Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum

Handwerkliches => Workshop => Thema gestartet von: Kati am 24. März 2013, 21:46:38

Titel: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Kati am 24. März 2013, 21:46:38
Hallo, ihr Lieben.  :winke: Ich habe zu diesem Thema einige Threads gefunden, aber nichts, das genau in die Richtung geht, die ich meine. Falls das doch schon existiert, muss ich es übersehen haben. Es geht mir darum, was eure Meinung zu dem Thema ist, wie dunkel ein Fantasyroman sein darf. Ich meine nicht, wie viele Horrorelemente vorhanden sein sollen, sondern eher, wie viele dunkle Themen ein Urban- oder High-Fantasy-Roman abkann. Hier im Forum liest man ja immer wieder mal, dass einige ihre Figuren sehr gern von einer Katastrophe in die nächste stürzen und es gar nicht abgefahren genug sein kann. Und auch in vielen Romanen, die im Handel erhältlich sind, bemerkt man das: Die Figuren sind richtige Anti-Helden, traumatisiert und kaputt und immer kommen neue düstere Geheimnisse ans Licht. "Düster" ist momentan im Trend, aber manchmal finde ich es einfach sehr übertrieben und denke, weniger wäre mehr gewesen.

Jetzt frage ich mich, was eure Meinung dazu ist: Wie düster "darf" ein Fantasyroman sein? Dazu frage ich mich, ob eine Figur bloß Tiefgang haben kann, wenn sie große Probleme mit sich herumträgt. Je kaputter, desto mehr Tiefe? Oder können auch völlig durchschnittliche Figuren tiefsinnig sein? Dasselbe gilt allerdings auch für die Handlung: Wie düster sollte man, abseits der Dark Fantasy, die ja nochmal für sich steht, einen Fantasyroman gestalten? Was ist eure Meinung dazu?

Ich bemerke bei mir selbst immer wieder, dass meine Geschichte sehr düster werden, obwohl ich das eigentlich gar nicht will. Und ich kenne es von mir selbst, dass ich das Gefühl habe, die Geschichte sei irgendwie vielschichtiger, je mehr Probleme die Figuren mit sich herumtragen und je düsterer und pessimistischer die Grundstimmung ist. Ich selbst möchte davon weg, weil ich der Meinung bin, dass das eigentlich Unsinn ist. Aber wie seht ihr das? Kann ein Fantasyroman zu düster sein?
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Malinche am 25. März 2013, 00:41:19
Hm. Ich finde das sehr schwierig, und was mir als erstes dazu einfällt, ist vielleicht nicht unbedingt hilfreich, weil es kein Fantasyroman ist. Aber: Es gibt ein Buch, dessen Lektüre ich abgebrochen habe, Cees Notebooms "Allerseelen". Und das aus dem unbedingten Gefühl heraus, dass es mir zu düster war. Ich habe überhaupt keine Erinnerung an die Handlung. Ich weiß nur, dass ich beim Lesen das Gefühl hatte, dass es mich ganz tief nach unten zieht - und dass ich das irgendwann nicht mehr ausgehalten habe. (Nun hab ich mir gerade noch mal bei Wikipedia durchgelesen, worum es geht. Wie gesagt, bei mir ist Null Erinnerung. Das Empfinden von Düsternis kam bei mir also wohl in erster Linie von der Art, wie es erzählt wurde. Aber ich habe es selten so intensiv und schmerzhaft erlebt wie bei diesem Buch.)

Von daher: Ja, ich denke, ein Roman - ob Fantasy oder nicht - kann zu düster sein. Umgekehrt hängt es natürlich auch vom Leser ab. Es gibt ja sicher genug Leute, die "Allerseelen" mehr oder weniger problemlos fertig gelesen haben, von daher dürfte es schwierig sein, ein Patentrezept zu entwickeln, was man darf und was nicht. Das hängt einfach von zu vielen Faktoren ab - nicht nur, welche dunklen Elemente man benutzt, sondern auch, wie man sie darstellt und wie sie letztlich vom Leser aufgenommen werden.

Ein wenig Düsternis finde ich meist gar nicht übel. Aber es sollte stimmig sein und auch einem Zweck dienen. Persönlich denke ich, die Tiefe einer Figur erschließt sich nicht daraus, welche Probleme sie mit sich herumträgt, sondern wie ernsthaft sie mit ihren Problemen umgeht. Da müssen nicht unbedingt dunkle, schwerwiegende Themen angesprochen werden, damit eine Figur wirkt und funktioniert - die Figur muss stimmig sein. Ansonsten kann die Sache umgekehrt auch mit dramatisch-wichtigen dunklen Themen baden gehen.

Wichtig für mich ist, denke ich, dass es immer noch einen Lichtstrahl gibt. Das muss kein Happy End sein, beileibe nicht. Aber ich will Figuren sehen, die kämpfen, zumindest kämpfen wollen, und sich nicht einfach nur jammernd in ihr düsteres Schicksal fügen. Wenn ich das Gefühl habe, es gibt in der gesamten Geschichte keinerlei Lichtstrahl, es gibt nichts, was ich als Leser daraus mitnehmen kann und die Handlung saugt mir selbst alles an Kraft und Licht ab, was ich grade bei mir habe - ich glaube, dann ist mir ein (Fantasy)roman zu dunkel. Ich finde es nur schwer, diesen Punkt an allgemeinen Parametern festzumachen.

Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Aphelion am 25. März 2013, 07:00:13
Ich lege zwei Kriterien an:

1. Was ist für die Zielgruppe zu düster? (v.a. wenn es ein Jugendbuch ist)
2. Wann wirken Schicksalsschläge nur aufgesetzt und nicht authentisch?

Letzteres ist deutlich wichtiger, wenn man nicht schon vertraglich gebunden ist und z.B. ein Jugendbuch ab 13 zugesagt hat. Das K.O.-Kriterium ist allerdings:

3. Fehler und Unmöglichkeiten.

Passiert sehr oft, wenn dick aufgetragen wird - spätestens dann sollte einem dämmern, dass man vielleicht mal einen Gang runterschalten sollte. ;) Das ist nämlich nicht nur falsch, sondern geht auch auf den Keks.

Ich mag ja Faustregeln:

Wenn ich als Autor einen kleinen Schicksalsschlag nicht so schildern kann, dass sie als schlimm genug erlebt wird, oder wenn ich den Charakter nicht auch so plastisch wirken lassen kann - dann sollte ich nochmal schreiben üben und nicht versuchen, durch übertriebenen Inhalt meine Fertigkeiten zu kompensieren.  :lehrer:

Die Baustelle ist dann an anderer Stelle zu suchen, zum Beispiel bei Charakterisierungen. Wie man sich diesen nähert, hängt stark von persönlichen Vorlieben ab.

Um herauszufinden, ob man zu dick aufgetragen hat, kann man beispielsweise  eine Szenenübersicht erstellen. Läuft jeder Abschnitt nur darauf hinaus, dass der Prota (oder andere Charaktere) am Ende psychisch nur noch mehr im Eimer sind, als am Ende des vorherigen Abschnittes? Was haben meine Charas noch zu bieten? Definieren sie sich nur über Probleme und Schicksalsschläge?
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Coppelia am 25. März 2013, 07:34:54
Für mich machen nicht die Ereignisse, sondern die Erzählweise und die "Botschaft" ein Buch düster. In einem Buch können banale Dinge passieren, die die Geschichte aber zu einem fürchterlich düsteren Horrortrip machen. Anders herum können schlimme Dinge passieren, aber es kann sich trotzdem um eine ermutigende Geschichte handeln. Hier würde ich Malinche zustimmen, dass es wichtig ist, ob Hoffnung ausgedrückt wird, und worauf diese Hoffnung besteht. Aber ich denke, auch das Verhältnis zwischen Figur und Erzähler kann wichtig sein. Wenn der Erzähler auch noch zynisch ist, kann das eine Geschichte düsterer aussehen lassen, als wenn er mitfühlend ist und der Figur eine "Stimme" gibt.

