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Unpassender Rat aus Schreibratgebern

Begonnen von FeeamPC, 08. September 2020, 16:28:25

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Linda

Unpassendster Rat aus Schreibbibeln: Du musst genau wissen, wovon/worüber du schreibst.

Klar, wer stellt sich für einen Serienmörder-Krimi als Rechercheopfer zur Verfügung?

Was nicht heißt, dass man mindestens so viel Zeit in die Recherche stecken kann, wie in das eigentliche Schreiben (und, je nach Thema, sollte). Aber manches Wissen muss halt theoretisch bleiben.


FeeamPC

Yep. Wie sonst sollten wir nichtmagischen Menschen über Welten voller Magie schreiben?

Valkyrie Tina

Mein schlimmster Ratschlag: Beim Überarbeiten mindestens 10% kürzen. Den hab ich in vielen Büchern gefunden.
Ich bin ein chronischer Unterschreiber. Meine Nanoentwürfe enthalten Sätze wie "hier Kampfszene einfügen, badabumm badabäng und am Schluss ist der andere tot". Und da kommt dann eine 500-1000 Wörter Kampfszene rein. Entsprechend sind meine zweiten Entwürfe immer ein Drittel länger. Und ich dachte, ich mach alles falsch!

Churke

In einem Drehbuch-Ratgeber wurde unter "wie man richtig abschreibt" empfohlen, 2 Genres zu einem Crossover zu mixen. Also du nimmst 2 Filme, die es schon gibt, und machst daraus einen dritten, den es noch nicht gibt.

Sollte dieses Vorgehen den eigenen kreativen Ansprüchen nicht genügen, so der Hinweis der Autoren, könne man leider nicht helfen.  :engel:


Trippelschritt

Zitat von: Churke am 10. September 2020, 18:21:47
In einem Drehbuch-Ratgeber wurde unter "wie man richtig abschreibt" empfohlen, 2 Genres zu einem Crossover zu mixen. Also du nimmst 2 Filme, die es schon gibt, und machst daraus einen dritten, den es noch nicht gibt.

Sollte dieses Vorgehen den eigenen kreativen Ansprüchen nicht genügen, so der Hinweis der Autoren, könne man leider nicht helfen.  :engel:


:rofl: :wums:

Zehn Prozent kürzen? Wenn ich überarbeite, präzisiere ich in großen teilen und meine Geschichten werden immer so um die zehn Prozent länger.

Und Magie? Das ist mein Thema, mit dem ich mich in allen meinen Romanen beschäftigen. Jeder kennt die Magie, aber niemand versteht sie. noch nicht einmal Magier. Aber wenigstens habe ich herausbekommen, wann und wo ich Elfen finden kann, und habe verstanden, warum das so ist. (Hab ich mal einen Essay in Guddy's Blogg drüber geschrieben.) Aber viel weiter bin ich noch nicht mit meinem Verständnis.

Trippelschritt
(nein, noch keine Altersdemenz)

Felix Fabulus

Zitat von: Linda am 10. September 2020, 13:14:40
Zitat von: FeeamPC am 10. September 2020, 12:47:25
Außerdem werden Hunde umgebracht. Das nehmen bekanntlich die Leser am meisten übel.  ;D

wie kannst du nur? Also wirklich! OK, ich habe mich dessen schriftstellerisch auch shcon schuldig gemacht.

So ein Mist. Ist mir auch erst grade passiert. Und einer der Betaleser, ein Hundefreund, hat mich prompt angeraunzt. "So herzlos würde niemand einen Hund umbringen." Dabei hat die Mörderin sogar Reue gezeigt. "Aber nicht genug", hat er erwidert.  ;)
Wortwebereien aus der Geschichtenmühle, gespeist vom Ideensee, der Fantasie und dem Bächlein Irrsinn.

Anj

Jaaa, getötete Tiere ertrage ich auch nur ganz schlecht. Davon kann ich mich einfach emotional nicht distanzieren.

Mein unpassendsten Ratschläge sind zum einen auch Show, don't tell und kürzen, kürzen, kürzen. Wobei mich eben auch am meisten stört, dass sie aus meiner Sicht so oft falsch verstanden werden. (Wie überall, wo ein Endergebnis, das eigentlich durch Können oder Wissen automatisch passiert, einfach künstlich kopiert wird. Meist leider mit dem Ergebnis, dass es echtes Können oder Wissen sogar verhindert.)

