Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: heroine am 07. Juni 2014, 15:23:23

Titel: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: heroine am 07. Juni 2014, 15:23:23
Hallo,

ich hab gesucht, aber nichts gefunden. Ich hoffe nichts übersehen zu haben.

Intelligenz ist ja etwas, was man seinen Protagonisten, seinen Antagonisten und auch sonst gelegentlich Charakteren mitgibt. Aber wie setzt man das um? Wie beschreibt man ein gnadenloses Genie, das einen selbst in den Schatten stellt? Ich persönlich finde es furchtbar, wenn immer wieder Charaktere als wahnsinnig intelligent beschrieben/dargestellt werden und ich mir selber denke, dass er einfach nicht über die Kapazitäten des Autors hinwegkommt. Es reicht ja nicht in jeder Beschreibung dazuzuschreiben, dass er wirklich sehr intelligent ist und andere Charaktere darüber reden zu lassen wie intelligent er doch ist. Das ist ähnlich wie bei Beschreibungen von schönen Charakteren, man kann einen Charakter nicht pauschal immer als schön beschreiben, wenn die Eigenschaften dem Leser schlicht nicht schön vorkommen. Genauso ist es ja auch mit der Intelligenz.

Man kann jetzt einfach sagen, man lässt keinen Charakter klüger sein als man es selbst ist, aber wenn man von sich als durchschnittlich ausgeht, dann fehlen einem durch diese Annahme ja ein paar interessante Persönlichkeiten und Figuren. Andererseits wird es schwer sich in die Denkprozesse und Wahrnehmungen von jemandem hineinzuversetzen, der einfach sehr viel klüger ist, bzw. auch einfach nur andere intellektuelle Fähigkeiten hat. Das kann schon damit anfangen sich als Sprachuntalent in ein Sprachtalent hineinzuversetzen. Zugegeben umgekehrt einen wirklich nicht hellen Charakter zu begreifen mag auch nicht ganz so leicht sein, aber das stelle ich mir schon machbarer vor.

Dann gibt es natürlich noch die Abgrenzung zwischen Intelligenz und Bildung. Ein Charakter kann sehr gebildet sein, aber nur durchschnittlich intelligent und umgekehrt hochintelligent, aber absolut ungebildet?

Welche Stilmittel gibt es? Wie kann man sich in superintelligente Genies hineinversetzen? Braucht man solche Figuren überhaupt? Wann kommen sie zum Einsatz? Was sind die absolut ungeschickte Intelligenzumsetzungen, die einfach nicht wirken? Wann habt ihr das Gefühl, dass ein Charakter doofer ist, als der Autor es gerne hätte?

Also gut, das sind jetzt irgendwie ziemlich viele Fragen rund um das Thema Intelligenz bei fiktiven Personen, ich bin wirklich dankbar für jede Art von Input dazu.
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Kadeius am 07. Juni 2014, 16:00:08
Hallo heroine,

das ist natürlich mal wieder alles Ansichtssache, aber ich kann dir Eines versprechen: Auch wenn es kein Allheilmittel gibt, gibt es doch "intelligent wirkende" Charaktere; das kann sich in verschiedenen Facetten äußern. Ausgehend von einem modernen psychologischen Modell in der die Intelligenz in acht große Bereiche aufgeteilt wird (technische, sozial-empathische, körperlich-kinästhetische, musisch-künstlerische, sozial-analytische, kohärente, konsequenzrelevante (bei diesen beiden bin ich mir bzgl. des Begriffs unsicher), logisch-mathematische, planend-rationale) und dem ich am ehesten zugewandt bin, kann ich dir ein paar Tipps geben, da ich mich im Studium auch mit IQ-Ermittlung und Intelligenzforschung beschäftigt habe (es reicht für Klugscheißen mit etwas mehr als Halbwissen  :rofl:).

ZitatWelche Stilmittel gibt es?
Stilmittel oder Wortfiguren oder Tropen fallen mir keine bestimmten ein, das ist Sache des Schreibstils, aber du kannst den Charakter von anderen abheben, indem du ihn auf Dinge achten lässt, die nicht "selbstverständlich" sind. Es liegt daran, wie er seine Umgebung wahrnimmt, wie er auf Personen reagiert, was du ihn wann sagen lässt. Eine Person, die zum Beispiel analysiert und logisch schließt, was für sie im Augenblick relevant sein könnte, verwendet seine Gedanken darauf, Konsequenzen und Verhalten abzuschätzen und zu analysieren.
Du kannst die Figur auch "klugscheißen" lassen, aber dann darf es nicht allzu lächerlich wirken. Eine Figur kann belesen sein, einen Einfall haben, den sie anderen entweder mitteilt oder sie hinterher wissen lässt, dass er die ganze Zeit über bereits eine bessere Idee hatte. Ich habe selbst einen hochintelligenten Charakter und er denkt an vieles gleichzeitig, kann meist die Konsequenzen seines Handels einschätzen und er verbindet vieles miteinander, um zu neuen Schlüssen zu kommen.

ZitatWie kann man sich in superintelligente Genies hineinversetzen? Braucht man solche Figuren überhaupt? Wann kommen sie zum Einsatz?
Solche Figuren sind immer interessant, weil sie sich von anderen abheben. Es ist spannend, zu erfahren, wie er/sie dazu gekommen ist, kommt der Charakter aus einer guten Bildungsschicht, hat er sich das selbst erarbeitet, gab es besondere Umstände, die ihm die Eigenschaften eingebracht haben? Man kann sich nur schwer in superintelligente Genies hineinversetzen, aber es gibt gute Vorlagen, schau dir beispielsweise das Vorgehen und das Planen eines guten Serienkillers oder Psychopathen an. Schau dir Sherlock Holmes an, nimm dir vielleicht sogar Sheldon Cooper aus der Sitcom "The Big Bang Theory" zum Vorbild - schau auf deren Verhalten und setze dich mit ihrem Vorgehen auseinander. Vielleicht findest du Inspiration, vielleicht sogar eine Art Ebenbild eines Charakters, den du mal gern beschreiben würdest.
Sie kommen zum Einsatz, wenn es der Plot erfordert und man einen genialen Plan braucht, der für das Genie natürlich nur ein durchschnittlicher ist. Sie kommen zum Einsatz, wenn man sie mal gar nicht braucht und einfach einen schönen Gegensatz darstellen will. Sie kommen zum Einsatz, wenn es heißt, anderen ihre eigene Intelligenz zu demonstrieren und die gegnerische zu demontieren. Kurzum: Sie kommen zum Einsatz, wenn du es für richtig hältst, du brauchst nur eine Begründung, wie dieser Charakter da hineingeraten ist, das wäre schön für den Leser, denn der fragte sich sonst allzu bald, was ein so hochintelligenter Charakter in einem "unpassenden Setting" macht.

ZitatWas sind absolut ungeschickte Intelligenzumsetzungen, die einfach nicht wirken? Wann habt ihr das Gefühl, dass ein Charakter doofer ist, als der Autor es gerne hätte?

Wie oben schon angeklungen sein dürfte: Pseudo-Intelligenz beim Klugscheißen mit Halbwissen wirkt lächerlich, kann aber ein nettes Stilmittel sein. Der Charakter muss nicht immer seinen Senf dazugeben, manchmal reicht es, den Leser irgendwie wissen zu lassen: Der Charakter weiß Bescheid, behält es aber für sich, und das aus ganz diversen/persönlichen Gründen. Tolle Beispiele sind Varys, Petyr Baelish und Tyrion Lannister aus "A Song of Ice and Fire". Sie lassen andere wissen, wie es um ihren Einfluss bestellt ist und stellen ihre Künste gern zur Schau, aber eben nur so viel, wie es erfordert (Tyrion übertreibt es gern mal, aber das gehört zum Charakter). Es gibt natürlich noch andere gelungene Beispiele, aber ich möchte zu weit ausholen. Fakt ist: Weniger ist manchmal mehr, lächerlich ist, wenn du krampfhaft versuchst, jemanden intelligent wirken zu lassen und das immer und immer wieder. Das ist nicht nur langweilig und redundant, sondern es kann lächerlich wirken und anstrengen.
Hüte dich vor allem vor "Wissen". Nur weil jemand viel weiß, ist er weder weise noch intelligent. Andersherum mag es oft eine Begleiterscheinung sein, aber über Wissen jemanden als intelligent zu definieren, halte ich persönlich schlicht für daneben. Ansonsten gibt es da kaum Fehlgriffe, möchte ich meinen.
Ein Charakter ist doof, wenn er sich entsprechend verhält. Er versteht Anspielungen nicht, Witze auf seine / andere Kosten, fragt sich oft offensichtliche Dinge - kurz: er sieht, aber nimmt nicht wahr. Hüte dich davor, ansonsten war's das erstmal von mir.

Ich hoffe ich konnte dir ein wenig behilflich sein.  ;)
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Issun am 07. Juni 2014, 16:05:22
Hallo heroine,

Das ist wirklich ein interessantes Thema.  :)

Über genau dieses Problem zerbreche ich mir oft den Kopf. Ich habe selbst einen durchschnittlichen IQ, fände es aber todlangweilig, auf Protagonisten mit demselben Intelligenzniveau festgelegt zu sein. Mein Prota ist geplant als eine Art militärisches Genie. Da kommt erschwerend hinzu, dass ich von Militärischem wenig Ahnung habe. Ich beschäftige mich höchstens mit den historischen Aspekten.

Ich habe also einerseits das Problem, dass ich kein Genie bin, andererseits bin ich auch nicht militärisch versiert. Ich gehöre aber definitiv zu der Gruppe, die gerne über Dinge schreibt, die außerhalb des eigenen Erfahrungsbereiches liegen. Nun ist mein Prota schon in einigen Kurzgeschichten aufgetreten. Ich habe zwar nur relativ spärliche Erfahrung damit, wie er bei den Lesern ankommt, aber ich glaube, dass sein Auftreten zumindest in Situationen, in denen er sein Wissen und Können nicht anwenden musste, einigermaßen überzeugend war. Szenen, in denen eine Figur ihr Genie unter Beweis stellen muss, sind natürlich noch eine Spur brisanter.