Obwohl ich selbst zur Unterhaltung ungern düstere Dinge lese und vermute, dass es vielen ähnlich geht, denke ich, dass Literatur im Allgemeinen nicht zu düster sein kann. Es kommt halt darauf an, wie das persönliche Empfinden des Lesers ist und aus welchem Grund er liest - weil er nicht einschlafen kann, weil er sich bespaßen will, oder weil er sich vielleicht ja doch mit Problemen auseinandersetzen möchte. Wenn ein Buch schwerwiegende, vielleicht unlösbare Probleme behandelt, ist es oft meiner Meinung nach völlig zu Recht düster. Ob das jemand freiwillig liest, steht auf einem anderen Blatt.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Amberle am 25. März 2013, 09:14:00
Ich muss an dieser Stelle auch Malinche recht geben. Der Lichtstrahl der Hoffnung ist nicht nur notwendig, sondern unerlässlich. Für mich lautet das Stichwort da Kontraste. Wenn alles immer nur voller tragischer Schicksale und jammerner Figuren besteht, dann verliere ich dass Interesse. Um dass mal mit einem Bild zu vergleichen: Man hat dann nur noch Einheitsbrei aus stumpfen, dunklen Farben. Wer will soetwas lesen/sich ansehen? Ich jedenfalls nicht.

Außerdem finde ich es wichtig, an einem bestimmten Punkt halt zu machen. Nämlich dann, wenn die Figur nicht mehr aushält. Ansonsten wird aus ihr ein endgültig zerbrochenes, jammerndes Etwas. Und das möchte niemand als Figur, schon garnicht als Perspektivträger (denen solche Dinge ja am häufigsten passieren).

Kurz: Düster kann ein Roman durchaus sein, sogar sehr düster. Aber wenn es nicht anderes mehr gibt und die Figur nicht länger am Abgrund steht, sondern längst hinunter gefallen ist, dann ist es zuviel.
Übrigends: Wenn man einer Figur immer nur den größtmöglichen Mist antut und sie nicht zerricht, ist auch irgendetwas falsch.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Serena Hirano am 25. März 2013, 09:44:08
Zitat von: Aphelion am 25. März 2013, 07:00:13
Ich lege zwei Kriterien an:

1. Was ist für die Zielgruppe zu düster? (v.a. wenn es ein Jugendbuch ist)
2. Wann wirken Schicksalsschläge nur aufgesetzt und nicht authentisch?


Das finde ich auch ganz wesentlich. Düster liegt ja im Auge eines Betrachters. Auch mal vom Jugendbuch weg gedacht. Ein Flüchtling aus einem Kriegsgebiet, wird ein Buch über einen Krieg sicherlich anders lesen, als ich, der in nem friedlichen Land groß geworden ist. Ein Opfer von Gewalt findet so etwas sicher schauriger, wo manch anderer nur mit den Schultern zucken würde und es "etwas grob" nennt. Mancher steht auf Blut an allen Ecken und Enden, mancher auf Psychospiele und mancher will im Buch die ganze Welt in Schutt und Asche sehen. In sofern würde ich behaupten, es kann  sehr viel "düster" rein, es wird für alle Stufen Leser geben.

Aber genau bei Zweitens finde ich es extrem! Wie viele Bücher gibt es, in dem zum Beispiel kleine, unschuldige Mädchen als Heldinnen durch ein Martyrium gehetzt werden, wo andere auf der Hälfte schon in den Suizid gegangen wären oder mindestens in der Klapse sitzen. Und am Ende vom Buch sind sie gestärkt und moralisch unantastbar. Das finde ich so unrealistisch, dass es nix mit düster zu tun hat, sondern mit einem nicht nachempfindbaren Plot.
Dazu kommt Amberles Punkt mit der Hoffnung. Sicherlich ist es verschieden, aber jeder Mensch hat einen Punkt, an dem er sich in sein Schicksal fügt und nicht mehr kämpft (Oder Kopflos ins Gewehrfeuer rennt etc.). Ein Punkt an dem das Hirn abschaltet, weil es nicht mehr zu ertragen ist. Und um Hoffnungsschimmer in der Handlung mitzutragen und dem ganzen Geschenen einen Sinn zu geben, sollte man versuchen, sich eben nicht zu nah an diesem "Toten Punkt" zu bewegen, sondern etwas realistisch zu bleiben.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Debbie am 25. März 2013, 14:07:18
ZitatWie düster "darf" ein Fantasyroman sein?

Ich denke auch (wie hier schon mehrfach erwähnt), dass man mit dem, was man dem Prota zumutet, vorsichtig sein muss. Denn die logische Konsequenz, von sich immer weiter übertreffenden negativen Ereignissen, ist, dass der Prota immer verzweifelter, depressiver und hoffnungsloser wird - und jeder Mensch (jedes Wesen) hat eine Grenze dessen, was er/sie ertragen kann. Bleibt der Prota im Gegensatz dazu unberührt von dem Elend um ihn herum (oder nicht in entsprechendem Maße beeinflusst), wirkt es wiederum schnell unrealistisch.

Wer eine düstere Stimmung haben möchte, ist m. E. am besten beraten, die Umgebung hoffnungslos und düster zu gestalten und einen weitestgehend unbeitiligten/nicht unmittelbar betroffenen Charakter als Prota zu wählen (z. B. Sleepy Hollow). Da kann man dann auch (wenn man möchte) sehr schön zeigen, wie die Atmosphäre langsam auf den Prota abfärbt. Die Kombi aus düsterer, hoffnungsloser Umgebung und kaputtem, (annähernd) gebrochenem Charakter ist hochexplosiv und muss mit extremer Vorsicht und einem untrüglichen Gefühl für Balance umgesetzt werden. Das muss man erstmal können  :omn:

Hat man für seinen Charakter allerdings alle Arten von Leid auf Lager, und plant vielleicht auch noch, dass über mehrere Bände auszuführen, muss man unbedingt für Balance sorgen. Siehe Fred & George, Feste, Verliebtheit, etc. in HP. Auch steigert sich die Reihe allmählich - wäre das erste Buch so düster gewesen, wie das letzte, hätte die Reihe sicher nicht soviele Fans gefunden.

Es geht hier v. a. um ein Gleichgewicht und das richtige Maß von Drama und Melodrama - beides mächtige und nützliche Werkzeuge, die man, wie die meisten anderen, nicht überstrapazieren sollte, da sie sonst schnell den gewünschten Effekt einbüßen.


ZitatDazu frage ich mich, ob eine Figur bloß Tiefgang haben kann, wenn sie große Probleme mit sich herumträgt. Je kaputter, desto mehr Tiefe? Oder können auch völlig durchschnittliche Figuren tiefsinnig sein?

Naja, wie ist es denn in der Realität? Wieviele Leute kennst du denn, die ein einfaches Leben hatten und trotzdem wirklich tiefsinnig sind? Ich kenne keine, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren ... Im echten Leben ist es nunmal so, dass Menschen die schwere/viele Schicksalsschläge erlitten haben, anders denken und empfinden - das liegt in der Natur der Sache. Und meist will man Hauptfiguren, die mit den entsprechenden Eigenschaften ausgestattet sind, da sie mehr Projektionsfläche und Plotpotential bieten.

Aber natürlich kann man auch "unbelastete" Charaktere einsetzen, bei denen die Entwicklung von "Tiefsinnigkeit" zu einem Teil ihrer Heldenreise gehört. Das erfordert allerdings ungleich mehr Geschick, denn der Leser wird an allen Schicksalsschlägen beteiligt sein und der Autor muss den Prota trotz und durch all das Leid als realistischen Sympathieträger darstellen und am Laufen halten. Auch wieder ein schwieriger Balanceakt - es dürfen nämlich theoretisch keine Schicksalsschläge eintreffen, die einem den Boden unter den Füßen wegziehen. Außer man macht einen Zeitsprung, der lang genug ist, dass man das Leid des Protas nicht en detail beschreiben muss, dass es nicht mehr den Alltag der Figur bestimmt ...


ZitatDasselbe gilt allerdings auch für die Handlung: Wie düster sollte man, abseits der Dark Fantasy, die ja nochmal für sich steht, einen Fantasyroman gestalten? Was ist eure Meinung dazu?

Die Grenzen wurden ja bereits mehrfach genannt. Ansonsten ist mir eine Steigerung innerhalb der Geschichte wichtig - in dem Fall bin ich eher bereit viel zu ertragen.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Churke am 25. März 2013, 15:08:22
Zitat von: Kati am 24. März 2013, 21:46:38
Und auch in vielen Romanen, die im Handel erhältlich sind, bemerkt man das: Die Figuren sind richtige Anti-Helden, traumatisiert und kaputt und immer kommen neue düstere Geheimnisse ans Licht. "Düster" ist momentan im Trend, aber manchmal finde ich es einfach sehr übertrieben und denke, weniger wäre mehr gewesen.

