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Urban Fantasy mit Setting in Deutschland? Wenn ja: wo?

Begonnen von Adalia, 08. Juni 2011, 13:56:36

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Nikki

@Sparks hat das in meinen Augen sehr anschaulich beschrieben, was ich mit Folgendem meinte:

ZitatIch vertrete die Meinung, dass von Haus aus jeder Ort, jedes Dorf, jede Stadt dasselbe Potential hat, romantisch/spannend/fantastisch/etc. zu sein. Manche Orte haben es einfach nur leichter, weil sie durch den gängigen Diskurs als Paradebeispiel einer Kulisse für gewisse Genres etabliert wurden.

Danke dafür. :)

Ich plädiere dafür, solche Stereotypen abzuschaffen und stattdessen neue "Codes" zu schaffen, die dem Wesen der eigenen Geschichten und Setting entsprechen, und, bestenfalls, marketingstechnisch gedacht, (bis zu einem gewissen Grad*) der Erwartungshaltung des Zielpublikum.

*Denn man möchte ja auch überraschen und ein paar Twists einstreuen. :)

FeeamPC

Der kleine Knackpunkt bei der Sache ist, die Stereotypen lassen sich einfach besser verkaufen.

Nikki

Ganz genau. Man muss sich dessen bewusst sein, wenn man mit gängigen Stereotypen bricht, dass man entweder a) die Leser*innen irritiert oder b) diese gar nicht erst auf dich aufmerksam werden, wenn du dich zu weit weg von den gängigen Stereotypen und Klischees entfernst.

Wenn genügend Leute (Autor*innen und/oder Leser*innen) sich auf neue "Codes" einigen, kann man ruhig davon sprechen, dass sich ein neuer Trend durchgesetzt hat. Ein Trend ist auch nichts anderes als ein neuer Stereotyp (sei es jetzt ein Handlungselement, ein Setting oder ein ganzes Genre).

Churke

Aber ob man stereotype Schauplätze braucht? Liegt die Würze nicht darin, das bewährte Schema F überraschend zu variieren? Und dann die Wechselbeziehung zwischen Story und Setting. In einem Frankfurter Glasturm dürfte man anderen Kreaturen begegnen als in einem Ludwigshafener Chemielabor.

Nikki

Ich finde, Autor*innen, die für keinerlei Markt schreiben, denen es egal ist, ob sie gelesen werden und/oder dafür Geld bekommen, können diese Frage ziemlich schnell beantworten.

Autor*innen, die aber sehr wohl ein Zielpublikum im Hinterkopf haben, werden diese Frage etwas verhaltener beantworten.

Ich weiß nicht, wo oder wann ich diesen Satz gehört habe, aber er ist für mich schlüssig: Die Leser*innen wollen immer wieder dasselbe Buch lesen, nur in leicht variierter Form. Der Satz erklärt zumindest, wieso es Genres, Stereotype usw. gibt.

Sparks

#110
Zitat von: FeeamPC am 12. Oktober 2020, 14:39:41
Der kleine Knackpunkt bei der Sache ist, die Stereotypen lassen sich einfach besser verkaufen.

Zitat von: Nikki am 12. Oktober 2020, 14:47:14
Ganz genau. Man muss sich dessen bewusst sein, wenn man mit gängigen Stereotypen bricht, dass man entweder a) die Leser*innen irritiert oder b) diese gar nicht erst auf dich aufmerksam werden, wenn du dich zu weit weg von den gängigen Stereotypen und Klischees entfernst.

Das ist die Frage. In meinem Beispiel oben ging ich ja nicht von der kompletten Vermeidung von Klischees aus, sondern vom herunterbrechen dieser Klischees auf Grundlagen.
Stadt mit dem Namen einer bekannten Stadt Klischees zu wecken, nehme ich eine Stadt mit einem nichtssagenden Namen und mache eine Beschreibung, die dieser Stadt Eigenschaften zuweisen. Diese Eigenschaften sind natürlich selber auch Klischees. Das hat den Vorteil, dass ich im Ort freier bin, ich kann dessen Eigenschaften sozusagen "Maßschneidern". Und ich bin nicht darauf angewiesen, dass der Leser meine Klischees bezüglich Städte teilt, sondern lediglich das gleiche unter den beschriebenen Eigenschaften versteht.

