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Urban Fantasy mit Setting in Deutschland? Wenn ja: wo?

Begonnen von Adalia, 08. Juni 2011, 13:56:36

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KaPunkt

ja klar deutet "Urban Fantasy" ein urbanes Setting an. Aber gibt es denn überhaupt ein Genre für Jetztwelt mit Fantasy-Elementen, das nicht urban ist? Rural Fantasy ist mir noch nicht begegnet?
Deshalb nutze ich Urban Fantasy eben als Begriff für Fantasy, die phantastische Elemente mit der Gegenwart verbindet.
(American Gods ist für mich Urban Fatasy, und die treiben sich in den hinterletzten Käffern des Mittleren Westen rum.)
Wo kann Urban Fantasy in Deutschland spielen? Überall. Es kommt darauf an, was du für eine Atmosphäre willst und an welchem Ort zu diese Atmosphäre glaubhaft schildern kannst.
In Bernhard Hennens "Nebenan" findet der Showdown auf dem ... Drachenfelsen, heißt das Ding, glaube ich. Ist ein Ausflugsziel in einer mittleren Kleinstadt am Rhein. Urban ist anders. Funktioniert aber für diese Geschichte.
Also muss man erst entscheiden, welche Stimmung die Geschichte haben soll und sucht sich dann die Orte, an denen es spielen soll.

Liebe Grüße,
KaPunkt


She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Mindi

#61
Prinzipiell würde ich alles, was in unserer Jetztzeit spielt, und fantastische Elemente mit der realen Welt verbindet, als Contemporary Fantasy sehen. Spielt es in einer Stadt, ist es eben Urban Fantasy, was aber dennoch zeitgenössisch ist, nur eben in einer definierten Umgebung (Stadt).

Edit:
Ich stimme auch KaPunkt zu: Letztlich erzeugen die Orte ein Stimmung, die zur Geschichte passen muss. Wo es dann spielt, ist nebensächlich, sofern es passt. Ob man es am Ende Urban Fantasy nennt, ist noch mal ein anderer Punkt.

Ich würde nur ein gewisses Setting erwarten, wenn ich gezielt mit einem Genre gelockt werde.
"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí

Mondfräulein

Ich mag es gerne, wenn Geschichten nicht in irgendeiner anonymen Stadt spielen, die überall in Deutschland sein könnte, aber besonders bei kleineren Städten muss es die Stadt nicht wirklich geben. Ich kann eine Geschichte in einer fiktiven Kleinstadt in einer echten Region ansiedeln und die Eigenheiten der Region einbringen. Leser, die die Region kennen, erkennen die Details wieder, andere lernen etwas über die Stadt. Die Stadt mag fiktiv sein, aber durch das Einbinden in eine reale Region wirkt sie realistisch und echt.

Wenn ein Roman in einer bekannten Stadt spielt, dann finde ich eine Mischung aus fiktiven und bekannten Orten völlig legitim. Wenn ein Roman in Frankfurt spielt und ich die Stadt wiedererkennen kann, weil mir bekannte Orte vorkommen und das Gefühl stimmt, dann ist es für mich gar kein Problem, dass eine fiktive Bar vorkommt, von der ich sofort weiß, dass sie erfunden sein. Die Orte die vorkommen müssen realistisch sein, aber nicht unbedingt real.

AlpakaAlex

Na ja, die englische Enzyklopädie der Phantastik definiert Urban Fantasy vornehmlich als "es spielt in der Jetztzeit und der Aspekt der Jetztzeit hat auch einen Einfluss auf die Handlung", während als Contemporary alles gezählt hat, das einen zeitgenössischen Einfluss hat. (Peter Pan wird ja auch als Contemp Fantasy gezählt.)

Sowohl die Sookie Stackhouse Bücher, die ja in einer amerikanischen Kleinstadt angesiedelt sind, als auch diverse Bücher in der US-amerikanischen Mesa gelten als Urban Fantasy und sind es für mich ehrlich gesagt auch mehr, als Bücher, die zwar eine Großstadt als Setting haben, aber absolut keine Verbindung zur "normalsterblichen" Welt haben.
 

Wallrabe

#64
Just nach dem, was KaPunkt oben geschrieben hat, sehe ich das ähnlich: Urbanes Fantasy setzt meinem Verständnis nach eine urbane Umgebung voraus, ungeachtet dessen, ob eine Definition des Terminus' das ein- oder ausgrenzt. Ich meine, wenn ich an "Urban exploring" denke, dann geht es dabei ja auch darum, sich verlassene Locations in Ortschaften/Städten anzuschauen z.B.

