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Emotionen und Schreiben

Begonnen von Czara Niyaha, 11. September 2016, 15:37:37

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Koboldkind

Grundsätzlich stehe ich bei der Aussage, dass man als Schreiberling auch eine Art Schauspieler ist und sich in seine Charaktere hineinversetzen muss, zum guten oder zum Schlechten (Tiefs, wenn der Prota ein Tief hat z.B.).
Bei meinem ersten NaNo hate ich es erlebt, dass ich um den Tod der Mutter meines Prota in allem miterlebt habe, den Tag hab ich durchgeschrieben, das war unglaublich. Und ich fürchte einmalig. Ich habe nach dem lesen des Threads das Gefühl, dass ich über die Jahre (und über die NaNos) etwas abgestumpft bin. Oder mich versuche, von solchen krassen Sachen selbst zu distanzieren. In der Adaption ist die Tage die Mutter meines Prota wieder gestorben und obwohl ich viel am Stück geschrieben habe, weine ich hier nicht. Allerdings glaube ich lege ich gerade viel in die Trauerverarbeitung rein und bin dieser Tage auch selbst sehr dünn, was ich denke nicht von ungefähr kommt. Aber ich denke schon, dass ich um krasse/düstere Sachen, gerade wenn sie in der Vergangenheit liegen, einen Bogen mache. Meine Prota wurde einmal gefoltert - das steckt ihr noch in den Knochen, aber es reicht mir und vielleicht auch den Lesern, wenn sie nur kurz davon erzählt und die Übelkeit wieder hoch kommt um meinen Punkt klar zu machen.

Oben wurden Gründungsszenen/Schlüsselszenen angesprochen, Szenen, mit denen alles anfing bzw. die unabdingbar sind. Und teilweise über drölfzig verschiedene Vassungen eines Plots immer wieder rein müssen, kenn ich kenn ich ^^ Meist sind das auch die Szenen, die ich immer wieder im Kopf habe, beim Spazieren gehen, mit bestimmten Liedern auf meiner Playlist verbinde und daher automatisch vertiefe. Ob sie dadurch viel tiefer werden weiß ich nicht, aber damit hab ich zumindest immer wieder etwas, auf das ich mich beim Schreiben freuen kann.
Wer jetzt nicht wahnsinnig wird, muss verrückt sein.

Weltenwanderin

Das mit den lieben Emotionen und mit den Szenen, die einen in den Kopf kommen und die man immer wieder durchlebt, kenne ich auch. Beim Schreiben bin ich häufig sehr emotional und habe immer wieder das Gefühl durch die Augen meiner handelnden Personen zu blicken und mich wie sie zu fühlen, egal wie sie gerade drauf sind. Manchmal kann das sehr anstrengend und aufwühlend sein, aber es macht auch Spaß. Musik hilft mir dabei immer sehr, ich verbinde einzelne Szenen mit bestimmten Liedern und immer wenn ich diese höre, sehe ich die Szenen vor meinem geistigen Auge, das ist schon sehr faszinierend. Gerne denke ich in der Arbeit über meine verschiedenen Ideen nach oder lasse die Szenen einfach zu, die kommen. Da ich körperlich arbeite und dabei nicht kompliziert denken muss, ist das eine gute Beschäftigung für meinen Kopf, damit die Arbeit nicht langweilig wird. ;D

Diese düsteren oder auch mal brutalen Szenen habe ich auch. Aber ich denke als Autor gehören diese dunklen Seiten dazu, schließlich hat man nicht nur die Guten, sondern auch die Bösen in einer Geschichte oder solche die sich dazwischen befinden. Hin und wieder kommt mein innerer Teufel auch zum Vorschein und dann schreibe ich aus der Sicht meiner Bösewichte. Das kann an manchen Tagen sehr befreiend sein, vor allem wenn man Stress mit dem Chef hatte oder anderes passiert ist, das einen auf die Palme bringt. Mal nicht ständig an die Moral denken zu müssen, finde ich bei Zeiten gar nicht so schlecht. Natürlich würde ich das im echten Leben niemals machen, was auch immer sich meine Bösewichte gerade ausdenken, um das Leben meiner Helden schwer zu machen.

Katido

Zitat von: Weltenwanderin am 07. Juni 2019, 12:40:49
Musik hilft mir dabei immer sehr, ich verbinde einzelne Szenen mit bestimmten Liedern und immer wenn ich diese höre, sehe ich die Szenen vor meinem geistigen Auge, das ist schon sehr faszinierend.