Meiner Erfahrung nach kann Folgendes dazu beitragen, dass eine Figur intelligenter wirkt als ihr Schöpfer:

- Recherche: Je mehr, desto besser. Gib deiner Figur das Fachwissen, das sie braucht, um als Experte auf ihrem Gebiet auftreten zu können. Das sollte so weit gehen (unvorstellbar für mich, aber in der Theorie ist es so), dass ein Fachmann, der das Buch liest, nichts daran auszusetzen hat. Die Recherche fällt aber dann wohl mehr in den Bereich: Wie gebe ich der Figur einen hohen Bildungsgrad/Fachkenntnisse.

- Die übrigen Figuren sollten stillschweigend akzeptieren, dass dieser eine Charakter genial ist. Das heißt nicht, dass sie seine Urteile nie anzweifeln sollten, aber sie werden es wohl seltener tun als bei einer Figur, die ständig danebenhaut. Das kenne ich von einer Freundin von mir, die einen sehr hohen IQ hat. Ihr Wort hat (meist) mehr Überzeugungskraft im Freundeskreis als das anderer. Mich würde die Einstellung anderer Charaktere zum Genie als Leser mehr überzeugen, als wenn ständig gesagt wird, dass eine Figur brillant ist.

Manche Leute haben ein fotografisches Gedächtnis. Ich finde, das ist etwas, was man völlig unabhängig vom eigenen IQ überzeugend darstellen kann: Die Figur erinnert sich an Details, die anderen Figuren entgangen oder entfallen ist. Vielleicht kann sie Orte beschreiben, an denen sie vor vielen Jahren gewesen ist, als würde sie diese Orte gerade vor sich sehen.

Das sind jetzt die ersten Punkte, die mir dazu einfallen. Ich weiß nicht, ob dir etwas davon hilft. Vielleicht habe ich später noch andere Ideen.

LG Issun  :)
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Coppelia am 07. Juni 2014, 16:10:05
Ich kenne das Problem. Im Moment habe ich es gerade wieder. Es ist wirklich nicht ganz einfach.

Ich glaube, erst einmal musst du genau die Motivation und den Charakter deiner Figur kennen und wissen, auf welchem Gebiet sie so intelligent ist. Da gibt es ja ganz verschiedene Begabungen. Auf anderen Gebieten ist diese Figur vielleicht gar nicht so sehr der Überflieger. Dann recherchiere ich oder überlege mir, was typisch für jemanden ist, der auf diesem bestimmten Gebiet so begabt ist. Wie nimmt diese Person die Welt wahr, was ist typisch für ihre Perspektive? Wer ein genialer Maler ist, hat sicher einen Sinn für Farben und Formen, die ihm in Alltag begegnen, ein Mathegenie mag über Zahlen und Rätsel stolpern ...

Mein Lukial zum Beispiel ist sehr sprachbegabt, sehr viel sprachbegabter als ich. Um aus Lukials Perspektive zu schreiben, habe ich viel Cicero gelesen und mich von seinen wunderbaren Texten anregen lassen. Ich denke trotzdem, dass Lukial sprachbegabter ist, als ich es auszudrücken vermag, aber so schlimm ist das nicht, er ist ja nur eine fiktive Figur, und außer mir ist es eigentlich jedem egal, ob ich ihm gerecht werde oder nicht.
Anders sieht es meiner Meinung nach mit realen Figuren aus. Um mich zu trauen, aus Ciceros Perspektive zu schreiben, habe ich ihn sehr jung gemacht, damit er noch nicht so viel Erfahrung hat (und ich traue mich noch immer nicht). Aus Einsteins Perspektive zu schreiben, würde ich mich wohl in 100 Jahren nicht trauen. Aber andererseits ist das auch eine tolle Sache, wenn man mutig ist - wer möchte nicht mal in Einsteins Kopf schauen?
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: canis lupus niger am 07. Juni 2014, 19:58:08
Wenn man einem Charakter Eigenschften verleihen möchte, die man selber (in dem Ausmaß) nicht besitzt, und die Du entsprechend auch nicht aus Deiner eigenen Anschauung beschreiben kannst, könnte es vielleicht helfen, über echte Hochbegabte und Genies zu recherchieren. Es gibt unzählige Anekdoten über berühmte Genies. Es gibt Bücher und Artikel über Hochbegabte, zum Beispiel über die Probleme hochbegabter Kinder in der Schule. Da werden auch Beispiele genannt, wie sich Hochbegabung äußern und im sozialen Umfeld auswirken kann (zum Beispiel geschlechtsspezifisch sehr unterschiedlich). Da findest Du sicher nette Situationen, die Du (auf Deinen betreffenden Charakter umgemünzt) in Deine Geschichte einbauen kannst. Ich denke, wenn Du von Deiner realen "Vorlage" ausreichend abweichst, ist das rechtlich und moralisch unproblematisch.
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Aidan am 07. Juni 2014, 21:04:06
Du könntest auch Ratgebern für hochbegabte Menschen lesen, darin kann man viel über die Denkmuster erfahren. Anne Heintze "Außergewöhnlich normal" beschäftigt sich mit typischen Problemen und deren Ursache. Hochbegabung kann mit einer ordentlichen Portion Alltagsuntauglichkeit einhergehen. (Mein Onkel war ein genialer Architekt, extrem begabt, aber konnte keinen einzigen Nagel vernünftig in die Wand hauen oder gar mit einer Bohrmaschine umgehen.) Du könntest dich auch mit Hochbegabten oder deren Angehörigen unterhalten, wobei es wirklich viele verschieden Intelligenzformen gibt.

Wissen ist kein Zeichen von Intelligenz, es ist mehr eine andere Auffassungsgabe, eine andere Denkstruktur, eine andere Verarbeitung der Informationen und Lösungsansätze. Hochintelligente können ungebildet sein, aber werden vielleicht eher noch - auch durch den Wissendrang - überproportional mehr aufgeschnappt haben, als andere, die in der gleichen Umgebung aufgewachsen sind.
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: et cetera am 08. Juni 2014, 08:06:21
Ich finde sehr intelligente Charaktere auch schwer zu schreiben. Und ich meine damit keine Hochbegabten und Genies, sondern einfach Leute, die eine schnellere Auffassungsgabe haben als man selber. Es geht ja nicht nur darum, dass diese Charaktere ihre Intelligenz zwischendurch zum Besten geben dürfen, sondern dass sie den Plot entscheidend prägen. Ein intelligenter Mensch wird eine Verschwörung viel schneller durchschauen, er wird eher einen Ausweg aus einer scheinbar auswegslosen Situation sehen.
Und das sind Punkte, mit denen ich auch kämpfe. Ist der Charakter wirklich so gut, brauche ich mit vielen Geheimnissen erst gar nicht anzufangen, weil er sie sofort durchschaut. Oder noch schlimmer: Ich schreibe eine Lösung für eine dieser schier auswegslosen Situationen, die aber dem intelligenten Charakter nicht gerecht wird, weil dieser das mit mehr Finesse geschafft hätte.
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Churke am 08. Juni 2014, 11:14:38
Ich finde das jetzt nicht sooo schwierig. Aber ob es hilft, irgendwelche genialen Vorbilder durch Recherche erfassen zu wollen? Nach dem Motto wir legen das Gehirn in Formalin und suchen die geniale Stelle?

Der Punkt ist, dass für ein Genie kinderleicht ist, was dem Normalbegabten den Kopf rauchen lässt:
http://www.youtube.com/watch?v=-ciFTP_KRy4

Ein weiteres Beispiel ist Isaac Newton. Über tausend Jahre lang haben Generationen von Gelehrten Euklid studiert. Newton las sich ein und entdeckte die Differentialrechnung. Die kannte Archimedes allerdings auch schon...  ;)

Wie diese Leute dann "privat" sind, ist eine andere Frage. Sie können exzentrisch sein, Partylöwen (Leonardo da Vinci), Spekulanten (Newton), depressiv (Michelangelo), Egomanen (Wagner) - oder einfach nur unauffällig.

Das ist eigentlich in jeder Disziplin so, selbst in der Politik - wobei in der Politik häufig das Problem des Dunning-Kruger-Effekts besteht: http://de.wikipedia.org/wiki/Dunning-Kruger - auch Machiavelli wies darauf hin, dass ein schlechter Herrscher gemeinhin schlecht beraten ist, weil ihm die Fähigkeiten fehlen, einen guten Rat von einem schlechten zu unterscheiden.

Zitat von: et cetera am 08. Juni 2014, 08:06:21
Ich finde sehr intelligente Charaktere auch schwer zu schreiben. Und ich meine damit keine Hochbegabten und Genies, sondern einfach Leute, die eine schnellere Auffassungsgabe haben als man selber.
Der Haken ist natürlich, dass man das plotmäßig aufarbeiten muss - womit wir wieder beim Dunning-Kruger-Effekt wären. Als Autor muss man sich genau überlegen, was die Figur kann und wie man das ausarbeiten/verbauen will.

Aber auch Genies können ganz böse ins Klo greifen. Newton hielt es für unmöglich, eine Uhr zu konstruieren, die auf See genau geht.

Zitat von: heroine am 07. Juni 2014, 15:23:23
Dann gibt es natürlich noch die Abgrenzung zwischen Intelligenz und Bildung. Ein Charakter kann sehr gebildet sein, aber nur durchschnittlich intelligent und umgekehrt hochintelligent, aber absolut ungebildet?
Intelligenz ist die Fähigkeit, Probleme zu lösen. Bildung pflegt diese Fähigkeit zu schulen, also die Intelligenz zu steigern, und natürlich setzt Bildung auch eine gewisse Grundintelligenz voraus.
Das bedeutet aber nicht, dass der Ungebildeter ein tumber Trampel sein muss. Theoderich war Analphabet (also Bildungsniveau null), aber das hielt ihn nicht davon ab, ein großer und weiser Herrscher zu sein. Bei den alten Germanen galt Bildung als Fehlerziehung, aber dessen ungeachtet haben sie sich meist ziemlich clever angestellt.
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Sanjani am 08. Juni 2014, 13:34:18
Ich hatte v. a. in meiner Jugend relativ viel Kontakt zu hochbegabten jungen Menschen. Außerdem habe ich mich auch später noch gern mit diesem Thema beschäftigt. Ich finde Ratgeber keine schlechte Idee, weil man da u. a. sehen kann, was denen Probleme bereiten kann und auch, wie unterschiedlich sich Hochbegabung zeigen kann. Mein persönlicher Favorit auf diesem Gebiet ist "Jenseits der Norm - Hochbegabt und hoch sensibel" von Andrea Brackmann. Da werden auch viele Fälle beschrieben und das Buch ist insgesamt sehr anschaulich gestaltet.