Entsprechend sehe ich es aber nicht als schwierig, was NICHT-urbanes zu finden. Man denke sich einen Hof in den Alpen etwa.


ZitatLetztlich erzeugen die Orte ein Stimmung, die zur Geschichte passen muss. Wo es dann spielt, ist nebensächlich, sofern es passt.

Würde ich dagegen nur bedingt unterschreiben bzw. ist ja eigentlich widersprüchlich.

Es kann ja durchaus umgekehrt sein. Natürlich besteht immer ein tun-ergehens-Zusammenhang, aber insbesondere dann, wenn man sich nicht 100% akkurat eines ganz bestimmten, realen Ortes bedient, dann steht es einem ja frei. Besagter Hof in den Alpen z.B. kann immerhin der Boden für allerlei verschiedene Stimmungen haben. Da kann im Sonnenschein der Bergdoktor Romanzen schmieden oder aber jemand findet Farbe aus dem All.

So oder so - fragt sich, wie Mindi geschrieben hat - welche Rolle das Schlagwort "Urban Fantasy" spielen soll, wie sehr man sich damit aufhalten will. Ich persönlich halte es nicht für ausschlaggebend, ob man besonders nahe an realen Namen und Orten dran ist. Sobald es im Jetzt spielt und sobald der Leser weiß, dass es z.B. in den Alpen spielt, hat man einen persönlichen Bezug zur Realität. Stellt euch einen Tatort vor,  bei dem ihr keine Ortsschilder seht und nicht wisst, welche Kommissare es grade sind. Wenn die irgendwo raus aus der jeweiligen Hauptstadt fahren, dann hinterfragt man nicht, ob das jetzt echt ist oder ob das verändert wurde für die Fiktion. Ein Grund auch, weshalb ich Conan so großartig finde - weil Howard alle Geschichten und alle Hintergrundinfos von Conan im semi-realen prähistorischen Altertum verankert und dadurch nicht rausreißt aus "unserer" Welt. Es ist eine Menge fantastisches mit drin, gleichzeitig aber vermitteln die vielen Anspielungen und Namen von realen prähistorischen und antiken Völkern, Göttern, Gegenden etc. eine Aura der Glaubwürdigkeit, die in einem Roman fehlen, der seine eigene Fantasy-Welt erschafft.

Ich persönlich denke, dass das eine persönliche Geschmackssache ist, wieviel Realismus man vermitteln will durch das einstreuen von realen Fakten. Da muss ich etwa just auch an die Narrenturm-Triologie von Andrzej Sapkowski (Autor der Hexer-Bücher) denken, der seine Geschichte im historischen Böhmen spielen lässt und eine MENGE historisch akkuraten Input in jeder Hinsicht einbaut und nur eine Prise Fantasy hinzustreut. Mir fühlte sich das Buch so historisch akkurat an, dass es genau so hätte passiert sein können. Und ich habe kaum eine Ahnung, ob das alles so gestimmt hat, was Sapkwoski im Buch geschrieben hat. Ich kenne mich nicht aus in polnischer Geschichte o.ä. Aber es hat den Anschein erweckt und ich hatte nie das Bedürfnis, etwas zu hinterfragen. Und das ist das ausschlaggebende, denke ich.

Das Nennen oder Nicht-Nennen von ein paar Ortsnamen allein macht die Geschichte nicht mehr oder weniger urban-fantasy-mäßiger, denke ich. Das einzige, was eine Rolle spielt, ist Glaubhaftigkeit.

PrincessEstelle

Ich habe gerade eine Urban Fantasy/Contemporal Fantasy (ich halt mich aus der Debatte mal raus) fertig geschrieben, die im Spessart, in Oberbayern, in der Eifel, im Harz und am Ende wieder im Spessart spielt. Abgesehen von einer kurzen Sequenz in Frankfurt spielt alles auf dem Land, weil es auch um Natur geht.

Es wimmelt in Deutschland nur so von lokalen Legenden und den Einheimischen sind die meist auch bekannt. Dazu kommt das Flair, das macht Spaß sowas einzufangen, allerdings ist es dann hilfreich, wenn man schon mal dortgewesen ist (das war einer der Gründe für die Auswahl der Orte, abgesehen davon, dass ich Deutschland möglichst großräumig abdecken wollte). Ich habe auch Dialekte mit eingebaut, hat echt Spaß gemacht.