Zum anderen aber auch diese Aussagen: Der Hauptfigur müssen immer mehr Steine in den Weg gelegt werden, nichts darf einfach gehen und es darf keine Zufälle geben. Auch hier liegt meiner Meinung nach das Problem eher darin, dass Autor_in nicht in der Lage ist, die gesamte Geschichte aufzuschreiben, sondern oberflächlich die Figur nach einem groben Plot handeln lässt und nicht berücksichtigt, welche Handlungen welche Folgen für die Person selbst hat (emotional, physisch, sozial) und welche Folgen es für andere Personen gibt, die dann widerum Einfluss auf die Handlung nehmen. Dadurch enstehen automatisch ganz natürliche Schleifen und Irrwege, das Erzähltempo varriiert und Szenen erleben realistischere Enden. Oftmals scheint mir das Problem dann auch nur zum Teil in einem zu problemlosen Plot zu bestehen, als vielmehr auch darin, dass jede Szene in einem ähnlichen Tempo abgehandelt wird. Für mich wird dann alles nur erzählt und nicht mehr durch die Figuren erlebt.
Und auch die Verwendung von nur einer Emotion in einer Figur führt zu diesem Problem, dass scheinbar alles schnell und einfach geht, oder die Figuren platt und leblos wirken.
Nichts davon ist durch ständige Hindernisse und Katastrophen im Plot zu beheben.

Zitat
Was mich an euch Entdecker*innen/Bauchschreiber*innen interessiert: Was wisst ihr von eurer Geschichte, wenn ihr mit dem eigentlichen Schreiben startet? Eine grobe Idee? Den Anfang? Einen Prota und ein Problem? Das Ende?
Ich persönlich habe meist 1-2 Figuren und eine Szene, ein grobes Genre, vielleicht eine zusätzliche Idee oder einen Schreibkick und dann tippe ich los. Im Prozess kommen mir Ideen, die als Stichpunkte unten drunter geschrieben werden. Je nach länge bleiben diese Ideen einfach in dem Dokument und werden gelöscht, wenn sie im Text aufgetaucht sind oder ich sotiere sie und beginne hier ein Gerüst zu bauen. Das vor allem, wenn ich Nebenstränge anreiße oder Dinge später wieder auftauschen und eingewoben werden müssen. Je größer es wird, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass diese Sammlung dann in eine eigene Datei transferiert wird (aber eher erst bei Mehrteilern).

Neu hab ich nur beim ersten Projekt, weil ich da noch keine Ahnung hatte und mich ausprobieren musste. Am Ende wurde die erste Version wieder hervorgeholt, weil sie schlicht die passendste war und seither weigere ich mich schlichtweg irgendwelche neuen Fassungen von geschriebenen Texten zu produzieren.

In einem Projekt, in dem ich Episoden aus verschiedenen Perspektiven schreibe, nutze ich zusätzlich den Zeitstrahl von Papyrus, um einen Überblick zu haben, wer wann eine Episode hat und wie ich die übergeordnete Handlung dann mit den zur Auswahl stehenden Figuren weiterspinnen kann.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

Leann

Der für mich unpassendste Rat bisher ist "Kill your Darlings". Vielleicht verstehe ich den aber auch falsch? Warum sollte ich gerade das streichen, was mir gut gefällt? Schließlich besteht die große Chance, dass es die Leser*innen auch mögen.
Okay, es soll wohl bedeuten, dass man alles rausschmeißt, was "nicht zur Story beiträgt". Da mein liebster Rat allerdings lautet: "Schreib das, was du selbst gerne lesen möchtest" kann ich dazu nur sagen, dass ich auch gerne Geschichten lese, in denen eben nicht alles direkt zur Story beiträgt. Ich mag gerade die Nebenerzählungen oder Umwege, die Stellen, an denen ich einfach in etwas schwelgen kann, ohne dass die unbedingt drin sein müssten, wenn die Storyline ruhig auch mal wild mäandert. Gerade das macht für mich Geschichtenerzählen aus, das ist der Reiz daran. Wenn alles stringent zackig durchgeplant und durcherzählt ist, dann ist das doch eher ein Bericht als eine Geschichte.

Anj

Das unterstreiche ich total, @Leann
Wenn es so natürliche Schleifen sind, in denen sich Autor_in Zeit nimmt die Geschichte lebendig werden zu lassen, mag ich das auch total gern. Gerade weil ich dann eher das Gefühl habe, im Leben der_s Prota zu sein. Da genieße ich dann auch schon mal simple Alltagshandlungen.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

FeeamPC

Hihi, kill your darlings nehme ich immer wörtlich. Frei nach dem Motto: Jeder stirbt irgendwann.
Aber von der schriftstellerischen Seite aus betrachtet mache ich es eher umgekehrt. Die Stellen, die mir besonders gut gefallen, bleiben, und der Rest drumherum wird so angepasst, dass das Ergebnis stimmig ist. Ich stehe prinzipiell auf dem Standpunkt: Warum soll ich meinen Lesern eine Geschichte zumuten, die ich selbst nicht wirklich gut finde?