Meine Erfahrung ist, dass die meisten hochbegabten Menschen eigentlich relativ normal sind. Sie haben oft spezielle Interessengebiete, wo sie sich sehr gut auskennen, aber im Großen und Ganzen sind es Leute wie du und ich. Aber - und jetzt kommt das große Aber :) - gerade beim Schreiben muss man sich ja gut überlegen, wieso man einen Charakter konzipiert, der hoch intelligent ist. Warum kann der nicht normal intelligent sein? Und da geht es dann doch häufig um Dinge, die den normal intelligenten verborgen bleiben würden oder deren Lösung sich ihnen erst nach längerem Grübeln erschließen könnte. Mein Lieblingsbeispiel im Fernsehen ist ja Dr. Reid aus Criminal Minds. Es gibt wirklich hoch Begabte, die sind so wie er, aber er ist schon auch ziemlich nerdig gemacht, finde ich (für alle, die ihn kennen), und er ist ja im bereich emotionale und soziale Kompetenz eher unterentwickelt, wenn man so möchte. Dies ist aber m. E. ein Aspekt, der auch weiß Gott nicht auf alle hoch intelligenten Menschen zutrifft. Auf einige sicherlich, aber auf viele eben auch nicht. Es kommt also sicherlich auch darauf an, was für einen Typ Mensch man konzipieren möchte. Und wenn man sagt, ok, der soll eine bessere Auffassungsgabe o. ä. haben, dann muss man wirklich auch Situationen konzipieren, wo sich die Intelligenz zeigt. Bei Criminal Minds gibt es z. B. einige Folgen, wo Reid irgendwelche Muster erkennt, die ich total abstrus finde und wo ich nie drauf gekommen wäre. Aber das ist sicherlich auch das Problem, dass einem da was einfällt, das auch wirklich so schwierig zu erkennen oder zu lösen ist, das auch die meisten Leser staunen und erst beim zweiten oder dritten Hinsehen erkennen würden. Man darf ja nicht vergessen, dass nur ungefähr jeder hundertste Mensch hochbegabt ist, d. h. theoretisch, dass auch nur jeder 100ste Leser die Lösung einfach finden darf - ganz plakativ gesagt -, und das ist schon ziemlich schwierig, finde ich.

Wenn man aber sagt, ok, man möchte einfach jemand recht intelligenten konstruieren, der sich ein wenig von den anderen abhebt, dann kann man da m. E. nicht so wahnsinnig viel falsch machen, weil die meisten eben doch so ähnlich sind wie wir normalos auch :)

Meine Beschäftigung mit Intelligenz ist schon eine Weile her, aber der IQ-Test-Standard ist momentan ja immer noch der Wechsler-Intelligenz-Test, und der unterscheidet zwischen bildungsabhängigen und unabhängigen Intelligenzen. Natürlich sind die nicht völlig voneinander unabhängig, aber gerade Aspekte der Informationsverarbeitung im Gehirn, z. B. Reaktionsgeschwindigkeiten oder Mustererkennung sind angeboren und nur bedingt trainierbar, und werden mit zunehmendem Alter schlechter.

Ein anderer m. E. wichtiger Aspekt ist die Umgebung, in welcher die Person groß wird. Wenn jemand mit hoher Intelligenz in einem armen Bauerndorf groß wird, dann wird der wahrscheinlich trotzdem keine höhere Bildung bekommen als die anderen Kinder in dem Dorf, und er wird ebenso wahrscheinlich Bauer werden wie seine Eltern auch, während bei uns Hochbegabung z. B. in der Schule entdeckt und das Kind entsprechend gefördert werden kann, sofern nötig bzw. gewünscht. In früheren Zeiten werden es Hochbegabte deshalb eher schwerer gehabt haben, mit ihrem Genie zu glänzen, je nachdem, von welcher Abstammung sie waren, Frauen oder Männer usw. je nachdem, was es halt für Einschränkungen gab, die überwunden werden mussten. Und ich mutmaße, dass die angeborenen Aspekte von Intelligenz da vermutlich eher zum Tragen kamen als die erworbenen.

Das mal mein Senf zum Thema.

LG Sanjani
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Guddy am 08. Juni 2014, 13:57:22
Naja, es geht ja auch darum, es dem Leser begreiflich zu machen. Daher würde ich darauf achten, wie er sich ausdrückt. Ich meine nicht, dass er mit Fremdwörtern um sich werfen soll, sondern dass er... einfach nicht dumm klingt. Dann, dass er relativ gebildet ist und Dinge/Fremdwörter nicht nachfragen muss. Natürlich geht Intelligenz nicht automatisch mit Bildung einher, doch es geht ja auch nur darum, dass es beim Leser ankommt. Und Bildung wirkt eben intelligenter. Meiner Meinung nach braucht man da keine Studien über Hochbegabte zu walzen, denn die ganzen Feinheiten und Untergruppen etc. tun da nicht unbedingt was zur Sache, da sie eh nicht so ankommen werden.

Geht es denn um einen speziellen Charakter?
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Sunflower am 08. Juni 2014, 14:09:17
Was ich mal gelesen habe zu dem Thema, ist das: Deine Figur soll intelligent auftreten. Sie bringt "spontan" die schlausten Antworten, reagiert unerwartet und verkörpert einfach die Hochbegabung, die du quasi für sie erdacht hast. Das Gute ist: Wenn du schreibst, musst du das ja nicht so schnell und spontan machen, wie deine Figur später reagiert. Für eine bestimmte Aussage kannst du dir sogar Tage Zeit lassen und am Ende wird es immer noch erscheinen, als ließe deine Figur z.B. spontan einen schlauen Spruch fallen.
Natürlich ist es alles andere als leicht. Ausführliche Charakterinterviews helfen da. Es gibt eine ganze Menge Artikel im Netz, die das Leben von Hochbegabten beschreiben, auch aus der Sicht von Hochbegabten. Im Endeffekt sind Hochbegabte auch nur Menschen. Sie haben die gleichen Probleme, die gleichen Ängste. Sie sind intelligenter, ja. Vielleicht verstehen sie komplexe Zusammenhänge schneller, kommen auf andere Schlüsse als ein "Normalbegabter", wobei das ja auch immer so eine Sache ist. Es gibt ja auch verschiedene Ausprägungen von Hochbegabungen. Außerdem kommt es darauf an, wie "hochbegabt" jemand ist. Ob er einfach intelligenter ist. Wie viel intelligenter er ist. Ob sein IQ bei 130 oder bei 180 liegt, kann schon ein großer Unterschied sein.
Ansonsten schreibt Sanjani ziemlich genau das, was ich auch denke.

Wie du sagst, gibt es natürlich noch einen Unterschied, ob jemand gebildet oder intelligent ist. Das sind zwei Paar Schuhe. Wobei sie auch irgendwo zusammenhängen. Jemand, der eher intelligent ist, interessiert sich wahrscheinlich auch eher für Literatur, Kunst, Geschichte und alles, was "Bildung" ausmacht. Er merkt sich vielleicht auch mehr und kann noch Jahre später etwas abrufen, was er irgendwo mal gehört hat. Aber weder sind alle Hochbegabten gebildet noch alle Gebildeten hochbegabt.

Sehr intelligente Figuren wirken vielleicht manchmal etwas weltfremd, abgehoben - wie Sherlock Holmes z.B., der ja schon aufgeführt wurde. Dadurch, dass sie Zusammenhänge viel schneller erkennen als andere, wirken ihre Gedankensprünge auf Außenstehende manchmal ziemlich .... seltsam. Aber das ist auch nicht bei allen Hochbegabten so. Wie gesagt, im Endeffekt sind das auch nur Menschen und es kommt auch darauf an, wie "hochbegabt" jemand nun ist.
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Churke am 08. Juni 2014, 19:09:44
Zitat von: Sanjani am 08. Juni 2014, 13:34:18
während bei uns Hochbegabung z. B. in der Schule entdeckt und das Kind entsprechend gefördert werden kann, sofern nötig bzw. gewünscht.
Entdeckt?
Gefördert?
SCHULE?
:rofl:

Der Direktor des humanistischen Gymnasiums zu Ernst Bloch http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Bloch: "Was? Philosophie wollen Sie studieren? Dazu sind Sie doch viel zu dumm!"

Sorry, aber das konnte ich mir nicht verkneifen. Hochbegabte stellen nach wie vor einen Gutteil der Schulversager und das ganze Geschwurbel um die Elitenförderung ändert nichts daran, dass die Lehrer noch genauso schlecht sind wie sie schon immer waren. Vielleicht sind sie heute sogar noch schlechter, weil es früher noch keine Schulreformer gab.
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Sanjani am 08. Juni 2014, 19:53:35
Zitat von: Churke am 08. Juni 2014, 19:09:44
Hochbegabte stellen nach wie vor einen Gutteil der Schulversager und das ganze Geschwurbel um die Elitenförderung ändert nichts daran, dass die Lehrer noch genauso schlecht sind wie sie schon immer waren.

Deshalb steht da ja auch "werden kann" und nicht wird. Und stell dir vor, es gibt Schulen, wo dem Thema Beachtung geschenkt wird. Viele sind es nicht, aber ein paar gibt's. Es gibt sogar ein paar wenige gute Lehrer. Außerdem ging es mir auch nicht speziell um Schulen, sondern darum, dass es Möglichkeiten gibt. Heutzutage kann ein hoch begabtes Kind sogar selber ins Internet gehen und entsprechende Infos finden usw. Das kann ein Kind aus einem Nomadenvolk vermutlich nicht so ohne Weiteres oder ein Kind, das in einer fiktiven historischen Welt groß wird.

VG Sanjani
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: canis lupus niger am 09. Juni 2014, 00:32:35
Die Förderung von anormal Begabten in unserem Bildungssystem mag gut oder schlecht sein, aber das war ja eigentlich nicht das Thema dieser Diskussion. Mein Hinweis auf die entsprechende Fachliteratur und das Infomaterial kam nur deswegen, weil man meiner Erfahrung nach dort reale Beispiele für Verhalten von Hochbegabten, bzw. sehr Intelligenten findet. Gerade die manchmal geringe "Alltagstauglichkeit" ist in solchen Quellen beschrieben, weil es hochintelligenten Menschen schwer fallen kann, ihr Denken so weit herunterzuschrauben, dass sie eine Bedienungsanleitung auf Anhieb verstehen.