Ich mache also statt einem großen viele kleine Schritte. Das kann auch niederschwelliger und für den Leser einfacher sein. Es dauert aber auch länger, sowohl beim Lesen, als auch beim Schreiben. D.h., ich muss als Schreiber noch mehr Mühe hineinstecken, damit es kurzweilig bleibt und damit der Leser bei der Stange.
Ob ich dabei jetzt mit einem Klischee "breche", steht auf einem anderen Blatt, ich kann das Klischee auch bestätigen. Jedenfalls gehe ich es mit der Methode erst einmal sachter an.

Zitat von: Churke am 12. Oktober 2020, 15:42:02
Aber ob man stereotype Schauplätze braucht? Liegt die Würze nicht darin, das bewährte Schema F überraschend zu variieren? Und dann die Wechselbeziehung zwischen Story und Setting. In einem Frankfurter Glasturm dürfte man anderen Kreaturen begegnen als in einem Ludwigshafener Chemielabor.

Zitat von: Nikki am 12. Oktober 2020, 15:46:46
Ich weiß nicht, wo oder wann ich diesen Satz gehört habe, aber er ist für mich schlüssig: Die Leser*innen wollen immer wieder dasselbe Buch lesen, nur in leicht variierter Form. Der Satz erklärt zumindest, wieso es Genres, Stereotype usw. gibt.

Es gibt vermutlich beides. Leser, die in einem immer gleichen Handlungsgrundmuster folgen wollen, und welche, die beim Lesen neue Bilder bekommen wollen. Und es wäre Möglich, das dieses Bedürfnis von der aktuellen Lebenssituation des speziellen Lesers abhängt, und die kann und wird sich ändern. Mit Sicherheit z.B. durch das Alter.

Vieleicht muss man es ja nicht so brutal angehen und die Klischees brechen. Vieleicht lassen sie sich ja auch vorsichtig biegen?

Irgend jemand hat ja mal über SF geschrieben, es sei ein Gedankensimulationslabor für Gesellschaften.

Zitat von: Nikki am 12. Oktober 2020, 14:47:14
Wenn genügend Leute (Autor*innen und/oder Leser*innen) sich auf neue "Codes" einigen, kann man ruhig davon sprechen, dass sich ein neuer Trend durchgesetzt hat. Ein Trend ist auch nichts anderes als ein neuer Stereotyp (sei es jetzt ein Handlungselement, ein Setting oder ein ganzes Genre).

Das wäre dann das Ergebnis.

Zitat von: Nikki am 12. Oktober 2020, 15:46:46
Ich finde, Autor*innen, die für keinerlei Markt schreiben, denen es egal ist, ob sie gelesen werden und/oder dafür Geld bekommen, können diese Frage ziemlich schnell beantworten.

Autor*innen, die aber sehr wohl ein Zielpublikum im Hinterkopf haben, werden diese Frage etwas verhaltener beantworten.

Lovecraft hat, wenn ich seine Biografen richtig verstehe, auch nicht explizit für viel Geld auf ein breites Publikum gezielt. Das er zum Bestseller wurde, kam erst sehr viel später nach seinem Tod. Ob es daran lag, dass sich eine passende breite Lesergruppe erst nach seinem Tod bildete, oder weil er selber Probleme mit Marketing hatte, kann ich nicht beurteilen, aber es ist kein Gegenbeweis für Deine Theorie. Persönlich finde ich, hat ihm seine Methode einen freien Kopf verschaft und viel Kreativität. Er hatte ganz offensichtlich viel Spass an der Sache.u.
Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Depression

Nikki

ZitatDas er zum Bestseller wurde, kam erst sehr viel später nach seinem Tod.