Problem: Ich hatte den Roman bei einem Verlag eingereicht und er wurde (u.a.) mit der Begründung abgelehnt, dass er aufgrund der Regionen bei den Vertriebspartnern des Verlages (die in Berlin und irgendwo im Süden, ich glaub Heidelberg oder Freiburg/Br. lagen) keine Chance hätte (Es war ein Crowdfundingverlag, eigentlich nicht mein Ding, aber ich fand die Verlegerin auf der LBM so sympathisch. Und ich hab ja auch super nettes Feedback bekommen). Ich kann mir schon vorstellen, dass ein Buch in einem Laden in Freiburg besser geht, wenn es im Schwarzwald oder der schwäbischen Alb spielt oder zumindest in Baden-Würtemberg. Aber das sollte man bei Settings für Urban Fantasy auch mit beachten, dass Deutschland halt schon sehr heterogen ist und Bücher mit Regionalfokus halt dann auch regional wahrgenommen werden.

Mindi

Da frage ich mich gerade ... Ich habe noch nie in der "Regionalabteilung" nach einem Fantasy/Urban Fanatsy Roman gesucht.
Gibt es das überhaupt: Urban Fanatasy in einer deutschen Region - in der Regionalabteilung im Laden? Habt ihr das schonmal gesehen?
Vielleicht jemand aus einer größeren Stadt bzw. bekannteren Region, die sich dafür anbieen würde?

Zumindest so wie ich unsere Läden bisher gesehen habe, würden die sowas - wenn überhaupt - nur zu den anderen Fantasy oder Jugenbuchabteilungen sortieren und da wäre der reginale Bezug eh hinfällig, außer sie kleben nen Sticker drauf "spielt hier um die Ecke".
Bei uns (Kassel) stehen im Regionalregal hauptsächlich Krimis, Historisches oder Sachbücher mit Bezug zu Kunst oder Architektur und das wars. Vielleicht noch irgendwelche Reiseberichte/-führer, so genau habe ich mir das noch nicht angeschaut.
"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí

FeeamPC

Ich habe eines mit Setting in München (und der Elfenwelt). War bislang bei bookshouse, die es mit einem schrecklichen Cover gründlich versiebt haben. Wir jetzt wohl zum BuCon bei Machandel neu rauskommen.

canis lupus niger

Zitat von: Koboldkind am 26. Juli 2019, 17:44:26
Thema: Urban Fantasy ohne real existierenden Ort?
Aber ist das denn sinnvoll? Würden Leute so eine unverortbare Story lesen?

Verorte doch in eine mit einem ausgedachten Namen verfremdete Stadt mit ebenso verfremdeten Dörfern. Nur um ein Beispiel aus meiner Region zu nennen:

Aus Hannover mit Lehrte und Aligse wird ... dummdiumm ... Drolsten mit den Dörfern Groß-Weisselsheim und Nieder-Weisselsheim. Alles andere lässt Du so, wie "die Natur es erschaffen hat". Ob in Drolsten nun mehrmals im Jahr eine große Messe stattfindet, musst Du Dir überlegen. Das wäre dann wieder etwas, an dem man Hannover vielleicht erkennt. Statt dessen könntest Du als Wirtschaftsfaktor ein großes Autowerk (klau das einfach aus Wolfsburg) oder eine andere Fabrik erfinden.

Koboldkind

Hm, auf sowas würde es wohl hinauslaufen, danke für dein Beispiel :) Sie große Stadt in der Nachbarschaft hat im Oktober auch eine Buchmesse, die ich aktuell einbauen könnte. Dann brauch ich nur noch hübsche Namen. Ich geh mal suchen ...
Wer jetzt nicht wahnsinnig wird, muss verrückt sein.

canis lupus niger

#70
Zitat von: Mindi am 05. September 2019, 14:46:30
Da frage ich mich gerade ... Ich habe noch nie in der "Regionalabteilung" nach einem Fantasy/Urban Fanatsy Roman gesucht.
Gibt es das überhaupt: Urban Fanatasy in einer deutschen Region - in der Regionalabteilung im Laden? Habt ihr das schonmal gesehen?

Tommy Krappweis: Mara und der Feuerbringer
Markus Heitz: Ritus, Sanktum

Mehr fallen mir im Moment nicht ein. Die findet man aber eher nicht in der "Regionalabteilung", sondern in der Genreabteilung.

