mehr Büche "ohne Moral" wünschen würde, aber ich glaube, die Verlage würden sie nicht haben wollen.
Von daher stellt sich hier wohl eher die Frage "Will ich veröffentlichen oder meinen Kopf durchsetzen?" Mit Moral hat man es bestimmt leichter einen Verlag und auch eine Fangemeinde zu finden. :hmmm:
Zitat von: Kisara am 01. Juni 2012, 20:03:58
Mein Punkt ist eben einfach der, dass ich mir mehr Bücher "ohne Moral" wünschen würde, aber ich glaube, die Verlage würden sie nicht haben wollen.
Das glaube ich nicht. Ich habe aufgehört DSA zu spielen, weil mir die Abenteuer rund um die Borbarath-Kampagne zu blutrünstig waren. Ich habe auch die Elfensaga von Herrn Hennen bei Seite gelegt, weil der Krieg zwischen den Trollen und Elfen immer widerwärtiger wurde. Einer meiner Schüler kam einmal ganz stolz mit einem dicken Wälzer über die Orks aus der selben Welt zu mir. Ich schlug das Buch an irgendeiner Stelle auf und stolperte in eine Szene, in der zwei Menschenbabys waidgerecht ausgenommen und küchenfertig zubereitet wurden. Ein paar Seiten weiter bahnte sich bereits ein Lustmord an ... :-X
Ich fürchte, fiktionale Unmoral steht umso höher im Kurs je lauter wir im echten Leben nach dem Rundumsicherheitspaket für ein bequemes, gelingendes Leben schreien ... :P
Hm, aber Brutalität bedeutet ja nicht, dass das Buch keine Moral hat.
Allerdings stimme ich dir zu, ich finde die ausufernde Brutalität, die in Büchern immer mehr wird, beängstigend und sie ist mit ein Grund, warum ich kaum noch Erwachsenen-Fantasy lese und warum ich mir solche Serien wie Dexter nicht anschauen kann. Folter bleibt Folter, egal wer sie ausübt und aus welchem Grund.
Und noch zur Ausgangsfrage: Ich glaube auch, dass es wichtiger ist, dass das Buch eine Frage beantwortet, dass man mit dem Prota mitleiden und seine Handlungen nachvollziehen kann. Dann braucht es auch den erhobenen Zeigefinger nicht. Allerdings glaube ich, dass es selten gelingt, ein Buch ganz ohne Moral am Ende zu schreiben, wenn man dem Leser ein zufriedenstellendes Ende bieten möchte.
Ich weiß nicht, wie weit man das ausleben/ausschreiben soll... Brutalität kann manchmal schon mit wenigen Worten geschickt angedeutet werden und muss keineswegs in epischer Ausführlichkeit auf den Seiten stehen.
Was die unmoralischen Helden angeht- aus ihrer eigenen Sicht haben sie meistens eine Moral, auch wenn sie nach unseren Maßstäben eher minimalistisch ausfällt. Manchmal ist es eben so, dass die Guten nur etwas weniger böse sind als die Bösen und alle Beteiligten ihre guten Gründe haben.
Das wäre dann Kimi noir oder Dark Fantasy oder dergleichen.
Uns es gibt genügend Leser für diesen Stoff.
Weichgespülte und porentief reine Helden finde ich ebenso langweillig und un-lesenswert, wie die meisten anderen hier.
Deshalb habe ich für einen meiner Protagonisten eine ganz andere Lösung gefunden. Er ist ein zutiefst moralischer Mensch und trotzdem kämpft und tötet er, wenn er das für das geringere Übel hält. Das tut er auch notfalls ohne nachzudenken; manchmal musste er dann hinterher feststellen, dass er einen schrecklichen Fehler gemacht hat. Trotzdem steht er zu seiner Entscheidung und würde in einer entsprechenden Zwangslage wieder schnell und kompromisslos handeln. Ein guter Mensch ist er deswegen also nicht, zumindest sieht er selber sich nicht so.
In einem anderen (angefangenen) Projekt entsteht eine akute Kriegsgefahr. Menschen glauben, aufrüsten zu müssen, es kommt zu Verbrechen, Hinterhalten, Gefechten, Morden, alles im Namen der jeweils eigenen, gerechten Sache. Ein Drache rettet einen (menschlichen) Freund aus einem Hinterhalt und verhindert dessen Verschleppung. Dazu muss er die Wegelagerer töten. Hinterher begräbt er deren Leichen ebenso wie die der von ihnen ermordeten Freunde des Geretteten. Auf dessen Vorhaltungen erwidert er, dass sie vernunftbegabte Wesen waren, deren Tod er sehr bedauert.
Ich finde, Moral kann man auch in einem modernen Roman lesenswert verarbeiten, wenn die Geschichte sich glaubhaft damit auseinander setzt. Sie darf aber nicht die Rechtfertigung dafür sein, dass "der Held" alles darf und "der Böse" verachtenswert ist und deshalb vernichtet werden darf. Sie muss das Ergebnis eines Prozesses sein, dem die Charaktere der geschichte unterworfen sind, und jeder muss zu seinem eigenen Ergebnis kommen. Ob einer zum zynischen Mistkerl wird, zur Mutter Teresa oder irgend etwas dazwischen, das bleibt dem Autoren überlassen. Nur glaubhaft und nachvollziehbar muss es sein.
Was nützt die moralische Keule ("Dies ist richtig!", "Das ist falsch!")? In der realen Welt gibt es auch kein Schwarz-Weiß. Jeder muss ständig für sich Entscheidungen treffen, und sei es die mit dem Ergebnis "Was geht mich das an?" Ob diese Entscheidungen "richtig" oder "falsch" sind, ... wenn der Leser ein Urteil darüber fällt, hat man ihn doch schon zum Nachdenken (und moralischen Werten) gebracht. Das ist (für die Moral ;)) viel effizienter als zu sagen: "Dies ist ein Guter, deshalb gewinnt er an Ende auch. Verhalte Dich wie er und dann wird für Dich am Ende auch alles gut." Heilige haben schon in den Zeiten nicht als Vorbilder funktioniert, als die Menschen noch an sie geglaubt haben, und zwar gerade deswegen, weil sie Heilige waren.