Das ist leider das Schicksal von vielen Autor*innen, die heute zum literarischen Kanon zählen.

Die einen schreiben profitorientiert, sprich, "für den Markt", andere aus einem inneren Bedürfnis heraus, andere wiederum entscheiden sich projektbedingt jedes Mal neu. Ich zumidnest tue das so.  :) Es sind immer die zwei Pole da: Auf der einen Seite steht das, was aus einem inneren Drang heraus entsteht, dem gegenüber, von dem man denkt, die Leute würden es lesen wollen (Stichwort Genre, Zielgruppe etc.). Im besten Fall gehen diese Dinge Hand in Hand, im schlimmsten Fall sind sie unvereinbar. Man muss einfach einen Kompromiss finden und Abstriche machen. Man sollte sich aber nicht verbiegen. Wenns wehtut, ist das nicht unbedingt ein Wachstumsschmerz, sondern dass man entgegen der eigenen Interessen handelt.

Um wieder zum Thema zurückzukommen: Wenn ich eine Fantasygeschichte in einer bestimmten Stadt erzählen will, einfach, weil die Geschichte dort am besten funktioniert und sich dort einfach richtig anfühlt, dann würde ich nicht von diesem Schauplatz abrücken, nur weil andere Schauplätze die vermeintlich beliebteren sind. Literatur hat sich entwickelt, Trends haben sich entwickelt. Nichts davon "war" einfach. Wer weiß, ob man nicht selbst den Samen eines neuen Trends setzt, wenn man auf die inneren Eingebungen hört, anstatt altbekannten Mustern zu folgen?  :)

Stereotypen haben ihre Berechtigung bzw. ihre Gründe, aber sie sind kein Argument per se gegen Neues, das erst erprobt werden muss.

Nikki

Auf Arte läuft eine Dokumentationsreihe über Schriftsteller*innen in Kanada, nachzusehen hier. Ich finde, am Beispiel dieser Reihe wird sehr schön deutlich, wie vielseitig ein Land/Ort als Schauplatz sein kann. Abhängig davon, wie und wo di*er Autor*in die Schwerpunkte setzt und welche Geschichte erzählt werden soll. Wunderbar an der Reihe ist auch, dass viele queere, nicht weiße Autor*innen vertreten sind.
Gleichzeitig regt diese Reihe auch dazu an, sich mit Stereotypen (über Kanada) auseinanderzusetzen. Sätze wie "Kanada ist bekannt für Natur/Toleranz/etc." fallen oft, um vom nächsten Satz gleich entlarvt zu werden und durch die Erfahrungen der Autor*innen relativiert zu werden. Man könnte das mit jedem anderen Ort genauso machen.

Zit

#113
Oh ja, die habe ich letztens auch gesehen, nachdem ich den Arte-Beitrag über Margarete Atwood gesehen habe. (Ich war von Atwood sehr positiv überrascht, habe bisher nichts von ihr gelesen und mich nicht mit ihr auseinandergesetzt.) Die Reihe war tatsächlich sehr interessant. Beim Angucken habe ich mich aber gefragt, ob sowas über Deutschland wirklich funktioniert. :hmmm: Wir rühmen uns zwar immer, das Land der Denker und Erfinder:innen zu sein, aber so wirklich viel Kultur haben wir nicht. Mir fallen vielleicht Harzsagen ein bzw. der Harz und das Erzgebirge als solches, um eine Art Natur zu haben, aber sonst habe ich das Gefühl, dass wir als Land immer in der Moderne leben und ständig im Wandel sind. (Jetzt mal von den Lobbyisten abgesehen, die so an der Braunkohle und ihren Autos hängen. ::) )
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Nikki