Düster? So wie Twilight? Ich tue mir schwer damit, in Kolportage etwas Düsteres zu entdecken.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Verwirrter Geist am 25. März 2013, 15:09:47
Zitat von: Kati am 24. März 2013, 21:46:38
Ich meine nicht, wie viele Horrorelemente vorhanden sein sollen, sondern eher, wie viele dunkle Themen ein Urban- oder High-Fantasy-Roman abkann.

Grundsätzlich glaube ich: Viele. Sehr viele.
Nur existiert imho zwischen der Anzahl der Themen und ihrer Intensität ein Spannungsfeld.
Wenn ein Charakter ein geliebtes Familienmitglied auf grausame Weise verliert, er Alkoholiker ist, Magersüchtig und dazu in düstere Kriegswirren gestoßen wird kann das funktionieren. Allerdings können dann die einzelnen Themen ihre Wirkung nicht mehr vollständig entfalten und einige werden zwangsweise ins Hintertreffen geraten, egal wie ausufernd man erzählt. Daher bin ich der Meinung, dass man immer ein absolutes Zentralthema haben sollte, von dem aus sich andere Dinge möglicherweise enthalten.
Beispielsweise kann ein Alkoholproblem ja prima mit dem Verlust des Liebsten einhergehen.

ZitatHier im Forum liest man ja immer wieder mal, dass einige ihre Figuren sehr gern von einer Katastrophe in die nächste stürzen und es gar nicht abgefahren genug sein kann. Und auch in vielen Romanen, die im Handel erhältlich sind, bemerkt man das: Die Figuren sind richtige Anti-Helden, traumatisiert und kaputt und immer kommen neue düstere Geheimnisse ans Licht. "Düster" ist momentan im Trend, aber manchmal finde ich es einfach sehr übertrieben und denke, weniger wäre mehr gewesen.

Für Bücher gilt das Gleiche wie für alle Medien: Höher, schneller weiter. Mittlerweile ist wohl jede Geschichte bereits aufgeschrieben und verkauft worden. Also muss man jetzt an den zahlreichen Rädchen drehen, um doch wieder etwas total "Neues" anbieten zu können. Dazu ist man als Leser auch zunehmend abgestumpft, glaube ich. Einige Dinge die mich früher schockiert hätten, lese ich heute relativ unberührt.

ZitatJetzt frage ich mich, was eure Meinung dazu ist: Wie düster "darf" ein Fantasyroman sein? Dazu frage ich mich, ob eine Figur bloß Tiefgang haben kann, wenn sie große Probleme mit sich herumträgt. Je kaputter, desto mehr Tiefe?

Eine Figur ohne Konflikt ist langweilig. Und ein Konflikt manifestiert sich in Problemen. Also ja, Tiefgang ohne Probleme halte ich für unmöglich. Aber diese Probleme müssen nicht zwangsläufig extrem sein, um einen extrem guten Charakter zu erzeugen.

ZitatOder können auch völlig durchschnittliche Figuren tiefsinnig sein?

Ich sehe da einen Fehler in der Fragestellung: Völlig durchschnittliche Figuren und Menschen gibt es nicht. Und die Besonderheiten der einzelnen Charaktere aus ihnen heraus zu kitzeln, ist ja gerade unser Job.

ZitatDasselbe gilt allerdings auch für die Handlung: Wie düster sollte man, abseits der Dark Fantasy, die ja nochmal für sich steht, einen Fantasyroman gestalten? Was ist eure Meinung dazu?

Das hängt einfach von der Zielgruppe ab. Wenn ich Splatterjunkies unterhalten möchte, wähle ich logischerweise andere Erzählstrukturen, als in einem Jugendbuch. Imho ist von "heile Welt" bis "totale Apokalypse" daher auch alles denkbar.

Zitat
Ich bemerke bei mir selbst immer wieder, dass meine Geschichte sehr düster werden, obwohl ich das eigentlich gar nicht will. Und ich kenne es von mir selbst, dass ich das Gefühl habe, die Geschichte sei irgendwie vielschichtiger, je mehr Probleme die Figuren mit sich herumtragen und je düsterer und pessimistischer die Grundstimmung ist. Ich selbst möchte davon weg, weil ich der Meinung bin, dass das eigentlich Unsinn ist. Aber wie seht ihr das? Kann ein Fantasyroman zu düster sein?

Wie bereits ausgeführt: Zu düster geht, je nach Zielgruppe, imho nicht. Andererseits sind Charaktere aber, meiner Meinung nach, umso stärker, umso logischer ihr Konflikt aufgebaut ist. Und irgendwann wird jedes Martyrium so unlogisch, dass auch der Konflikt seine Wirkung verliert.

Wenn du das Gefühl hast, dass du davon weg willst, solltest du dich nach dem "warum" fragen. Findest du, dass du übertreibst? Denkst du, dass man deinen Geschichten emotional nicht mehr folgern kannst? Oder geht es nur darum, irgendeine Norm zu erfüllen? 
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Zanoni am 25. März 2013, 15:16:26
Wie wäre es damit:

Zu "düster" wäre es, wenn der Prota unter den Problemen und Schicksalsschlägen zusammenbricht und sich nicht daraus befreien kann oder will. Wenn aber selbst ein großes Problem oder ein derber Schicksalsschlag auftaucht, was von dem Prota überwunden wird und er am Ende sogar daran wächst, dann ist es keineswegs "düster", sondern eher "hell".

Nicht unbedingt mit Menge oder Schwere an Problemen und Hindernissen scheint mir entscheidend, sondern wie damit umgegangen wird und zu welchem Ergebnis sie führen.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Lovagh am 25. März 2013, 21:06:51
Während ein Prota immer mehr im Chaos, Wahnsinn etc. versinkt, sollte man ihm dennoch immer wieder Lichtblicke und Hoffnungsschimmer geben. Ich selbst gehe nach dem Motto vor: "Es wird dir nur so viel aufgelastet, wie du gerade noch verträgst." Alles andere fände ich übertrieben und unrealistisch.
Zu düster kann ein "Nicht-Dark-Fantasy" bzw. "Nicht-Horror" sein, wenn er nicht viel mehr, als Angst, Furcht und Schrecken vermittelt. Das wäre aber dann genau dies und trägt eines falschen Genres Namen oder der Autor hat seinen eigenen Plot verfehlt.

Ich selbst versuche gerade Dark-Fantasy zu schreiben und fange zum einen ganz langsam mit der Entwicklung des Wahnsinns an. Und während mein Prota immer mehr seiner "dämonischen" Hälfte verfällt, holen andere Figuren ihn immer gerade rechtzeitig raus. Andernfalls würde er durchdrehen. Warum er nicht durchdrehen soll, wo es doch Dark-Fantasy ist? Der Leser eines Dark-Fantasy möchte sich allen Schikanen zum Trotz, noch mit dem Perspektiventräger identifizieren können, was mit einem komplett Wahnsinnigen Perspektiventräger sehr schwer möglich ist.
Anders sähe ich es, wenn der Perspektiventräger jemand ist, der dem Wahnsinnigen helfen oder vor diesem entkommen muss. Allerdings empfände ich es dann vielleicht eher als Drama oder Action...

Kurz und knackig: Ich stimme den anderen zu, dass es eine Sache des Blickwinkels ist. Jeder empfindet anders.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Ryadne am 30. März 2013, 15:02:58
Ich habe insbesondere bei älteren High Fantasy-Romanen oft das Gefühl, dass sie eher nicht düster genug sind, was die Figurenzeichnung angeht. Ich meine, wenn man sich mal durch den Kopf gehen lässt, was die Figuren teilweise alles mitmachen müssen - da wirkt es auf mich so unglaubwürdig, wie psychisch unbeschadet sie vieles überstehen.
Und das ist auch ein Problem, das ich bei meinem aktuellen Projekt habe, das ein paar High Fantasy-Anleihen nimmt. Ich hab da einen Kerl, den ich eigentlich als relativ überzeugt und standfest darstellen will, aber wenn ich mir so seine Vergangenheit ansehe, dann kommen mir immer wieder Zweifel an seinem Realismus. Solche Figuren sind mir auch unangenehm gegenüber potenziellen Lesern, die ähnliches erlebt haben. Andererseits - Menschen gehen unterschiedlich mit Erlebnissen um. Richtig unglaubwürdig wird es erst, wenn man eine ganze Heldentruppe hat, die jeden Schicksalsschlag mehr oder weniger problemlos übersteht.

Zitat von: Coppelia am 25. März 2013, 07:34:54
Wenn der Erzähler auch noch zynisch ist, kann das eine Geschichte düsterer aussehen lassen, als wenn er mitfühlend ist und der Figur eine "Stimme" gibt.