Hochintelligente Schüler haben oft schlechte Noten, weil sie den Lösungsweg für eine Aufgabe nicht darstellen (können). Wenn man in der Mathe-Arbeit die Aufgabe nach kurzem Überlegen im Kopf gelöst hat, empfindet man es als sinnlose Zeitverschwendung, den Rechenweg noch einmal in aller Ausführlichkeit schriftlich darzulegen. Das kann den Schüler aber die halbe Punktzahl kosten, so dass er statt einer 1 nur eine 3 oder sogar 4 bekommt. Ein mir persönlich bekannter Teenager steht wissensmäßig in allen Schulfächern auf 1, bekommt aber in vielen Fächern "nur" eine 2, weil sie sich nie meldet. Der Grund: die Fragen der Lehrer sind ihr meist zu blöd. Es lohnt sich einfach nicht, sich zu melden, um sie zu beantworten. Deshalb steht sie leider mündlich bestenfalls auf 3. Wenn sie "zwangsweise" drangenommen wird, kann sie nämlich alles richtig beantworten.

Es ist nach meiner persönlichen Erfahrung (um Himmels Willen nicht als, sondern mit Hochbegabten) das größte Problem sehr intelligenter Menschen, mit normal denkenden Mitmenschen normal, d.h. höflich und respektvoll umzugehen. Normalbegabte wirken auf Hochbegabte manchmal wie Dummköpfe, weil ihre Maßstäbe einfach verschieden sind. Es ist dann ein Schritt zur persönlichen Reife (und zur sozialen Kompartibilität), die eigenen Maßstäbe anzupassen. manche Hochbegabte erreichen diese Fähigkeit nie. ::).
Jedenfalls kann es passieren, dass überdurchschnittlich Intelligente sich von völlig ernst gemeinten Aussagen verkohlt fühlen, weil sie denken, dass eine so "blöde" Aussage nicht ernst gemeint sein kann. Kinder und auch weniger tolerante erwachsene Intelligente werden oft ungeduldig, weil sie nicht verstehen, dass man ihren Gedankengängen wirklich nicht folgen kann. Manche werden insgesamt mürrisch und unfreundlich, weil alle anderen einfach nur blöd sind. Sensible Seelen unter den Hochbegabten dagegen halten sich selber für Freaks, versuchen sich anzupassen und zurückzunehmen, teils bis zur völligen Selbstverleugnung. Das findet sich besonders bei konservativ erzogenen kleinen Mädchen.

Im positiven Fall erlebt ein hochintelligenter Mensch es sicherlich als Offenbarung, auf einen anderen Menschen zu stoßen, der ebenso schnell denkt wie er selber. In einer Diskussion könnten die beiden (oder mehrere) Intelligenteren in einer Art Brainstorming die anderen Gesprächsteilnehmer quasi "abhängen", einander mit ihren Gesprächsbeiträgen ergänzen oder sogar überholen, so dass sie ihre Sätze gar nicht mehr beenden, weil der Andere den Sinn schon erfasst hat. Die anderen Gesprächsteilnehmer könnten schließlich frustriert nur noch von einem zum anderen gucken und kein Wort mehr verstehen. Oder eine Frage wird in den Raum gestellt, ein zu lösendes Problem, und der Intelligente lächelt, weil ihm eine Lösung eingefallen ist. Vielleicht tauscht er einen Blick mit dem Fragesteller oder einem/dem anderen Intelligenten, und sie grinsen einander an, weil sie beide die Lösung wissen, während alle anderen noch rätseln oder diskutieren.

Meine Tochter war im Kindergarten als diejenige bekannt, die sich immer so komplizierte Spielregeln ausdachte, die sich (außer ihr) niemand merken konnte, einschließlich der Erzieherinnen. Sie war frustriert, weil keiner sich auf ihre Erweiterungen der Regeln oder auf ihre selbst ausgedachten Spiele einlassen wollte. und die anderen Kinder waren frustriert, weil sie sich dumm vorkamen. Hochintelligente Menschen sind oft frustriert, weil sie sich von Idioten umgeben fühlen. je nach Charakter werden sie dann mürrisch, herablassend, aggressiv oder -im Gegenteil- desinteressiert. Das kann soweit gehen, dass sie wirken wie Autisten. Das kann auch dazu führen, dass sie für überheblich gehalten oder sogar gemobbt werden, denn die ebenfalls frustrierte Umwelt mag sich ja auch nicht gerne dumm fühlen.       
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Coppelia am 09. Juni 2014, 05:21:18
Ich kann dazu noch sagen: In Pädagogik an der Uni habe ich gelernt, dass die meisten Hochbegabten die Probleme, die hier beschrieben werden, angeblich nicht haben. Aus diesem Grund werde ihre Begabung mitunter auch nicht erkannt. Hoher IQ und niedrige soziale Intelligenz oder Anpassungsschwierigkeiten gehen nicht automatisch miteinander einher. Es fallen wohl nur eher diejenigen Personen auf, bei denen das so ist (die anderen Personen gelten dann vielleicht einfach nur als einigermaßen talentiert und fleißig). Im Gegenteil, Hochbegabte sollen im Durchschnitt deutlich mehr Vorteile als Nachteile durch ihre Begabung haben. (Ein anderes Kapitel ist natürlich der quasi unvermeidliche Ärger der Mitschüler über die Ungerechtigkeit, dass jemand die Leistungen, für die sie arbeiten müssen, spielend schafft.)
Das zumindest habe ich vor einigen Jahren in Sozialpädagogik gelernt - als Wissenschaftlerin kann ich ja nichts glauben, was ich nicht selbst erforscht habe, aber ich fand es recht überzeugend.

Ich glaube also nicht, dass man gezwungen ist, eine hochintelligente Person mit den klischeehaften Schwächen darzustellen. Schwächen wird sie selbstverständlich haben, wie jede Person. Sie kann aber genauso gut durchschauen, wie soziale Prozesse ablaufen, und sich so verhalten, wie es die jeweilige Situation erfordert. Ihre hohe Intelligenz ist dann dem Umfeld wahrscheinlich nicht klar, und vielleicht nicht einmal der Person selbst.
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Aidan am 09. Juni 2014, 08:44:02
Kann ich bei dir unterschreiben, Coppi. Ich denke, es gibt beides, aber ich kenne eher die unauffälligen Vertreter. Viele Hochbegabte werden gar nicht erkannt, weil sie sich anpassen, wie Alien fühlen und den Fehler bei sich suchen. Schließlich muss man als Hochbegabter sich oft anhören, dass man den falschen Lösungsweg nimmt - das Ergebnis stimmt, aber man soll bitte den besprochenen Weg nehmen, der für jemanden, der einfach weiter und anders denkt, völlig kompliziert und verwirrend unsinnig ist. Da fragt man sich schon, ob man so verkehrt denkt. Ich habe den Eindruck, dass viele mehr durch den Blödsinn auffallen, den sie machen, wenn sie nicht ausgelastet sind, oder aber durch Wissensdurst, starke Neugierde, etc., wenn ihnen dass nicht abtrainiert wurde.

Ich glaube, wenn man nicht gerade die Hochbegabung zum Thema macht, muss man die nicht bei einer Figur übermäßig betonen. Im täglichen Umgang  mit anderen machen sich die meisten doch eher weniger Kopf darum, ob jemand hochbegabt ist oder nicht, sondern empfindet eine Person als intelligenter oder weniger intelligent. Eigentlich sind Hochbegabte normale Menschen, mit einer anderen Denkstruktur, Auffassungsgabe und als Kinder etwas frühreif, was die geistigen Kapazitäten angeht, im sozialen Miteinander dagegen haben sie die gleichen Bedürfnisse, wie andere auch.

Was vielleicht ein Ansatz wäre, um die Begabung zu zeigen: Hochbegabte entwickeln teilweise in ähnlicher Zeit einen Lösungsweg wie andere auch, aber in der Zeit, in der Nicht-Hochbegabte einen Weg gefunden haben, hat der Hochbegabte sämtliche mögliche Lösungen mit ihren Vor- und Nachteilen durchdacht und den "optimalen" Weg gefunden - und die Argumente bereits parat, wenn darüber diskutiert wird, welchen Weg man verfolgt, und kann dabei Eventualitäten und potentielle Probleme aufzeigen, die andere nicht bedacht haben.
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Sanjani am 09. Juni 2014, 09:01:41
Ich hab mich in Canis' Beschreibung als Jugendliche sehr oft wiedergefunden, obwohl bei mir nie offiziell eine Hochbegabung fest gestellt wurde (nur vom "klinischen" Eindruck her sozusagen). Ich glaube, wenn man über jugendliche hochintelligente Charaktere schreiben möchte, bietet sich schon an, einiges von den o. g. Dingen einzubeziehen. Das hängt m. E. mit verschiedenen Dingen zusammen, einerseits mit dem Ingroup-Outgroup-Phänomen, das in der Jugend sehr wichtig ist - man denke nur an die vielen Cliquen, die sich da bilden. Ein Hochbegabter passt da häufig nicht rein, weil er sich mitunter eben nicht für Partys und Jungs interessiert, sondern für Sokrates und Euklid. Und andererseits ist das deutsche Schulsystem wirklich null auf unterschiedliche Begabungen ausgelegt. Ich kann nicht in Worte kleiden, wie unglaublich langweilig es ist, 15000 mal denselben Stoff zu wiederholen, v. a. nach den Ferien, weil da ja niemand gelernt hat (ich auch nicht, aber ich wusste es halt noch). Und ich finde es auch sehr viel verlangt von einem Jugendlichen, wenn er seinen Frust immer herunterschlucken muss. Anfügen möchte ich zu dem Bild noch die Mitschüler, die kurz vor der Stunde hingehen und sagen: Du, kannst du mir schnell sagen, was wir letzte Stunde gemacht haben? Ich glaub, ich werd heut abgefragt. (Keiner von denen ist je mein Freund geworden.)