Atwoods Bücher warten auch noch in meinen Regalen darauf, gelesen zu werden.  ;D

ZitatBeim Angucken habe ich mich aber gefragt, ob sowas über Deutschland wirklich funktioniert. :hmmm: Wir rühmen uns zwar immer, das Land der Denker und Erfinder:innen zu sein, aber so wirklich viel Kultur haben wir nicht. Mir fallen vielleicht Harzsagen ein bzw. der Harz und das Erzgebirge als solches, um eine Art Natur zu haben, aber sonst habe ich das Gefühl, dass wir als Land immer in der Moderne leben und ständig im Wandel sind. (Jetzt mal von den Lobbyisten abgesehen, die so an der Braunkohle und ihren Autos hängen. ::) )

Ich kann jetzt nur von meinen Vorurteilen und Stereotypen gegenüber Deutschland als Österreicherin sprechen. "Land der Denker und Erfinder" wäre nichts, was mir als Erstes in den Sinn käme. Ich glaube, von all den Ländern, deren Stereotype ich im Kopf habe, ist Deutschland für mich noch eines der neutralsten. Bei Deutschland muss ich sofort an den "Wettstreit" Deutschland vs. Österreich denken, angefangen bei Córdoba bishin zu Bundesdeutsch vs. "Österreichisch", wobei Letzteres scheinbar immer das Nachsehen hat. Wenn man sich bspw. englischsprachige Youtubekommentare anschaut, sind ziemlich schnell Stereotype zu finden, die auf das 3. Reich zurückgehen. Ich persönlich kann gut zwischen dem historischen Deutschland (und Österreich) von 1945 und der Gegenwart unterschieden - und bin dann immer wieder perplex, wenn ich Ansagen höre, die gut und gerne 80 Jahre alt sein könnten.

Ich habe so gut wie keinen Bezug zu Kanada. Der einzige Stereotyp, der mir bewusst ist, ist der aus der Populärkultur (v.a. HIMYM), dass Kanadier*innen ja immer so freundlich seien, dass es fast an Rückhaltlosigkeit grenzt.

Ich habe mir also ein paar Teile dieser Dokumentation angesehen und mich dabei gefragt -  wie sähe sie in Österreich oder Deutschland aus? Der Naturaspekt, der immer wieder betont wurde, könnte meiner Meinung ebenso gut funktionieren.

Bei der Darstellung von diversen Autor*innen und Romanen aber habe ich das Gefühl, dass diese nicht auf dieselbe ruhige Art ablaufen könnte, wie es in der Dokumentation über Kanada der Fall ist. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die (deutschsprachige) mediale Berichterstattung für mich greifbarer und dementsprechend spürbar aufgeheizter ist. Denn auch ethnische Minderheiten in Kanada haben akute Probleme, sodass diese Distanz, die ich persönlich zu dem Thema spüre, sicher nicht den jeweiligen Lebensrealitäten entspricht.

Das meine ich damit, dass es einen Unterschied macht, auf welche Weise Leser*innen sozialisiert wurden. Das ist etwas, auf das haben Autor*innen einfach keinen Einfluss, sollte aber dennoch im Hinterkopf behalten werden, wenn man der Ansicht ist, man habe den "perfekten" Schauplatz, das "perfekte" Setting, die "perfekten" Figuren etc. gefunden. Unterm Strich ist alles so relativ. Und auch heute im Zuge der Globalisierung, finde ich, kann man nicht mehr nur von dem deutschen/deutschsprachigen, englischen/englischsprachigen, italienischen, französischen etc. Zielpublikum bzw. Buchmarkt ausgehen.

Zit

Ja, ich denke, es macht auch immer einen starken Unterschied, was innerhalb des Landes für Bilder vom Land kultiviert werden, und wie andere Länder von außen sich gegenseitig sehen. Wenn ich an Österreich denke, denke ich in erster Linie an die Skigebiete (typisch, Deutsche reisen ja überall hin; außer in Nordkorea trifft man in jeder Ecke früher oder später einen Mitbürger), allgemein an Berge plus die dazugehörige Natur (guck halt gern Natur-/ Tierdokus) und an Wien (+ Klischee, dass Wiener grummlig sind). Aber ansonsten ist Österreich für mich genauso neutral wie Deutschland es wohl für dich ist. :) Also, mir fällt eigentlich kein Land ein, gegen das ich als solches Ressentiments habe. :hmmm: Das sind eher einzelne Personen (wie Trump oder Kim Jong-un) oder Ereignisse (Japan und Comfort Women... schwieriges Thema, aber ich stecke in der Kultur nicht drin, dass ich wirklich verstehen würde, warum Japan nicht über seinen Schatten springt und dieses dunkle Kapitel anerkennt und aufarbeitet) – aber nicht das Land als solches.