Das ist denke ich ein wichtiger Punkt, wobei ich neben den zynischen noch den gefühlskalten Erzähler stellen würde. Was ich an Büchern nicht haben kann und was für mich"zu düster" bedeutet, ist nicht nachvollziehbare Gefühlskälte in Verbindung mit detaillierter Grausamkeit, die aus Tätersicht beschrieben wird. Vor allem ausgearbeitete Vergewaltigungsszenen kann ich mir nicht antun.
In "Der Kinderdieb" gab es da ein paar Ansätze, die ich schon ziemlich übel fand, aber auch wenn das Buch einen eher kalten, düsteren Ton hat, war das da aus meiner Sicht noch grad so in Ordnung, weil eben doch wieder auch mitfühlende Töne mitgespielt haben. Außerdem wurde hier nicht aus der Sicht des Täters geschildert.
Anders ist es zum Beispiel bei "39,90" von Frédéric Beigbeder oder bei "American Psycho" von Bret Easton Ellis (wobei ich mich an Letzteres kaum noch erinnern kann, habe es auch nicht zu Ende gelesen). Die sinnlose Gewalt, das ewige Schwelgen in Drogen- und Sexträumen in Verbindung mit diesem Extremzynismus fand ich an sich schon nicht toll, und dann noch mit den einfach grundlos grundunsympathischen und gefühlskalten Figuren... das war für mich nichts mehr.
Aus dem Fantasybereich fallen im Moment mir keine solchen Romane ein. Bücher mit zerrissenen Figuren und dauerdüsterer Stimmung kann ich mir zwar nicht dauerhaft antun, aber für sich genommen finde ich sowas durchaus mal interessant und habe hier noch nichts erlebt, was mir über Ansätze hinaus (wie in "Der Kinderdieb" oder auch "Drei Monde") zu düster, hoffnungslos und kalt gewesen wäre.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Maran am 30. März 2013, 19:13:02
Die eigentliche Frage ist doch: Was ist düster? Ich denke, da hat jeder Leser (oder auch Autor) seine eigenen Definitionen, Gründe und Grenzen.

Meine aktuellste Leseerfahrung in dieser Hinsicht - sry, Rüdchen - ist "Als die schwarzen Feen kamen". Ich habe es aus eben diesem Grunde nicht beendet. Handlung der Geschichte, Glaubwürdigkeit der Charaktere, Stil, alles großartig. Und doch ... da schwang unterschwellig etwas mit, das mir extrem unter die Haut ging. Wenn diese emotionale Komponente auf meiner Seite nicht gewesen wäre, dann hätte ich das Buch auch beendet. Mein Kompliment, liebe Grey, nicht viele Autoren schaffen das. Du hast es wirklich drauf.  :knuddel:
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Rika am 31. März 2013, 09:46:49
Ich stimme Maran zu, was düster empfunden wird ist von personzu person unterschiedlich.

Für mich spielt auch eine grosse Rolle, wie stimmig und wichtig etwa Schicksalsschläge für die Geschichte sind, und wie die Charaktäre damit umgehen. Ganz wichtig ist mir, dass irgendwo immer auch etwas hoffnungsvolles mitschwingt.

Charles deLint hat z.B. teilweise doch einiges düsteres in seinen Geschichten, womit ich gut umgehen kann. Dann erinnere ich mich auf der anderen Seite aber auch an die Enwor Saga von Hohlbein, bei der ich damals recht schnell genervt war von dem Eindruck "egal wie schlimm, Held beisst sich übermenschlich durch", der sich über mehrere Bücher wiederholte. Auch hatte ich da so gar nicht den Eindruck, dass die Düsternis/Schicksalsschläge/Schwierigkeiten für besondere Vielschichtigkeit gesorgt hätten. Das passiert meiner Ansicht nach halt nicht automatisch, die dafür bestehenden Samen müssen schon auch vom Autor gehegt und gepflegt werden, die Möglichkeiten für die Charakterentwicklung genutzt und ausgearbeitet.

Fazit: keine Faustregel. Wichtig ist, dass es dir für deine Geschichte stimmig und/oder notwendig erscheint, denke ich.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: HauntingWitch am 17. September 2013, 11:01:33
So, ich krame mal diesen Thread hier hervor. Ich denke, mein Problem ist ähnlich.

Und die Frage wäre: Wie viele üble Schicksale kann ich bringen, ohne dass es störend wirkt?

Ich habe 3-4 Perspektivträger und 3 davon haben einen, naja, etwas schwierigen Hintergrund aus dem Elternhaus. Im Moment mache ich Charakterbau für den möglichen vierten und es läuft wieder darauf hinaus, dass er früher irgendetwas Schlimmes erlebt hat. Ich frage mich, ob das nicht etwas zu viel ist. Es gibt doch auch "normale" Menschen (also solche, die in einem stabilen, sicheren Umfeld aufgewachsen sind), da muss ich doch auch solche haben...

Andererseits ist es im Leben ja nun auch so, dass tendenziell eher Menschen aufeinander treffen bzw. Kontakt zueinander halten, die durch so etwas verbunden sind. Natürlich muss das nicht immer so sein. Aber ist die Konstellation im Roman so abwegig? Auffallen würde es bestimmt, da mache ich mir keine Illusionen. Aber stört es auch? :hm:

Was meint ihr dazu?
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: FeeamPC am 17. September 2013, 11:09:27
Kommt drauf an, wo und in welcher Zeit deine Protas leben. Es gibt Gegenden (oder Zeiten), wo praktisch jeder einen düsteren Hintergrund hat/hatte.
Da passt das dann schon.
Außerdem sind glückliche Leute für den Leser bedeutend weniger interessant.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Alessa am 17. September 2013, 11:46:03
Zitat von: HauntingWitch am 17. September 2013, 11:01:33
Und die Frage wäre: Wie viele üble Schicksale kann ich bringen, ohne dass es störend wirkt?

Ich habe 3-4 Perspektivträger und 3 davon haben einen, naja, etwas schwierigen Hintergrund aus dem Elternhaus. Im Moment mache ich Charakterbau für den möglichen vierten und es läuft wieder darauf hinaus, dass er früher irgendetwas Schlimmes erlebt hat. Ich frage mich, ob das nicht etwas zu viel ist. Es gibt doch auch "normale" Menschen (also solche, die in einem stabilen, sicheren Umfeld aufgewachsen sind), da muss ich doch auch solche haben...

Warum? Ich schließe mich da FeeamPC an, glückliche Menschen sind weit weniger für den Leser interessant. Was vielleicht daran liegt, dass kaum ein Mensch von Schicksalsschlägen erspart bleibt und es einfach daher unglaubwürdig ist, dass eine Romanfigur das gesamte Leben auf der Sonnenseite verbracht hat. Möglich ist das schon, doch dieses Leben hat auch Auswirkungen auf den Charkter der Figur, ebenso, wie der schwierige Hintergund.

Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Ary am 17. September 2013, 11:47:26
Es kommt auch darauf an, was sie erlebt haben und wie sehr sich das auf ihre Persönlichkeit, ihr Leben und ihr Verhalten auswirkt. Genauso wie "nur glückliche" Menschen für den Leser langweilig sein können, kann auch ein Zuviel an Traumata Augenrollen hervorrufen. Aber wenn alles gut begründet ist und nachvollziehbar bleibt, warum eine Person so-und-so geworden ist und auf diese und keine andere Weise handelt, finde ich es nicht zu düster.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Melenis am 17. September 2013, 12:14:30
Es kommt ja auch drauf an, wie du deine Geschichte schreibst. Ertrinken deine Protagonisten in Selbstmitleid und Depressionen, und das ständig, wäre ich auf jeden Fall genervt. Mir wäre es nicht zu düster, sondern zu langweilig. Protagonisten eine schwere Vergangenheit zu geben einfach aus reiner Boshaftigkeit oder um die Protas nicht zu glücklich wirken zu lassen, finde ich auch schon grenzwertig.
Außerdem ist es nun auch nicht so, dass jeder Mensch, der eine sorgenfreie Kindheit hatte, nur glücklich durch die Gegend läuft. Und nicht jeder Mensch, der früher z.B. vom Vater geschlagen worden ist, muss depressiv sein und sich ritzen (oder ähnliches). Von dem her, ginge das schon, kommt nur drauf an, wie du es machst. Ich habe selber zwei Hauptprotagonisten (von dreien), die eine schwere Kindheit hatten. Aber ohne diese Vergangenheit gäbe es diese Geschichte überhaupt nicht. Mein dritter Protagonist ist relativ sorgenlos aufgewachsen, und muss trotzdem noch über sich hinauswachsen, um zu überleben.
Deswegen finde ich die vorherigen Aussagen auch etwas seltsam. Warum sollten glückliche Personen bedeutend weniger interessant für die Leser sein? Mit dem richtigen Plot kann selbst die glücklichste Person interessant sein.