Ich denke, es kommt auch viel drauf an, ob man ähnliche Interessen teilen kann, die auf einem nicht geistigen Gebiet gelegen sind. Ich hatte z. B. in meiner Judomannschaft nie Probleme, obwohl keine von denen hochbegabt war. Und wir hatten es auch immer lustig und es ging uns nie der Gesprächsstoff aus. Wenn man erst mal befreundet ist, tritt die Begabung dann teilweise auch in den Hintergrund.

Wer sich für Hochbegabte interessiert, kann auch mal zu einem Mensastammtisch als Interessent kommen. Das hab ich auch einmal gemacht. Allerdings hab ich zumindest bei U30 schon ziemliche Freaks vorgefunden, die wirklich jedem Cliché von Hochbegabung entsprochen haben. :)

LG Sanjani
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Sanjani am 09. Juni 2014, 09:24:35
Zitat von: canis lupus niger am 09. Juni 2014, 00:32:35
Es ist nach meiner persönlichen Erfahrung (um Himmels Willen nicht als, sondern mit Hochbegabten) das größte Problem sehr intelligenter Menschen, mit normal denkenden Mitmenschen normal, d.h. höflich und respektvoll umzugehen. Normalbegabte wirken auf Hochbegabte manchmal wie Dummköpfe, weil ihre Maßstäbe einfach verschieden sind. Es ist dann ein Schritt zur persönlichen Reife (und zur sozialen Kompartibilität), die eigenen Maßstäbe anzupassen. manche Hochbegabte erreichen diese Fähigkeit nie. ::).

Ebenso ist es ein Akt persönlicher Reife, anzuerkennen, dass der Hochbegabte anders denkt und in manchen Bereichen mehr kann als ich selber. Auch diese Fähigkeit erreichen viele Erwachsene und demzufolge auch Kinder und Jugendliche nicht. Ich hab es erlebt (d. h. meine Mutter), dass Eltern in die Schule kamen und sich darüber beklagten, dass ich als Blinde ja bevorzugt werde, und ein Lehrer sagte mal zu mir, ich bekäme meine guten Noten eh nur aus Rücksichtnahme, weil ich blind bin. Sorry, aber da müssen sich beide Parteien an die eigene Nase packen. Ich glaube, es ist gerade für Kinder und Jugendliche relativ schwierig zu verstehen, warum der andere nicht folgen kann bzw. so weit voraus ist. Ich hab immer gedacht, die anderen müssten genauso ticken wie ich, und mir kam nicht in den Kopf, dass das eben nicht so ist aus irgendwelchen Gründen. Da kannte ich mich mit Intelligenz noch nicht so aus. Ich glaube, es ist eine Erziehungsaufgabe, das beiden Parteien beizubringen, und dieser Aufgabe kommen v. a. Lehrer nicht nach, weil sie gar nicht erkennen, dass jemand Intelligenteres vor sich sitzt oder weil sie ein zu großes Ego haben um es anzuerkennen.

Sorry, das ist jetzt wohl etwas von meiner Vergangenheit gefärbt, aber ich meine es trotzdem ernst damit. Wenn man über so einen Charakter schreiben möchte, also über so was Spezielles, das Hochbegabung als Thema hat, ist das sicher wichtig, aber hier ging es ja wohl eher um den Normalo unter den Hochbegabten :)

LG Sanjani
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Churke am 09. Juni 2014, 10:04:18
Zitat von: Winterkind am 09. Juni 2014, 08:44:02
Schließlich muss man als Hochbegabter sich oft anhören, dass man den falschen Lösungsweg nimmt - das Ergebnis stimmt, aber man soll bitte den besprochenen Weg nehmen, der für jemanden, der einfach weiter und anders denkt, völlig kompliziert und verwirrend unsinnig ist.
Das gehorsame Verwenden des Amtsschimmels ("Es lebe der Vorgang!") ist andererseits eine wichtige soziale Kulturtechnik, wenn man nicht anecken will. Der Intelligente sieht tendentiell früher, dass der Schimmel Mist ist, aber wenn er clever ist, passt er sich an.

Ich habe in einem SF-Szenario den Generalplaner Wendelin. Wendelin ist Genkonstrukteur und kann Genome lesen und verändern wie Baupläne. Das verleiht ihm gottgleiche Fähigkeiten, er kann jedes beliebige Lebewesen erschaffen oder verändern. Allerdings befindet er sich in einer Gesellschaft, die alle Abweichungen vom Durchschnitt für gefährlich hält. Flöge er auf, würde man ihn von der Regierungsverantwortung zur Müllabfuhr versetzen.
Also benutzt Wendelin brav den Amtsschimmel und täuscht Mittelmäßigkeit vor. Bloß nicht auffallen! Seine Begabung nutzt er vorwiegend, um die Genome von Volksgenossen zu lesen, damit er sich besser an sie anpassen kann.

Zitat
Hochbegabte entwickeln teilweise in ähnlicher Zeit einen Lösungsweg wie andere auch, aber in der Zeit, in der Nicht-Hochbegabte einen Weg gefunden haben, hat der Hochbegabte sämtliche mögliche Lösungen mit ihren Vor- und Nachteilen durchdacht und den "optimalen" Weg gefunden - und die Argumente bereits parat, wenn darüber diskutiert wird, welchen Weg man verfolgt, und kann dabei Eventualitäten und potentielle Probleme aufzeigen, die andere nicht bedacht haben.
Das kann sich leider auch als Fluch erweisen. Unter lauter Dummen gilt der Kluge als Dummkopf.
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Guddy am 09. Juni 2014, 11:39:39
Ach, Langeweile macht noch keine hochbegabung. Auf mich trifft dieses Profil auch zu. Aber ich finde es vermessen, dann davon auszugehen, hochbegabt zu sein. Das denken ohnehin zu viele Menschen unberechtigterweise von sich oder ihren Kindern.
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Sanjani am 09. Juni 2014, 11:52:53
Zitat von: Guddy am 09. Juni 2014, 11:39:39
Ach, Langeweile macht noch keine hochbegabung. Auf mich trifft dieses Profil auch zu. Aber ich finde es vermessen, dann davon auszugehen, hochbegabt zu sein. Das denken ohnehin zu viele Menschen unberechtigterweise von sich oder ihren Kindern.

Natürlich gehört mehr zur Hochbegabung als Langeweile, was aus den zahlreichen Beiträgen hier auch deutlich geworden sein dürfte. Gleichzeitig zeigt dein Kommentar m. E. aber auch sehr schön, dass die Unterschiede eben doch nicht so groß sind. Zumindest im Grenzbereich zwischen durchschnittlich intelligent und hochbegabt. Andererseits ist das ja auch ein Kontinuum, und auch normal intelligente können dieselben Bedürfnisse wie hochbegabte haben, was das Lernen, Denken etc. angeht.

Meine sehr persönliche Erfahrung ist aber schon, dass gerade Leute im extrem hohen Intelligenzbereich etwas anders ticken als die große Mehrheit. Und wenn man über so jemand schreiben möchte, kann man sich glaub ich schon auch leicht vertun bzw. es fällt schwer das glaubwürdig rüberzubringen. Am besten von so einer Person mal gegenlesen lassen :)
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Snöblumma am 09. Juni 2014, 12:45:27
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich das Trara um Hochbegabte nie ganz verstanden habe. Ich hänge keine entsprechende echte Diagnose, habe aber bei zwei IQ Tests mehr als 130, war immer sehr gut in Schule und Studium und tue mich wahnsinnig leicht mit lernen. Ich hatte in der Schule damit nie Probleme, ganz ehrlich. Klar war es langweilig, immer alle Schritte auf das Papier zu schreiben statt nur das Ergebnis. Da muss ich mich heute noch oft bremsen. Aber so sind nun mal die Anforderungen - und für mich gehört es auch zur Intelligenz zu merken, was gefordert ist und mich da anzupassen. Ich hab wahnsinnig gern gefeiert und getrunken. Tue ich heute noch - und ich hab einfach den Vorteil, dass es mir nichts ausmacht. Weil ich sehr viel weniger Energie zum lernen brauche zum Beispiel. Ich war eine der Partymäuse der Stufe und trotzdem Schulbeste. Im Studium war ich eine der Faulsten und trotzdem unter den besten 5%. Dafür schreibe ich eben nebenbei.
Natürlich interessiere ich mich schon immer auch für Dinge, die für viele andere sehr weit weg sind. Philosophie, Religion, vor allem aber Geschichte - da war ich immer sehr viel weiter als andere. Ich lerne sehr schnell Sprachen, spreche jetzt fünf Sprachen fließend - aber ich fand das nie wahnsinnig besonders. Klar war Schule langweilig, und jetzt sitze ich meist im Unterricht und langweile mich. Aber ich nutze die Zeit eben anderweitig. Ich lerne vor, in der Schule habe ich Buch um Buch gelesen, im Studium eben Sprachen gelernt nebenbei. Ich habe oft Zwiegespräche mit Lehrern oder Dozenten und gebe die leichten Antworten halt, damit es weiter geht. Nervt zwar, ist halt aber so.   Für mich war es immer klar, dass ich mir eben anderes suche. Ich kann im Normalfall zwei Dinge nebeneinander machen und weiß trotzdem immer, wo der Dozent ist.
Ich merke im Alltag einfach, dass sehr viele Leute meinen Gedanken nicht folgen können, dass ich mir Dinge von einmal lesen merke und anwenden kann,  und dass mir Muster sehr schnell auffallen. Logik und Argumentation fallen mir leichter als meinen Kollegen. Aber das war es in meinen Augen auch schon... ich lerne halt schneller. Das war es.
Insofern halte ich das Klischee des verkannten Hochbegabten für manchmal zutreffend, aber nicht immer. Man kann sich sich anpassen, und auch das ist eine Fähigkeit, die man lernen sollte. Die Welt besteht halt nicht nur aus Hochbegabten. Und irgendwie muss man damit ja auch umgehen können ;).
Das nur mal so als Erfahrungsbericht :).
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Sunflower am 09. Juni 2014, 13:04:26
Bei mir war es so, dass meine Eltern mich im Kindergarten auf Hochbegabung haben testen lassen. Das Ergebnis war "grenzwertig", ich hätte früher eingeschult werden können, aber meine Eltern haben sich dagegen entschieden. Wofür ich ihnen echt dankbar bin, auch wenn ich mich in der Grundschule halbtot gelangweilt habe. Ich war meine gesamte Schulzeit immer Klassenbeste bzw. Zweitbeste - aber wie gesagt, ich gehe davon aus, dass ich sozusagen ganz knapp nicht hochbegabt bin, wenn man das denn an einem IQ festmachen will.
Da kamen dann natürlich immer mehr Kommentare wie "Das war ja eh wieder klar", worunter ich ziemlich gelitten habe. Ich habe aufgehört, auf meine Noten stolz zu sein, weil es mir wie eine Farce vorkam - war doch eh klar, dass ich wieder eine 1 habe, wozu also vorher nervös sein und mich danach freuen? Klar habe ich mich gefreut, aber ganz heimlich still und leise. In der zehnten Klasse habe ich dann teilweise nicht mehr auf Arbeiten gelernt, weil ich dachte, wenn ich "normale" Noten schreibe, fühle ich mich vielleicht auch "normal". In der 11. habe ich mich wieder voll reingehangen, weil ich ein gutes Abi wollte. Hat dann auch geklappt.
Jedenfalls, was ich damit sagen will: Obwohl ich offiziell nicht hochbegabt bin, stelle ich sehr viel fest, was hier auch schon geschrieben wurde. Ich wollte mich mein ganzes Leben lang in der Schule irgendwie anpassen, koste es, was es wolle. Dass ich damit nicht glücklich werde, habe ich dann erst sehr spät begriffen. Ich habe immer gedacht, ich müsse so sein wie alle, damit ich dazu gehöre. Ich habe gedacht, dass es ungerecht ist, dass ich bessere Noten habe als die meisten anderen und den größten Teil meiner Schulzeit nichtmal Hausaufgaben gemacht habe. Die kamen mir wie Zeitverschwendung vor - klar, tun sie vielen - aber ich konnte im Unterricht dann trotzdem meistens irgendwelche Antworten improvisieren. Ich kam mir meistens vor, als hätte ich die Ergebnisse nicht verdient, als müsse man bei mir einen höheren Standard ansetzen als bei allen anderen. Und von der Sache mit dem Hochbegabtentest habe ich auch erst erfahren, als ich 16 war oder so.
Was canis über ihre Tochter erzählt, kann ich auch unterschreiben. Ich habe mir auch immer irgendwelche schwierigen Spiele ausgedacht, die niemand außer mir verstanden hat  :D