ZitatBei der Darstellung von diversen Autor*innen und Romanen aber habe ich das Gefühl, dass diese nicht auf dieselbe ruhige Art ablaufen könnte, wie es in der Dokumentation über Kanada der Fall ist.

Hm, ich denke, dass man da auch das Format mit einbeziehen muss. Arte gehört zu einer Sparte, die keine reißerischen Dokus/ Reportagen macht. Ich weiß nicht wie man das nennt oder ob es wirklich ein Stil ist, für den es einen Namen gibt. Dinge, die Arte zeigt, haben so eine Art, dass sie die Leute für sich sprechen lassen und dass die Worte der Leute für sich stehen und der Zuschauer selber darüber nachdenken muss, was sie bedeuten. Wie die Dame in der Doku, die über eine Zukunft geschrieben hat, in der queere Menschen verfolgt werden. Dieser kamen während des Interviews auch die Tränen und man hat das nicht nochmal gedreht sondern drin gelassen, um zu zeigen wie nah es ihr geht. (Wie sie durch den Park gingen und sie meinte, dass sie ebenjenen Baum gut für ihre Lynchszene im Buch hält. Brr.)
Btw.: Mir war es auch nicht bewusst wie rassistisch Kanada war/ ist. (Als eine andere Frauen davon erzählten wie Indigene/ Inuit getötet/ vertrieben wurden.) Aber Menschen sind überall gleich. Es gibt immer welche, die gefühlt denken sie wären besser und das dann als legitimen Grund nehmen, die schlechteren Menschen zu töten.

Aber irgendwie schweife ich gerade ab. :rofl: Ich fand die Reihe jedenfalls gut und erhellend, kriege aber gerade nicht die Kurve zum eigentlichen Thema zurück. Außer vielleicht, dass andere Länder/ das Unbekannte immer attraktiver wirkt als das eigene Land/ das Bekannte, weil man das so gut Bekannte eigentlich gar nicht mehr bewerten kann durch die Alltäglichkeit. (Und vielleicht, dass ich sie selbst gar keine Kultur habe bzw. das Gefühl habe, keine Kultur zu haben, weil ich Nachkomme derjenigen bin, deren Staat vor 30 Jahren weggebrochen ist und die man damals ganz schön hat hängen lassen; siehe Netflix-Reihe "Rohwedder".)
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getting a headache."
Unbekannt

Nikki

ZitatAber irgendwie schweife ich gerade ab.

So offensichtlich unser Exkurs auch wirkt, finde ich nicht, dass er ein tatsächlicher ist. Ich finde, die Fragestellung kann nicht ohne die Einbeziehung von (vermeintlichen) Stereotypen beantwortet werden. Selbst wenn diese auf den ersten Blick (für Leser*innen) nicht erkennbar sind, finde ich, sollten Autor*innen sich darüber Gedanken machen, was der Idee eines Genres und damit verbundenen Faktoren wie immer wiederkehrende Settings, Motive etc. zugrunde liegt. In weiterer Folge müssen Autor*innen dann für sich entscheiden, ob sie sich im stereotypen Rahmen weiter bewegen wollen (in Urban Fantasy wären das wohl London, New York, LA?) oder ob sie neue Rahmenbedingungen schaffen wollen. Entscheiden Sie sich für den zweiten Weg, sollten sie sich dennoch darüber Gedanken machen, wieso die bestehenden Stereotype funktionieren bzw. wie sie erst zu solchen geworden sind und was für Erkenntnisse sie für ein neues Setting, neues Motiv anwenden und nützen können.