Damit wollte ich niemandem auf den Schlips treten, ist nur meine Meinung dazu.
Grüßle  :winke:
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: HauntingWitch am 17. September 2013, 12:44:08
@FeeamPC: Nun, bei mir sind es nicht solche Orte/Zeiten. Nur teilweise.

@Alessa: Das mit den Auswirkungen ist mir klar, daher kommt es ja.  :)

@Aryana und Melenis: Nein, eigentlich mache ich das nicht krampfhaft, nur damit die Geschichte bloss nicht zu fröhlich ausfällt. Es ist irgendwie einfach so gekommen bis jetzt.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Mogylein am 17. September 2013, 13:02:13
Ich finde es wichtig, dass es nicht zu überladen rüberkommt. Ich kenne zwar ehrlich gesagt nur sehr, sehr wenige Menschen, die kein zerrüttetes Elternhaus hatten, später nicht durch Schicksalsschäge, Mobbing usw noch weiter geprägt wurden, aber: all diese Menschen hatten nicht nur schlimme Ereignisse im Leben. Wenn man in einer beschissenen Situation lebt, wird sie zur Ausgangslage und es gibt bessere und schlechtere Tage. Man hat trotzdem noch Freuden im Leben, auch, wenn man nachts alleine vielleicht wegen der Allgemeinsituation nur noch am Heulen ist.
Es macht keinen Sinn, nur Schicksalsschlag auf Schicksalsschlag folgen zu lassen. Das ist einfach nicht realistisch und die Leute haben gar keine Zeit, sich in ihrer neuen, bescheidenen Situation zurechtzufinden und einen tristen Alltag zu erleben.


Drei Leute, deren Leben die Hölle war, damit hab ich kein Problem. Aber wenn ihr Leben ununterbrochen die Hölle war, nehm ich das nicht mehr ernst.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Rhiannon am 18. September 2013, 19:48:16
Ich denke, es kommt auch darauf an, was der schwere Hintergrund genau ist. Ein prügelnder Vater zum Beispiel ist noch lange nicht das Gleiche, wie z.B. eine lieblose Kindheit oder ein Aufwachsen ohne Eltern. Eine schwere Kindheit wäre es aber in allen drei Fällen gewesen. Und jeder Prota reagiert darauf unterschiedlich. Das bedeutet, um einen Prota in einer ganz bestimmten Weise reagieren zu lassen und auch für bestimmte Dinge, die diesen Prota in seiner Jugend geprägt haben müssen, hast du gar keine Wahl, als ihnen eine schwere Kindheit in der einen oder anderen Weise zu verpassen. Aber die schwere Vergangenheit muss einen Grund haben. Vielleicht reagieren sie alle deswegen so sensibel auf die Bedrohung oder sie haben sich deswegen angefreundet oder sowas.
Ich hasse es, wenn die Protas nur eine schwere Kindheit haben, weil man das ja zu haben hat.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Churke am 19. September 2013, 14:50:11
Wo ich gerade was von schwerer Kindheit lese...

Ist nicht das Gegenteil viel schlimmer? Wenn ich einer Figur richtig Schicksalsschläge zufügen will, bringe ich sie erst mal auf die richtige Fallhöhe.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: HauntingWitch am 19. September 2013, 15:12:24
Okay, danke euch allen. :) Ich weiss jetzt, wie ich es mache.

@Churke: Ja, wenn man den Schicksalsschlag während der Geschichte geschehen lassen möchte. Aber wenn das nicht der Fall ist... Mir ging es mehr darum, was vor der Geschichte alles passiert, weil Teile davon ja in die Geschichte miteinfliessen.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Mithras am 10. Oktober 2013, 00:32:12
Ich finde es sehr interessant, wie stark in dieser Diskussion die Atmosphäre mit dem persönlichen Schicksal der Charaktere verknüpft ist. Düsternis als Resultat von Schicksalsschlägen? Ich bin die Sache bisher immer völlig anders angegangen.

Für mich ist es die Existenz einer ernstzunehmenden Bedrohung, die einer Geschichte eine düstere Atmosphäre verleiht - unabhängig von dem Wesen der Charaktere. Das kann auf ganz unterschiedliche Weise realisiert werden, zum Beispiel durch einen unmittelbar bevorstehenden Krieg, eine Hungersnot oder die Wiederkehr einer "phantastischen" Katastrophe. Für viel wirkungsvoller halte ich jedoch die Herrschaft des Zufalls. Er macht vor nichts Halt, schwebt über allem wie ein Damoklesschwert. In vielen Romanen sind die Gesetze des Zufalls außer Kraft gesetzt, da gewisse Charaktere natürlich immer bis zum Ende überleben werden und der Antagonist besiegt werden wird. Da kann mir ein Autor mit noch so vielen Schicksalsschlägen kommen - wenn seine Charaktere letztlich mit Sicherheit überleben werden, wirkt alles, was er ihnen antut, nur wie eine Entschuldigung dafür, dass er den entscheidenden Schritt nicht wagt. Tut er es doch, verleiht es dem Buch eine gänzlich andere Dynamik, denn nun merkt man, dass das Schicksal plötzlich jeden Charakter treffen kann. Und das ist in meinen Augen schon recht düster.

Kurz gesagt: Ein Buch ist in meinen Augen dann düster, wenn es um das nackte Überleben geht. Und je realistischer das umgesetzt wird, umso düsterer ist die daraus resultierende Atmosphäre, denn die Realität ist grausam genug.

In meinen Augen erreicht ein Autor viel mehr, wenn er Grausamkeiten jeglicher Art eher am Rande erwähnt als sie auszuschlachten. Wenn er mir Gemetzel oder Schlachtfelder mit Tausenden von Toten präsentiert, habe ich den Eindruck, als wolle er mir mit Gewalt zeigen, wie brutal seine Welt doch ist. Die beiläufige Erwähnung von Gewalt kann dagegen viel verstörender wirken, weil einem schlagartig bewusst wird, wie wenig ein Menschenleben doch zählt und wie schnell es sich beenden lässt.

Die Existenz eines Hoffnungsschimmers sehe ich im Übrigen nicht nur als notwendigen Kontrast, sondern vor allem als geschickten Kniff, um die düstere Atmosphäre zu verstärken. Wen kümmert es, dass die Welt untergeht, wenn ohnehin schon alles düster und trostlos ist? Die Beklemmung und die Schockwirkung sind umso größer, wenn man als Leser - je nach gewünschtem Effekt - wahlweise ein Rettungstau oder einen Strohhalm gereicht bekommt, an das bzw. an den er sich klammern kann.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Remy am 19. Oktober 2013, 16:39:31
Wann ist ein Buch zu düster? NIEMALS!
Aber mal im Ernst. Das ist wohl am ehesten Geschmackssache. So habe ich auf Amazon Rezensionen von A Song of Ice and Fire gesehen, in denen sich jemand beschwert, GRRM würde ja alle Figuren systematisch kaputt machen. Hah. Exakt das ist es, was die Bücher für mich ausmacht. Dass es eben immer wieder solch heftige Schicksalsschläge gibt, dass die Reaktionen aller Figuren darauf, deren wahren Charakter ans Licht kommen lassen. Dazu kommt die kleine Tatsache, dass einfach niemand vor dem Stranger sicher ist (Dem Aspekt des Todes in einer der Religionen).
Das ist hemmungslos realistisch und grausam, Krieg mal nicht als aufeinander zu stürmende Fronten sondern in Form von hungernden Bauerskindern etc.

Es gibt natürlich viele Arten von Düsternis. Hunger Games ist gnadenlos düster. Nicht nur wegen dem, was passiert, sondern eben weil all das aus Katniss eine unglaublich kühle, berechnende aber dennoh extrem menschliche Figur macht. Und man weiß genau, dass ihre Art der einzige Grund ist, warum sie noch lebt. Ups, Spoiler-Alert.