Bei mir war die schwierigste Zeit die Grundschule, weil ich den Unterricht langweilig fand und viel schneller fertig war als die anderen Kinder. Später habe ich "kapiert", dass ich mich anpassen muss, um akzeptiert zu werden. Ich habe angefangen, extra lang mit den Aufgaben herumzutrödeln, damit ich am Ende gleich schnell fertig bin wie die anderen. Weniger gelernt, damit ich nicht ganz so gute Noten bekomme. Mir eingeredet, dass ich Mathe nicht kann, damit ich was mit den anderen Mädchen gemeinsam habe. Was natürlich Quatsch war und was ich dann auch in der Oberstufe begriffen habe - bzw. mein Vater hat mir dann klar gemacht, dass es mich nicht weiterbringt, wenn ich mich selbst überzeuge, dass ich Mathe nicht verstehe. Eigentlich war das Matheabi dann nämlich doch recht einfach.

Bei mir war und ist es eigentlich diese "Anpassung". Jeder Hochbegabte unterscheidet sich, im Endeffekt sind das alles Menschen. Aber ich glaube, bei vielen, gerade in der Pubertät, macht diese Anpassung schon was aus. Man will normal sein. Ich habe mich verwünscht, dass ich so gut bin. Mich haben andere gefragt, die viel mehr gelernt haben als ich und trotzdem schlechter waren - wie machst du das? Und ich hatte echt keine Ahnung. Ich habe auch einfach nur gelernt und dann die Arbeit geschrieben wie jeder andere.
Wie Sanjani sagt, wenn jemand dann wirklich extrem hochbegabt ist, dann tickt er wahrscheinlich auch sehr anders. Bei mir ist das nicht richtig so - zwar habe ich meine Probleme im Umgang mit anderen Menschen, aber keine großen. Normale Probleme eben, wie jeder andere. Wenn die Figur jemand ist, der extrem hochbegabt ist, würde ich das auch von so jemandem gegenlesen lassen.

Viel zu lang und ein wenig wirr, aber ich hoffe, dass klar wird, was ich eigentlich sagen wollte  ;D

Und edit, weil Snöblumma gerade noch geschrieben hat: Mir ging es recht ähnlich wie ihr, nur dass ich Partys nie mochte. Ich mag Konzerte, ich trinke auch gern mal was mit Freunden, aber mit Disko etc. kann ich irgendwie nichts anfangen. Das liegt einfach nur daran, dass es mir zu heiß und zu voll ist und nicht an meinen sozialen Kompetenzen  :D
Ich glaube, "ich lerne schneller" passt auf mich auch wirklich gut und jetzt bin ich mal ruhig. Genug geredet ;)
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Vic am 10. Juni 2014, 11:50:51
Ich finde ein guter Trick ist ja zu beachten, dass du vor jedem schlauen Satz den dein Charakter äußerst auch erstmal in Ruhe recherchieren kannst.  ;D Denn DU musst ja nicht alles wissen, du musst ja nur wissen wo es steht.

Also ich habe auch immer wieder Charaktere in Geschichten, die einfach sehr viel wissen und wenn ich die schreibe, habe ich daneben eben auch meistens Wikipedia offen und recherchiere mal schnell was.
Ich behaupte mal, dass jeder der in der Lage ist sich eine komplette Welt und vielseitige Charas auszudenken nicht ganz dumm sein kann. Also denke ich, dass es den meisten Autoren tatsächlich gelingt schnell was zu kapieren oder wenigstens einen groben Überblick zu verschaffen.

Und das wichtigste ist ja, dass man es gar nicht vollständig kapiert haben muss - in den seltensten Fällen leiert ein Chara mitten in der Handlung einen ganzen Vortrag runter. Wenn er weiß, dass aus X + Y = Z entsteht kann er das in einem Satz sagen und anfangen mit "Durch die Verbrennung des Sauerstoffs wird die Teilchengeschwindigkeit ..." und gleich wieder unterbrochen werden von nem anderen Chara der sagt "Ey laber nicht, fang an!". Dadurch wird deutlich, dass der Chara eine ganze Menge weiß (und diesen einen Satz müsst ihr natürlich recherchieren, damit der auch stimmt, aber ihr müsst euch jetzt nicht auf Diplomarbeitslevel in irgendwas einlesen.
Kleiner Trick von mir. ;)
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Sanjani am 10. Juni 2014, 16:04:26
Hallo Vic,

Zitat von: Vic am 10. Juni 2014, 11:50:51
Und das wichtigste ist ja, dass man es gar nicht vollständig kapiert haben muss - in den seltensten Fällen leiert ein Chara mitten in der Handlung einen ganzen Vortrag runter. Wenn er weiß, dass aus X + Y = Z entsteht kann er das in einem Satz sagen und anfangen mit "Durch die Verbrennung des Sauerstoffs wird die Teilchengeschwindigkeit ..." und gleich wieder unterbrochen werden von nem anderen Chara der sagt "Ey laber nicht, fang an!". Dadurch wird deutlich, dass der Chara eine ganze Menge weiß (und diesen einen Satz müsst ihr natürlich recherchieren, damit der auch stimmt, aber ihr müsst euch jetzt nicht auf Diplomarbeitslevel in irgendwas einlesen.

Ich finde ja, dass dieses Muster sehr leicht überstrapaziert werden kann. Beispiel McGee bei NCIS. Der ist ja so ein Computerfreak. Und für meinen Geschmack kommt es da zu oft vor, dass der Boss wissen will, ob er was rausgefunden hat, und McGee dann zu einer ewig langen Erklärung ausholt, die außer ihm niemand versteht, damit dann jemand sagt "Komm zum Punkt". Ebenso geht es mir bei Abby aus derselben Serie. Das passiert quasi in jeder Episode mindestens einmal.

Ich find es deshalb überstrapaziert, weil es mir so vorkommt, als ob die Leute, die das Drehbuch schreiben, sich nicht in jemand mit derlei Fachkenntnissen reinfühlen können. Ich meine, wenn ich mit jemand über das Verhalten mancher Leute rede, dann bringe ich ja auch nicht immer psychologische Erklärungen dafür an, wieso jemand geworden ist, wie er ist, obwohl ich die natürlich aufgrund  meiner Fachkenntnis in diesem Bereich auf Lager hätte. Aber natürlich bringe ich sie immer mal ein, wenn sie gerade ins Gespräch passen oder mich jemand direkt danach fragt o. ä. Ich kann aber meistens (nicht immer :) ) abschätzen, ob jemand mein Fachwissen gerade hören möchte oder nicht bzw. ob es gerade wirklich benötigt wird oder nicht, und bei obigen Figuren wirkt das immer auf mich, als könnten die das entweder nicht oder als ob der Drehbuchautor einfach nach einer Möglichkeit gesucht hat zu zeigen, wie schlau der Chara ist. Und ich finde, gerade das sollte ja nicht so auf dem Silbertablett stehen, sondern ganz natürlich in die Geschichte eingewoben werden.

LG Sanjani
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Snöblumma am 10. Juni 2014, 18:28:20
Zitat von: Sunflower am 09. Juni 2014, 13:04:26
Da kamen dann natürlich immer mehr Kommentare wie "Das war ja eh wieder klar", worunter ich ziemlich gelitten habe. Ich habe aufgehört, auf meine Noten stolz zu sein, weil es mir wie eine Farce vorkam - war doch eh klar, dass ich wieder eine 1 habe, wozu also vorher nervös sein und mich danach freuen? Klar habe ich mich gefreut, aber ganz heimlich still und leise.

:rofl: Oh wie kommt mir das bekannt vor ;). Ich kann tatsächlich bis heute alle Noten einzeln aufzählen (inklusive Ausfragen und sowas), die keine eins waren, mit Ausnahme der 5. und 6. Klasse - da hatte ich meinen Kulturschock beim Wechsel aufs Gymnasium und musste mich erst etwas akklimatisieren. Und mir geht es bis heute so, dass ich das alles nicht besonders finde. Zumal ich in meinem Freundeskreis eigentlich nur Leute habe, die ähnlich gut sind, so dass ich relativ oft erstaunt bin, wenn es anderen nicht so einfach fällt. Was wohl ab und an als Arroganz rüberkommt, fürchte ich, darum versuche ich, solche Themen in der Öffentlichkeit zu meiden, bis mich Leute besser kennen und meine Leistungen auch eher als normal empfinden.