Das mit der Musik kenne ich nur zu gut. Eigentlich kann ich ohne Musik überhaupt nicht schreiben. Sie hilft mir einfach dabei, mich innerhalb kürzester Zeit in die richtige Stimmung der Szene zu versetzen. Das heißt allerdings auch, dass ich keine fröhlichen Lieder in traurigen Szenen hören kann und umgekehrt, da es mich sonst total rauswerfen würde.

Was die Emotionen angeht, könnte ich vermutlich manchmal etwas abgestumpfter sein. Viel zu oft bin ich nach traurigen Szenen tief betrübt und frage mich, warum sowas passieren konnte (ist ja nicht so, dass ich es geschrieben hätte  ;D). Aber irgendwie ist es auch schön, wenn positive Szenen die Stimmung etwas erhellen. Diese besonderen Szenen, die mich selbst derart aufwühlen, sind es auch, an die ich mich immer wieder zurückerinnere. Sie bleiben einfach im Gedächtnis.

Spring

Mir passiert es auch ziemlich oft, dass ich manche Szenen schon vorher so oft durchlebe, dass ich jeden einzelnen Satz im Kopf schon geplant hab. Bei mir ist es eher so, dass daraus dann die Idee für eine neue Geschichte entsteht :jau:. Und diese Szenen sind meist so weit am Ende der Geschichte, dass ich manchmal nicht einmal oder erst nach langer Zeit dazu komme :happs:.
Und was die dunklen Momente in einem Buch betrifft, ich finde sie persönlich ziemlich spannend zu schreiben und womöglich sogar interessanter als andere Stellen, da man dabei - obwohl man ja selbst daran schreibt und alles erfindet - dem Charakter/Protagonisten auch viel näher kommt :hmmm:. Durch den "Schmerz" kommt ja Tiefe hinein und er wirkt viel echter (und man kann sich selbst austoben!).



Möchtegernautorin

Interessant, wenn ich das hier lese, bin ich dann doch nicht ganz so alleine, was das Emotionale in Verbindung mit Musik angeht  De hat bei mir im Grunde sogar zwei wichtige Afgaben, was meine Schreibereien angeht: Erstmal kann ich ohne Musik nicht schreiben, sie schottet mich von allem ab, egal wo ich mich befinde. Und zweitens kompensiere ich damit schon vor dem Schreiben meine emotional schwierigen Szenen. Dazu gehören die Brutalitäten der Antagonisten genauso, wie die der Protagonisten. Alles, was mir eben doch irgendwie zu Herzen geht.

Meine Geschichten entstehen oft durch Musik, beziehungsweise ich charakterisiere meine Figuren sehr gerne mit Liedern. Meine Geschichtsideen lasse ich mir aber bevorzugt unterwegs durch den Kopf gehen, meistens bei den Hunderunden. Da kann ich gut abschalten - und meistens treffe ich da niemanden, den es stören würde, wenn ich dann doch mal heule wegen der Idee, die ich gerade hatte. Beim Schreiben selbst bleibt es mir dann allerdings mittlerweile erspart (war früher anders  Ich erinnere mich noch meine Anfänge, da saß ich dann auch mal heulend am Küchentisch vor meinem handgeschriebenen Manuskript). Was ich auch ziemlich gut finde, denn ich schreibe meistens auf dem Weg zum Brotjob im Zug  das wäre dann doch sehr peinlich irgendwie.


Her plants and flowers, they're never the same - Blue and silver, it's all her gain
flying dragons, an enchanted would - She decides, she creates
It's her reality
Within Temptation - "World of Make Believe"

Ixys

Die wiederkehrenden Szenen, die man immer wieder im Kopf durchspielt, kenne ich auch sehr gut, meistens sind es solche, die ich entweder besonders witzig oder besonders düster finde. Das geht mir manchmal sogar noch so nachdem ich die Szene schon geschrieben habe. Dann läuft quasi ein Film in meinem Kopf ab, und ich kann zuschauen und dann überlegen, ob mir das so gefällt.
Und Musik benutze ich auch ganz oft beim Schreiben, allerdings nur Musik ohne Text, das lenkt sonst zu sehr ab. Ich habe mal für den Nano ein paar Playlists mit verschiedenen Grundstimmungen zusammengebastelt, die benutze ich immer noch gerne, vor allem wenn ich an Orten schreibe, wo ich nicht alleine bin und die Umgebungsstimmung so gar nicht zu meinen Szenen passen will.
Ich beschäftige mich zwar gerne länger mit Szenen, die für meine Charaktere sehr emotional sind, bekomme aber wenn ich selbst besonders aufgewühlt oder auch überglücklich bin fast nie etwas vernünftiges niedergeschrieben. Beim Lesen kann mich schon häufiger mal eine Szene zum Weinen oder laut loslachen bringen, aber beim Schreiben funktioniert das irgendwie gar nicht.