Maja

#25
"Kill your darlings" heißt - so wie ich es verstanden habe - weder, dass man seine Lieblingsfiguren umbringt, noch, dass man seine Lieblingsstellen streicht. Sondern dass man Dinge, die man einfach zu oft benutzt, weil man die Idee dahinter zu sehr mag, sparsamer einsetzt und gegebenenfalls wieder streicht - also persönliche Marotten, die beim ersten Mal noch originell sind, sich aber einfach irgendwann abnutzen. Zum Beispiel bei mir: Ich muss echt nicht in jedem Buch eine Szene haben, wo jemand der Hauptfigur ein Messer an die Kehle hält. Ja, das gibt einen dramatischen Moment, aber irgendwann ist es durch.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Trippelschritt

Ja, so kenne ich es auch. "Kill your Darlings" heißt so viel wie "Töte Deine Vorlieben".

Evanesca Feuerblut

Ich habe es immer so verstanden als "Habe den Mut, auch die Stellen, die dir eigentlich gut gefallen, aber nicht (mehr) reinpassen, zu streichen, statt sie zu behalten, nur weil du sie soooo sehr magst" und es ist das, was bei meiner Art, einige Romane zu schreiben, zwangsläufig passiert.
Aktuell schreibe ich aktiv an einem Roman und einer Novelle, passiv notiere ich aber dauernd Fragmente zu mehreren weiteren Büchern, von denen eins demnächst fällig ist, aber ein anderes noch ein paar Jahre nicht. Und bei letzterem weiß ich jetzt schon, dass ich mega-dramatische und wortschöne Szenen kicken muss, weil einige davon vermutlich sobald ich dann endlich bei dem Buch angelangt bin und die losen Fragmente mal mit einem roten Fädchen zu verbinden beginne, nicht mehr reinpassen (beispielsweise, weil eine Romanfigur, die ich eigentlich an Ort A platziert wähnte, zwischenzeitlich in einem anderen Buch verstirbt oder an einem anderen Ort ist).

Ratschläge, mit denen man mich jagen kann, sind alle in Richtung "Zielgruppe", also "Überlege noch vor dem ersten Satz, wer das lesen soll". Jedes Mal, wenn ich das versucht habe, kam bei mir hanebüchener Unsinn raus, weil ich das absolut nicht einschätzen kann und vermutlich wird meine Jugendnovelle darum auf ewig in der Schublade versanden, weil die Zielgruppe "Ist Teenie" und "liest freiwillig Novellen" kaum Überschneidungen aufweist.
Ich weiß aber, dass sie für andere wiederum super funktionieren.

Feuertraum

Bei manchen Büchern habe ich echt das Gefühl, dass "Kill your Darlings" tatsächlich verstanden wird als "Streich, was dir gefällt. Vielleicht liegt mein Empfinden aber auch nur daran, dass ich manche Szenen anders geschrieben hätte, nicht so seziert, banal.
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Felix Fabulus

Zitat von: Evanesca Feuerblut am 11. September 2020, 18:21:38
Ich habe es immer so verstanden als "Habe den Mut, auch die Stellen, die dir eigentlich gut gefallen, aber nicht (mehr) reinpassen, zu streichen, statt sie zu behalten, nur weil du sie soooo sehr magst"

So habe ich das auch verstanden. Es geht darum, das Script zu durchleuchten und zu schauen, was für die Geschichte notwendig ist. Das bedeutet, unnötige Szenen zu streichen, die du zwar magst, die aber für das Gesamtwerk nicht notwendig sind. Das muss meines Erachtens überhaupt nicht heißen, dass dein Text nicht mäandern darf, oder ausschweifen, so lange er einen Teil dazu beiträgt, deine Leser*innen in der Geschichte drin zu halten. Führt er dazu, das Buch zur Seite zu legen oder die Passagen zu überfliegen, wäre es vielleicht ein Streichkandidat.

Noch mehr allerdings trifft "kill your darlings" auf Figuren zu. Geschichten mit weniger Figuren sind einfacher zugänglich und erleichtern vielen Leser*innen den Zugang. Freilich gibt es viele großartige Romane mit ausuferndem Personal. Aber es gibt Grenzen. "Das Lied von Eis und Feuer" ist für mich so eine Reihe, wo mich die schiere Anzahl an Figuren überfordert und mit der Zeit genervt hat und ich kenne viele, denen es ebenso ergangen ist. Eine Figur aus der Geschichte streichen, weil sie nicht notwendig ist, tötet sie ja nicht - vielleicht lebt sie in einem nächsten Werk fort?
Wortwebereien aus der Geschichtenmühle, gespeist vom Ideensee, der Fantasie und dem Bächlein Irrsinn.