Was die Darstellung in einem Buch angeht: Da finde ich es relativ einfach, Intelligenz darzustellen. Als Autor hat man ja alle Zeit der Welt, zu recherchieren. Wenn ich also einen Kernphysiker habe, der etwas wissen muss, und zwar in der wichtigsten Konferenz aller Zeiten aus dem Effeff, weiß ja keiner, dass ich selber für die richtige Antwort Ewigkeiten gesucht habe. Auch schlagfertige Antworten kann ich ja stundenlang überlegen, das merkt ja keiner ;). Ansonsten lässt sich Intelligenz ja in verschiedensten Fassungen einarbeiten, entweder über dauernde Langeweile, über Zynismus (auch das kenne ich, dass Leute, die intelligent sind und gezwungen sind mit aus ihrer Sicht zu lahmen Menschen zusammenzuarbeiten, wahnsinnig zynisch werden), über einen bestimmten Unterton gerade bei Fragen (Prinzip: "Ihr wisst es doch eh nicht"), über eine gewisse Ich-Mach-Alles-Selbst-Haltung, und und und. Da gibt es so viele Arten, wie sich das ausdrücken kann ;).
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Vic am 10. Juni 2014, 21:59:13
Zitat von: Sanjani am 10. Juni 2014, 16:04:26
Ich find es deshalb überstrapaziert, weil es mir so vorkommt, als ob die Leute, die das Drehbuch schreiben, sich nicht in jemand mit derlei Fachkenntnissen reinfühlen können. Ich meine, wenn ich mit jemand über das Verhalten mancher Leute rede, dann bringe ich ja auch nicht immer psychologische Erklärungen dafür an, wieso jemand geworden ist, wie er ist, obwohl ich die natürlich aufgrund  meiner Fachkenntnis in diesem Bereich auf Lager hätte. Aber natürlich bringe ich sie immer mal ein, wenn sie gerade ins Gespräch passen oder mich jemand direkt danach fragt o. ä. Ich kann aber meistens (nicht immer :) ) abschätzen, ob jemand mein Fachwissen gerade hören möchte oder nicht bzw. ob es gerade wirklich benötigt wird oder nicht, und bei obigen Figuren wirkt das immer auf mich, als könnten die das entweder nicht oder als ob der Drehbuchautor einfach nach einer Möglichkeit gesucht hat zu zeigen, wie schlau der Chara ist. Und ich finde, gerade das sollte ja nicht so auf dem Silbertablett stehen, sondern ganz natürlich in die Geschichte eingewoben werden.

Du hast natürlich völlig recht und so meinte ich das eigentlich auch.
Also ich finde es auch sinnlos und überstrapaziert, wenn man völlig aus dem Nichts heraus Schlaumeier-Sätze hervorsprudeln lässt. Aber wenn es gerade der Handlung dient, kann man doch wirklich eine kleine Bemerkung einbauen, woran der Leser merkt dass Chara A auch gerade wirklich Ahnung hat, was er da erzählt.
Es MUSS dann natürlich auch stimmen. ;)
Nichts ist so schlimm wie schlecht gemachtes Science Babble, was schick klingt aber vorne und hinten keinen Sinn macht.

Ansonsten finde ich es auch immer schön, wenn Charaktere gut kombinieren können oder Lösungen für knifflige Problemsituationen finden. Also auch schnell schalten ist mMn ein Zeichen von Intelligenz und das heißt der kluge Chara muss ja gar kein Schlaumeier sein sondern kann einfach nur immer der Erste sein, der begriffen hat was gerade passiert oder der sich was kompliziertes zusammen gereimt oder der eben sehr kompetent und ressourceful ist, wenn sie in der Klemme stecken. Und das hat man als Autor ja in der Hand.
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Mogylein am 11. Juni 2014, 04:21:59
Zitat von: Snöblumma am 10. Juni 2014, 18:28:20
Was die Darstellung in einem Buch angeht: Da finde ich es relativ einfach, Intelligenz darzustellen. Als Autor hat man ja alle Zeit der Welt, zu recherchieren. Wenn ich also einen Kernphysiker habe, der etwas wissen muss, und zwar in der wichtigsten Konferenz aller Zeiten aus dem Effeff, weiß ja keiner, dass ich selber für die richtige Antwort Ewigkeiten gesucht habe.

Hm, ich finde, was man recherchieren kann, ist Wissen. Vielleicht auch noch ein bisschen über die Schwierigkeiten und Vorteile, denen man begegnet, wenn man "hochbegabt" ist (über normale, intelligente Leute findet man quasi nichts). Aber Intelligenz ist für mich nicht das Wissen, welches man durch Bildung erworben hat, sondern eine Mischung aus einer guten Auffassungsgabe und der Fähigkeit, Gelerntes auch anzuwenden. Und das ist so ein bisschen der Knackpunkt für mich, denn es braucht einen - halbwegs - intelligenten Autor, um ein Problem zu schaffen, das mit Intelligenz gelöst werden muss. Klar können wir lang und breit über die Lösung des Problems nachdenken während der Charakter das in den letzten Sekunden vor der Explosion tut. Aber wir müssen zunächst ein Problem entwickeln, das sich nur mit einer wirklich Intelligenten Lösung beheben lässt, und das ist eben schwierig, wenn einem diese Art von Denken fehlt.
Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie oft ich in Büchern, Filmen oder Serien die Lösung als zu einfach, zu banal, zu darauf-sind-wir-alle-schon-vor-20-Seiten-gekommen-weiter-im-Text fand.

Ich habe ein ähnliches Problem, wenn meine Charaktere lustig sein sollen. Ich weiß etwas über die Theorie des Witzes und der Komik, aber mit wirklich originellen Witzen oder Sprüchen ankommen kann ich nicht wirklich. Nicht ein Mal, wenn ich lange darüber nachdenke. Ich bin einfach kein besonders witziger Mensch und das ist okay, das heißt aber, dass meine "Witzbolde" sich viel von anderen Witzen stibitzen müssen.
Ich denke es ist okay, sich an bereits bewährten, "klugen" Mustern zu bedienen und sie umzuwandeln. Inspirieren lassen, adaptieren und soweit verändern, dass die meisten Leser die Verbindung zum Original nicht mehr finden würden.


PS:
Als jemand, der sich selbst als halbwegs intelligent beschreiben würde (und durchaus einige Hochbegabte kennt), habe ich genug von dem klischeehaften weltfremden Genie. Intelligente Menschen können alle möglichen Charaktere haben. Sie können Sportasse sein oder Partygänger oder Bücherwürmer oder cholerische Chefs. Das hat mit der Intelligenz nicht wirklich viel zu tun und fördert nur das Vorurteil, dass Leute, die gerne feiern gehen (etc) dümmer sind als die, die zuhause bleiben und lesen.
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Coppelia am 11. Juni 2014, 06:04:07
Mich stört irgendwie etwas an dieser Diskussion, aber es fällt schwer, das in Worte zu fassen. Ich habe es weiter vorn schon mal versucht. Mir ist es wieder aufgefallen, als Mogylein das hier geschrieben hat:
ZitatHm, ich finde, was man recherchieren kann, ist Wissen. Vielleicht auch noch ein bisschen über die Schwierigkeiten und Vorteile, denen man begegnet, wenn man "hochbegabt" ist (über normale, intelligente Leute findet man quasi nichts).
Hochbegabung wird, wenn sich das nicht inz wischen geändert hat, am IQ festgemacht. Einen hohen IQ zu haben, bedeutet nach den Maßstäben unserer Gesellschaft, die alles in Zahlen fassen muss, intelligent zu sein. Mit anderen Worten: Hochbegabte sind normale, intelligente Menschen. Der IQ-Wert, ab dem Hochbegabung definiert wird, ist beliebig gesetzt, und jemand, der einen etwas höheren IQ hat, ist nicht "anders" und "unnormal" - nicht mehr als jemand, der einen niedrigeren IQ hat.

Ich halte es für keine gute Ausgangslage, davon auszugehen, dass jemand, der intelligent ist, "anders" ist (allein das schon nicht) und deswegen automatisch Probleme hat. Und wenn man diese Probleme einbauen möchte, dann ist es meiner Meinung nach die falsche Ausgangslage, die Gründe für die Probleme zuerst in dieser Person zu suchen. Menschen haben vielfältige Probleme, für die man die Gründe bei ihnen selbst suchen muss, aber Intelligenz gehört meiner Ansicht nach nicht zu diesen Problemen. Intelligenz ist erstmal ohnehin mehr ein Vorteil als ein Problem. In einer bestimmten Situation, in einem bestimmten Umfeld, in Wechselwirkung mit anderen Personen kann sie vielleicht zu Problemen führen. Und auch ein großes Talent kann unter Umständen eine große Last sein. Aber auch das ist keineswegs nötig.

Warum nicht davon ausgehen, dass intelligente Personen zunächst einmal genauso sind wie man selbst? Vielleicht denkt jemand gewandter, kann leichter und schneller lernen, vielleicht hat er mehr Einfälle oder durchschaut Zusammenhänge schneller als andere, aber da man ja vorplotten und diese Zusammenhänge darstellen kann, sollte es kein so großes Problem sein, das herauszuarbeiten. Ich habe selbst geschrieben, dass ich mich mit diesem Problem herumplage, aber nach diesem Thread denke ich, dass man sich darüber überhaupt keine Gedanken machen sollte. Es führt meiner Meinung nach dazu, dass man vor Sorge um die Intelligenz der Figur Wesentliches übersieht, siehe oben. Es könnte auch dazu führen, dass man Klischees strapaziert, anstatt eine starke, individuelle Figur zu entwickeln.
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Churke am 11. Juni 2014, 10:35:01
Zitat von: Coppelia am 11. Juni 2014, 06:04:07
In einer bestimmten Situation, in einem bestimmten Umfeld, in Wechselwirkung mit anderen Personen kann sie vielleicht zu Problemen führen.
In der Demokratie zum Bleistift. Wer klüger ist als das Volk, wird nicht gewählt.  ;)

Zitat
Warum nicht davon ausgehen, dass intelligente Personen zunächst einmal genauso sind wie man selbst?
Weil man nicht intelligent ist?  ;D
Nein, ich finde den Ansatz grundsätzlich gut, aber ich denke, dass Erkenntnis das Weltbild verändert. Wenn man den Erdumfang berechnet hat, dann ist die Erde eben keine Scheibe mehr, wie alle anderen glauben.
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: canis lupus niger am 11. Juni 2014, 13:06:43
Naja, das ist ja, alles richtig, aber jetzt drehen wir uns irgendwie im Kreis, oder? 'Intelligente Menschen' sind natürlich ganz normale Menschen, die nur intelligenter sind als der Durchschnitt. Aber wenn wir nicht schreiben wollen: "X fand aufgrund seiner hohen Intelligenz die Lösung für das Problem schneller als die anderen Diskussionsteilnehmer.", wenn wir Show, don´t tell betreiben wollen, dann ist doch die Frage, wie man zeigen kann, dass jemand intelligenter ist als der Durchschnitt (oder auch als der Autor nach dessen eigener Wahrnehmung)?