Halblingschruut

Witzig, genau die Frage habe ich mir heute gestellt, nachdem mir eine Idee für eine sehr düstere Szene gekommen ist. (Ich liebe das Wort düster  ;D )
Manchmal habe ich mich aber auch schon gefragt, ob da tief in mir drin ein Teil ist, der sich zum Gewalt- & Grausamen angezogen fühlt. Die Frage stelle ich mir aber auch wenn ich bspw. Bücher von Stephen King oder Charlotte Link lese, genauso wie mein Letztes "Liebeskind", von Romy Hausmann.
Ich denke, wir Schriftsteller brauchen diesen Teil in uns, durch genau diese Vielfalt können wir Texte schreiben die andere Menschen ins Tiefste mitreissen.

Den Punkt mit der Musik kann ich auch vollkommen unterschreiben. Ohne Musik geht einfach nicht..
Besonders die von Adrian von Ziegler kann ich nur empfehlen, die nehme ich oft für alle möglichen Schreibsituationen :jau:
Den Tod als Gewissheit,
geringe Aussicht auf Erfolg.
Worauf warten wir noch?
~ Gimli, Glóins Sohn

Tintenvers

Ooooh, wie gut ich das kenne!
Häufig spiele ich Szenen wochenlang in meinem Kopf durch, ändere hier und da etwas oder belasse es dabei.... Und erst dann fange ich zu schreiben an.
Es ist fast so, als müsste ich schauen, welches Gefühl ich für diese Szene benötige, welche Emotion die richtige hierfür ist. Möchte ich diesen Moment eher traurig darstellen oder eher fröhlich? Nicht selten erwische ich mich dabei, wie ich dann mit meinem Prota wütend auf den Anto bin, obwohl ich ja die Beweggründe des letzteren kenne. Oder ich sitze beim Schreiben heulend da, weil mich dieser Augenblick selbst so packt....
Ich habe allerdings auch die Erfahrung gemacht, dass es eben diese Szenen sind, die ich immer wieder im Kopf und such emotional abspiele, die meine Geschichte und auch meinen Charakteren in ihrer Entwicklung voran bringen. Manchmal auch in eine völlig andere Richtung als ursprünglich gedacht, weil ich beim ständigen Wiederholen feststelle, dass der Charakter durch seine Eigenart viel eher wütend sein wird und nicht wie anfänglich angenommen traurig.

Weltenwanderin

Irgendwie freut es mich, dass ich nicht als einzige heulend da sitze und schreibe, wenn mich eine Szene so sehr mitnimmt ;D Es beruhigt mich sehr, dass ich damit nicht alleine bin.
Ich finde es immer wieder interessant, wenn sich eine Szene aufgrund von Emotionen ändert. Die meisten Szenen habe ich schon tagelang oder auch schon wochenlang im Kopf, ehe ich sie schreibe und meistens freue ich mich darauf. Doch ich muss zugeben, dass sie meist nur sehr selten genauso aufs Papier gebracht werden, wie ich sie mir im Kopf vorgestellt habe. Wahrscheinlich, weil die Szenen mir selten in der richtigen Reihenfolge der Geschichte einfallen. Daher denke ich vielleicht manchmal eine Szene, in der meine Hauptfigur wütend ist, aber am Ende ist sie doch eher traurig, weil es ansonsten gar nicht in die Geschichte hineinpasst. Ich kann mich damit jedes Mal aufs Neue überraschen, wie sehr sich diese eine Szene ändert, weil sie auf einer ganz anderen Emotion beruht als zuvor in meinem Kopf. Da kann einer sagen, was er will, aber Schreiben wird niemals langweilig. :herzchen:

Anila

Ich versuche wenn es irgendwie geht meine eigenen intensiven Emotionen in dem selben Moment irgendwo festzuhalten, auf dem Handy, oder als Brief.. Problem ist noch die Archivierung und wie ich dann beim Schreiben von Geschichten die richtigen Briefe zur passenden Emotion wiederfinde. Aber wenn ich auf solche Dateien stoße bin ich immer wieder überrascht wie intensiv diese Zeilen sind. Kann ich leider (noch?) nicht auf Abruf..
Aber Musik hilft mir auch!
https://www.tintenzirkel.de/counter/wordcount.php?mode=TiNo21&target=200000&title=T12:Flossen und Sand&count=14000

"Courage is grace under pressure." (Hemmingway)

kathy

Ich persönlich genieße die Freiheit beim Schreiben Emotionen ausleben zu können.
Meine beste Freundin hat mich einmal gebeten ein Horrorbuch über ein Mädchen zu schreiben, das vollkommen besessen ist und Blut trinkt.
Ich hatte keinerlei Erfahrung mit Horror, aber um es glaubhafter zu machen, habe ich vor meinem Computer gesessen und die Dialoge gesprochen, geweint und alle Emotionen probiert mitzuempfinden.
Die Freude, die ich dabei an Grauenhaftigkeit und Theater entdeckt habe, hat mich schockiert aber gleichzeitig weitergebracht. Nicht nur in Bezug auf Schreiben, sondern auch in meinem Leben weil ich mich danach innerlich aufgeräumt gefühlt habe.