Dann gibt es die Art von düster wie in Harry Potter, Heiligtümer des Todes. Das ganze Buch ist im Grunde genommen tiefschwarz. Als ich es gelesen habe, dachte ich zurück an den ersten Band und fragte mich, wo denn Hogwarts mit all seinen Lichtern und Wundern geblieben war. Aber so ist das nun einmal mit großen Gefahren, und es hat aus Harry keinen vollkommen zerstörten Menschen gemacht.
(Auch wenn der Gute ordentlich PTSD gehabt haben wird, siehe Phoenix Lament von Ministry of Magic. Ja, ich bin ein Potterhead.)


Aber mal ein anderer Aspekt. Es ist schon auffällig, dass gerade in den letzten Jahren so eine Faszination mit düsteren Themen aufgetaucht ist. Aber vollkommen überraschend ist es nicht. Es gibt einige Studien, die herausgefunden haben, dass Jahrhundert- und Jahrtausendwenden dazu neigen, besonders emotionale und/oder extzentrische Ströhmungen in der Kunst hervorzubringen.
Voila!
Natürlich muss nicht alles düster sein. Natürlich ist noch Platz für Schönes und Lustiges in der Welt. Aber wenn man für ein Werk eine starke Motivation erschaffen will, dann ist das doch meist durch die Bedrohung eben dieser heilen Welt.
Es sei denn der Protagonist ist eher ein Antagonist, der nichts lieber sähe, als eine Zerstörung der widerlich glücklichen Welt. Hey, Plotbunnies!

Es muss aber auch betrachtet werden, warum ein Buch gelesen wird. Es gibt Bücher/Filme/Lieder, die schmerzhaft sind und die man trotzdem durchsteht, weil man einen Wert in dieser Welt aus Schmerz erkennt. Katharsis, wenn man so will. Das ist nicht jedermanns Sache und das ist auch gut so. Aber ich für meinen Teil behalte mir das Recht vor, ab und an kathartisch tiefschwarz zu schreiben, auch gerne ohne Hoffnungsschimmer. Ich erwarte nicht, dass es jedem gefällt, aber für mich hat so etwas in sich einen Wert. Künstlerischer Ausdruck und so. Die Welt ist nicht immer schön, die Welt hat keinen Spannungsbogen, an dessen Ende der Regenbogen die Erde berührt. Also müssen es Bücher auch nicht sein.

Liebe Grüße

Remy
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Eleanor am 19. Oktober 2013, 16:58:31
ZitatAls ich es gelesen habe, dachte ich zurück an den ersten Band und fragte mich, wo denn Hogwarts mit all seinen Lichtern und Wundern geblieben war. Aber so ist das nun einmal mit großen Gefahren, und es hat aus Harry keinen vollkommen zerstörten Menschen gemacht.

Mir ist dasselbe aufgefallen, als ich den letzten Hp-Band gelesen habe, viele haben sich ja beschwert, dass schon vorher so mancher drauf gehen musste. Aber viele bedenken nicht, das Geschichten häufig gar nicht weiter gehen können, ohne das jemand stirbt. Wie wäre denn der siebte Teil verlaufen wenn Dumbledore *Spoiler, aber ich glaube wir kennen alle Harry Potter* noch am Leben gewesen wäre? Man muss auch unterscheiden für welche Zielgruppen Bücher gedacht sind, wenn man mir "das Lied von Eis und Feuer" für 10 jährige empfohlen hätte, hätte ich eindeutig gesagt es ist zu düster (und zu kompliziert  ;)), aber für die Erwachsene Zielgruppe ist das dann viel facettenreicher und spannender, wenn nicht die ganze Zeit Friede, Freude Eierkuchen in Westeros ist.
Auch bei der Tintenherzreihe ist mir aufgefallen, wie düster der letzte Band ist. Ich hatte mit dem ersten Band angefangen, als ich in der Grundschule war, das letzte Buch aber erst wirklich ganz durchgelesen, als ich schon älter war. In der fünften Klasse hat es mich noch zu sehr mitgenommen und ich war so frustriert, dass alles immer schlimmer und schlimmer wurde, das ich nicht mehr weiter lesen wollte. Als ich Tintentod dann später noch einmal gelesen hatte, fand ich das Buch dann sehr gut. Wenn man älter wird, macht einem die Düsternis weniger aus und es macht das Buch eigentlich spannender für einen. Das wusste ich eben erst später zu schätzen.

ZitatAber mal ein anderer Aspekt. Es ist schon auffällig, dass gerade in den letzten Jahren so eine Faszination mit düsteren Themen aufgetaucht ist.
Ich glaube, daraus erklärt sich teilweise der große Erfolg von GRRM. Die bis dahin herrschende Grundsatz Regel, der und der kann gar nicht sterben wird von ihm einfach aus den Angeln gehoben. Dieses muntere Sterben der Figuren hatte ich vor "das Lied von Eis und Feuer" eigentlich noch nie in einer Fantasyreihe gelesen. Klar ist es nie schön, wenn die Lieblingsfigur von einem stirbt, aber das ist eben das was einem am Buch besonders fesselt und ich glaube die Serie wäre nicht halb so beliebt, wenn GRRM mit dem Vorsatz schreiben würde, dass am Ende der Reihe immer noch jeder am Leben ist und genauso weiter macht wie vorher.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Liliane am 26. Oktober 2013, 16:32:42
@Remy und auch Eleanor: Ich finde ihr habt beide Recht. Im "Lied von Feuer und Eis" sterben nach und nach alle und mancher mag das vielleicht seltsam finden und sagen, dass sei idiotisch, wieso soll man ein Buch lesen, wenn nahezu alle Hauptpersonen am Ende tot sind, aber ich denke es ist eben eher so, dass das gute Bücher ausmacht.
Es gibt Bücher, in denen grausame Dinge geschehen, die Welt voller Kriege, Kämpfe, Intrigen, Leid und Sterben ist und die wichtigen Personen leben einfach immer weiter und weiter und weiter. Gleichzeitig werden sie oft so dargestellt, als seien sie in Wirklichkeit auch nur wie alle anderen und auch bloß menschlich (sofern menschlich).
Ich denke, ein Roman ist düster, wenn die dunkle, wahre Seite, eine realitische Seite der Welt gezeigt wird, und so eben auch mal Hauptcharaktere draufgehen.
So sind in Harry Potter am Ende nicht mehr die Lichter in der Großen Halle, weil Hogwarts mitten im Krieg ist. Es wäre unlogisch, wenn es immer noch idyllisch dort wäre. Eine Welt hat mit dem Krieg und mit dem Leid zu gehen, wie die Leute, und "düster" bedeutet so einfach, dass es schlicht und ergreifend so dargestellt wird, wie es nun mal zu sein hat.

Andererseits kann man es aber auch übertreiben. Es ergibt wenig Sinn wenn jemand durch die Straßen läuft und drei mal hintereinander angegriffen wird. Ich meine, wem passiert so etwas schon? Wer hat schon so viel Pech? Das ist dann vielleicht düster, aber auch nicht mehr gut, finde ich.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Churke am 28. Oktober 2013, 13:52:29
Zitat von: Liliane am 26. Oktober 2013, 16:32:42
@Remy und auch Eleanor: Ich finde ihr habt beide Recht. Im "Lied von Feuer und Eis" sterben nach und nach alle und mancher mag das vielleicht seltsam finden und sagen, dass sei idiotisch, wieso soll man ein Buch lesen, wenn nahezu alle Hauptpersonen am Ende tot sind, aber ich denke es ist eben eher so, dass das gute Bücher ausmacht.
Was die schon die alten Griechen wussten. Das Comeback der Tragik.  :engel:

Wenngleich die Frage ist, ob man Tragik mit "düster" gleichsetzen oder auch nur Schnittmengen sehen kann.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Kati am 30. Oktober 2013, 13:21:12
Zitat von: LilianeRemy und auch Eleanor: Ich finde ihr habt beide Recht. Im "Lied von Feuer und Eis" sterben nach und nach alle und mancher mag das vielleicht seltsam finden und sagen, dass sei idiotisch, wieso soll man ein Buch lesen, wenn nahezu alle Hauptpersonen am Ende tot sind, aber ich denke es ist eben eher so, dass das gute Bücher ausmacht.