Die Doku hat unterschiedlichste Autor*innen zu Wort kommen lassen, die alle einen gemeinsamen Nenner hatten: Kanada als Schauplatz und/oder Sozialisierungsort. Ich finde, es wurde sehr deutlich, wie vielseitig dieses "eine Setting" ist und man nicht kategorisch sagen kann: Eignet sich super/überhaupt nicht als Setting für Genre X. Genauso wenig finde ich kann die Ursprungsfrage beantwortet werden, ob sich Deutschland automatisch (dis-)qualifiziert als Urban Fantasy Setting.

Es kommt darauf an, was für eine Geschichte di*er Autor*in schreiben möchte, sobald das mal entschieden ist, bin ich mir sicher, dass ein entsprechendes Setting sogar in Deutschlang zu finden ist. Außer Autor*in möchte unbedingt für ein Publikum schreiben, das Urban Fantasy in, Hausnummer, London lesen will. Dann wird es natürlich schwieriger. ;D Aber dann muss die Frage auch anders lauten.

Nur noch eine kleine Bemerkung direkt zur Doku:
ZitatWie die Dame in der Doku, die über eine Zukunft geschrieben hat, in der queere Menschen verfolgt werden. Dieser kamen während des Interviews auch die Tränen und man hat das nicht nochmal gedreht sondern drin gelassen, um zu zeigen wie nah es ihr geht.
Genau diese Szene habe ich als berührend, aber auch sehr abgeklärt empfunden. Die Person hat sich vielmehr mit den Leidtragenden identifiziert als Hass auf ihre Peiniger*innen zu empfinden. Genau so ein Mindset kann ich mir im Moment in einem deutschsprachigen Setting nicht vorstellen, da die Medien immer einen Sündenbock brauchen, um auf den loszuschimpfen und auch die Leute sich eher Heilung durch Anprangern als konstruktive Umgangsweisen versprechen. Besagte Person zum Beispiel wählt den Weg, dass sie ihre queeren, nicht weißen Figuren nie sterben lassen wird. Das fand ich sehr schön.

Koboldkind

KLeines reingrätschen mit einer Bemerkung, die mir letztens untergekommen ist: Habe ein Urban Fantasy Setting gewichtelt bekommen und es in das Schleswig-Holsteinsche Land verlegt. Ist das noch Urban? Da ich aus dem dicht besiedelten Frankfurter Raum komme wäre für mich ein solcher Vorort auch schon schweres Urban. Aber was wäre die Alternative? Es Pastoral/ländliche Fantasy zu nennen? Und wo gibts das in Deutschland heute noch?
Wer jetzt nicht wahnsinnig wird, muss verrückt sein.

Araluen

Fällt das dann nicht einfach in Contemporary Fantasy? Urban Fantasy ist ja letztlich auch nur eine Spielart der Contemporary Fantasy mit der Vorgabe, das Ganze in einer Stadt (meist Großstadt gemeint) spielen zu lassen.

Maubel

Das ist ein Riesenstreitgebiet in der englischen Community. Manche nehmen den Begriff Urban sehr ernst und bestehen auf die Stadt, bzw. verlangen, dass die Stadt quasi schon ihr eigener Charakter ist. Andere sehen im Urban Fantasy eher ein Feeling. Wir nehmen mal als Beispiel Buffy. Für viele der Inbegriff der Urban Fantasy und genau dieses Feeling. Sunnydale ist nun aber ganz weit von urban entfernt und der Definition nach "nur" Contemporary Fantasy. Angel hingegen ist Urban Fantasy, weil das in L.A. spielt.

Der Streit geht dann aber auch noch weiter, ob es Urban Fantasy ist, wenn es die Stadt in den 50ern ist zum Beispiel. Also darf Urban Fantasy auch historisch sein? Eins ist in jedem Fall klar, ganz so einfach wie es auf den ersten Blick scheint, lässt sich das nicht abstecken.