Sascha

Zitat von: Mindi am 05. September 2019, 14:46:30
Da frage ich mich gerade ... Ich habe noch nie in der "Regionalabteilung" nach einem Fantasy/Urban Fanatsy Roman gesucht.
Gibt es das überhaupt: Urban Fanatasy in einer deutschen Region - in der Regionalabteilung im Laden? Habt ihr das schonmal gesehen?
Meinen Kurt haben sie tatsächlich mal in zu den Regionalkrimis gelegt. War aber schon ein Glück, daß sie überhaupt ein paar davon auf Kommission genommen haben ...

Lisa Bell

Ich habe erst einmal eine real existierende Stadt genommen, um eine Geschichte zu erzählen. Hatte zwar 0,0 gar keine Elemente aus der Phantastik, aber ich habe zum realen Tram-Netz fleißig Dinge erfunden und mich dabei gar nicht geniert. Von den Bars, Krankenhäusern usw. gibt es kein einziges in echt. Um eine authentische Umgebung zu generieren, ist es oft hilfreich, eine Stadt zu nehmen, die man wirklich gut kennt. Notfalls kann man seine persönlichen Erfahrungen dann in die Stadt der Wahl versetzen und mit ausgewählten, stadttypischen Elementen paaren, die sich recherchieren lassen.

Beispielsweise würde in Göttingen fast niemand abends mit dem Bus nach Hause fahren. Bikes rule! Das Kneipenvorbild ist möglicherweise eines aus Nürnberg, wo keine 20m weiter die U-Bahn hält. Die Göttinger U-Bahn muss noch gebaut werden, aber vielleicht liegt die ominöse Cocktailbar trotzdem an der Unteren Karspüle gegenüber vom botanischen Garten, die in real eher in Nürnberg direkt neben der Burg zu finden ist. Details, die einen Schauplatz lebendig machen, kennt man am besten an Orten, an denen man selbst gewohnt hat. Soll nicht schon Hans Christian Andersen den einen Straßenzug in Kopenhagen in seinen Werken zweckentfremdet haben? Oder das war eine Urban-Legend aus der Stadtführung, wer weiß... Also nur Mut!

Lorelei

Zitat von: Mindi am 05. September 2019, 14:46:30
Da frage ich mich gerade ... Ich habe noch nie in der "Regionalabteilung" nach einem Fantasy/Urban Fanatsy Roman gesucht.
Gibt es das überhaupt: Urban Fanatasy in einer deutschen Region - in der Regionalabteilung im Laden? Habt ihr das schonmal gesehen?
Vielleicht jemand aus einer größeren Stadt bzw. bekannteren Region, die sich dafür anbieen würde?

Ich bin in einer phantastischen Anthologie mit dem Titel "Okernebel", die in und um Braunschweig spielt. Wir haben die Anthologie in unserer Schreibgruppe gemeinsam veröffentlicht.
Das Buch steht im Braunschweig-Regal des führenden Buchladens der Stadt. Ab und an bestellt die Buchhandlung ein paar Exemplare nach.
In dem Regional-Regal der örtlichen Thalia hab ich schon mal ein paar Harz-Hexen-Romane gesehen - letztere übrigens auch in einem Wellness-Hotel im Harz. (Interessante Vertriebsmöglichkeit - das Hotel hatte einen richtig großen Aufsteller).


canis lupus niger

Eine (namenlose, umbenannte oder fiktive) Kleinstadt in Deutschland kann ein ebenso in sich geschlossenes Setting sein, wie das Städtchen Forks im US-Bundesstaat Washington, überwiegender Schauplatz der Twilight-Reiheoder eine der Kleinstädte in Maine, die Stephen King gerne als Schauplätze wählte (vermutlich, weil Maine als seine heimatliche Region besonders gut kannte). Es kommt halt darauf an, den Ort lebendig und interessant zu (be-)schreiben, ihn vor den Augen des Lesers lebendig werden zu lassen. Dann kann man als Schauplatz eine Megapolis wie Tokio oder New York, Shanghai, Kapstadt oder Berlin wählen, oder ebenso gut kleine Orte wie Forks, Cambridge, Heidelberg, Walkabout Creek in Australien oder Ogunquit in Maine.

Dass ein Schauplatz nur deswegen für eine Vermarktung lohnender ist, weil sein Name exotischer klingt, mag sein, aber interessant für den Leser kann eben auch Heidelberg sein. Das hat der Autor in seiner Hand. :)