Und da ist, wie ich oben schon schrieb, meiner Meinung nach hilfreich, wenn man sich am Verhalten eines bekanntermaßen besonders intelligenten Menschen orientiert. Wenn wir wissen wollen, wie sich ein zutiefst trauernder Mensch verhält, eine Schwangere, ein leichtlebiger oder depressiver Mensch, ohne eigene entsprechende Erfahrungen zu haben, dann orientieren wir uns doch auch an Berichten Anderer (oder über Andere). Ich finde, neben einigen tatsächlich genannten Klischees ist hier  im Sinne der Ausgangsfrage viel Brauchbares zusammengekommen.   :)
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Vic am 11. Juni 2014, 18:14:27
Ich finde auch, wir drehen uns etwas im Kreis. ;)
Also die Ausgangsfrage (so wie ich sie verstanden habe) ist doch immer noch - ich brauche für meine Geschichte einen sehr intelligenten Charakter, der Dinge weiß, die ich nicht weiß oder eben ganz toll logisch denken kann - oder wie auch immer man Intelligenz definiert.

#1 Spezifisches Wissen: Das ist leicht, wie schon gesagt wurde, man kann sich ja in aller Ruhe was anlesen und dank Internet findet man auch zu komplizierten Themen inzwischen recht gute Zusammenfassungen.

#2 Logische Schlussfolgerungen/Problemlösefähigkeiten: Da wirds schon schwieriger, aber auch da kann man sich ja helfen. Vielleicht habe ich meinen Charakter in ein Problem geschrieben aus dem ich nicht mehr raus finde, aber ich denke "der ist ein Genie, der kann das". Die Lösung wäre mit anderen Leute drüber zu reden. Wenn man zwanzig klugen Leuten ein Problem präsentiert, kommt statistisch gesehen mindestens einer auf eine halbwegs brauchbare Lösung.
Und falls die Situation völlig unlösbar geworden ist - da ich als Autor ja die Macht habe, kann ich die Situation ja auch entsprechend modifizieren. 


Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Debbie am 11. Juni 2014, 18:28:15
Zitat von: canis lupus niger am 11. Juni 2014, 13:06:43
Wenn wir wissen wollen, wie sich ein zutiefst trauernder Mensch verhält, eine Schwangere, ein leichtlebiger oder depressiver Mensch, ohne eigene entsprechende Erfahrungen zu haben, dann orientieren wir uns doch auch an Berichten Anderer (oder über Andere).

Im Gegensatz zur Intelligenz sind all diese Dinge aber unter gewissen Umständen erfahrbar und man kann sich deshalb auch bis zu einem gewissen Grad in die Situation hineinversetzen. Mit Intelligenz ist das anders - man kann sich nicht einfach vorstellen, wie es jenseits der eigenen "Grenzen" ist.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass andere Menschen oft nicht verstehen was man sagt oder wie man denkt, wenn man mehr wahrnimmt und versteht als andere. Das ist so ein bisschen, als würde man eine fremdartige Sprache sprechen. Und auch wenn man ähnliche oder sogar gleiche Vorlieben hat, wie die Menschen um einen herum, ist man doch irgendwie immer bis zu einem gewissen Grad anders.

Wenn man dann auch noch wie Snö (und ich früher auch) gerne Party macht und nicht dem gängigen Bild von Hochbegabung entspricht, ist die Verwirrung bei der Umwelt meist komplett. Man kommt dann einfach schon deswegen häufig arrogant rüber, weil man sich nicht anhören kann, wie unterdurchschnittlich intelligente Zeitgenossen ihr unqualifizierten Meinungen zu wichtigen Themen ungehindert in die Welt hinausposaunen. Auch bei Lehrern ist man meist unbeliebt, weil einem ständig die Fehler in Systemen, Leitsätzen und Gleichungen auffallen. Bis man es eben leid ist und irgendwann die Klappe hält.

Mir fällt es schwer Dinge zu akzeptieren, die nicht logisch sind; Sachen auswendig zu lernen, die als Tatsachen hingestellt werden, obwohl sie in Zweifel gezogen werden können; die Klappe zu halten, wenn jemand falsche Wahrheiten und Fakten verbreitet, der auch nur im Geringsten andere beeinflussen könnte und manchmal auch Geduld aufzubringen, für alle anderen, denen eben nicht alles immer sofort klar ist, die aber gleichzeitig unglaublich von ihrer Intelligenz und Bildung überzeugt sind. Ich kann nicht wie ein Wissenschaftler in Schubladen denken und nur die Gebiete zu Interpretations- und/oder Analysezwecken heranziehen, die vorgeschrieben sind, weil ich auf sowas einfach keine Rücksicht nehmen kann. Deshalb kann ich auch nicht einfach Dinge herunterbeten, die ich ohne Probleme in irgendeinem Fachbuch auswendig lernen könnte und es macht mir auch keinen Spaß immer wieder mit einem Lehrer oder Dozenten zu diskutieren, der meinen Gedankengängen selbst nicht folgen kann, weil ihm dazu entweder a) die Kapazitäten fehlen oder er b) an all dem Zeug klebt, dass er im Studium gelernt, bzw. in einem Teil der Fachliteratur gelesen hat. Und selbst Fachliteratur ist für mich schwierig, da auch die immer nur so gut ist, wie der Autor geistig für sämtliche Varianten und Möglichkeiten auch jenseits der gängigen Meinung offen ist.

Deshalb komme ich meist besser mit "normalen" Menschen klar als mit der sogenannten "Bildungsschicht" (ich hasse diesen Begriff eigentlich, weil er nahe legt, dass Bildung etwas mit Intelligenz zu tun hat, was eben nicht zwangsläufig der Fall ist), in deren Gegenwart ich mich meist schnell zum arroganten Miststück entwickle, weil sie so wahnsinnig von sich und ihrem Wissen überzeugt sind und sich deshalb für etwas Besseres halten. Schulabschlüsse, Bildung und Intelligenz beeindrucken oder faszinieren mich auch nicht - stattdessen faszinieren mich Charakterstärke, Leidenschaft und Mitgefühl. Vor einem Titel oder vor Geld und Erfolg habe ich deshalb auch erstmal nie Respekt, denn bei der Bewertung einer Person hat davon (für mich) nichts Bedeutung; viel wichtiger ist mir die Art und Weise, wie diese Dinge erlangt wurden. Am wohlsten fühle ich mich umgeben von Leuten, die nicht meinen, sie wüssten alles (oder alles besser), deren Denken in alle Richtungen offen ist und denen klar ist, dass Wissen und Bildung nicht das wichtigste sind. Ich fürchte in jedem Hochbegabten steckt zwangsläufig ein kleiner Philosoph, da man auch nie aufhören kann über das Leben und das Menschsein an sich nachzudenken. Man denkt ständig über alles nach und stellt ständig alles in Frage.

Und ich kann auch nicht sagen, ob ich deshalb anders bin, weil ich weiß, dass ich nicht weiß, ob sich Menschen mit einem durchschnittlichen IQ genauso fühlen  ???


Zur Ausgangsfrage: Am Besten stellt man die schnelle Auffassungsgabe und Intelligenz einer Figur m. E. dar, indem man Hinweise auf die Lösung im Nachhinein platziert und zwar in Form von unbedeutenden Dingen, Worten, Gesten oder Mimiken, die dem Leser wegen ihrer Alltäglichkeit nicht auffallen, aber der Figur eben schon. Mit Bildung ist das schon wieder etwas anderes - Bildung darzustellen, die man selbst nicht besitzt, stelle ich mir schwierig vor ...
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: canis lupus niger am 12. Juni 2014, 21:09:11
Zitat von: Debbie am 11. Juni 2014, 18:28:15
Im Gegensatz zur Intelligenz sind all diese Dinge aber unter gewissen Umständen erfahrbar und man kann sich deshalb auch bis zu einem gewissen Grad in die Situation hineinversetzen. Mit Intelligenz ist das anders - man kann sich nicht einfach vorstellen, wie es jenseits der eigenen "Grenzen" ist.

Deshalb sind auch gerade Beiträge wie Deiner, Snös oder Suns ja besonders wertvoll, liebe Debbie! Damit man von Euren Erfahungen als Betroffene zehren kann.
Titel: Re: Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...
Beitrag von: Churke am 12. Juni 2014, 22:49:28
Was noch gar nicht angesprochen wurde: Man kann Intelligenz auch als etwas Relatives darstellen. Die Mitarbeiter wirken viel klüger, wenn der Chef ein Vollidiot ist.  ;D Man gibt der Figur einen Sparringpartner, der sozusagen den Maßstab setzt und von dem sich die Figur abheben kann. Das kann ein unfähiger Chef sein - es kann aber auch ein leider nur durchschnittlich begabter Assistent sein.

Eine weitere Möglichkeit ist das Beurteilen anderer Leute. Ein schlechter Herrscher hat schlechte Ratgeber, weil er einen guten Rat nicht von einem schlechten unterscheiden kann. (so Machiavelli) Ich denke, dass die Fähigkeit, Intelligenz zu beurteilen, selbst ein hohes Maß an Intelligenz voraussetzt. Ich habe da z.B. einen verrückten Wissenschaftler, der ausschließlich mittelmäßiges Personal einstellt, weil er kreative Querdenker für ein Sicherheitsrisiko hält. Solche Leute muss man erst mal erkennen können!