Genau solcher Aussagen wegen hatte ich den Thread damals aufgemacht, weil ich das einfach nicht glaube. Gute Bücher zeichnet es aus, dass viel Leid, Tod und Tragik vorkommt? Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Natürlich kann nicht immer nur alles Friede, Freude und Sonnenschein sein, aber das muss doch nicht darauf hinauslaufen, dass am Ende alle tot sind. Ich stimme voll und ganz zu, dass ein Roman authentisch wirkt, wenn es ein Gleichgewicht aus hellen und dunklen Seiten gibt. Ich stimme nicht zu, dass das ein Buch tiefsinnig oder gut macht. Als ich jünger war, habe ich gern über "kaputte" Figuren mit schweren Schicksalsschlägen im Gepäck geschrieben. Ich dachte, das macht die Figuren tiefer und bietet mehr Identifikationsfläche. Aber das sehe ich heute anders. Jemand schrieb ganz am Anfang des Threads, dass Tiefe nur durch solche Schicksalsschläge hervorgerufen würde, auch im echten Leben. Aber ich kenne genug sehr schlaue, sehr tiefsinnige Menschen, die eine fröhliche Kindheit hatten und denen in fast 30 Jahren Leben nichts richtig Schlimmes passiert ist.

Na klar, jeder hat schonmal was Schlimmes erlebt: Trauer, Unfälle, Verluste... das kennt jeder. Aber reicht das nicht? Muss eine Figur eine schreckliche Kindheit gehabt haben oder einen richtig schlimmen Unfall, um tief und vielschichtig zu sein? Nein. Das ist im wahren Leben auch nicht so. Ich finde es besonders in Jugendromanen in letzter Zeit immer unrealistischer, was den Figuren da passiert ist. Nicht, dass es keine Jugendlichen gibt, denen so schlimme Dinge passiert sind, aber ich finde es faul vom Autor einer Figur Tiefe zu verleihen, indem er sagt, die ganze Familie ist bei einem Unfall gestorben und deshalb hat die Figur jetzt eine viel erwachsenere und tiefere Sicht auf die Dinge. Natürlich macht sowas den Leser betroffen, aber ist es nicht viel gekonnter eine ganz "normale" Figur, die in ihrem Leben nichts Traurigeres erlebt hat, als den Verlust eines geliebten Haustieres und schlechte Schulnoten als tief und facettenreich darzustellen? Ich finde es fast schon unvernünftig, eine Figur als "besser" und "erwachsener" darzustellen, als die anderen Figuren, bloß, weil ihr etwas Schlimmes passiert ist.

Dass in einem Fantasyroman, in dem Krieg herrscht, man die Figuren natürlich so darstellen muss, dass man ihnen abnimmt, dass sie Angst vorm Krieg haben und der Tod näher rückt als in einer Gesellschaft, die in Frieden lebt, ist keine Frage. Aber es gibt immer helle und dunkle Seiten, und auch im Krieg kann man einen schönen Nachmittag mit Freunden haben. Und meiner Meinung nach lässt sich die Qualität eines Romans nicht an der Anzahl der Toten und der Schicksalsschläge messen, sondern eben an dem Gleichgewicht zwischen gut und schlecht und noch viel mehr in der Darstellung der Figuren, die auch mal durchschnittlich belastet sein dürfen und trotzdem keine naiven Idioten, die keine Ahnung vom wahren Leben haben.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Robin am 30. Oktober 2013, 14:21:06
Ich muss Kati in dem Punkt zustimmen, in dem sie der Aussage, tiefgründige Figuren MÜSSTEN einen düsteren Hintergrund voller Schicksalsschläge und Leid haben. Ich habe schon gute Bücher gelesen, in dem der Prota gelegentlich nur mit einer eigenen kleinen Schwäche kämpfen musste. Kürzlich erst, im Zuge des Übersetzens, war die einzige kleine Stolperfalle für den Charakter sein Stottern. Im Verlauf der Geschichte hat er sich durch harte Arbeit Respekt und eine neue Lebensperspektive erarbeitet. Und er war auf keinen Fall ein Pappaufsteller von Charakter.

Zu düster wird mir ein Roman, wenn jede Figur irgendein tragisches Ereignis hat, was sie alle angeblich zusammenbindet. In dem Fall ist es für mich eher fast schon ein Missbrauch eines Aspekts, der zwar düster gestalten kann, aber in diesem Fall durch seine Häufigkeit alles verwässert und/oder zu düster und hoffnungslos gestaltet.

Und Protagonisten mit dunkler Vergangenheit sind nicht automatisch tiefgründiger und erwachsener. Sie können genauso verhunzt werden und schlussendlich seicht und charakterlos ausfallen. Schlussendlich kommt es darauf an, wie man alles zusammenfließen und ineinandergreifen lässt. Wenn das nicht funktioniert, dann stimmt das ganze Gebilde nicht, und die Protagonisten werden von einem zu schwachen oder zu überladenem Gerüst in der Geschichte zerquetscht zu Abziehbildern.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Liliane am 30. Oktober 2013, 14:55:20
Stimmt, Kati hat eigentlich Recht. Na ja, Schicksalsschläge lässt Personen sich weiterentwickeln, aber es ist auch wahr, dass schöne Ereignisse einen sich weiterentwickeln lassen können und man nicht naiv, unwissend und unerfahren irgendwo hängenbleibt, nur weil nie jemand gestorben ist, der einem nahe stand; man sich nie einen Finger abgetrennt hat oder selbst einen Mord begangen hat.
Das ist wahr.

Aber ich persönlich schreibe gerne solche düsteren Szenen, in denen sich jemand mit ganz krassen Schlägen auseinandersetzt und ich lese sie auch gerne. Vielleicht ist es einfach so, dass viele Autoren es eben "falsch" sehen, wie mans nimmt, und die Figuren sich eben bloß stark entwickeln lassen, wenn etwas schlimmes geschieht.
Vielleicht ist das wirklich ein Fehler. Und Robin hat auch recht, es geht auch ohne.
Und manchmal ist es wie gesagt auch sehr übetrieben udn nicht mehr realistisch. So viele Leute laufen nun auch nicht auf der Straße herum, die schon mal im Blut ihrer Freunde lagen, oder was auch immer es manchmal in Büchern gibt.

Also nach nochmaliger Überdenkung würde ich zu dem Schluss kommen, dass Bücher so udn so gut (oder auch schlecht oder flach) sein können und man darauf achten muss, dass es nachvollziehbar udn realistisch bleibt.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: AlpakaAlex am 02. September 2021, 16:15:44
Haha, der Thread ist von 2013, also 8 Jahre alt und irgendwie könnte er auch von diesem Jahr sein, denn der Trend hält ja definitiv noch an. Nicht zuletzt hat da ja auch Game of Thrones sein übriges getan und dafür gesorgt, dass Dark Fantasy total beliebt ist. Das gilt vor allem für die eher - ohne das Wort jetzt böse zu meinen - Mainstream Variante der Fantasy. Hier ist alles düster und gerade bei Verfilmungen hab ich so den Eindruck: Was noch nicht düster genug ist, wird noch düsterer gemacht. Schön viel Mord, Sex, Folter reinbringen. Ähm ja, bin ich selbst halt eher weniger der Fan von - selbst wenn ich niemanden verurteile, der das gerne liest/schaut. Ich würde mich halt nur freuen in den Verfilmungen mehr Auswahl zu haben, die das eben nicht so machen. Wo ist mein fluffiges, hoffnungsvolles Fantasy, das nicht speziell Kinder als Zielgruppe hat?

Es ist nicht mal so, als würde ich selbst nie etwas düsteres schreiben/lesen. Ab und an habe ich halt auch das Bedürfnis auf düstere Sachen. Wie ich allerdings schon in einem anderen Thread geschrieben habe: Ich selbst schreibe Folter, brutale Morde oder Vergewaltigungen nie aus. Weil ich darin schlicht und ergreifend keinen Sinn sehe. Die Leser*innen können sich ja auch so vorstellen, was da passiert und sind damit wahrscheinlich noch bildlicher, als ich es je sein könnte.

Aber ja, ich wünschte mir ein wenig mehr weniger düsteres Fantasy - gerade in Serienform.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Valkyrie Tina am 02. September 2021, 17:09:38
Da muss ich widersprechen. Grade in den letzten Jahren haben wir so viele hoffnungsvolle und fröhliche Fantasy bekommen wie nie zuvor.

Wir haben die Murderbotreihe von Martha Wells, mit dem absolut liebenswertesten Cyborg der Welt (Will gleich Massenmord begehen, nur noch die Serie zuende bingen. Also Moment, das war vor 30.000 Stunden. Als herzlose Killermaschine ist it wirklich eine absolute Null)
Wir haben Elatsoe, eine first nation Urban Fantasy mit einem Geisterhund UND nichttoten,hilfreichen Eltern.
Lesbische Bibliothekare im Wilden Westen,
Dämonische Übernahme von Los Angeles, aber dann haben sies sich anders überlegt und machen stattdessen nen Beautyblog.