Also ja, ich denke es ist vollkommen normal solche Emotionen zu haben beim Schreiben. Oftmals helfen sie einem beim Verarbeiten schlimmer Erlebnisse. Du solltest diese Emotionen nur nicht in echt ausleben  ;D
Ich habe dieses Buch übrigens von hinten nach vorne geschrieben, weil ich die Schlüsselmomente am Ende brauchte, um den Charakter am Anfang zu entwickeln.

Oneira

Wenn ich bei einem Buch nicht so richtig weiterkomme, warte ich im Grunde auf einen Tag, an dem meine Stimmung mal richtig zu einer Szene passt, die ich unbedingt schreiben will. Irgendwie fällt es mir schwer, mich zu zwingen, bestimmte Szenen zu schreiben, ohne wirklich gerade in der passenden Stimmung zu sein. Diese Schlüsselszenen sind dann meistens auch das erste, was ich von einem Roman habe. Dann schreibe ich den "Rest" drum herum.
Wie geht es euch damit? Könnt ihr das, jede beliebige Szene schreiben, auch ohne auf einen passenden Tag zu warten? Oder geht es euch da eher wie mir? Manchmal ärgere ich mich, dass ich nicht immer, wenn ich will, jede Szene schreiben kann. Hat da jemand einen Tipp, wie ich zu dieser "passenden Stimmung" komme oder wie das sonst irgendwie gehen könnte?
Bücher sind der einzige Ort, an dem man den Charakter eines Menschen mit einem Federstrich ändern kann.

Christian

Zitat von: Oneira am 18. August 2019, 10:28:57
Wie geht es euch damit? Könnt ihr das, jede beliebige Szene schreiben, auch ohne auf einen passenden Tag zu warten?
Ja. Ich könnte es mir auch gar nicht erlauben/leisten auf den passenden Tag zu warten. ;D

ZitatHat da jemand einen Tipp, wie ich zu dieser "passenden Stimmung" komme oder wie das sonst irgendwie gehen könnte?
Passende Musik ist wohl das gängige Mittel. Etwas, das man mit der Stimmung der Szene verbindet oder das diese Stimmung hervorruft. Früher hatte ich immer Schreibsoundtracks. Inzwischen nicht mehr. Was auch funktionieren kann, sind entsprechend stimmungsmäßig passende Szenen aus Filmen, anderen Büchern. Oder auch rohe Plotnotizen beispielsweise.

Manchmal brauche ich einen Moment, um aus der Szene bzw. Stimmung wieder raus zu kommen. Hatte das neulich, dass mir nach einer Szene kotzübel war. Aber dann ist es auch meist ganz gut. Das sind dann fünf Minuten und gut.

Waldhex

Ich habe gerade generell ein Problem in Schreibstimmung zu kommen. Ist gerade einfach insgesamt zu stressig. Aber wenn ich im Schreiben bin, dann kann ich jede Szene schreiben. Liegt vielleicht mit daran, dass ich (meistens) chronologisch schreibe, d.h. wenn ich im Schreiben bin, "erlebe" ich den Weg zu der Szene und bin so automatisch in der richtigen Stimmung.

Ich hörte früher sehr gerne Ancient Bards beim Schreiben, zwischenzeitlich ist mir Stille in der Regel lieber.

Lana

Bei mir ist das so, dass ich tatsächlich auch viele Emotionen mit meinen Charakteren verbinde. Beim Schreiben selbst, rede ich meistens die Wörtliche Rede mit, weil ich die Inbrunst ihrer Worte einfach nicht nur im Kopf hören will, sondern auch aussprechen kann.
ich leide mit, ich weine mit und ja ich habe Szenen, bei denen ich mich fühle, als würde ich meinen Charakter an die Hand nehmen und sagen, dass wir das gemeinsam durch stehen. Oder wir lachen darüber. die Assoziationen die ich zu manchen Figuren habe, bringen mich aber tatsächlich meistens eher zum lachen.