Natürlich gibt es auch die BlutBlut-Fraktion, grad im Fernsehen. Aber für jeden the Vikings gibts auch einen Izombie, Thanos haben wir auch abgesägt und dann gibt es noch die Serien, die die Balance tatsächlich schaffen und bei aller Düsternis gleichzeitig auch noch schreiend komisch sind. (tosses a coin to the witcher)
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: AlpakaAlex am 02. September 2021, 18:07:37
Zitat von: Valkyrie Tina am 02. September 2021, 17:09:38
Da muss ich widersprechen. Grade in den letzten Jahren haben wir so viele hoffnungsvolle und fröhliche Fantasy bekommen wie nie zuvor.
Haben wir. Aber von den genannten Sachen, würde ich nur The Witcher als Mainstream bezeichnen. Wenn ich mir halt anschaue, was beispielsweise auf r/fantasy zu großen Teilen besprochen wird, ist dies meist düsterer Kram (von weißen, cis männlichen Autoren).
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Mondfräulein am 02. September 2021, 18:33:20
Du gräbst echt die spannendsten Themen aus. ;D

Ich finde viele Geschichten (das nehme ich jetzt mal als Sammelbegriff für Filme/Serien/Bücher/Comics) zu düster, habe auf der anderen Seite aber persönlich keine starren Grenzen, wann mir etwas zu krass ist... macht das Sinn? Wahrscheinlich nicht. Was ich meine, ist dass es mir sehr auf die Umsetzung und Angemessenheit der Inhalte ankommt.

Zum einen finde ich da wichtig, welche Zielgruppe eine Geschichte hat und welche Erwartungen sie weckt, bevor ich anfange, das Buch zu lesen. All That She Can See von Carrie Hope Fletcher ist ein wahnsinnig schlechtes Buch, aber selbst wenn es nicht so mies geschrieben wäre, hätte mich sehr gestört, dass es am Ende nochmal einen krassen Genrewechsel vollzieht. Es fängt als süße und fluffige Geschichte über eine Bäckerin an, die Gefühle in ihr Gebäck backt um Menschen genau das zu geben, was sie brauchen. Sie verkauft fröhliche Cupcakes und selbstbewusste Törtchen. Klingt nach einer Wohlfühlgeschichte. Fängt auch so an. Am Ende brechen sie bei einer Geheimorganisation ein und es gibt Bodyhorror, Blut und graphisch beschriebene Splatterszenen. Das erwartet man überhaupt nicht, wenn man sich den Klappentext durchliest und das Cover ansieht. So unvorbereitet auf einmal eine richtig düstere Geschichte vor sich zu haben finde ich nicht gut. Es geht auch nicht darum, dass man die Genres nicht vermischen darf oder dass einfach das Marketing schlecht war, das Buch hat mittendrin sein Genre komplett gewechselt.

Was mir auch wichtig ist, ist zu welchem Zweck die düsteren Inhalte ins Buch aufgenommen wurden. "Das ist dann voll düster wie ein Game of Thrones" ist kein guter Grund. Wenn ich ernste und düstere Themen in mein Buch aufnehme, was mache ich dann damit? Denn häufig habe ich das Gefühl, dass Autor*innen denken, das würde ihr Buch automatisch besser und tiefgründiger machen, tut es aber nicht. Es ist super, wenn sich Geschichten gekonnt mit diesen Themen auseinandersetzen, aber dann muss man sich eben auch damit auseinandersetzen. "Die Welt ist brutal und düster" ist finde ich auch kein guter Grund. Was gut funktionieren kann ist zum Beispiel "Die Welt ist sehr brutal und düster, das brauche ich als Rahmen, um zu erklären, warum meine Figuren sind wie sie sind und wie sich aufgrund dieser Umstände entwickeln". Das heißt nicht, dass ich mich ausführlich damit auseinandersetzen muss, aber dann habe ich zumindest einen Grund, warum ich die Brutalität der Welt zeige. Dann habe ich mir etwas dabei gedacht.

Oder mit Sex. Bei Sex ist das auch so eine Sache. Ich weiß nicht warum, aber viele streuen auf einmal sehr viele sehr explizite Sexszenen in Romane ein, vielleicht weil sie denken, das ist dann realistisch. Ständig wird Sex gehabt oder über Sex geredet, egal worum es in der Konversation eigentlich geht. Körperflüssigkeiten werden dann auch gerne sehr ausführlich beschrieben. Und da denke ich mir halt... wieso? Mir ist das vor allem deshalb zu viel, weil es so wahnsinnig willkürlich wirkt und meistens einfach vollkommen unhinterfragt passiert.

Mir fällt auch häufig auf, dass manche Geschichten einfach nur Trauma Porn sind, in denen es alleine darum geht, dass einer Figur ganz viele ganz schlimme Dinge passieren und dann kommt das tragische Ende. Das fällt mir häufig bei jüngeren Schreiber*innen auf, aber letztens habe ich mir die Handlung zu A Little Life von Hanya Yanagihara durchgelesen und dachte nur boah ist das deprimierend, das lese ich dann wohl doch nicht. Ich glaube, zu düster ist es mir, wenn eine Geschichte nur davon handelt, wie schlecht es jemandem geht. Was ich brauche ist ein kleiner Funke Hoffnung, denn letztendlich erzähle ich düstere Geschichten doch auch deshalb, oder? Um zu zeigen, wie sich jemand trotz dieser düsteren Umstände behauptet. Zumindest mir geht das so. Eine Kette von Niederlagen macht für mich nur dann Sinn, wenn ich sie nutze, um dem Triumpf am Ende mehr Gewicht zu geben. Auch wenn es nur ein kleiner Triumpf ist.

Die düsternen Themen müssen am Ende einfach zur Geschichte passen. Düster zu schreiben nur um düster zu schreiben, als Selbstzweck, funktioniert leider selten.
Titel: Re: Wann ist ein Roman zu düster?
Beitrag von: Valkyrie Tina am 02. September 2021, 18:46:30
Zitat von: AlpakaAlex am 02. September 2021, 18:07:37
Zitat von: Valkyrie Tina am 02. September 2021, 17:09:38
Da muss ich widersprechen. Grade in den letzten Jahren haben wir so viele hoffnungsvolle und fröhliche Fantasy bekommen wie nie zuvor.
Haben wir. Aber von den genannten Sachen, würde ich nur The Witcher als Mainstream bezeichnen. Wenn ich mir halt anschaue, was beispielsweise auf r/fantasy zu großen Teilen besprochen wird, ist dies meist düsterer Kram (von weißen, cis männlichen Autoren).

Da wäre die Frage, was du als Mainstream ansiehst. Und, mal ganz prinzipiell, ob wir von Büchern oder Filmen reden- dieser Thread bezog sich nämlich ursprünglich auf Romane.
Was Romane betrifft: die von mir Angesprochenen sind zum großen Teil die Hugo-finalisten, und auch wenn Preise nur ein Faktor sind, sind sie ein Faktor, und Hugopreisträger, die oft in großen Verlagen erscheinen, sind per Definition Mainstream.
Was irgendwelche Typis in irgendwelchen Redditecken doll finden, ist noch mal ne ganz andere Sosse. Aber die sehen mich auch nicht als richtigen Fantastikfan an, und ich gebe den Gefallen an dieser Stelle zurück. Sprich, die denken immer noch, dass Tolkien ihr Gott ist und wenn ich drauf warte, dass sich die Konversation in solchen Gruppen ändert und das als Maßstab nehme, werd ich sehr unglücklich sterben.

Zu Filmen: da wäre die Frage, ob das wirklich nur grausam und dramatisch ist. Welche neuen Serien hat es denn in den letzten Jahren gegeben? Sind die überwiegend brutal? Ich frag da wirklich nach, weil ich kaum noch Filme sehe. Das letzte was ich komplett gebingt hab wa rdie Loki seire und she-Ra.

Ganz prinzipiell, um zur Ursprungsfrage zurückzukommen: wann ein Roman zu brutal ist, ist individuell und von der Person und der Zeit und der persönlichen Verfassung abhängig. Ich hab Nk jemisins City we became seit Erscheinen hier stehen, und ich kann es nicht lesen. Es ist zu realistisch, zu brutal. Nicht weil es sinnlos brutal ist, sonder gerade weil es so realistisch ist. Ich weiß, dass es keine Cthulu in New York gibt. Aber die Polizeigewalt? Den Rassismus? Der ist sehr real. Damit sag ich aber nicht, dass das Buch irgendwie falsch ist, nur, dass ich, an der Stelle wo ich grad bin, es nicht lesen kann.